Protokoll der Sitzung vom 03.12.2009

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst einmal in umgekehrter Reihenfolge etwas zur WestLB sagen.

Als ich vorhin das Selbstlob von Herrn Weisbrich und von Frau Freimuth angehört habe, bestand Zeit genug, noch einmal Revue passieren zu lassen, was in den letzten zwei Jahren passiert ist. Ich will Ihnen nicht alle Pannen vorhalten, aber wenigstens einige Stichworte nennen, weil Frau Freimuth sich darüber mokierte, dass wir die LBBW genannt hatten. Sie haben von der SachsenLB, der IKB und der

Helaba gesprochen, um nur einmal die drei herausragenden zu nennen.

Das waren alles schlichte Griffe in das berühmte Klo. In Bezug auf die SachsenLB oder die IKB haben Sie damals schon Formen des finanzpolitischen Wahnsinns ausgebreitet. Das muss ich ganz deutlich sagen. Insofern sollten Sie an dieser Stelle mit etwas mehr Bescheidenheit und Demut auftreten. Das ist meine Empfehlung.

Darüber hinaus will ich den Hinweis geben, dass wir nunmehr sowohl beim Land als auch bei den Sparkassen einen Rettungsschirm von insgesamt 17 Milliarden € haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das ist kein Pappenstiel, sondern das sind 17.000 Millionen €. Wenn ich mir überlege, über welche Kleinigkeiten oder Peanuts wir hier sonst immer so reden, muss ich diesen Hinweis geben.

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Wenn wir darüber nachdenken, was Expected Loss, was Unexpected Loss und was bereits bezahlt ist – das sind gewissermaßen die drei Ebenen –, verweisen Sie alle immer gerne auf das, was bereits bezahlt worden ist. Ich verweise zunächst einmal auf den erwarteten Verlust; darüber kommen wir jetzt nicht mehr hinweg. Wir werden ihn in den nächsten Jahren abzuarbeiten haben. Ich glaube übrigens auch, dass er schlagen wird.

Beim sogenannten unerwarteten Verlust handelt es sich um nichts anderes als um zusätzliche Risiken. Wer in den letzten Tagen die Ereignisse in Dubai verfolgt und mit ein bisschen Aufmerksamkeit die unterschiedlichen Einschätzungen der Finanzkrise durch die verschiedenen finanzwirtschaftlichen Institute und die Finanzwirtschaftler betrachtet hat, muss zumindest zu dem Ergebnis kommen, dass der sogenannte unerwartete, also der mögliche, darüber hinaus gehende Verlust jedenfalls nicht völlig unmöglich ist, um es einmal ganz neutral zu sagen.

Sie haben dem lieben Gott dafür gedankt, wer nicht regiert. Als Atheist sage ich Ihnen: Wir können alle dem lieben Gott danken, wenn das gerade so an uns vorübergeht und wir halbwegs die Kurve kriegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das möchte ich nur als Bemerkung vorneweg schicken. Ich finde, auf Ihrer Seite ist in der Tat Demut angebracht und kein Übermut, der uns eher mit in diese Situation geführt hat.

Lassen Sie mich doch noch etwas zur Transparenz sagen. Das Portfolio nach § 8, also letztlich die Garantie, ist in der letzten Konsequenz völlig intransparent. Uns sind die Rahmenbedingungen überhaupt nicht klar. Sie werden auch nicht vorgelegt. Dem Landtag werden die zentralen Unterlagen überhaupt nicht zur Verfügung gestellt.

Daher komme ich zu dem Ergebnis, dass meine Rechte als Parlamentarier gerade vor dem Hintergrund des Urteils in Sachsen, das im Zusammenhang mit der SachsenLB erstritten worden ist, von dieser Landesregierung bei dem, was man uns abverlangt, massiv gebrochen werden. Ihnen wird überhaupt nicht nachgekommen. Das alleine ist für mich jedenfalls schon ein Grund, Herr Kollege Weisbrich, dagegen zu stimmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie befinden sich heute alle in einem Blindflug, weil Sie diese Unterlagen, die man in Sachsen vor Gericht erfolgreich eingefordert hat,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Auf Antrag der grünen Fraktion!)

hätten haben müssen.

Lassen Sie mich noch einen Hinweis zur Transparenz geben, nämlich in Bezug auf die Garantie. In den letzten zwei Monaten haben Sie im Grunde genommen eine Garantie unter Parlamentsvorbehalt abgegeben. Ob die Garantie nun etwas wert gewesen ist oder nicht, sagen Sie, sei die Sache zwischen SoFFin und BaFin gewesen. Ich glaube, das ist nicht so.

In Wahrheit waren wir in einer Situation, in der das Ganze nur deswegen nicht eskaliert ist, weil man selbstverständlich die Garantie der Landesregierung für eine Garantie ohne Parlamentsvorbehalt gehalten hat, auch wenn Sie auf dem Papier immer von einem Parlamentsvorbehalt gesprochen haben. Letztlich wird das Parlament nun irgendwann entscheiden. Es gab also eine Lücke, weil es keine ordentliche, jedenfalls keine vom Parlament abgesegnete Garantie gegeben hat. Auch das ist aus meiner Sicht Grund genug, sich damit zu beschäftigen und dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.

Lassen Sie mich zur zweiten großen Baustelle noch einige wenige Sätze sagen, weil wir in den letzten Wochen und Monaten schon einiges ausgetauscht haben.

Bei den Einheitslasten ist zunächst einmal festzustellen, dass Sie sich mit Händen und Füßen gegen Junkernheinrich gewehrt haben. Sie haben am Anfang so getan, als gelte das Urteil nur in Bezug darauf, dass es eine Neuberechnung geben müsse, aber die 450 Millionen € nicht schlagen würden.

(Christian Weisbrich [CDU]: Es sind nur 379 Millionen €!)

Sie haben sich in der Tat durch das Gutachten von Hellermann, das die kommunalen Spitzenverbände in Auftrag gegeben haben – der Kollege hat es schon gesagt –, eines Besseren belehren lassen müssen. Sie hätten das eigentlich zum Anlass nehmen müssen, wenigstens in Bezug auf die Einheitslasten zu schauen, ob man keinen wirklichen Kompromiss schließt. Ich lasse erst einmal die Zah

len außen vor, auf die ich gleich noch zu sprechen komme.

Ein wirklicher Kompromiss hätte aber nur zustande kommen können, wenn man die verschiedenen Bestandteile, die Färber in ihrem Gutachten aufgelistet hat, tatsächlich auf ihre Substanz hin abgeklopft und gefragt hätte, welcher Betrag systematisch richtig ist.

Das haben Sie aber nicht getan, sondern letztlich gesagt: Das Lenk-Gutachten bildet auch in der Zukunft unsere Arbeitsgrundlage. Das heißt, wir behaupten weiterhin, dass es überhaupt keine Überzahlung der Einheitslasten durch die Kommunen gegeben hat, gehen aber gleichwohl in unserer unendlichen Großzügigkeit – in Klammern: gezwungenermaßen – hin und machen mit Abschlägen und vermeintlichen Schlussrechnungen einen Formelkompromiss. Er ist aber de facto nur nach hinten gerichtet und nicht nach vorn.

Damit kommen wir zum Hauptmotiv Ihrer momentanen Arbeit, nämlich dem Erreichen des Mai 2010. Das ist auch hier wieder das Motiv. Sie wollen sich den Haushalt in der mittelfristigen Finanzplanung für 2010 mit der Schuldenobergrenze von 6,8 Milliarden € sauber halten, und zwar nach dem Motto: Was nach dem 9. Mai 2010 ist, das interessiert überhaupt keinen mehr. Im Zweifelsfall werden Sie dann noch sagen, Sie hätten einen Kassensturz gemacht, wären ganz überrascht und die vorherige Regierung hätte Ihnen ein Desaster überlassen. Sogar das traue ich Ihnen mittlerweile zu.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Deswegen hätten Sie lieber das machen sollen, was wir Ihnen aufgezeigt haben. Unter Anerkennung der letzten Jahre und bei Verrechnung der Zahllasten haben die kommunalen Spitzenverbände Ihnen ein Angebot gemacht, das weit unter den Zahlen des Färber-Gutachtens geblieben ist und insofern in Wahrheit einen Kompromiss zulasten der eigenen Kommunen darstellt. Das ist – um es ganz deutlich zu sagen – unter anderem Personen wie Schneider geschuldet, der manchmal wider besseres Wissen auf der kommunalen Seite zu Ihren Gunsten handelt. Aber selbst ihm machen Sie es unmöglich, einen Kompromiss mit Ihnen einzugehen, indem Sie weiter auf der Basis des LenkGutachtens rechnen.

Weil das so ist, wird es am Ende – das ist jedenfalls das, was ich höre – dazu kommen, dass – selbst wenn man sich jetzt damit zufrieden gibt, dass Sie die Schlussabrechnung so machen; und in letzter Konsequenz tut man das auch von den Zahlen her nicht – die kommunalen Spitzenverbände sich gezwungen sehen, zu klagen, weil die Grundsatzfrage der Zukunft nicht geklärt ist, nämlich ob es eine Überzahlung der kommunalen Seite bei den Einheitslasten gibt oder nicht.

Das, was Sie machen, ist Willkür. Sie operieren wieder mit Blick auf die Zukunft. Früher haben Sie RotGrün vorgeworfen – ich habe das teilweise hobbymäßig als Kommunalpolitiker nachvollzogen –, Hasardeure zu sein. Ich sage es Ihnen noch einmal in aller Ruhe – es ist keine Presse und es sind keine Zuhörer anwesend –:

Das, was Sie in Anbetracht Ihrer exorbitant guten Situation in den letzten Jahren mit den Kommunen gemacht haben, rächt sich, und zwar für Ihre Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, für den Landeshaushalt, und es rächt sich auch insofern – davon bin ich fest überzeugt, und darüber sollten Sie einmal in einer ruhigen Minute nachdenken –, als es irgendwann immer schwieriger werden wird, insbesondere im ländlichen Raum und den mittelgroßen Städten ehrenamtlich tätige Menschen zu finden, die sich die Armutsverwaltung, die Sie der kommunalen Familie aufzwingen, überhaupt noch antun wollen.

Ich bin fest davon überzeugt, Herr Weisbrich, dass es eine große Gefahr für die Demokratie ist, wenn die Menschen irgendwann nicht mehr bereit sind, auf der kommunalen Ebene die Armut zu verwalten und sich dafür auch noch prügeln zu lassen, indem ihnen von Leuten wie Engel vorgehalten wird, sie müssten nur ihre Mentalität ändern und dann würde schon alles anders.

Das ist in letzter Konsequenz ein Desaster für die Demokratie. Denken Sie irgendwann einmal, wenn Sie nicht mehr in diesem Landtag sind, darüber nach, was Sie diesbezüglich in den letzten fünf Jahren gemacht haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Becker. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Linssen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Becker, Sie haben mit der Bemerkung, dass die Armut so groß ist, dass wir die Demokratie gefährden, zum Schluss einen schweren Hammer rausgeholt. Ich darf einmal daran erinnern, dass die Kommunen in unserer Regierungszeit 2007 und 2008 zum ersten Mal seit Langem wieder einen positiven Abschluss hatten.

(Monika Düker [GRÜNE]: Gehen Sie doch einmal nach Wuppertal oder nach Rem- scheid!)

Wenn Sie dieses Lied zu Ihrer Zeit, als alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen pausenlos negative Abschlüsse hatten, gesungen hätten, dann würde ich sagen: Der Mann ist seriös.

So geht es nicht, Herr Becker. Sie suchen sich immer irgendwelche Geschichten heraus, von denen

Sie meinen, dass die Regierung schuld daran ist. 2007 und 2008 hatten die Kommunen in NordrheinWestfalen erstmals seit Langem einen positiven Abschluss. Das ist eine Situation, die es in Ihrer Regierungszeit nur ganz selten gab.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Ich möchte gerne etwas zum Nachtragshaushalt sagen, damit Sie einmal sehen, was das für ein turbulentes Jahr war. Mit dem ersten Nachtragshaushalt 2009, den wir am 1. April verabschiedet haben, haben wir das Konjunkturpaket II und das Zukunftsinvestitionsgesetz NRW umgesetzt. Den zweiten Nachtragshaushalt 2009, über den wir heute sprechen, haben wir im Juni im Kabinett beschlossen. Damit haben wir die haushaltsrechtliche Absicherung der WestLB-Garantie auf den Weg gebracht.

Dann hatten wir drei Ergänzungen: Mit der ersten Ergänzung haben wir die Steuerschätzung aus dem Mai umgesetzt und zwangsläufige Haushaltsveränderungen vorgenommen. Das betraf damals vor allen Dingen den Wohngeldansatz und den Ansatz für das KiBiz.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Dann hatten wir die zweite Ergänzung, mit der wir die haushaltsrechtliche Garantiestruktur für die WestLB angepasst haben. Mit der dritten Ergänzung haben wir die Finanzierungsbeteiligung der Kommunen an den Lasten der deutschen Einheit für die Jahre 2006 bis 2008 abgerechnet.

Ich will zu den Steuereinnahmeerwartungen und dem Streit darum nur eine ganz kurze Bemerkung machen: Herr Groth hat mir in der HFA-Sitzung am 12. November 2009 vorgeworfen, die Zahlen seien geschönt. Frau Walsken hat das Ganze Buchungstricks genannt und in einer Presseerklärung die Ansicht vertreten, dass ich 300 Millionen € Steuermindereinnahmen nicht eingestellt hätte.

Ich will mir erlauben, darauf hinzuweisen, dass Sie den Abschluss des Jahres 2009 in absehbarer Zeit – jedenfalls rechtzeitig vor der Landtagswahl – bekommen werden. Dann werden Sie all das wiederfinden, was ich Ihnen hier erklärt habe, und dann werden Sie all das wieder vergessen machen wollen, was Sie zu Buchungstricks und Beschönigungen hier angeführt haben.

Sie werden es alles erleben. Ich werde Ihnen heute nicht irgendetwas erzählen und habe das auch am 12. November 2009 im Haushalts- und Finanzausschuss nicht getan, für das ich im Frühjahr nicht den Wahrheitsbeweis antreten kann. Für so dumm dürfen Sie mich nicht halten!