Protokoll der Sitzung vom 30.11.2005

denn 50 % aller Väter zahlen gar keinen Unterhalt, verringerten Unterhalt oder einen Betrag, der unterhalb des Regelunterhalts liegt. Auch diese Regel macht keinen Sinn.

Setzen Sie sich lieber auf Bundesebene für ein ordentliches Unterhaltsrecht ein, damit die Väter anständig ihren Unterhalt bezahlen. Das wäre ein Meilenstein gegen Leistungsmissbrauch.

(Beifall von der SPD)

Vielleicht geht es dieser Landesregierung auch nur darum, ihre Symbolpolitik fortzusetzen, damit demnächst durch von Bürokratie enthemmte Reiterstaffeln kopftuchtragende Mütter mit ihren kriminellen vaterschaftsanerkannten Jugendlichen vor Unterrichtsausfall bewahrt werden -

(Heiterkeit von der SPD)

ein Symbol nach dem anderen. Es nutzt Ihnen nichts.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Genau!)

Wir haben unseren Entschließungsantrag vorgelegt, weil wir der Auffassung sind, dass Sie mit Kanonen auf Spatzen schießen.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Genau!)

Das mag Ihnen nicht gefallen. Wir sehen keine Notwendigkeit, etwas staatlich zu regulieren. Bei Sozialbetrug gibt es im Strafrecht genug Möglichkeiten.

Ich möchte der Vollständigkeit halber darauf hinweisen, dass die FDP auf Bundesebene den entsprechenden Antrag im Deutschen Bundestag abgelehnt hat, Herr Kollege Orth.

(Heiterkeit von der SPD)

Die SPD-Landtagsfraktion lehnt mangels verwertbarer Daten und mangels gesetzgeberischer Notwendigkeit den vorliegenden Antrag ab. Wir bitten insbesondere die FDP, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Herr Stotko, vielen Dank für Ihren Beitrag. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Düker. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kein Wunder, Herr Orth, dass Sie Ihren Beitrag so kurz gefasst haben. Ich hätte an Ihrer Stelle auch Schwierigkeiten gehabt zu erklären, wie Ihr Name unter diesen Antrag kommt.

(Heiterkeit von der SPD)

Gerade die FDP als Bürgerrechtspartei hat sich im Landtag immer hervorgetan, wenn es um die Eingriffsrechte des Staates in die Privatsphäre ging.

Ich erinnere - Sie sind da sehr sensibel - an die Debatte um den großen Lauschangriff. Dabei haben Sie - nicht nur in Berlin, sondern auch hier - die verfassungskonforme Änderung der Koalitionsfraktionen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgelehnt, weil es um Eingriffe in die Privatsphäre ging. Sie musste geschützt werden.

Zweitens: das Gesetz zur Steuerehrlichkeit. Auch da haben Sie die Privatheit des Bankkontos vor alle anderen Belange gestellt. Die Privatheit des Steuerhinterziehers ist Ihnen wohl offensichtlich wichtiger als die Privatheit von Vater, Mutter und Kind einer binationalen Familie. Das stelle ich fest, denn darum geht es.

(Beifall von der SPD)

Im Kern geht es um die Frage, wann sich der Staat in das sehr private Verhältnis von Vater, Mutter und Kind einmischen darf. Das ist ein grundrechtlich geschützter Bereich. Das heißt: Solche Eingriffe unterliegen natürlich - das müssen Sie, Herr Orth, als rechtsstaatlich denkender Mensch nur unterschreiben können -

(Dr. Robert Orth [FDP]: Wenn es sich um den Vater handelt, soll er auch geschützt sein!)

dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Aus unserer Sicht ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht im Mindesten nachzuvollziehen. Sie diskriminieren binationale Familien einseitig, denn Sie greifen in Familienrechte von Ausländerinnen ein und Sie diskriminieren nichteheliche Lebensgemeinschaften. Somit liegt eine doppelte Diskriminierung vor.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist aus meiner Sicht nicht gewahrt, wie auch schon der

Kollege Stotko sehr ausführlich vorgetragen hat. Im Gegenteil: Sie setzen zweierlei Recht, Sie messen mit zweierlei Maßstab. Aus unserer Sicht kann es keinen Rechtsstaat erster und zweiter Klasse geben. Solche rechtlichen Grundsätze müssen für alle gelten.

Die Reform des Kindschaftsrechts erfolgte im Jahre 1998 aus guten Gründen. Dabei ging es um eine Gleichstellung von nichtehelichen und ehelichen Kindern. Die Einspruchsmöglichkeit der Jugendämter gegen die Vaterschaftsanerkennung bei nichtehelichen Kindern wurde aufgehoben. Damit wurde die Gleichstellung erreicht. Das war richtig und wichtig. Aber Sie wollen diese Gleichstellung im Bereich der der Familie einseitig aufheben. Wir meinen: Was für die Vaterschaftsanerkennung nichtehelicher Kinder gilt, sollte auch für die Kinder ausländischer Mütter gelten.

Der hehre letzte Satz Ihres Antrags lautet:

„Die Hürden für das Anfechtungsrecht der öffentlichen Träger müssen … ausreichend hoch angesetzt werden.“

Man wolle ja nicht alle unter Generalverdacht stellen, und es solle nur für missbräuchliche Fälle gelten. - Ich frage Sie, denn da bricht natürlich die Begründung ab …

(Dr. Robert Orth unterhält sich mit seinem Sitznachbarn.)

- Herr Orth, schön dass Sie der Debatte so aufmerksam lauschen. Das finde ich sehr demokratisch. Vielleicht könnten Sie auch einmal unseren Argumenten zuhören.

Wie sollen diese Hürden aussehen? Wie wollen Sie diese Verdachtsfälle identifizieren? - Dazu findet sich in Ihrem Antrag nichts. Ein Argument wird immer wieder genannt - auch in der Begründung der Justizministerkonferenz: Man könne die fehlende Bereitschaft des Vaters, für das Kind zu sorgen, als Verdachtskriterium heranziehen. - Die Mutter, die von einem Deutschen ein Kind erwartet, ist, wenn dieser Mann nicht zahlt, doppelt bestraft: mit dem nicht zahlenden Vater und mit der Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung und damit mit dem Verlust der Aufenthaltsrechte. Das kann doch nicht sein.

Gleichzeitig suggerieren Sie - Herr Giebels hat das vorgetragen -, das sei ein Massenphänomen. Herr Stotko hat dankenswerterweise die Zahlen genannt. Es geht um 1.381 Kinder, die in einem Jahr, zwischen 2003 und 2004, durch die Vaterschaftsanerkennung eines Deutschen Deutsche geworden sind.

Sie können nicht unterstellen, das alles seien Verdachtsfälle per se. Wenn man den Sozialhilfebezug und die weiteren aufgeführten Kriterien - fehlende Bereitschaft des Vaters, soziale Beziehungen und weitere dubiose Merkmale - heranzieht, muss man fragen: Wie viele Fälle bleiben dann übrig? Glauben Sie wirklich, dass es gerechtfertigt ist, für diese Einzelfälle, in denen es krassen Missbrauch gibt - unser Rechtssystem hat durchaus Möglichkeiten einzugreifen -, eine ganze Gruppe von ausländischen, binationalen Familien unter Generalverdacht zu stellen? - Wir meinen das nicht.

(Zuruf von Dr. Robert Orth [FDP])

Wir haben in der Ausländerpolitik ganz andere Probleme als die 1.381 Kinder, die durch Vaterschaftsanerkennung Deutsche geworden sind. In Deutschland gibt es über 200.000 Menschen, die viele Jahre lang hier leben, die sich integriert haben und die in dieser Gesellschaft angekommen sind, die aber immer noch keinen klaren Aufenthaltsstatus haben. Das sind Probleme. Es gibt in Nordrhein-Westfalen über 60.000 sogenannte Kettengeduldete, die in dieser Gesellschaft leben. Sie haben eine so genannte Duldung ohne rechtlichen Status.

Das Problem müssen wir lösen. Das sind auch diese Kinder. Das sind zum Teil Kinder von Müttern, die hier lange leben und eine Chance erhalten sollen, Deutsche zu werden …

Frau Düker.

... und in dieser Gesellschaft ihren Platz finden sollen. An der Schraube müssen wir drehen. Wir brauchen eine Bleiberechtsinitiative, eine Altfallregelung. Dann lösen sich solche Probleme auch. In den Einzelfällen hat unser Rechtsstaat genug Möglichkeiten zu handeln, um Missbrauch zu vermeiden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Düker, für Ihren Beitrag. - Für die Landesregierung hat Frau Justizministerin Müller-Piepenkötter das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der gemeinsame Antrag der Koalitionsfraktionen greift ein wichtiges Anliegen auf, das die Konferenz der Innenminister bereits im Herbst des vergangenen Jahres formuliert hat und das inzwischen auch die breite Unterstützung

der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister gefunden hat: die Schaffung einer gesetzlichen Handhabe gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen.

Ein solcher Missbrauch ist gegeben, wenn die Anerkennung der Vaterschaft nicht aus biologischer oder sozial-familiärer Verbundenheit mit dem Kind erfolgt, sondern allein zu dem Zweck, der ausreisepflichtigen Mutter des Kindes ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu verschaffen.

Ich möchte die problematischen Fälle einmal kurz skizzieren. Die Mutter des Kindes ist Ausländerin ohne Aufenthaltsrecht und deshalb ausreisepflichtig. In dieser Situation findet sich ein deutscher Mann, der gegen Entgelt bereit ist - Herr Giebels hat es geschildert -, die Vaterschaft für das Kind anzuerkennen, obwohl er weder der biologische Vater des Kindes ist noch eine soziale Beziehung zu Mutter und Kind hat. Es handelt sich mit anderen Worten um einen der Mutter und dem Kind völlig fremden Mann. Das Kind erhält hierdurch die deutsche Staatsbürgerschaft, die Mutter infolgedessen einen Aufenthaltstitel und eventuell auch Sozialleistungen.

Persönliche Folgen aus der zweckwidrigen Anerkennung haben die Beteiligten nicht zu befürchten. Unser Rechtssystem bietet dafür keine Möglichkeit. Die Anerkennung ist nach geltendem Recht völlig legal. Die an sich bestehende Pflicht des Mannes zur Zahlung von Unterhalt für Mutter und Kind läuft ins Leere, wenn der Mann selbst Sozialhilfeempfänger und ohne Aussicht auf eigenes Einkommen ist.

Eine Möglichkeit des Rechtsstaats, der staatlichen Behörden der Vaterschaftsanerkennung zu widersprechen oder die Vaterschaft anzufechten, besteht auch bei begründetem Missbrauchsverdacht gerade nicht. Das ist angesichts des massiven Eingriffs in die Rechte des betroffenen Kindes, das einen völlig Fremden als rechtlichen Vater vorgesetzt bekommt, eine nicht hinzunehmende Lücke in unserem Rechtssystem.

Nach der im Antrag der Koalitionsfraktionen korrekt zitierten Erkenntnis der Ausländerbehörden aus den Erhebungen in den Jahren 2003 und 2004 müssen wir davon ausgehen, dass das Problem der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen ein Ausmaß angenommen hat, das wir nicht einfach ignorieren können.

Da der Entschließungsantrag der Oppositionsfraktionen die erhobenen Zahlen verkürzt wiedergibt, will ich das Ergebnis noch einmal in seinem Kern darstellen:

In 2.289 Fällen wurde eine Aufenthaltsgenehmigung an eine unverheiratete ausländische Mutter eines deutschen Kindes erteilt. Davon waren 1.665 Mütter, also 73 %, ausreisepflichtig. In 1.381 dieser Fälle - das sind knapp 83 % - beruhte die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes auf einer Vaterschaftsanerkennung durch einen Deutschen.