Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, was machen wir eigentlich? Die Bundesregierung und das Bundesparlament nehmen das zurück, was Frau Künast zulasten der Landwirte in den Senkel gestoßen hat. Diese Wettbewerbsverzerrung nehmen wir zurück.

Zu der Neiddebatte, das sei alles für die Großen, sage ich: Verzeihung, wenn ich größere Flächen und damit mehr zu bewirtschaften habe, verbrauche ich mehr Diesel. Dann muss sich Leistung auch lohnen. Dann ist doch nur natürlich, dass dieses …

(Zurufe von Horst Becker und Johannes Remmel [GRÜNE])

Kollegen von den Grünen, zu Ihrem Leistungsbegriff hat die Kollegin Beer heute Morgen einen Salto mit eingedrehter Rolle inklusive Pirouette gedreht. Sie stand hier und sagte: Leistungsdruck bei Schülern ist Menschenrechtsverletzung. Das passt genau da hinein.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Leistungsdruck bei Schülern soll eine Menschenrechtsverletzung sein! Das ist Ihr Verständnis von Leistungsbewusstsein, das sich in Ihren Ausführungen widerspiegelt.

Als Nächstes heißt es, die Kleinen bekämen gar nichts. – Frau Watermann-Krass hat allerdings selbst darauf hingewiesen, dass der Selbstbehalt von 350 € wegfällt.

Außerdem wird behaupt, die armen Milchbauern bekämen angeblich nichts. – Dass der nicht auskömmliche Milchpreis für die Milchbauern eine besondere Problematik darstellt, muss man gar nicht weiter ausführen. Aber die Milchbauern verbrauchen tatsächlich wesentlich weniger Diesel. Herr Kollege Remmel, die Grundlagen der Mathematik sollten zwischen uns beiden eigentlich geklärt sein. Wenn ich diese anerkenne, ist es klar, dass Erstattung und Verbrauch zusammenhängen müssen.

Herr Kollege, wollen Sie die Zwischenfrage des Kollegen Remmel zulassen?

Bitte schön, Herr Kollege Remmel, Sie haben das Wort.

Schönen Dank. – Da wir uns über die Grundlagen der Mathematik einig sind, sollten wir uns vielleicht auch über die Grundlagen der Politik einig werden können. Beabsichtigt war es, den Milchbauern zu helfen, aber jetzt hilft man den Ackerbauern. Diese Gleichung kann nicht aufgehen. – Können Sie das bewerten?

Herr Kollege Remmel, wir wollen uns einmal in Abstraktion versuchen. Milchbauern und Ackerbauern haben etwas gemeinsam: Sie sind beide Landwirte; das ist der Oberbegriff. Deswegen ist die Maßnahme noch hinreichend zielgerichtet. Ist das in Ordnung?

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Ja!)

Die Neiddiskussion ist falsch, und Leistung muss sich lohnen. Das spiegelt sich in der Maßnahme der Bundesregierung wider.

Aus den Ausführungen des Kollegen Remmel spricht ein romantisiertes Bild des Bauern mit vorgespanntem Ackergaul, der die Welternährung sichern soll. Wir haben aber eine industrielle Landwirtschaft, und diese ist zur Welternährung notwendig. Diesem Auftrag müssen und können wir uns verantwortungsvoll stellen. Die einzelnen von meinem Kollegen Ortgies dargestellten Detailregulierungen, die zu Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Maßstab im Hinblick auf den Dieselpreis führen, wollen wir jetzt zurückfahren.

Deswegen kann ich dem Antrag der Grünen nicht zustimmen. Ich bedaure außerdem, dass wieder ein weltfremdes Bild der Landwirtschaft gezeichnet wird, das die Probleme unserer Zeit nicht löst. Ich bedaure es, dass wir diesbezüglich nicht auf einen vernünftigen gemeinsamen Nenner kommen können. Leistung muss sich lohnen. Wer mehr Diesel verbraucht, bekommt eine höhere Erstattung. Die Regelung zu dem Selbstbehalt aus der Künast-Ära, die sich gegen die Kleinen richtete, wird abgeschafft. Das ist gerecht und richtig. – Schönen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Uhlenberg das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das, was hier versucht wird, kennen wir von den antragstellenden Fraktionen nur zu gut. Es geht wieder einmal darum, einen Keil zwischen die landwirtschaftlichen Betriebe nach dem Motto zu treiben: kleine Betriebe gut, große Betriebe schlecht. – Das ist nicht das Leitbild der nordrheinwestfälischen Landesregierung.

(Beifall von der CDU)

Die deutsche Landwirtschaft trägt europaweit die höchste Steuerlast auf Agrardiesel. Das sind Fakten, und man sollte sich vielleicht auch im Rahmen eines solchen Themas etwas mit Fakten beschäftigen. Gegenüber einem niederländischen Berufskollegen sind das mehr als 30 €/ha. Das verzerrt – wie

der eine oder andere möglicherweise nachvollziehen kann – den Wettbewerb. Für gut die Hälfte dieser gravierenden Mehrbelastung trägt die ehemalige rot-grüne Regierung die Verantwortung. Das System der Kappung bei mehr als 10.000 l Verbrauch und der Selbstbehalt von 350 € wurden mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2005 von Rot-Grün eingeführt.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Der Bundesrat hat das auch beschlossen!)

Die nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsbetriebe zahlen aufgrund des Beschlusses von Rot-Grün aus dem Jahr 2005 seitdem jährlich 17 Millionen € mehr Steuern. Jetzt wird diese unsinnige Regelung von Frau Künast und der damaligen Regierung wieder aufgehoben und der Zustand von vor 2005 wieder herbeigeführt. Wie kann man denn da von einem Steuergeschenk oder von Absahnen reden? Das, was mehr gezahlt wurde, verbleibt jetzt wieder in den Betrieben. Mit Ihren Berechnungen, Herr Remmel, blenden Sie diese Tatsache völlig aus. Das, was Sie hier erzählt haben, kann man so nicht stehen lassen. Der Skandal ist nicht das, was die Große Koalition jetzt in Berlin auf den Weg gebracht hat, sondern der Beschluss aus dem Jahr 2005.

(Beifall von der CDU)

Die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft auch bei uns in Nordrhein-Westfalen wurde damit geschwächt. Im Übrigen bekommen durch die Aufhebung des Selbstbehalts jetzt auch wieder Kleinbetriebe unter 16 ha eine Erstattung. Das müsste Sie doch eigentlich freuen.

Die Überschrift Ihres Antrages lautet „Eine halbe Milliarde Euro für Agrardiesel-Steuergeschenke: Wenige Großbetriebe sahen ab – 85 % der Betriebe gehen fast leer aus“. Wenn 100 % berücksichtigt werden, stimmt noch nicht einmal die Überschrift Ihres Antrags.

Seitdem ich Landwirtschaftsminister dieses Landes bin, habe ich auf eine Änderung der Agrardieselbesteuerung gedrängt. Die Agrarministerkonferenz hat den Bund mehrfach aufgefordert, auf europäischer Ebene aktiv zu werden. Es geht uns darum, die großen Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten bei dieser Steuer zu beseitigen. In Frankreich zahlen die Landwirte 0,66 Cent/l Diesel, in Belgien 1,8 Cent, in den Niederlanden 7,7 Cent und in Deutschland im Schnitt 40 Cent.

Wir haben aber immer gesagt, dass als erstes die Kappung bei 10.000 Litern und der Selbstbehalt weg müssen, wenn der Bund auf europäischer Ebene nichts erreicht. Jetzt soll das endlich umgesetzt werden.

Sie fordern dieses Haus auf, eine Blockade dagegen auf den Weg zu bringen. Die Landesregierung soll sich auf Bundesebene gegen die Änderung der

Agrardieselbesteuerung stellen. Meine Antwort darauf lautet ganz klar: nein!

Am Montag hat der Agrarausschuss des Bundesrates Zustimmung zur Änderung des Energiesteuergesetzes empfohlen. Das Abstimmungsverhältnis – nun wird es sehr interessant – wird der antragstellenden Fraktion sicher bekannt sein. Es war 15 zu null. Alle sozialdemokratischen Länder haben dafür gestimmt, und auch die beiden Länder, in denen die Grünen in Regierungsverantwortung sind – nämlich Hamburg und Bremen –, haben dafür gestimmt. Ich weiß also gar nicht was das Theater soll, das Sie, Herr Remmel, heute hier veranstalten.

(Beifall von der CDU – Johannes Remmel [GRÜNE]: Jeder weiß doch, wie der Bundes- rat funktioniert!)

Sie haben sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, mit den Landesregierungen zu telefonieren, die im Bundesrat etwas zu sagen haben.

Das ist ja das Dolle an dieser Geschichte. Es geht Ihnen hier nicht um die Landwirtschaft, sondern das Ganze ist wieder einmal Klamauk.

Jedem muss klar sein, dass die dringend notwendige Liquiditätssicherung unserer landwirtschaftlichen Betriebe natürlich nicht alleine durch die Steuerentlastung beim Agrardiesel erreichbar ist. Dazu haben wir ein ganzes Paket auf den Weg gebracht, das wir auch im Ausschuss und im Plenum intensiv diskutiert haben.

Meine Damen und Herren, noch ein Hinweis: Es wird immer so getan, als gäbe es zum einen die Grünlandbetriebe und zum anderen die Ackerbaubetriebe. Möglicherweise sind Sie längere Zeit nicht mehr auf einem landwirtschaftlichen Betrieb gewesen. Diese Aufteilung gibt es vielleicht noch in Siegen-Wittgenstein und in dem einen oder anderen Bereich des Hochsauerlandkreises. Aber ansonsten sind das in Nordrhein-Westfalen Gemischtbetriebe. Es sind Grünlandbetriebe und Ackerbaubetriebe. Sie alle haben Vorteile durch diese Entscheidung.

Meine Damen und Herren, es ist auch nicht so, dass ein Ackerbaubetrieb automatisch mehr Diesel pro Hektar verbraucht als ein Grünlandbetrieb. Eine Grünlandfläche müssen Sie mehrmals im Jahr befahren. Sie muss gedüngt werden, man muss Silo oder Heu machen, es muss gemäht werden. Das kann unter Umständen zu einem höheren Dieselverbrauch führen, als wenn Sie eine Ackerbaufläche haben, auf der Sie zum Beispiel Zuckerrüben anbauen, die im Frühjahr gesät und im Herbst gerodet werden. Sie machen im Grunde wieder eine Hetze zwischen Ackerbauern und Grünlandbauern. Das geht nicht auf.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Diese Betriebe hat es eigentlich in NordrheinWestfalen noch nie so gegeben. Die hat es eigentlich immer in der DDR gegeben. Da gab es die

Viehbetriebe – das waren die LPG, die nur Kühe gehalten haben – und die großen Betriebe – das waren die LPG, die Ackerbau betrieben haben.

Herr Minister.

Diese Struktur der Landwirtschaft war mir immer fremd. Ich habe mich immer für den bäuerlichen Familienbetrieb eingesetzt.

Die SPD auf Bundesebene hat sich hier in den letzten Wochen konstruktiv verhalten.

Herr Minister, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Die Haltung der SPD in Nordrhein-Westfalen sieht anders aus. Es wird in den nächsten Wochen ein schönes Thema in Nordrhein-Westfalen sein, wie sich die SPD wieder einmal gegen den ländlichen Raum, gegen unsere bäuerlichen Familienbetriebe in Nordrhein-Westfalen aufgestellt hat. Von den Grünen in Nordrhein-Westfalen ist sowieso nichts zu erwarten. Nein, meine Damen und Herren, Ihre Agrarpolitik schadet unseren Bäuerinnen und Bauern in Nordrhein-Westfalen.

Herr Minister, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Ich bedanke mich sehr herzlich bei den Koalitionsfraktionen für die Unterstützung.

(Beifall von CDU und FDP)