Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

der neuen Bundesregierung zu verteidigen, aber faktisch hilft Ihnen das überhaupt nicht.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Beispiel Bildung: Eine Bildungsoffensive, wie wir sie vorschlagen, stärkt Chancengleichheit, Gerechtigkeit, Demokratie, sozialen Zusammenhalt und die persönliche Zukunft vieler Menschen und die Zukunft Nordrhein-Westfalens.

(Ralf Witzel [FDP]: Genau das Gegenteil!)

Im Gegensatz zu Ihrer Hauptschuloffensive, die nur unnötig Geld in ein überholtes System steckt! Da können sich die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen noch so anstrengen: Ein Hauptschulabschluss reicht heute nicht mehr für die Jobs, die gefordert sind. Das ist die Realität. Es ist doch normal, dass die Eltern eine bessere, eine gute Bildung für ihre Kinder wollen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Also: Investitionen in Bildung mit dem Ausbau von Ganztagsschulen, einem verbindlichen und qualitativ hochwertigen Angebot an frühkindlicher Betreuung und einem massiven Ausbau von Studienplätzen!

Ich will ein weiteres Thema ansprechen, ein Thema, das bei Ihnen völlig fehlt und das Ihr Reden von Heimat auch Lügen straft.

Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren, in Nordrhein-Westfalen sind 50 % der Arten auf der Roten Liste. Jede zweite Tierart ist gefährdet. Das müssen wir ändern. Deswegen müssen wir den Flächenverbrauch stoppen,

(Minister Eckhard Uhlenberg: Wer macht das denn?)

den Ökolandbau massiv ausbauen

(Minister Eckhard Uhlenberg: Wer macht das denn?)

und den Wald schützen und pflegen und hegen,

(Minister Eckhard Uhlenberg: Wer macht das denn?)

statt den Wald zu verkaufen, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nur wenn man das auch tut, dann wird daraus ein Schuh, dann wird deutlich, dass Ökonomie und Ökologie natürlich zusammengehören. Aber bei Konflikten, die es da auch gibt, da entscheiden Sie immer gegen die Ökologie. Wir entscheiden sie zugunsten der Ökologie. Das ist der Unterschied, meine Damen und Herren.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Quatsch!)

Unsere Zukunft heißt Nachhaltigkeit. Unsere Zukunft heißt Umweltschutz und langfristige Stärkung

der Wirtschaft. Unsere Zukunft heißt nicht Wachstum ohne Rücksicht auf Verluste.

Meine Damen und Herren, zu einer guten Zukunft brauchen wir mehr soziale Gerechtigkeit. Wir müssen Kinderarmut endlich beherzt angehen. 800.000 Kinder und Jugendliche sind in Nordrhein-Westfalen von Armut betroffen. Das ist nicht akzeptabel.

Sie preisen Ihren Fonds für kostenloses Schulmittagessen für 80.000 Kinder. Wir wollen ein Recht auf ein kostenloses Mittagessen für alle bedürftigen Kinder durchsetzen, meine Damen und Herren. Was Sie machen, ist ein Notbehelf an der einen oder anderen Stelle. Wir wollen systematisch soziale Gerechtigkeit hier in unserem Land schaffen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich habe schon deutlich gemacht, wie wichtig der Ausbau und die Stärkung der Kommunen sind. Unsere Kommunen brauchen einen Rettungsschirm. Sie brauchen mehr Geld, damit sie handlungsfähig bleiben: Geld für Schwimmbäder und Theater, für gute Schulen und Kindertagesstätten, für Busse und Bahnen und attraktive Wohn- und Handelszentren. Deshalb gehört dieser Rettungsschirm ganz zentral in den Zukunftsplan, den wir auflegen müssen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, Herr Papke hat eben ausgeführt, das wäre eine wunderbare Kommission gewesen, da hätte alles wunderbar gemacht werden können. – Aus unserer Sicht stimmt das nicht. Eine Zeitung hat es auch formuliert. Dort hieß es nämlich, dass die Zukunftskommission sich zur Zukunft des Schulsystems, zur Struktur des Schulsystems überhaupt nicht äußern durfte.

(Helmut Stahl [CDU]: Mit Recht!)

Ich finde es merkwürdig und bedauerlich, dass Sie von vornherein den Radius begrenzt und es nicht zugelassen haben...

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Ich? Wie kommen Sie zu so einer Behauptung? Das ist eine Unverschämtheit!)

Ich kann es belegen. Es steht in dem Berichtsteil zum Bildungssystem:

Die Kommission hat sich ausdrücklich nicht mit Strukturfragen des Schulsystems beschäftigt. Der Grund liegt zum Teil in der notwendigen Begrenzung unserer Thematik. Es gab allerdings auch die Auffassung, dass Fragen der Begrifflichkeit (z. B.: Hauptschule – ja oder nein?) in der Sache wenig ergiebig sind.

(Helmut Stahl [CDU]: Lesen Sie den nächs- ten Satz!)

Lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen: Sachen der Begrifflichkeit wie „Hauptschule: ja oder nein?“ – sagen Sie das einmal den Tausenden

von Eltern und Schülerinnen und Schülern, dass deren Wunsch,

(Zuruf von Helmut Stahl [CDU] – Gegenruf von den GRÜNEN)

nicht auf die Hauptschule, sondern auf eine alle Bildungsabschlüsse ermöglichende Schule zu gehen, eine Sache der Begrifflichkeit ist. Das zeigt doch die ganze Beschränkung, dass Ihnen dieses Thema hier nicht passt. Sonst hätten Sie den Vorschlag von Herrn Beckmann vom VBE

(Beifall von den GRÜNEN)

aufgegriffen und eine ständige Bildungskommission in Nordrhein-Westfalen eingerichtet, die das alles gründlich bearbeiten sollte.

Ja, Herr Ministerpräsident, Sie loben den Prozess der breiten Diskussion der hochrangigen Expertinnen und Experten. Das ist gut und schön und richtig. Aber wer das so hoch hängt, der muss eben auch damit rechnen, dass genau geschaut wird, ob er diese hohe Latte überspringt oder drunter bleibt.

Meine Damen und Herren, wir Grüne machen das seit 30 Jahren, Entwürfe für die Zukunft. Wir betrachten seit 30 Jahren die Realität, nehmen die Zukunft in Angriff, diskutieren mit Expertinnen und Experten und schauen, was nötig und was möglich ist. Wir schmieden an der Zukunft. Dabei trauen wir uns auch an die großen Fragen heran, entwickeln Visionen und arbeiten an ihrer Verwirklichung.

Wir halten auch Widersprüche aus; das gehört dazu. Wir klammern keine Frage aus, weil uns das irgendwer verbieten will, weil wir nicht dazu geneigt sind, weil es zu weit führt, weil wir keine Zeit haben oder weil es uns aus strategischen und taktischen Gründen nicht in den Kram passt.

Meine Damen und Herren, unser Ziel ist es, gemeinsam mit möglichst vielen Menschen ein nachhaltiges, bildungs- und sozial -gerechtes Nordrhein-Westfalen zu schaffen. Dafür machen wir Politik. Dafür werben wir um das Vertrauen der Menschen – seit 30 Jahren als Partei, seit 20 Jahren als Fraktion.

Mit unserem Entschließungsantrag laden wir Sie ein, Teil dieser Zukunftspolitik und dieser Bewegung zu werden. Machen Sie diesen Zukunftsplan zum Zukunftsplan für Nordrhein-Westfalen. Auch wenn Sie es nicht tun, setzen wir darauf, dass sich am 9. Mai immer mehr Menschen für diesen Zukunftsplan entscheiden; denn die Herzen unserer Bürgerinnen und Bürger haben längst eine grüne Mitte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Löhrmann. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung der stellvertreten

de Ministerpräsident, Herr Professor Dr. Pinkwart, das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ergebnisse der Zukunftskommission sollten – Zitat –

nicht als Placebo in der Schublade liegen, sondern auf dem Schreibtisch der Entscheidungsträger. Nicht Sammeltasse, sondern Werkzeug

für die Politik sein. – So hat es Bodo Hombach im vergangenen Jahr auf dem Abschlusstreffen der Kommission formuliert.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Der auch noch! Alles Wiedergänger!)

Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich bei den Mitgliedern der Kommission für ihre exzellente Arbeit bedanken. Herr Stahl hat es angesprochen: Sie haben uns das kostbarste gegeben, was sie haben, nämlich ihre Zeit.