Die Vertreter der Landesregierung dürfen natürlich immer so lange und so viel, wie sie wollen, reden, aber damit verlängern sich auch die Redezeiten der Fraktionen. Dieses Risiko geht ein Vertreter der Landesregierung dann ein.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich die Beratung und stelle fest, dass die Große Anfrage 33 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen damit erledigt ist.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Zitat der Spanischen Bischofskonferenz aus dem Jahr 1984 beginnen:
Die Organspende kann eine Tat der Nächstenliebe über den Tod hinaus sein. Gott ist ein Freund des Lebens. Die Organspende ist der sichtbare Beweis, dass der menschliche Körper sterben, dass aber die Liebe, die ihn hält, niemals sterben kann.
Das im Jahr 1997 nach 25-jähriger Debatte in Deutschland in Kraft getretene Transplantationsgesetz hat für die Transplantationsmedizin, für die Menschen, denen man mit Transplantationen helfen kann, mehr Rechtssicherheit im Hinblick auf die Entnahme, Vermittlung und Transplantation von Organen gebracht.
Seit 2000 gibt es die Beauftragung der Deutschen Stiftung Organtransplantation durch die Bundesärztekammer, die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die gesetzlich vorgesehene Koordinierung der Organspenden zu übernehmen.
Trotz der Engagements der Stiftung, vieler Ärztinnen und Ärzte und zahlreicher Pflegekräfte in den Krankenhäusern ist der Mangel an Transplantaten bislang nicht behoben worden. Wir müssen wissen, dass der Organmangel in Deutschland noch größer wäre, wenn er nicht dadurch gemildert würde, dass Deutschland innerhalb des EurotransplantVerbundes mehr Organe erhält als abgibt.
Wir haben in Nordrhein-Westfalen bei der Zahl der Organspender jahrelang zu den Schlusslichtern in Deutschland und Mitteleuropa gehört. Noch im Jahr 2005 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt lediglich 196 Organspender gemeldet. Das entsprach 10,9 Organspendern pro Million Einwohner. Der Bundesdurchschnitt lag damals bei 14,8 Organspendern pro Million Einwohner, also deutlich über dem in Nordrhein-Westfalen erzielten Wert. Die Entwicklung seitdem zeigt, dass wir uns diesem Wert allmählich angenähert haben. Wir haben im vergangenen Jahr mit 14,4 Spendern pro Million Einwohner das bis dato beste Ergebnis in Nordrhein-Westfalen erreichen können.
Für das Jahr 2009 sind anfänglich wiederum Steigerungen zu verzeichnen. Ende Juli gab es einen Stand von 15,1 Organspendern pro Million Einwohner. Der bisherige Verlauf des Jahres 2009 ist in den Monaten August und September etwa stabil geblieben; im August ging der Wert einen Hauch nach unten, im September wieder einen Hauch nach oben.
Unser Antrag zielt in erster Linie darauf, diese Entwicklung zu verstetigen und zu analysieren, was eigentlich im Einzelnen zu dieser positiven Entwicklung beigetragen hat. Ich glaube, dass die letzten Endes im Konsens der Fraktionen beschlossene Etablierung von Transplantationsbeauftragten in allen Krankenhäusern durch die Regelungen im Krankenhausrecht Nordrhein-Westfalens einer der Gründe dafür ist, dass in den Krankenhäusern nun stärker als zuvor darauf geachtet wird, dass das Thema Organspende im Alltag nicht aus dem Blick gerät.
Man kann aber trotzdem Fragen stellen: In welchen Krankenhäusern sind bereits Transplantationsbeauftragte beschäftigt? Gibt es Krankenhäuser, wo das noch nicht der Fall ist? Wir sollten versuchen, zu diesen Fragen Antworten zu liefern, um bei der Rettung von Menschen, die auf eine Organspende angewiesen sind, weiter voranzukommen. Für meine Fraktion sage ich gerne zu, dass wir eine solche Initiative unterstützen werden und solche Klärungen herbeiführen wollen.
Wir nehmen immer wieder die Befürchtung wahr – wir reden, wie die anderen Fraktionen sicherlich auch, bei vielen Gelegenheiten mit den Menschen über dieses Thema; wir diskutieren darüber, ob sie bereit sind, einen Organspendeausweis auszufüllen und ihn mitzuführen –, zu Unrecht für hirntot erklärt zu werden, um als potenzieller Spender zur Verfü
gung zu stehen. Diese Ängste werden immer wieder zur Sprache gebracht. Diese sind absurd, aber sie werden immer wieder geäußert. Ich bin deswegen der Meinung, dass wir eine Aufklärungsinitiative brauchen, um solchen Ängsten von Bürgern zu begegnen und die Bereitschaft zur Organspende weiter zu erhöhen.
Das alles ändert aber an einer Kernfrage, der wir uns zuwenden müssen, nichts. Wenn wir uns das Transplantationsrecht ansehen, dann stellen wir fest, dass wir Folgendes haben: Chancengleichheit der Patienten durch eine einheitliche Warteliste, die Hirntotfeststellung als Voraussetzung nach klar definierten Regeln, eine Richtlinienkompetenz der Bundesärztekammer für die Weiterentwicklung dieser Regeln in einem transparenten Verfahren, ein striktes Organhandelsverbot, eine subsidiäre Behandlung in der Frage Lebendspende versus postmortale Spende, eine klare Trennung von Koordinierung der Spende und Vermittlung von Organen und ein sehr erfolgreiches Qualitätsmanagement.
Und trotzdem gibt es einen anhaltenden Organmangel. Auch nach dem Entwicklungsweg in Nordrhein-Westfalen haben wir im Vergleich zu anderen Ländern in Europa und auch zu anderen Bundesländern immer noch eine erhebliche Distanz aufzuholen. Ich erinnere daran, dass derzeit in Deutschland im Durchschnitt 15,3 Organspenden realisiert werden. In Spanien liegt diese Zahl bei 35,1.
Dort gibt es eine fundamental andere Lösung, nämlich die Widerspruchslösung. Diese fundamental andere Lösung ist auch mal in Deutschland diskutiert worden. Aber man hat sie nicht gewollt, weil man gesagt hat, dass allein diese Debatte dazu führen würde, dass das Thema Organspende so kontrovers wird, dass man sich keinen Gefallen damit tut, wenn es um die Motivation für eine Spende geht.
Ich möchte einen Gedanken hinzufügen: Kann es vielleicht sein, dass uns die Bedeutung des Begriffs Organspende in einer immer utilitaristischer, immer ökonomischer werdenden Welt mit einem auch immer mehr von Ökonomie geprägten Menschenbild, die Bedeutung, etwas zu spenden, etwas unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, was man selbst auch als Geschenk unentgeltlich erhalten hat, vielleicht ein bisschen aus dem Blick geraten ist, sodass es vielleicht gar nicht die technischen Fragen sind, über die wir die Bereitschaft erzeugen, sondern darüber, den Gedanken des Spendens in den Vordergrund zu stellen?
Wenn es nach mir ginge, würde ich das Gesetz nicht Transplantationsgesetz, sondern Organspendegesetz nennen.
Änderungswunsch, weil ich glaube, der eigentliche Schlüssel, für das Organspenden zu werben, ist, sich aus der ökonomischen Betrachtung des Austauschs von Gütern und Dienstleistungen herauszubegeben. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was den Wunsch des Kollegen Henke nach Namensänderung des Gesetzes angeht, hat er ja nun mit seinem Weg nach Berlin die Chance, Bundesgesetze neu zu gestalten, auch mit neuem Namen zu versehen, wenn es denn hilft, die Anzahl der Spender zu erhöhen.
In Nordrhein-Westfalen war die Organspendebereitschaft lange Zeit nicht sehr ausgeprägt. Nur zwölf Spender kamen im Jahre 2006 auf 1 Million Einwohner. Hinzu kam, dass sich ein Großteil der nordrhein-westfälischen Krankenhäuser nicht an der Gemeinschaftsaufgabe Organspende beteiligte, wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation beklagt hatte.
Dennoch sollte man nicht vergessen, dass sich in Nordrhein-Westfalen auch zu diesem Zeitpunkt, ebenso wie in den Jahren zuvor, viele Ärzte, aber auch Pflegekräfte dafür eingesetzt haben, den Mangel an Organspenden zu beseitigen. Eine Schlüsselrolle kommt vor allem den Ärzten zu. 78 % der Bevölkerung schätzen deren Einfluss auf die Spendenbereitschaft als sehr hoch ein. Wie eine aktuelle Studie im Auftrag des Verbandes der privaten Krankenversicherung gezeigt hat, ist es zum Beispiel entscheidend, ob Ärzte selbst über einen Ausweis verfügen oder nicht. So setzen sich 84 % der Allgemeinmediziner, die einen Ausweis besitzen, am stärksten für die Aufklärung in diesem Bereich ein. Man muss also echt sein, um überzeugen zu können.
Wir alle wissen, dass dieses Thema sehr komplex und hochsensibel ist. Zum einen geht es um die berechtigten Hoffnungen schwerkranker Menschen, die auf ein Organ warten, um weiterleben zu können. Erfreulicherweise zeigt die Auswertung der verfügbaren Daten inzwischen eine sehr gute Überlebensrate nach erfolgter Transplantation. Die Lebenserwartung und die Lebensqualität haben sich deutlich verbessert, was dazu beiträgt, dass viele Patienten wieder aktiv am Leben teilhaben können.
Festzustellen ist auch, dass die Ergebnisse umso positiver ausfallen, je kürzer die Wartezeit auf ein
Wir dürfen uns aber nicht nur auf die Erfolge konzentrieren, denn es geht auch um die Gefühle der Angehörigen, die den Tod eines nahestehenden Menschen verkraften müssen. Sie in dieser Situation mit dem Thema Organspende zu konfrontieren, verlangt ein Höchstmaß an Pietät und ist alles andere als eine einfache Aufgabe.
Vor diesem Hintergrund hat der Landtag im Krankenhausgestaltungsgesetzes bzw. im Ausführungsgesetz des Landes zum Transplantationsgesetz des Bundes verschiedene Regelungen vorgesehen, um die Anzahl der Organspenden nachhaltig zu steigern. Dazu gehören eben die Bereitstellung eines qualifizierten Transplantationsbeauftragten in Kliniken mit Intensivbetten, die Einführung klinikinterner Handlungsanweisungen für den Ablauf einer Organspende sowie die sensible Begleitung betroffener Angehöriger.
Es hat sich gezeigt, dass diese Maßnahmen ihre Wirkung nicht verfehlt haben. So stieg die Zahl der Transplantationsbeauftragten von 154 im Jahre 2007 bis heute auf 284.
Eine zentrale Rolle haben in diesem Zuge eben auch die Fortbildungsaktivitäten der Ärztekammern gespielt, die mit der Zielsetzung konzipiert wurden, die Handlungssicherheit im Krankenhaus ebenso zu verbessern wie die Abwicklung des gesamten Prozesses. Es ist eine besondere Herausforderung, effektiv zu handeln, damit ein Organ so schnell wie möglich den passenden Empfänger erreicht, und zugleich die notwendige Zeit für die Angehörigen des Spenders mitzubringen. Deshalb haben die Verantwortlichen unseren besonderen Respekt verdient.
In Nordrhein-Westfalen hat sich im vergangenen Jahr als einzigem Bundesland ein positiver Trend abgezeichnet – das hat Herr Henke berichtet –: Im Jahr 2008 14,4 Spenden pro 1 Million Einwohner, Ende Juli 2009 15,1.
Eine wichtige Maßnahme war auch die Verteilung von Organspendeausweisen in Kooperation mit den Apothekenverbänden. Insgesamt 1 Million Ausweise wurden auf diese Weise ausgegeben, unter anderem in über 4.000 Apotheken. Der Hintergrund: Bislang verfügen lediglich 12 % der Bevölkerung über einen Spendeausweis. Nachweislich gibt es noch viele Ängste, dass man im Falle eines Falles vorschnell für tot erklärt werden könnte, wenn man auf diesem Wege seine Spendebereitschaft signalisiert.
Aus diesem Grund – diese Ängste müssen wir ernst nehmen – haben wir die Landesregierung aufgefordert, ihre Aufklärungspolitik verstärkt auf dieses Problem zu richten, um Bürgern die Unsicherheiten zu nehmen.
Außerdem halten wir einen Bericht über alle Aktivitäten seit Verabschiedung des Krankenhausgestaltungsgesetzes einschließlich der Entwicklung bei den Organspenden für sinnvoll. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will nicht wiederholen, was meine Vorredner bereits gesagt haben. Wir sind uns in diesem Hause, meine ich, einig, dass wir alles unternehmen müssen, diejenigen, die eigentlich ja zur Organspende sagen, die sagen: „ Die Möglichkeiten und die Chancen, die dahinter stehen, sind eine gute Sache.“, aber selbst keinen Organspendeausweis in der Tasche haben, zu bekehren. Darüber müssen wir diskutieren. Darauf will ich mich jetzt konzentrieren.
Am vergangenen Samstag haben wir aus Anlass des 5. Welttages und des 11. Europäischen Tages der Organspende am Brandenburger Tor ein, wie ich finde, für Deutschland einzigartiges Event gehabt: