Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

Herr Minister, der Kollege Remmel hat eben eingefordert, dass man bei solchen von den Koalitionsfraktionen eingebrachten, eigentlich immer in sich sinnvollen Anträgen das Einvernehmen sucht. Jetzt habe ich mit meinem Kollegen von der CDU gesprochen und selbst auch nachgeschaut: Ist da vielleicht an uns etwas vorbeigegangen? Hat sich der Kollege Remmel mit seinem Antrag an Sie gewandt, Herr Minister?

Bei den Kollegen von der CDU und bei uns ist kein Antrag eingegangen, dass wir da etwas gemeinsam machen sollten. Ich finde es nicht richtig, wenn solche Anfragen in Ihr Haus kommen, dass Sie diese dann den Koalitionsfraktionen vorenthalten. Ist bei Ihnen da irgendetwas bekannt?

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Herr Abgeordneter Ellerbrock, mir ging es heute zunächst einmal darum, ein herzliches Wort des Dankes an die Koalitionsfraktionen zu sagen. Ich kann das jetzt ein bisschen erweitern und der Schulministerin und dem Finanzminister, der in diesem Zusammenhang auch eine besondere Verantwortung hatte, für die gute Zusammenarbeit danken, dass wir das jetzt so weit hinbekommen haben.

Ich möchte nicht in die Rechte des Parlaments eingreifen. Wenn wir in eine parlamentarische Situation kommen, dass die Fraktion der SPD und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Antrag der Koalitionsfraktionen zustimmen oder einen gemeinsamen Antrag stellen, dann werde ich das als Verbraucherschutzminister mit großem Interesse wahrnehmen; das wird dem Anliegen sicher nicht schaden. Aber das ist jetzt eine Sache des Parlaments, nicht des Ministers.

Herr Minister, Herr Remmel hat noch eine Zwischenfrage. Möchten Sie diese zulassen?

Gerne.

Bitte, Herr Remmel.

Herr Minister, habe ich Sie eben richtig verstanden, dass die Kofinanzierungsmittel des Landes, also die 2 Millionen €, im Rahmen der Ergänzungsvorlage nicht aus Ihrem Haus umgeschichtet, sondern zusätzlich bereitgestellt werden?

Herr Abgeordneter Remmel, wir werden Ihnen einen Finanzierungsvorschlag machen. Die Mittel kommen aus unserem Haus, aber selbst Sie werden mit diesem Finanzierungsvorschlag gut leben können. Es ist zunächst einmal für das Jahr 2010 gesichert, dass diese Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden. Das ist ein Kompromiss, den wir mit dem Finanzminister getroffen haben; ab dem Jahre 2011 wird es zusätzliches Geld geben.

Wenn wir Ihnen den Ergänzungsvorschlag unterbreiten werden, werden Sie Zustimmung signalisieren – das Gefühl habe ich heute schon –,

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

da Sie dann auch mitbekommen, aus welchem Topf diese Mittel zur Verfügung gestellt werden. Wir haben jetzt wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft – auch durch einen sinnvollen eigenen Beitrag aus dem Haushaltsplan 10 –, dieses Projekt auf den Weg zu bringen, weil der Landesregierung und mir als Verbraucherschutzminister die Schulernährung, die gesunde Ernährung unserer Kinder sehr am Herzen liegt.

Ich möchte noch etwas zu dem Bericht zur Qualität der Ernährung sagen, der am letzten Sonntag in „Westpol“ erschienen ist. Es ist richtig, dass wir bei der Fachhochschule Niederrhein eine Arbeit in Auftrag gegeben haben, mit der dies entsprechend überprüft wird. Im Hinblick auf die Berichte über eine Studie der Fachhochschule Niederrhein, die angeblich zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Lage beim Schulessen katastrophal ist, möchte ich aber betonen, dass es sich nicht um eine Studie zur Lage der Schulernährung handelt, sondern um ein Zertifizierungsverfahren zur Schulverpflegung, das an 17 Schulen durchgeführt worden ist. Zum Vergleich: Es gibt 3.500 Grundschulen in NordrheinWestfalen.

Dass Verbesserungsbedarf festgestellt wurde, steht außer Frage; das Thema nehme ich sehr ernst. Deswegen werden wir dieses Gutachten jetzt auswerten, und wir werden gemeinsam mit anderen Kommunen, zu denen wir schon Kontakt aufgenommen haben, ein Pilotprojekt starten. Wir werden diese Anregung der Fachhochschule Niederrhein, die von interessierter Seite sehr schnell an die Öffentlichkeit gebracht wurde, bevor es zu einer Auswertung in unserem Haus gekommen ist, ernst nehmen und umsetzen.

Ich kann also noch einmal festhalten, dass wir bei dem Zertifizierungsverfahren auf einem guten Weg sind. Für das Schulobstprogramm gibt es eine saubere Finanzierung in Nordrhein-Westfalen, und das gesamte Konzept wird in der nächsten Zeit auch mithilfe der Wirtschaft umgesetzt. Beim Thema Schulmilch – bevor das vergessen wird – hat Nordrhein-Westfalen ebenfalls eine Vorreiterrolle.

Ich habe nichts dagegen, wenn all diese positiven Aspekte, die von der Landesregierung auf den Weg gebracht worden sind, Eingang in einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen des Landtags Nordrhein-Westfalen finden, um damit die Politik der Landesregierung zu unterstützen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Uhlenberg. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir zum Schluss der Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/9916 an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend –, an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung, an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zu:

11 Geschlechtergerechte Drogen- und Suchtpolitik in NRW voranbringen!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7836

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Frauenpolitik Drucksache 14/9919

Der Antrag wurde gemäß § 79 Abs. 2 Buchstabe b der Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Frauenpolitik mit der Maßgabe überwiesen, dass eine Beratung und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgt. Diese liegt vor.

Ich eröffne die Beratung und gebe Frau Beer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen noch einmal kurz den Hintergrund des Antrags erläutern.

Frauenspezifischer Suchtpolitik wurde durch die schwarz-gelbe Landesregierung Ende 2006 der Boden entzogen. Das Land stellte die Finanzierung der Landesfachstelle Frauen & Sucht BELLA DONNA in Essen mit der Begründung ein, dass es sich angeblich um eine Doppelstruktur handelt. Das ist damals fachlich natürlich ein völlig absurdes Argument gewesen. Danach fand die Übergabe der gekürzten Landesmittel an die Landeskoordination Integration NRW statt; dort ist der Fachbereich Gender und Sucht angesiedelt. Aber von hier aus bewegte sich dann erst einmal nichts mehr. Das Motto lautete: Still ruht der See.

Die kommunalen Arbeitskreise Frauen und Sucht haben zwar vereinzelt weitergearbeitet, aber es gab da keine Koordinierung mehr, Qualifizierungen sind komplett entfallen, und der für die Praxis unabdingbare fachliche Austausch hat nicht mehr stattgefunden. Es gab keine Vernetzung, keine Weiterbildungsangebote und damit auch keine fachliche Unterstützung mehr. Das bedeutete Tabula rasa in der frauenspezifischen Drogen- und Suchtpolitik in Nordrhein-Westfalen.

Wir haben 2007 unsere erste Große Anfrage zur Drogen- und Suchtpolitik in NRW gestellt, die nicht geschlechtsspezifisch beantwortet wurde. Das war schon ein deutlicher Hinweis auf den blinden Fleck bei der Landesregierung. Im März 2008 gab es eine zweite Große Anfrage, mit der geschlechtsspezifische Aspekte explizit erfragt wurden. Die Landesregierung hat mit Allgemeinformeln geantwortet. Ich zitiere:

Es gehört zum Grundverständnis von in der Suchtberatung und Suchthilfe Tätigen, dass eine geschlechterdifferenzierte Betrachtung der Sucht Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Suchtbehandlung ist.

Allerdings ist in der Anhörung, die auf der Grundlage des aktuellen Antrags stattgefunden hat, genau die Anwendung dieser Formel deutlich widerlegt worden. Ich darf noch einmal die Ergebnisse der Anhörung ins Gedächtnis rufen. Das LKI hat die Arbeit von BELLA DONNA nicht fortgeführt und sieht sich auch nach eigenen Angaben überhaupt nicht dazu beauftragt, frauenspezifische Arbeit fortzuführen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ausgerechnet die Vertreterin des LKI gab als einzige Sachverständige zunächst überhaupt keine schriftliche Stellungnahme ab. Das ist ein deutlicher Ausweis des Selbstverständnisses der Fachstelle.

Alle Sachverständigen haben bestätigt, dass es keine flächendeckende Umsetzung von Gender

Mainstreaming gibt, insbesondere keine flächendeckenden geschlechtsdifferenzierenden Angebote. Die Notwendigkeit besteht aber, sie ist unbestritten und wird fachlich eingefordert. Die spezifischen Angebote für jeweils Frauen und Männer sind eben keinesfalls Doppelstrukturen, sondern notwendige Voraussetzung für eine geschlechterspezifische Umsetzung.

Seit dem Wegfall der erweiterten Grundförderung für die frauenspezifische Arbeit steht die Geschlechtsspezifik nicht nur weniger im Fokus, sondern es zeigt sich deutlich eine rückläufige Entwicklung bezogen auf die qualifizierte Arbeit mit Frauen. Es ist besonders bitter, wenn man das feststellen muss. Die Teilnahme der Mitarbeiterinnen aus Suchthilfeeinrichtungen an Arbeitskreisen muss häufig erst einmal gerechtfertigt werden. Das heißt, die Vernetzung auf der strukturellen Ebene wird deutlich schwieriger. Sie ist zeitaufwändiger geworden, und weitere Qualitätsverluste stehen zu befürchten.

Es liegt wieder zunehmend im persönlichen Engagement von Kolleginnen, Angebote für Frauen aufrechtzuerhalten bzw. umzusetzen. Fachliche und politische Entwicklungen sowie innovative Konzepte und Angebote werden in Nordrhein-Westfalen nicht mehr koordiniert und transportiert. Ein langjährig entwickeltes, qualitatives Selbstverständnis der geschlechtsbezogenen Arbeit mit Frauen geht damit zunehmend verloren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich darf noch einmal aus der Umfrage von BELLA DONNA zitieren. Über die Hälfte der Einrichtungen hat keine Gender-Perspektive in ihren Angeboten. Nur 25 % der Antwortenden geben an, dass aus ihrer fachlichen Sicht in die jeweilige Region hinein eine ausreichende Versorgung mit geschlechterdifferenzierenden Präventionsangeboten für Mädchen und Jungen besteht. Und männerspezifische Arbeit befindet sich noch in vorsichtiger Phase der Implementierung. Es existieren lediglich zwei Arbeitskreise bei den Landschaftsverbänden seit 2005 in Westfalen, seit 2008 im Rheinland.

Nach dem Verständnis der Leistungsträger ist geschlechtsbezogene Arbeit, wenn überhaupt vorhanden, nur noch ein Zusatzangebot. Es gibt dafür keine zusätzlichen Vergütungssätze. Abhängig bleibt die ganze Sache vom Engagement der Einzelnen.

Deswegen fordern wir unbeirrt ein Steuerungskonzept zur Umsetzung des Gender-Mainstreaming in der Suchthilfe. Die geschlechterspezifische Arbeit muss Qualitätskriterium und Querschnittsthema in Einrichtungen der Suchthilfe werden. Weiterentwicklung geschlechtsspezifischer Suchthilfe und Prävention muss gewährleistet sein. Die politische, fachliche und finanzielle Unterstützung frauenspezifischer

und männerspezifischer Angebote muss endlich gesichert werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir brauchen wieder eine landesübergreifende Koordinierung und Vernetzung, sonst liegt die genderspezifische Arbeit am Boden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Beer. – Für die CDU spricht die Kollegin Monheim.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was Sie zu Beginn sagen, liebe Frau Beer, das haben wir im Ausschuss häufig besprochen. Man kann es auch beklagen. Aber ich sehe nicht den direkten Zusammenhang mit dem heute vorgelegten Antrag. Der heißt „Geschlechtergerechte Drogen- und Suchtpolitik in NRW voranbringen!“ und beginnt ausdrücklich mit dem Hinweis auf Frauen und Männer. Ihr Antrag – so lese ich ihn – hat nicht die Ausrichtung spezifisch auf Frauen, sondern meint definitiv beide Geschlechter.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Suchterkrankungen und Drogenabhängigkeiten haben tiefgreifende Folgen nicht nur für die Betroffenen, für Familien und Freunde. Das wissen alle, die im Bekannten- oder Freundeskreis solche Suchterkrankungen erleben. Ohne Zweifel gehört deswegen auch Suchtberatung und Suchtprävention, Suchttherapie zu den großen Herausforderungen der Sozialpolitik. Mit seinen unterschiedlichen Facetten haben wir dieses Thema immer wieder hier im Hause diskutiert.

Dabei ist Konsens – ich will es noch einmal wiederholen –, dass die Vielschichtigkeit der Entstehungsgeschichten von Sucht und von Abhängigkeit, verbunden mit individuell sehr unterschiedlichen komplexen Problemlagen, immer auch ein sehr differenziertes Hilfesystem erfordern. Es gehört zum Grundverständnis von allen, die in der Suchthilfe tätig sind, und von den Trägern entsprechender Beratungsstellen, dass nur eine zielgruppenspezifische, eine geschlechterdifferenzierte Herangehensweise erfolgreich sein kann. Und das bezieht sich auf eine Herangehensweise sowohl bei dem Mann wie bei der Frau.

Eine solche Ausrichtung und ein solches Grundverständnis bedeuten kein separiertes eigenes Hilfesystem. Das haben Sie eben auch gesagt. Vielmehr ist es Ziel, dass geschlechtsspezifische Herangehensweise konzeptionell in dem gesamten Hilfesystem und in allen bereits bestehenden Strukturen und Angeboten der Suchthilfe sein müsste und nach unserer Erfahrung in den meisten Fällen auch so ist.