Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Die Männer haben Sie über Jahre und Jahrzehnte hinweg vernachlässigt.

(Beifall von der FDP)

Seien Sie versichert: Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von FDP und CDU sind sich ihrer Aufgaben im Bereich des GenderMainstreamings sehr wohl bewusst. Hören Sie auf, Ihren alten Leuchttürmen nachzuweinen, und hören Sie vor allem auf, eine genderorientierte Politik mit einer reinen Frauenlobbypolitik zu verwechseln.

(Beifall von der FDP)

Diese Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Politik für alle Bürgerinnen und Bürger zu machen: für Männer und Frauen, für Alt und Jung.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Unsere Konzepte sind bereits genderorientiert entwickelt – auch und gerade im Gesundheits- und Präventionsbereich. Wir stehen eben für einen ganzheitlichen Ansatz, den Ihre Politik schon von jeher hat vermissen lassen.

(Beifall von der FDP)

Wir wollen ganzheitliche Konzepte in der Gesundheitspolitik und kein Klein-Klein. Ein Landeskonzept gegen Sucht ist bereits in der Entstehung. Vor dem Hintergrund, dass Sie diese Information bereits in der Aussprache im Frauenausschuss erhalten haben, kann ich Ihr Festhalten an diesem Antrag nicht nachvollziehen. Wir brauchen kein von Ihnen gefordertes Sonderkonzept. Es ist schlichtweg nicht notwendig. Deshalb werden wir Ihren Antrag auch ablehnen.

Wie gesagt: Wir legen Wert darauf, Geschlechterorientierung als eine Orientierung auf Frauen und Männer zu verstehen und sie nicht zu vernachlässigen.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Frau Pieper-von Heiden. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Uhlenberg.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf bei diesem Tagesordnungspunkt die Vertretung des Kollegen Laumann übernehmen. Er bedauert es natürlich sehr, dass er gerade bei diesem Thema heute nicht hier sein kann.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das glauben wir Ihnen sogar!)

Ich habe eben schon deutlich gemacht, dass er bei den wichtigen Koalitionsverhandlungen in Berlin dabei ist, um das erfolgreiche Modell aus NordrheinWestfalen auf den Bund zu übertragen.

(Beifall von CDU und FDP)

Er lässt Sie alle sehr herzlich grüßen.

Ich habe mich mit ihm ausgetauscht, was diese Fragen der geschlechterspezifischen Aspekte angeht. Mir fällt es auch insofern nicht schwer, den Part für Minister Laumann zu übernehmen, als wir in der Sache einer Meinung sind.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Grünen möchten mit ihrem Antrag eine stärkere Berücksichtigung geschlechterspezifischer Aspekte in der Sucht- und Drogenpolitik in Nordrhein-Westfalen erreichen. Hierzu fordern die Grünen die Entwicklung eines gesonderten Handlungskonzepts. Damit haben sie dieses Thema nach ihren beiden Großen Anfragen 16 und 19 innerhalb kurzer Zeit erneut zum Gegenstand einer Plenardebatte gemacht.

Dabei hat die Landesregierung zu diesem Anliegen umfassend Stellung genommen. Wir haben deutlich gemacht, dass die Berücksichtigung frauen- und männerspezifischer Aspekte längst zu den Grundsätzen der Sucht- und Drogenpolitik der Landesregierung gehört. Außerdem haben wir dargelegt, dass in Nordrhein-Westfalen mit nachhaltiger Unterstützung von Land, Kommunen und freien Trägern ein breitgefächertes und qualitativ hochwertiges Präventions- und Hilfesystem für suchtkranke und suchtgefährdete Menschen aufgebaut wurde.

Auch in der geschlechterspezifischen Suchthilfearbeit haben wir in Nordrhein-Westfalen im Ländervergleich, aber auch international einen hohen Standard erreicht. Dieser ist in seinem Fortbestand derzeit nicht gefährdet.

Die Berücksichtigung der frauen- und männerspezifischen Aspekte bei der Entstehung und im Verlauf der Krankheit Sucht ist inzwischen allgemeiner Standard der Wissenschaft, der Diagnostik und der Therapie von Krankheiten und gehört somit zum Standard einer erfolgreichen Sucht- und Drogenhilfearbeit. Eines gesonderten Handlungskonzeptes, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wie es der Antrag fordert, bedarf es deshalb nicht.

Ich möchte darauf hinweisen, dass in der Sucht- und Drogenpolitik die geschlechtsspezifische Wei

terentwicklung der Präventions- und Hilfeangebote schon früh zu einem Schwerpunkt gemacht worden ist. Sie durchzieht als Querschnittsaufgabe das gesamte Präventions- und Hilfesystem und gehört zu den zentralen Bestandteilen des 1998 beschlossenen Landesprogramms gegen Sucht, das die beteiligten Institutionen eigenverantwortlich umsetzen.

Im Rahmen einer sachgerechten Suchthilfearbeit sehe ich alle Verantwortungsträger gleichermaßen in der Pflicht, geschlechtsspezifische Aspekte in allen Arbeitsbereichen angemessen zu berücksichtigen. Das ist natürlich – das möchte ich betonen – auch die Meinung von Minister Laumann.

Dabei ist die Landesregierung davon überzeugt, dass die finanziellen Rahmenbedingungen zwar wichtig, aber nicht allein für die fachliche Qualität der Suchthilfearbeit, zu der auch die geschlechtsdifferenzierte Ausrichtung gehört, ausschlaggebend sind.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Und jetzt das Ganze noch mal für die Landwirtschaft!)

Der zur nachhaltigen Verankerung von geschlechtsspezifischen Aspekten notwendige Weiterentwicklungsprozess wird auf Landesebene durch die Landeskoordination Integration insbesondere durch konzeptionelle und fachliche Beratung und Begleitung von Einrichtungsträgern unterstützt.

Wir sehen uns nach wie vor in der Pflicht, das breitgefächerte Präventions- und Hilfeangebot für suchtkranke und suchtgefährdete Menschen weiterzuentwickeln. Wie Sie wissen, wird dazu das Landesprogramm gegen Sucht derzeit zu einem zukunftsweisenden Landeskonzept gegen Sucht fortgeschrieben. In diesem Konzept werden wir die notwendigen Grundlagen für die zukünftige Weiterentwicklung des Suchtpräventions- und Hilfesystems in unserem Land festlegen. Ebenso wie beim Landesprogramm werden alle im Suchtbereich Verantwortung tragenden Stellen in Nordrhein-Westfalen an dieser Fortschreibung beteiligt.

Das Gesundheitsministerium hat bei der Fortschreibung – das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen, nachdem ich mit Herrn Laumann über dieses Thema gesprochen habe –

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Intensiv!)

auch die Aspekte der geschlechtergerechten Anforderungen an die Sucht- und Drogenhilfe umfassend im Blick.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie können sich darauf verlassen: Wir werden darauf achten, dass das Themenfeld angemessen einbezogen wird und weiterhin seinen zentralen Stellenwert erhält. Nach derzeitigem Stand wird das Landeskonzept gegen Sucht im ersten Quartal 2010 vorliegen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Uhlenberg. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Frauenpolitik empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 14/9919, den Antrag Drucksache 14/7836 abzulehnen. Wer dieser Empfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Grüne und SPD. Wer enthält sich? – Niemand. Dann wurde diese Beschlussempfehlung mit Mehrheit angenommen und der Antrag abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu:

12 Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft und zur Verbesserung der Sicherheit in Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen (GVUVS NRW)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/8631

Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/9947

Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/9959

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses Drucksache 14/9864 – Neudruck

zweite Lesung

Ich eröffne die Beratung und gebe Herrn Giebels von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Gesetzgebungskompetenz für den Vollzug der Untersuchungshaft ist mit der Föderalismusreform auf die Länder übergegangen. Wir alle wissen, dass Föderalismus nicht nur Vielfalt, sondern natürlich auch Wettbewerb zwischen den einzelnen Bundesländern bedeutet. Trotzdem haben sich zwölf Bundesländer zusammengetan, um einen länderübergreifenden Modellentwurf zu erarbeiten.

Unser Nordrhein-Westfalen hat sich dieser Gruppe nicht angeschlossen. Hierfür gab es aus unserer Sicht gute Gründe. Zum einen nehmen wir den Föderalismus ernst, zum anderen wollen wir die Föderalisierung des Justizvollzugs aber auch nutzen, um auf dem Gebiet der Untersuchungshaft ein

Gesetz zu verabschieden, das den Besonderheiten eines großen Flächenlandes Rechnung trägt. Wir brauchen für Nordrhein-Westfalen ein Gesetz, das den Rahmenbedingungen des bevölkerungsstärksten Bundeslandes angepasst ist.

Bislang war das Recht des Untersuchungshaftvollzuges vor allem durch allgemeine Verwaltungsvorschriften geregelt. Indem wir nun eine gesetzliche Grundlage für Grundrechtseingriffe gegenüber Untersuchungsgefangenen schaffen, tragen wir damit zugleich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung.

Ich bin der festen Überzeugung, dass uns die schwierige Differenzierung zwischen dem weiterhin vom Bund zu regelnden Untersuchungshaftrecht und dem Untersuchungsvollzugsrecht gut gelungen ist. Der von der Landesregierung vorgelegte Entwurf gibt den Anstaltsleitungen eine umfassende, an den besonderen Anforderungen des Untersuchungshaftvollzugs orientierte, vor allem aber eine klare gesetzliche Grundlage für die Ausgestaltung der Untersuchungshaft an die Hand.

Im Gesetzgebungsverfahren haben wir verschiedene Anregungen der Sachverständigen aufgegriffen. Ich will an dieser Stelle nur zwei Aspekte herausgreifen. Das ist zum einen das Taschengeld, das wir Untersuchungsgefangenen zur Überbrückung einer unverschuldeten Bedürftigkeit gewähren wollen. Wenn sich der Anspruch gegen den Sozialhilfeträger nicht rechtzeitig realisieren lässt, liegt es auf der Hand, dass ein mittelloser Untersuchungshäftling Gefahr läuft, in die Abhängigkeit von Mithäftlingen zu geraten. Genau das wollen wir verhindern.