Protokoll der Sitzung vom 15.02.2006

Ich finde, Sie sollten sich mit der Frage auseinander setzen, wie zum Beispiel Ihr eigener Finanzminister, Ihre eigene Wirtschaftsministerin gegenüber der Kommune Oberhausen mit dem goldenen Zügel umgegangen sind, als es um die EUMittel ging.

Das hatte zur Folge, dass die Kommune einen Bruchteil nicht mehr aufbringen durfte, weil man das über den Finanzminister und über die Kommunalaufsicht gestoppt hat und eine Investition für die Stadt nicht geleistet werden konnte. Das ist zum Beispiel nicht kommunalfreundlich. Das ist kommunalfeindlich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie können abwinken, wie Sie wollen. An solchen Stellen wird an vielen Schrauben gedreht. Ich kann es Ihnen aus meiner Erfahrung sagen:

(Rainer Lux [CDU]: Haben Sie die Diskussi- on verfolgt?)

Gerade die Kommunen, die im Haushaltssicherungskonzept sind, erst recht die, die im Nothaushalt sind, werden landauf,landab von den Kommunalaufsichtsbehörden völlig unterschiedlich behandelt. Sie werden zum Beispiel beim Städtebau sehr oft so behandelt, dass sie freiwillige Leistungen adäquat kürzen müssen, wenn sie ihren Eigenanteil finanzieren wollen. Sonst bekommen sie die Landesmittel nicht. Aber im Straßenbau, bei den Vorfinanzierungen sind sie noch bis vor kurzem anders behandelt worden. Da sind sie teilweise auch als Haushaltssicherungskommunen so behandelt worden, dass sie im Haushaltssicherungskonzept eine Vorfinanzierung für den Straßenbau vornehmen konnten.

Meine Damen und Herren, das ist nicht nur die neue Landesregierung, das war auch teilweise der alte Fachminister. Das war die alte Kommu

nalaufsicht. Aber Sie gehen überhaupt nicht da ran. Sie verstecken sich hinter der Systematik eines GFG, die im Kern mit den Schwächen, die ich beschrieben habe, in Ordnung ist. Sie kümmern sich nicht um die Förderprogramme. Sie kümmern sich nicht um die Rahmenbedingungen. Sie kümmern sich nicht um die Ungerechtigkeiten innerhalb des Fonds Deutsche Einheit. Sie kümmern sich nicht um die Frage, was mit dem Verbundsatz nächstes Jahr passiert. Sie sagen nichts zu der Frage, ob Sie den in der Zukunft stetig halten wollen, so wie es Rot-Grün in den letzten Jahren getan hat. Das sagen Sie alles nicht.

Damit Sie nicht meinen, dies sei eine Einzelmeinung, möchte ich Ihnen heute als Einzigen den Bürgermeister der Stadt Neuenrade zitieren, weil das just heute Nachmittag bei mir eingegangen ist. Er sagt am Ende zum Solidarbeitragsgesetz:

„Ich fordere Sie“

und zwar Herrn Wolf –

„nochmals auf, von einer Streichung des Solidarbeitragsgesetzes Abstand zu nehmen. Da beim LDS bereits die Datengerüste für die entsprechenden Berechnungen nach dem Solidarbeitragsgesetz vorhanden sind, ist in diesem Fall die Entbürokratisierungswirkung nicht besonders hoch. Oder beabsichtigen Sie, mit dem Wegfall des Solidarbeitragsgesetzes auch entsprechende Stellen einzusparen?“

Meine Damen und Herren, er hat nachgewiesen, dass eine Kommune, die abundant ist und erheblich darunter leidet, dass die Kreisumlage dort große Teile der Kommunalfinanzen abschöpft, durch die Umstellung stark betroffen ist. Es sind nicht nur die Städte mit gutem Steueraufkommen wie Düsseldorf, sondern gerade auch Städte im ländlichen Raum.

Es betrifft die Problematik, die ich eben mit dem zukünftigen Verbundsatz angesprochen habe. Ich bitte Sie, dass, wenn Sie diese Sachen konkret abarbeiten, Sie auch dazu Stellung nehmen. Ich möchte Sie bitten, Herr Wolf, dass Sie gleich Stellung dazu nehmen, was ich zu den 149 Millionen € ausgeführt habe, dass Sie Stellung in Bezug auf die Gewerbesteuerumlage und auf die Frage nehmen, was mit dem überschießenden Betrag nächstes Jahr in Zusammenhang mit dem Verbundsatz passiert.

Insgesamt muss ich feststellen: Sie kommen zunehmend in schweres Fahrwasser. Sie werden sich zunehmend damit auseinander setzen müssen, dass Sie weit weg von Ihren Versprechungen, weit weg von Ihren Ankündigungen zum

Schuldenabbau sind, die Sie großspurig gemacht haben, und es wird immer klarer, dass Sie im letzten Jahr mit Ihren Rechenoperationen nichts anderes als großen Nebel geworfen haben. Wir werden in den nächsten Jahren sehen, was mit den Kommunen passiert.

Eine letzte Aufforderung an Sie: Ich bitte Sie und fordere Sie auf, im Sinne der Kommunen heute klar Stellung zu beziehen, ob es beim jetzigen Verbundsatz für die nächsten Jahre bleibt. Das wäre verlässliche Finanzpolitik. Wenn Sie das Auf und Ab von früher aufgrund eines anderen Modus kritisieren, dann sollten Sie auch selbst etwas dazu sagen, ob Sie in der Zukunft verlässlich sein wollen. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Engel von der FDPFraktion.

Ich möchte kurz für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer das Rätsel lüften, was GFG, diese ständig benutzte Abkürzung, bedeutet: Das ist das Gemeindefinanzierungsgesetz, das Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes NordrheinWestfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2006.

(Horst Becker [GRÜNE]: Er ist doch mein Lieblingspräsident!)

Herr Engel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Jäger, Frau Kraft ist leider draußen. Vielleicht richten Sie ihr das aus, Herr Jäger. Heute Morgen haben wir es wieder gehört. Sie und die anderen Redner haben unsere Ordnungsprinzipien aufgegriffen und sich an ihnen abgearbeitet, was aber vor allem für Frau Kraft zu dem Prinzip gilt: Privat vor Staat.

Ich möchte Ihnen ganz zu Beginn noch einmal erläutern, warum wir es für richtig halten, nach so vielen Jahren auf Privatheit zu setzen. Der Staat hat sich beinahe in jede Lebensritze hineingedrängt. Frau Kraft hat heute Morgen von einer Weichenstellung in die Sackgasse gesprochen, genau das haben Sie in den letzten Jahren geschafft: Wir sind in dieser Sackgasse. Es gibt nur eine Richtung: Da wieder hinaus, und deshalb setzen wir auf Privatheit – Privat vor Staat. Richten Sie ihr das bitte aus.

Das andere, was Sie heute Mittag aufgegriffen hat: Als wir vom schlanken Staat sprachen, hat sie sogar Heidi Klum in der Richtung bemüht,

dass es jetzt schon ein magersüchtiger Staat sei. Ich frage Sie: Wo wollen Sie wirklich hin? – 112 Milliarden € Verschuldung, beinahe jeder zweite Euro geht durch staatliche Hände, von jedem Euro – 100 Cent – gehen 43 Cent in den Personalhaushalt. Wo wollen Sie eigentlich hin? Wo ist die Alternative?

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so wie es dem Land geht, so geht es auch den Kommunen. Auch das haben Sie uns hinterlassen. Wie ich schon sagte: Jeder zweite Euro geht durch staatliche Hände, die Zahl der Kommunen, die sich im Haushaltsicherungskonzept befinden, steigt seit Jahren unaufhaltsam.

Sie von der Opposition haben es zu verantworten, dass von 427 Städten, Gemeinden und Kreisen 198 am Gängelband der Bezirksregierungen geführt werden. Ja, das ist Ihre Verantwortung. 20 kreisfreie Städte, sogar neun Kreise und 169 kreisangehörige Kommunen können ihre Haushalte nicht ausgleichen.

Es ist Ihre Verantwortung, dass 104 Städte und Gemeinden überhaupt gar keine Chance haben, am Ende des Tunnels Licht zu sehen, also ein genehmigungsfähiges Haushaltssicherungskonzept vorlegen zu können. Das sind erschreckende Zahlen. Wenn wir die Frage untersuchen, wo die Ursachen für diese dramatische Finanzsituation liegen, dann stellen wir blitzschnell fest, dass es nicht nur auf der Einnahmenseite Gründe gibt, sondern auch auf der Ausgabenseite.

Damit sind wir wieder beim zweiten Ordnungsprinzip dieser neuen Regierung: Erarbeiten vor Verteilen.

Meine Damen und Herren, unsere Kommunen leiden unter einem dramatischen Fehlbetrag in Höhe von insgesamt 11,8 Milliarden €. Die Liquiditätslage ist mehr als angespannt. Die Kassenkredite haben im September 2005 die 10-MilliardenEuro-Grenze überschritten. Das haben wir alles schon gehört.

Kurz: Die kommunale Selbstverwaltung ist ernsthaft in Gefahr. Es gibt kaum noch Städte und Gemeinden, die sich eine freie Spitze erlauben können. Damit bin ich wieder bei denen, die Frau Kraft heute Morgen bei ihrer verbalen Demo in die erste Reihe gestellt hat, bei den Kindern und Jugendlichen.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Ich bin bei der freien Spitze, bei den, Herr Becker, uneingeschränkt freiwilligen Leistungen: Sport

und Kultur, die auch in Ihrer Gemeinde viel zum kommunalen, städtischen Klima beitragen.

Das, was Sie in den letzten 39 Jahren in Ihrer kommunalen Finanzpolitik hinterlassen haben, führt dazu, dass die Freiheit der Kommunen, die Selbstverwaltung, inzwischen ausgehöhlt ist. Es funktioniert eben nicht, wenn Sie versucht haben, unsere Ordnungsprinzipien beinahe vom Gegenteil her zu verwirklichen: Sie haben immer auf Staat statt Privatheit gesetzt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mein kommunalpolitischer Vorgänger, der jetzige Innenminister Dr. Wolf, hat Ihnen in der letzten Legislaturperiode immer wieder die Bereitschaft der FDP-Landtagsfraktion erklärt, gerade dort zu helfen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Der will Ihren Posten, Herr Wolf!)

Dieses Angebot haben Sie stets ausgeschlagen. Sie haben die Kommunen weiter ungeniert am Gängelband einer kommunalfeindlichen Politik geführt. Dieses Gängelband haben Sie immer kürzer gefasst. Damit haben Sie uns ein schweres Erbe hinterlassen. Die neue Landesregierung hat sich deshalb mit ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass die Verteilung der finanziellen Mittel im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs transparenter, gerechter und planbarer gestaltet wird. Das setzen wir um.

Das GFG ist deshalb unter den Gesichtspunkten Transparenz, Gerechtigkeit und Planbarkeit, erweitert unter den Gesichtspunkten Ehrlichkeit und Bürokratieabbau fortentwickelt worden. Es enthält zahlreiche Änderungen, die die kommunale Selbstverwaltung stärken. Diese möchte ich noch einmal kurz skizzieren. Der Innenminister hat die Neuerungen im GFG ja bereits ausführlich dargestellt. Es sind sieben Punkte:

Erstens. Ableitung des Steuerverbundbetrages auf Basis des Ist-Steueraufkommens für den Referenzzeitraum vom 1. Oktober 2004 bis 30. September 2005. Das bedeutet zeitnahe Planungssicherheit im Haushaltsjahr.

Zweitens. Beibehaltung des Verbundbetrages mit 23 %. Das bedeutet Gerechtigkeit.

Drittens. Abbau der Befrachtung um fast 50 % auf 166 Millionen €. Das bedeutet Transparenz.

Viertens. Abschaffung zweckgebundener Zuweisungen aus dem GFG durch Verlagerung in den Landeshaushalt. Das bedeutet Stärkung der Eigenständigkeit.

Fünftens. Systemumstellung bei der Solidarbeitragsverteilung. Das bedeutet weniger Bürokratie.

Sechstens. Schwerpunktlegung der verteilbaren Verbundmasse mit über 85 % auf die Schlüsselzuweisung. Diese konsumtiven Gelder fließen damit direkt in die klammen Verwaltungshaushalte unserer Kommunen. Das bedeutet Stärkung kommunaler Selbstverwaltung.

Siebtens. Erhöhung der Sonderpauschalen auf 510 Millionen €. Bei der Schulpauschale werden erstmals 70 Millionen € als konsumtive Zuweisung ausgewiesen. Damit wird der Kritik des Landesrechnungshofes vollständig entsprochen. Das bedeutet Ehrlichkeit in der Mittelzuweisung.

Alle diese Änderungen begrüßt die FDP-Landtagsfraktion. Das GFG 2006 ist erster, allererster Balsam auf die finanziellen Wunden der Kommunen, ein erster Schritt in die richtige Richtung, ein erster Schritt in Richtung mehr Freiheit für unsere Kommunen. Allerdings werden uns ihre Altlasten noch lange weiter erheblich drücken.

Damit spreche ich die Kreditierung der Vorjahre in Höhe von 674 Millionen € an, die das Land den Kommunen in den Vorjahren gestundet hat. Die Rückzahlung dieser zinslosen Kredite ist dafür verantwortlich, dass die verteilbare Verbundmasse um 8,8 % geringer ausfallen muss als im Jahr 2005. Das ist schmerzhaft, aber unabweisbar. Ansonsten würden wir den Weg in den Verschuldungsstaat unbeirrt fortsetzen. Eine weitere Stundung verbietet sich.

Es stehen in diesem Jahr nur 5,8 Milliarden € für die gesamte kommunale Familie zur Verfügung. Deshalb sinkt auch die Investitionspauschale um 20 %. Auch das ist hart, aber ebenfalls notwendig.