Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

(Beifall von den GRÜNEN)

Beim Thema Ökologie verhält es sich mit den Widersprüchen genauso. Da sprechen Sie von der Ökostadt Masdar City und schildern uns, wie fasziniert Sie waren. Die Stadt solle unter anderem ohne fossile Brennstoffe auskommen. Ob das machbar ist, werde sich zeigen. Und dann – Zitat –: Bei uns wird es sicher nicht so schnell machbar sein. – Aha, da gibt es etwas, aber es könnte gefährlich werden, und daher nehmen Sie davon lieber Abstand.

Danach verteidigen Sie Ihre Kohlepolitik, Herr Ministerpräsident. Es ist doch ganz einfach: Wenn Sie weiter auf neue Kohlekraftwerke setzen, dann kommt eines bei uns auf absehbare Zeit so schnell nicht: eine Zukunft ohne fossile Brennstoffe. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber genau das brauchen wir, wenn wir zukunftsfähig bleiben wollen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Innerhalb von einer Minute hat der Ministerpräsident erst eine kühne Vision in den Raum gestellt und sie dann mit der Beschreibung seiner eigenen Politik wieder in Grund und Boden gestampft. Damit geht Ihre Regierungserklärung eben komplett an der Wirklichkeit vorbei. Sie machen zaghaft einen Schritt nach vorne, aber drei Schritte zurück.

Deutlich wird das auch beim RRX. Die Bundesregierung sah sich vor wenigen Tagen außerstande, einen Termin für den Baustart, geschweige denn für den Betriebsstart zu nennen. Aber Sie stellen sich hier hin und erklären ernsthaft, dass Sie ihn so schnell wie möglich auf die Schiene bringen möchten. Das haben Sie hier eben erklärt.

Wolfgang Clement lässt grüßen. Als Sie vorhin die Ahnengalerie der Ministerpräsidenten nannten, in deren Reihe Sie stünden, haben Sie den nicht erwähnt. Sie erinnern uns immer mehr an Wolfgang Clement.

(Beifall von den GRÜNEN – Johannes Rem- mel [GRÜNE]: Das kannst du so auch nicht sagen! – Minister Armin Laschet: Keine Be- leidigungen! Das müssen Sie rügen, Frau Präsidentin! Das war eine Beleidigung! – Heiterkeit)

Ihre Aussagen zum ÖPNV spotten wirklich jeder Beschreibung. Ich war froh, dass der Kollege Becker während Ihrer Ausführungen dazu nicht im Saal war. Ich hätte mir sonst Sorgen um seinen

Gesundheitszustand gemacht, wenn er das im OTon von Ihnen gehört hätte. Hier von einem landesweiten 10-Minuten-Wartetakt zu sprechen,

(Horst Becker [GRÜNE]: Herrlich!)

spottet wirklich jeder Beschreibung. Ihre Kürzungen,

(Beifall von den GRÜNEN)

die sich auf 500 Millionen € summieren, führen zu unerträglichen Zuständen im ländlichen Raum. Dort warten die Menschen, weil dort der ein 2-StundenTakt üblich ist. So lange müssen sie warten,

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Die warten ta- gelang!)

aber Sie reden hier von 10 Minuten Wartezeit. Das hat mit der Wirklichkeit nun gar nichts zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN – Ewald Groth [GRÜNE]: Er kennt nur die Dienstwagenper- spektive!)

Mein Fazit zu Ihrer Regierungserklärung: viel Eigenlob, zahlreiche Widersprüche, schöne Worte, manch scheinbare Einsicht, kaum eine richtige Schlussfolgerung und keine substanzielle Vorstellung von der Zukunft. Rüttgers predigt Wein und verteilt Wasser.

Das Ganze ist – und wir wollen es Ihnen auch nicht ersparen, es heute noch einmal zu sagen – der teuerste und systematischste Baustein der Imagekampagne dieses Ministerpräsidenten. So einfach ist das doch. Das ist über die ganze Zeit angelegt und zieht sich mit den verschiedenen Facetten durch. Deswegen bleiben Sie auch mit dieser Regierungserklärung Ihrer Linie treu: Preise, Pomp und Propaganda.

Aber, Herr Ministerpräsident – eines habe ich vergessen –: Wahlkampf machen Sie ja gar nicht. Mit Wahlkampf hat das alles überhaupt nichts zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, mit welcher Realität sind wir wirklich konfrontiert? Welche Realität fordert uns wirklich heraus? – Wir haben eine Klimakrise. Wir haben ein Bildungssystem, das viel zu viele Menschen zu Verlierern macht. Wir verzeichnen eine zunehmende soziale Spaltung im Land. Und wir verzeichnen eine gefährlich wachsende Armut.

Der Steuersenkungswahn, den Sie mit verhandelt und mit zu verantworten haben, führt uns systematisch in den Staatsbankrott, meine Damen und Herren.

(Lachen von Dr. Gerhard Papke [FDP])

Damit müssen wir uns auseinandersetzen, und darauf muss Politik eine zukunftsfähige Antwort geben. Die Ersten, die auf der Strecke bleiben, sind die Städte und Gemeinden. Das erleben wir Tag für Tag, wenn wir mit denen sprechen. Ob es gestern die Feuerwehrbeamten waren, mit denen ich dar

über gesprochen habe, oder ob das gestern Abend in Wuppertal die IHKs waren, mit denen ich darüber gesprochen habe – selbst die Wirtschaft sagt: Wir werden Ihnen helfen, einen Rettungsschirm für die Kommunen einzufordern. Denn sonst sind die Kommunen und Gemeinden nicht mehr lebensfähig und die Politik kann vor Ort nicht mehr ausgestaltet werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das hat auch etwas mit der Stärkung der Demokratie zu tun, meine Damen und Herren. Denn die Menschen erfahren die Demokratie vor Ort am eigenen Leibe am ehesten.

Wir haben eine Wirtschaftskrise, deren Ursachen in keiner Weise behoben worden sind. Die nächste Blase wächst, und das zehrt auch am Vertrauen in die Demokratie. Das ist die Realität, und diese vielfältigen Krisen und deren Ursachen hängen eng miteinander zusammen. Sie können eben nur gemeinsam und nicht getrennt voneinander gelöst werden. Deswegen kommen Sie mit Ihren verschiedenen Puzzleteilen nicht zurecht. Denn Sie sehen immer nur die einzelnen Puzzleteile, aber nicht das große Ganze.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Kampf gegen den Klimawandel bietet Chancen für eine neue Wirtschafts- und Finanzpolitik. Er schafft Arbeitsplätze, stärkt den Mittelstand und die Kommunen.

Gute Bildung mit längerem gemeinsamen Lernen ist der Schlüssel für Wirtschaftsstärke, soziale Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit. Nur wenn kein Talent vergeudet wird, wenn alle Menschen echte Perspektiven haben, kann diese soziale Spaltung überwunden werden.

Eine Stärkung der Städte und Gemeinden bedeutet auch eine Stärkung der Demokratie, und das sind die Grundsätze, von denen eine Zukunftspolitik für Nordrhein-Westfalen ausgehen muss.

Wir Grüne haben das so ernst genommen, dass wir unsere Antwort auf die Herausforderung natürlich formuliert haben und dem Parlament hier heute zur Beschlussfassung vorlegen.

In unserm Zukunftsplan stehen die Klimapolitik, die ökologisch-industrielle Revolution und die ideale Bildung ganz oben auf der Liste, und zwar mit konkreten Konsequenzen, mit konkreten Maßnahmen, die uns dieser Vision näherbringen, statt sie unmöglich zu machen oder aufzuschieben.

Ich will es noch einmal sagen: Kern unseres Zukunftsplans ist der Green New Deal, der 200.000 zukunftsfähige Arbeitsplätze in diesem Lande schaffen würde. Das ist eine Antwort auf den Klimawandel, und wenn Nordrhein-Westfalen keine Antwort auf den Klimawandel findet, dann wird Deutschland seine Klimaschutzziele nicht erreichen.

Meine Damen und Herren, ich will einen anderen Punkt nennen, bei dem ich wirklich nicht verstehe, warum Sie diese Chance nicht ergreifen. Das ist das Programm zur energetischen Gebäudesanierung. Kollege Priggen hat das hier häufig genug vorgetragen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wie kann man nicht sehen, dass es gut ist, Gebäude zu dämmen, den Wohnungsbestand in Nordrhein-Westfalen zu dämmen und damit Kosten zu sparen, jetzt zu investieren und mittelfristig Kosten zu sparen? Das ist gut für das Klima. Das ist gut für die Kommunen. Das ist gut für die örtlichen Arbeitsplätze, und wir sanieren auch noch die Gebäude.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Deshalb treten wir für diese ökologische industrielle Revolution ein.

Meine Damen und Herren, ich möchte einen weiteren Aspekt ansprechen. Sie haben in Ihren Beiträgen zum Jahresauftakt das Wachstum bejubelt. Sie haben nicht mehr differenziert zwischen Wachstum, das sinnvoll ist und das notwendig ist, und Wachstum, was sozusagen auch schädlich ist.

Ja, meine Damen und Herren, Investitionen in Klima, Bildung und Gerechtigkeit erzeugen Wachstum. Aber Wachstum ist eben kein Selbstzweck. Denn dem Wachstum sind Grenzen gesetzt, schon allein deshalb, weil die natürlichen Ressourcen begrenzt sind.

Wachstum hat aber auch ökonomische Grenzen. Wenn sich das Wachstum der Finanzbranche von der realen Wertschöpfung abkoppelt, erzeugt das zyklische Krisen globalen Ausmaßes. Eine haben wir erlebt. Sie ist längst nicht überwunden.

Aber wo ist denn erkennbar, dass die in Aussicht gestellten Regeln wirklich umgesetzt worden wären? Wo sind denn konkrete Ergebnisse bei der Regulierung der Finanzmärkte deutlich geworden? Wo ist die Einsicht, dass Wachstum Grenzen hat? – Nichts davon ist zu sehen!

(Beifall von den GRÜNEN)

Mit dem Irrglauben an grenzenloses Wachstum bereitet man den Boden für die nächste Krise.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren, keine Wachstumsrate wird so hoch ausfallen, dass allein dadurch die aufgelaufene Staatsverschuldung beglichen werden könnte, allemal dann nicht, wenn die Einnahmen des Staates durch weitere Steuersenkungen noch zusätzlich verringert werden.

(Ralf Witzel [FDP]: Wir haben hohe Steuern, aber ein Ausgabenproblem!)

Auch das ist ein Irrglaube, der Ihnen zwar rhetorisch weiterhilft, die Steuersenkungs- und Schuldenpolitik

der neuen Bundesregierung zu verteidigen, aber faktisch hilft Ihnen das überhaupt nicht.