Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! NordrheinWestfalen ist seit mehr als vier Jahrzehnten das Wohnungsbauland Nummer eins. Ging es zunächst darum, breite Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum zu versorgen, so steht seit einigen Jahren, was die öffentliche Förderung anbelangt, die Versorgung derjenigen im Mittelpunkt, die aus eigenen Kräften nicht in der Lage sind, eine angemessene Wohnung zu bekommen. Hinzu kommt eine verstärkte Eigentumsförderung.
Jahrzehnten ist eine historische Leistung, auf die wir stolz sind. Wir alle sind aufgefordert, das Wohnungsbauvermögen wie unseren Augapfel zu hüten und es vor Auszehrung oder Fehlnutzung zu bewahren.
Meine Damen und Herren, die Entwicklungen, die ich seit einigen Jahren auf den Wohnungsmärkten sehe, machen mir Sorgen. Für mich als Sozialdemokrat ist Wohnpolitik auch immer Bestandteil der Sozialpolitik. Aufgabe der Wohnpolitik muss es sein, sozial negativen Entwicklungen auf den Märkten entgegenzuwirken.
Wohnungsversorgung und Mieterschutz sind höchste Güter, die wir im Auftrag der Menschen, die uns gewählt haben, bewahren müssen. Schließlich ist eine sichere, den Ansprüchen angemessen ausgestattete und bezahlbare Wohnung immer auch eng mit dem Begriff Heimat verbunden.
Diese umfassende Aufgabe gilt es in einer konzertierten Aktion zu bewältigen. Das Land sowie die Städte und Gemeinden müssen gemeinsam handeln – abgestimmt. Es kommt auf wirksame Gesetze und auf entsprechend wirkungsvolle Instrumente für die Kommunen vor Ort an.
Was ich sehe, ist etwas anderes. Die nachteilige Entwicklung auf den Wohnungsmärkten wird nicht nur durch das reine Marktgeschehen bestimmt, sondern auch durch die Wohnpolitik der Landesregierung. Leider muss ich feststellen, dass sie die Probleme in einigen Teilbereichen verstärkt, statt sie zu vermindern.
Ich nenne beispielhaft nur die Abschaffung der Zweckentfremdungsverordnung, der Kündigungssperrfristverordnung, die potenzielle Zweckentfremdung des Landeswohnungsbauvermögens, die mehrfache Abschmelzung dieser Finanzmasse durch teilweise Einverleibung in den Landeshaushalt und nicht zuletzt den Verkauf von 95.000 landeseigenen Wohnungen an ausländische Investoren.
Die Entwicklung auf den Wohnungsmärkten hat seit einigen Jahren durch den Einbrauch marktradikaler Investmentgesellschaften und -fonds eine neue Qualität bekommen. Wir haben heute die Situation, dass diese – in Anführungsstrichen – Heuschrecken des Wohnungsmarktes insbesondere in Großstädten mehr als 10 % der Wohnungsbestände besitzen, in Dortmund zum Beispiel 19 %.
Auch meine Heimatstadt Gladbeck – mit 76.000 Einwohnern keine Großstadt – ist von dieser Entwicklung betroffen. Die Strategie dieser Heuschrecken lautet: Rendite um jeden Preis. Das heißt konkret – an vielen Negativbeispielen nachweisbar –: Mieten rauf, Investitionen in den Bestand runter,
Die Folgen sind erschreckend. Betroffen sind vor allem die Mieterinnen und Mieter; sie sind das schwächste Glied in der Kette. Aber auch die vielen seriösen Anbieter und Akteure unseres Wohnungsmarktes und natürlich die jeweiligen Kommunen bekommen die nachteiligen Folgen bitter zu spüren.
Es gibt für die Mieterinnen und Mieter in solchen Beständen, wie schon gesagt, oft keine Ansprechpartner vor Ort für Reparaturen und Instandhaltungen. Unkontrollierte Ein- und Auszüge, Vandalismus, zunehmende Leerstände und soziale Entmischung der Bewohnerschaft führen in eine Spirale der Verslumung.
Für die meisten betroffenen Mieter bleibt der Mieterschutz ein stumpfes Schwert, weil die Eigentümer der Bestände oftmals unerreichbar im Ausland sitzen. Wohnungsbestände verrotten, in baulicher wie auch in sozialer Hinsicht. Neue soziale Brennpunkte entstehen.
Meine Damen und Herren, diese Tendenzen schädigen unseren Wohnungsmarkt insgesamt. Das ist eine Art von Enteignung zulasten seriöser Wohnungsunternehmen und Vermieter.
Dieser Satz stammt, wenn ich ihn auch uneingeschränkt teile, nicht von mir, sondern die Vertreterin des Deutschen Städtetages hat dies bei der Anhörung so trefflich formuliert. Denn der Wertverlust der Wohnbebauung, die an solche Verfallsareale angrenzt, ist erheblich. Auch die seriöse Wohnungswirtschaft ist davon nachteilig betroffen.
Und was ist mit den Kommunen? – Menschenunwürdige Wohnungen und massiver Wertverlust angrenzender gepflegter Wohnareale sind das eine, die Hilflosigkeit unserer Städte ist das andere.
Wer Abhilfe schaffen will, muss sich mit den schwierigen Rahmenbedingungen vertraut machen. Zwar sichert Art. 14 des Grundgesetzes das Recht auf Eigentum. Aber Art. 14 des Grundgesetzes schreibt auch die Sozialpflichtigkeit des Eigentums fest.
In diesem Spannungsfeld müssen sich angemessene und wirksame Maßnahmen der Abhilfe bewegen. Und diese werden von den Städten vermisst. Gegenwärtig stehen die Städte dem Problem der Verwahrlosung von Wohnungsbeständen weitgehend hilflos gegenüber. Ansprechpartner gibt es, wie ich schon sagte, meist nicht; die Gesellschaften sitzen im Ausland. Die Zweckentfremdungsverordnung gibt es nicht mehr. Leerstand ist deshalb heute keine Zweckentfremdung mehr, gegen die vorgegangen werden könnte.
Die Möglichkeit der Ersatzvornahme im Rahmen kommunalen Handelns wurde geprüft. Diesem Weg steht aber die unzureichende Finanzkraft vieler Kommunen entgegen. Es stellt sich die Frage, wann und von wem man das eingesetzte Geld zur Wiederherstellung bewohnbarer, menschenwürdiger Wohnungen und Wohnquartiere zurückbekommen würde.
Zudem würde die gegenwärtige Rechtslage die Kommunalaufsicht vielfach dazu zwingen, solche kommunalen Investitionen mit Blick auf den Nothaushalt zu untersagen.
Meine Damen und Herren, dennoch müssen wir Lösungen finden, auch wenn es schwierig ist. Die Ergebnisse unserer Beratungen haben wir in dem vorliegenden Antrag zusammengestellt. Ich lege Ihnen diesen Antrag ganz besonders ans Herz. Er ist meines Erachtens ein Erfordernis der Zeit. Er ist eine Zusammenfassung der Ergebnisse unserer Expertenanhörungen zum Thema. Selten stehen alle Experten derart übereinstimmend zusammen, was politische Schritte anbelangt. Hier ist das so.
Deswegen ist das eigentlich ein Sachantrag über die Parteigrenzen hinweg. Er kann nicht wie manch andere Dinge, die wir in dieser Woche beraten haben, unter dem Begriff Wahlkampf subsumiert werden. Nein, es ist ein Antrag, dem auch Sie im Interesse der Mieterinnen und Mieter sowie der Städte unseres Landes eigentlich zustimmen können sollten und eigentlich zustimmen müssten,
Dennoch müssen wir uns mit diesen negativen Folgen der Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt befassen. Wir müssen gemeinsam mit den Städten eine Strategie entwickeln und umsetzen. Wir müssen die Kommunen in den Stand versetzen, wirksam gegen solche Auswüchse vorgehen zu können. Das sind wir den Menschen und unseren Städten aus sozialen, aber auch aus städtebaulichen Gründen schuldig.
Deshalb schlagen wir ein Wiederaufbauprogramm Wohnen vor. Die Bausteine dieses Programms werden von den Kommunen, von den Spitzenverbänden der Kommunen, der Wohnungswirtschaft und der Mieter unterstützt.
Es geht um die finanzielle Förderung bei der Erstellung kommunaler Wohnraumkonzepte, die finanzielle Unterstützung beim Ankauf vernachlässigter Bestände aus den Überschüssen des Landeswohnungsbauvermögens, die Festschreibung der Ersatzvornahmen als öffentliche Last im kommunalen
Raum, die Schaffung neuer Mietbindung und die Wiedereinführung der Kündigungssperrfristverordnung. Das sind nur einige Dinge, die ich hier noch einmal erwähnen will.
Meine Damen und Herren, noch ein Wort zu den bewährten Instrumenten des Landes selbst. Ob „Stadtumbau West“ als Bund-Länder-KombiProgramm oder „Soziale Stadt“: Sie alle sind Erfolgsmodelle für die städtebauliche Unterstützung unserer Städte, und zwar schon länger, als erst seit dieser Legislaturperiode. Enorme Millionenbeträge werden investiert.
Aber was nützen Millioneninvestitionen auf der einen Straßenseite, wenn auf der anderen Straßenseite der Verfall und die Verslumung durch die Verantwortungslosigkeit und Untätigkeit solcher Heuschrecken fröhliche Urständ feiern?
Deswegen gilt: Wer die öffentliche Geldverbrennung verhindern will, muss die Wirksamkeit eigener Förderprogramme erhalten und schützen. Das heißt, wir müssen gegen diese Tendenzen tätig werden, gegen den Verfall von Wohnraum. Wir brauchen ein Wiederaufbauprogramm Wohnen, das auch unsere Städte in den Stand versetzt, sich aktiv zu schützen und einen gesunden Wohnungsmarkt in NordrheinWestfalen zu sichern. Das ist ein ambitioniertes Programm, meine Damen und Herren. Deswegen fordern wir die Landesregierung auf, ein umfassendes Konzept zu erarbeiten und vorzustellen. Dazu sind wir, wie ich meine, verpflichtet.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluss auch noch ein paar persönliche Anmerkungen, wie es schon andere getan haben, weil das meine letzte Rede in diesem Hohen Hause ist. Ich bin glücklich, dass ich während meiner drei Wahlperioden immer in meinen beiden Wunschfachbereichen, nämlich Bauen und Verkehr, tätig sein und somit Infrastrukturpolitik für dieses Land mit gestalten konnte – ungefähr die Hälfte der Zeit als Ausschussvorsitzender.
Danke für die hervorragende Zusammenarbeit. Ich glaube, wir haben bei allen kontroversen Auseinandersetzungen immer noch ein Glas Bier oder ein Glas Wein miteinander trinken können. Danke, dass Sie mir die Arbeit erleichtert haben. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Glück auf für Sie alle! Glück auf für eine weitsichtige Wohnpolitik in der Zukunft! Ich bin sicher: Selbst wenn Sie den Antrag ablehnen, wird er in der nächsten Legislaturperiode weiter auf der Agenda stehen. – Danke.
Vielen Dank, Herr Kollege Röken. Auch Ihnen für Ihren neuen Lebensabschnitt alles Gute. – Als nächster Redner
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wolfgang Röken hat einige wichtige, aber auch völlig unstreitige Punkte genannt und Feststellungen getroffen.
Wohnungsbaupolitik war in Nordrhein-Westfalen immer ein wichtiger Schwerpunkt. Die Feststellung, dass Nordrhein-Westfalen das Wohnungsland Nummer eins ist, ist auch richtig. Das will ich gleich noch mit einem Beispiel belegen. Wichtig ist auch die Feststellung, dass der Mieterschutz eine hohe Priorität hat. Das ist völlig klar. Der Mieterschutz ist ein wichtiges Gestaltungselement im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft. Natürlich ist Wohnungsbaupolitik – gerade die Bereitstellung einer angemessenen Wohnung – ein wichtiges Element im Rahmen der Sozialpolitik. So haben wir das aber auch immer gesehen. Darin kann ich Wolfgang Röken nur zustimmen.
Ihr Antrag gibt aber auch, wie Wolfgang Röken es getan hat, die Möglichkeit für einen großen Rückblick. Ich will also in besonderer Weise die letzten fünf Jahre beleuchten und möchte die Gelegenheit nutzen, auf die wohnungswirtschaftliche und städtebauliche Leistungsbilanz der letzten fünf Jahre kurz einzugehen.
Die Bilanz der vergangenen fünf Jahre ist hervorragend. So wurden in den letzten fünf Jahren 80.000 öffentlich geförderte Wohnungen gebaut. Im Bereich der Wohnungsbauförderung wurden knapp 4,7 Milliarden € an Krediten aus dem Wohnungsbauvermögen des Landes bereitgestellt. Diese beeindruckenden Zahlen belegen, dass Wohnungsbau und eine entsprechende Aufwertung von Wohnungen erfahrbar sind.
Darauf sind wir stolz. Denn mit diesem Geld wurde die Wohnungsqualität verbessert, wurden Anreize zur Eigentumsbildung gegeben und wurde vor allem vielen Familien geholfen.
Natürlich lassen sich nicht alle Wünsche auf einmal umsetzen, aber der Prozess der Erneuerung, der Aufwertung und der Verbesserung ist eingeleitet und erkennbar.
Hierzu gehört auch, dass in der Tat in den letzten fünf Jahren unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten ein gewisser Paradigmenwechsel stattgefunden hat.