Protokoll der Sitzung vom 05.11.2009

Ich frage mich dabei: Was sagen eigentlich die Anwohner im CDU-regierten Schleswig-Holstein? Was sagen eigentlich die Touristen im CDU-regierten Niedersachsen? Warum schaffen die das dort eigentlich? Und warum ist das in Nordrhein-Westfalen anders? – Weil nämlich die Landesregierung – Herr Priggen hat das schon ausgeführt – mit dem Ziel angetreten ist, die Entwicklungspotenziale im Bereich der Windenergie einzuschränken. Das ist seit Beginn ihrer Regierungszeit immer wieder so gewesen.

Insofern haben Sie mit Ihrem Windkrafterlass Erfolg gehabt: Operation gelungen, der Patient – nämlich der Mittelstand – zum Teil tot, Herr Hovenjürgen. Das ist doch die Realität, wie wir sie hier feststellen

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hovenjürgen?

Zum Ende meiner Rede.

Zum Ende Ihrer Rede – erinnern Sie sich denn auch daran?

Daran werde ich mich sehr gut erinnern.

Wir stehen, Kolleginnen und Kollegen, vor der Entscheidung, ob Deutschland auf dem Sektor der Energietechnik eine führende Industrienation bleiben soll oder ob wir im Wettbewerb mit China und

anderen, die auf diesem Markt entscheidend sind, zurückfallen.

Wir stehen als Energieland Nummer eins aber auch vor der Frage: Soll Nordrhein-Westfalen im Konzert der Länder zurückfallen? Für uns Sozialdemokraten ist der zwölfte Platz im Bundesländervergleich der erneuerbaren Energien kein Platz, um sich auszuruhen, sondern da müssen wir bei Weitem besser werden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir sehen die Effekte im Bereich Klimaschutz und im Bereich Mittelstand gefährdet. Für uns steht im Zentrum unserer Politik – dazu habe ich im Plenum schon häufig gesprochen – das sogenannte Repowering, also Ersatz von alten Anlagen durch neue leistungsstärkere Anlagen. Wir können so Energieproduktion steigern, ohne dass zusätzliche Windräder aufgestellt werden. Nur: Die Windräder, die aufgestellt werden, sind leistungsstärker, sind besser.

Schauen wir uns einmal die Antwort auf die Anfrage an. Da sehen wir, dass in den ersten zwei Jahren Ihrer Regierungszeit ganze elf Repowering-Anlagen durchgeführt wurden. Das sind so viele Anlagen, wie sie in Schleswig-Holstein auf dem einen oder anderen Windfeld stehen.

Schauen wir genau in die Anfrage, dann fällt uns auf, dass die Zahlen relativ alt sind: 2008, 2007. Wenn Sie sich kundig gemacht hätten – wir haben das beim Deutschen Windinstitut gemacht –, dann hätten Sie eine noch erschreckendere Zahl gesehen: Im Jahr Ihrer Regierungsübernahme, also 2005, wurden im ersten Halbjahr in NordrheinWestfalen noch Anlagen mit einer durchschnittlichen Leistung von 1,47 Megawatt neu installiert. Das waren damals 12 % der gesamten bundesdeutschen neuen Windräder. Und heute? Heute sind wir im ersten Halbjahr 2009 noch bei durchschnittlich 1,1 Megawatt und bei einer Bereitstellung von 3,6 % an der Gesamtmenge.

NRW wird abgehängt, Herr Hovenjürgen, und das haben Sie mit Ihrer verfehlten Politik zu verantworten. Das muss man ganz klar sagen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wenn Sie sich hier vollmundig darauf zurückziehen, Sie hätten Klimaschutzziele vereinbart, dann machen Sie sich doch Folgendes klar: Die Kraftwerkserneuerung kommt nicht voran, aus der Biomasse verabschiedet sich RWE bei den ein oder anderen Biomassekraftwerken, und in dem Bereich erneuerbare Energien Windkraft fallen Sie zurück. Wie wollen Sie, wenn Sie eine solche Politik betreiben, den Menschen erklären, dass Sie die hochgesteckten Ziele einhalten?

Als wenig verdächtig möchte ich auf einen Artikel im „Landwirtschaftlichen Wochenblatt“ – das ist nicht der Vorwärts-Verlag – hinweisen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Dort wird deutlich ausgeführt: Die Landesregierung und die Gemeinden müssen endlich von der Bremse gehen, die den Ausbau der Windkraftindustrie hier in Nordrhein-Westfalen behindert. – Im „Landwirtschaftlichen Wochenblatt“ wird dafür geworben: In den Gemeinden muss mehr für Klimaschutz getan werden.

Wenn ein Blatt diese Situation deutlich beschreiben kann, dann ist es gerade das „Landwirtschaftliche Wochenblatt“, und das müssen wir hier anführen, um deutlich zu machen, welche Politik im Bereich Windkraft durchgeführt wird.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Schaue ich mir die Politik im Bereich der Windräder an, stelle ich mit Verwunderung fest, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Es wird ein Riesenverwaltungsaufwand betrieben, wenn es darum geht, Windkraftanlagen zu bauen. Das ist auch richtig, weil Anwohner- und Landschaftsschutz hohe Priorität genießen: Sie sollen von Wohnhäusern weit entfernt sein, die Emissionen müssen niedrig sein. Das ist richtig.

Aber warum es dann aus Ihrer Sicht unproblematisch ist, Kühltürme von wesentlich größeren Ausmaßen 400 m von der Bebauung entfernt zu bauen, nebst Nebelschwaden, das erschließt sich dem Fachmann letztendlich nicht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie wissen genau, über welches Kraftwerk wir hier reden, und Sie wissen genau, dass dort keine der Windkraftanlagen installiert würde, über die wir heute sprechen.

Wenn wir darüber reden, dass im Mittelstand mehr Arbeitsplätze entstehen sollen, dann versetzen Sie sich einmal in die Lage eines Investors, der von Kolleginnen und Kollegen aus dem Plenum mit „Windkraftmonster“ tituliert wird und der bei einer solchen Rechtslage und einem solchen Messen mit zweierlei Maß in NRW investieren soll. Das kann nicht sein; das ist auch kein investitionsfreundliches Klima für Nordrhein-Westfalen.

Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass der Ausbau solcher Industrieanlagen mit Bedacht geschehen muss. Standorte müssen gut ausgesucht werden, und es müssen auch Auswirkungen auf den Tourismus bedacht werden. Dies jedoch immer als Argument gegen Windkraft zu nutzen, ist eine völlig falsche Tatsachendarstellung.

Gleichzeitig will ich noch einmal das „Landwirtschaftliche Wochenblatt“ mit der Überschrift über die gerade von mir angeführten Artikel heranziehen: Die Höhenbegrenzungen müssen weg. – Sie wissen sehr wohl, wenn Sie es den Kommunen überlassen, wie hoch die Höhenbegrenzungen sein sollen, wie der Druck vor Ort aufgebaut wird.

(Dietmar Brockes [FDP]: Die stört das nicht!)

Wenn man als Landesregierung Windkraft ausbauen möchte, um die selbst gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen, dann muss man auch die Gemeinden dabei unterstützen, dass sie dieses Ziel einhalten können, und sollte sie nicht im Regen stehen lassen. Wir wissen das alle aus unserer Arbeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, der Blick in den Koalitionsvertrag von Berlin lehrt uns, dass die Chancen der Windkraft dort besser aufgehoben sind, dass dort sogar über Verbesserungen der Rahmenbedingungen nachgedacht wird. Ich kann nur hoffen, dass der Geist dieses Koalitionsvertrages auch in Nordrhein-Westfalen Einzug hält. Das ist gut für die Wirtschaft, für die Menschen und für das Klima. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Stinka. Jetzt haben wir die Zwischenfrage leider nicht mehr untergebracht. – Für die FDPFraktion spricht als nächster Redner Herr Kollege Brockes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht noch zwei Sätze zur Fotovoltaik. Herr Kollege Stinka, den Landwirten kann man nicht vorwerfen, wenn sie ihre großen Hallenflächen nutzen, um dort Fotovoltaik-Anlagen aufzubauen. Es ist vielmehr ein Zeichen für die Überförderung, dass gerade die Landwirtschaft dies entsprechend nutzt.

Sie müssen auch beide Seiten der Medaille sehen. Was ist denn mit denjenigen, die kein Eigentum haben? Da sind wir bei der Frage der sozialen Gerechtigkeit, die angeblich Ihre Partei immer in den Vordergrund stellt. Die können keine riesige Fotovoltaik-Anlage aufs Dach setzen und können nicht zu überhöhten Preisen einspeisen. Nein, sie müssen über die Stromrechnung – und da sind besonders Rentner und Familien, die viel waschen müssen, benachteiligt – letzten Endes die Zeche zahlen. Wir sind als Politik gefordert, diese Überförderung entsprechend zu senken.

Meine Damen und Herren, kommen wir zu der Großen Anfrage der Grünen. Dort hat es eine Fülle von teilweise sehr interessanten Daten und Hinweisen gegeben.

Auch wenn nicht alles bis ins letzte Detail geklärt werden konnte, so zeigt sich in der Antwort doch, dass der Windenergieerlass dieser Landesregierung ein großer Erfolg ist. Auch die Tatsache, dass eine gewisse Befriedung eingekehrt ist, zeigt doch, dass es richtig war, den Kommunen mehr Rechte zu geben.

(André Stinka [SPD]: Sie haben keine kom- munalpolitische Erfahrung!)

Das ist das Bemerkenswerte. Herr Stinka, sonst beklagen Sie immer, dass wir die Kommunen einschränken würden. Hier geben wir ihnen das Entscheidungsrecht, weil sie näher an den Bürgern sind.

Es ist natürlich schön, wenn Sie sagen: Wir können das ganze Land mit Windrädern überziehen. Sie müssen ja nicht unbedingt mit Windrädern vor der Tür wohnen. – Nein, deshalb ist es richtig, dass vor Ort in den Kommunen entschieden wird, wo und in welcher Größenordnung Windräder entstehen. Denn schließlich sind es die Bürgerinnen und Bürger, die die entsprechenden Belastungen ertragen müssen.

(Zuruf von der SPD)

Deshalb trägt der Erlass insbesondere dem Anwohnerschutz Rechnung, der unter der Vorgängerregierung viel zu kurz gekommen ist. Sie haben den Bau von Windkraftanlagen bis zu 300 m an die Wohnbebauung noch forciert. Dadurch fühlten sich die Bürgerinnen und Bürger völlig zu Recht massiv gestört. Ständiges Rotieren im Wohnzimmer und Drehgeräusche im Schlafzimmer führen erwiesenermaßen zu gesundheitlichen Schäden.

Dadurch, dass Sie die Menschen und ihre Probleme eben nicht ernst genommen haben, haben Sie selbst den Boden für eine grundsätzliche Ablehnung von Windkraftanlagen bereitet. Das wird auch an der großen Zahl von Bürgerinitiativen deutlich, die sich gerade gegen dieses Anliegen richten.

Meine Damen und Herren, durch den Windkraftanlagenerlass ist nun eine gewisse Befriedung eingetreten: Es gelten 1.500 m Abstand zur Wohnbebauung. Außerdem dürfen die Kommunen die Höhe der Windkraftanlagen an die Bedingungen vor Ort anpassen. Das ist wichtig und richtig.

Nun beginnen Sie leider erneut mit dem gleichen Fehler, Herr Kollege Priggen: Sie wollen Windkraftanlagen im Wald bauen. Das klingt gerade bei Ihren Fragen in der Großen Anfrage durch. Dass das ausgerechnet von den Grünen kommt, zeigt meines Erachtens, dass Sie als Lobbyist der Windkraftindustrie tätig sind. Sie stellen die wirtschaftlichen Interessen der Windkraftlobby vor den Schutz des Waldes und der dort beheimateten Tiere.

Meine Damen und Herren, es ist doch absehbar, dass die ständigen Geräusche und der Schattenwurf einen Einfluss auf das Verhalten von Tieren im Wald haben. Auch der Bau und die Leitungen, die benötigt werden, sind ein Eingriff, der dem Wald schaden würde. Deshalb lehnen wir es ab.

Herr Kollege Priggen, wir hatten eben die Diskussion über Entwicklungspolitik. Ich kann mich noch sehr gut an die letzte Legislaturperiode erinnern, in der Ihre Kollegin Koczy immer wieder das Thema

Pipelinebau in Ecuador auf die Agenda gebracht hat,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Richtig! Gut ist die Frau!)

wo der Regenwald gerodet wurde. Die Kollegin von Boeselager kann sich auch noch an die stundenlangen Debatten erinnern, in denen uns die Bilder von gerodeten Wäldern gezeigt wurden mit großen Schneisen, die in die Wälder geschlagen wurden. Ich frage Sie: Wollen Sie wirklich im Sauer- und Siegerland haben, was Sie in Ecuador nicht haben wollten? Denn irgendwie müssen die Windräder auf die Höhenzüge kommen. Sie können sie nicht dorthinzaubern.