Protokoll der Sitzung vom 15.02.2006

Es stehen in diesem Jahr nur 5,8 Milliarden € für die gesamte kommunale Familie zur Verfügung. Deshalb sinkt auch die Investitionspauschale um 20 %. Auch das ist hart, aber ebenfalls notwendig.

Wir wollen die öffentlichen Haushalte konsolidieren und das Verschieben auf spätere Generationen beenden. Wir haben heute Morgen schon gehört: Jedes Neugeborene bekommt 9.100 € Schulden in die Wiege gelegt. Wenn Sie diesen Betrag einmal auf die Zahl der Neugeborenen im Jahr 2004 umrechnen würden – laut Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik waren das 158.000 –, dann kämen Sie auf einen Betrag von zwei Familienhäusern. Da ist das eine, was man später vielleicht einmal anstrebt, schon längst verfrühstückt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass wir die desaströse kommunale Finanzsituation nur durch eine durchgreifende Finanzreform dauerhaft in den Griff bekommen werden. Die unkalkulierbare Gewerbesteuer muss durch eine planbare Steuer ersetzt und die

Grundsteuer muss reformiert werden. Deshalb dürfen und werden wir die Gemeindefinanzreformdiskussion auch nicht in Zeiten besserer Einnahmen aus der Gewerbesteuer zu den Akten legen. Wir haben gerade heute Morgen vom Innenminister gehört, dass nur 17 Kommunen eine schlechtere Finanzkraft für das Jahr 2006 gemeldet haben. Also: An der Stelle lassen wir uns nicht in Versuchung führen.

Nutzen wir die Zeit für Konzepte, wie wir die kommunalen Einnahmen verstetigen können. Ziel ist es, die kommunale Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen und so die kommunale Selbstverwaltung wieder zu stärken.

(Beifall von der FDP)

Ich möchte am Ende meiner Ausführungen ganz ausdrücklich dem Innenminister und dem Finanzminister danken. Das ist ein Paradigmenwechsel und schafft wirklich den Silberstreif am Horizont, auf den die Kommunen schon lange gewartet haben. Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, nach nur neun Monaten mit einem sehr, sehr kritischen Haushalt einen solchen Weg zu beschreiten. Wir werden das draußen in den Diskussionen – es ist wiederholt von Podiumsdiskussionen usw. gesprochen worden – erklären. Ich freue mich darauf. Wir werden das nicht nur durchhalten, wir werden es erläutern. Sie werden sehen: Die Menschen gehen mit uns diesen Weg. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Nun hat für die Landesregierung Innenminister Dr. Wolf das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Jäger hat Recht: Die Beratungen zum Landeshaushalt haben fünfeinhalb Stunden gedauert, dann hat der Präsident einen neuen Tagesordnungspunkt aufgerufen. Ich habe allerdings das Gefühl, dass die beiden Redner der Opposition sich nicht in die Rednerfolge heute Morgen haben einklagen können und das Ganze deswegen noch einmal aufgearbeitet haben.

(Widerspruch von der SPD)

Ich kann Ihnen nur sagen: Über das GFG habe ich wenig gehört. Ich will Ihnen aber gerne zurufen, dass die von mir heute Morgen angesprochene desaströse Finanzlage der Kommunen Ausfluss Ihrer Finanzpolitik der letzten 39 oder der letzten zehn Jahre ist, je nachdem, auf wen man

da im Einzelnen schaut. Die katastrophalen Haushalte der Kommunen haben natürlich Sie zu verantworten.

Unsere Aufgabe war es, im Rahmen des Systems einen Wechsel herbeizuführen – im Rahmen des Systems heißt: Abhängigkeit der Gemeindefinanzierung vom Landeshaushalt. Dass wir das GFG auf neue Füße gestellt haben, dass wir trotz der Abhängigkeiten große Erfolge erzielt haben – Prinzip der Freiheit: wir haben 85 % in die Eigenverantwortung der Kommunen gegeben –, finde ich ganz beachtlich. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich an dieser Stelle ein bisschen für die von Ihnen ja so geschätzte und von mir sehr unterstützte kommunale Landschaft gefreut hätten.

Stattdessen Diskussionen über vermeintliche oder tatsächliche Ausgabenkürzungen im Landeshaushalt! Sie haben noch viel Gelegenheit, das in den Haushaltsplanberatungen zu diskutieren. Faktum ist, dass Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass wir an vielen Stellen, gerade im Bereich Kinder und Jugendliche, unsere Ausgaben verstärken. Ich denke an das, was sich im Bildungsbereich abspielt: an verdoppelte Sprachförderung und Ähnliches.

Ich will mich auf das GFG konzentrieren. Sie haben das eine oder andere angesprochen, allerdings mit einem Zungenschlag, Herr Jäger, der mich verwundert. Wann bitte schön, wenn nicht jetzt, hätten wir als neue Regierung denn den Referenzzeitpunkt ändern können? Sie hätten es 39 Jahre lang machen können. Sie haben es natürlich nicht getan.

Wir wollen Schluss machen mit der Achterbahnfahrt der Kommunalfinanzierung: immer mal ein bisschen zu viel, mal ein bisschen zu wenig – und in den nächsten Jahren in einem komplizierten Abrechnungssystem ausgleichen. Wir machen das jetzt sachgerecht, wir machen es transparent. Es war der erstmögliche Zeitpunkt für eine Änderung. Den haben wir genutzt – aus meiner Sicht auch sehr erfolgreich.

Herr Minister, der Abgeordnete Becker würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie sie zu?

In drei Gottes Namen! Bitte schön. Ja.

(Allgemeine Heiterkeit)

Das ist sehr liberal, Herr Minister. Ich frage Sie, ob Sie uns daran teilhaben lassen können, indem Sie aufzählen, wo die Stei

gerungen im Kinder- und Jugendbereich sind, von denen Sie gerade gesprochen haben.

Ich hatte Ihnen eben schon gesagt, dass Sie sich daran noch in den Finanzberatungen der Ausschüsse abarbeiten können. Dass wir Tausende von neuen Lehrern eingestellt haben – im letzten Jahr 1.000, in diesem Jahr 1.000 –,

(Beifall von Walter Kern [CDU] – Wider- spruch von SPD und Grünen)

dass wir – wie ich es eben schon sagte – die Sprachförderung verdoppelt haben, sind Punkte, die sich in ihrem Volumen – der Finanzminister hat es heute gesagt – sehr gut sehen lassen können. Wir haben also Schwerpunkte gerade im Bereich Kinder und Jugend gesetzt.

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Zumindest Herr Becker hat sich mit dem Solidarbeitragsgesetz auseinander gesetzt. Ich habe noch sehr gut die Diskussionen im Ohr, die abliefen, wenn Sie in der Vergangenheit Änderungen im Rahmen der Kommunalfinanzierung vorgenommen haben. Da ist von Herrn Lux völlig sachgerecht vorgetragen worden, dass jede Änderung natürlich Auswirkungen hervorruft. Ich weiß zum Beispiel, dass Sie in der Vergangenheit die Freiraumpauschale abgeschafft haben. Da sind 40 oder 50 Bürgermeister gekommen, haben Ihnen gesagt: „Das hat Auswirkungen auf unseren Haushalt“, und dann haben Sie es einfach beschlossen.

Jetzt haben wir eine Änderung, die sehr sachgerecht ist. Sie führt nämlich dazu, dass gewerbesteuerstarke beziehungsweise ertragssteuerstarke Kommunen nicht mehr wie bisher einen Ausgleich bekommen. Das ist also an dieser Stelle ein Subventionsabbau. Die Kommunen, die in großem Umfang Gewerbesteuer einnehmen, bekommen keinen Ausgleich mehr.

Dann sagen Sie: Das geht nicht. Das wollen wir nicht. Das machen wir nicht mit. Das ist Ihr gutes Recht. Wenn Sie Änderungen vornehmen, muss es auch Veränderungen geben, die tragbar sein müssen. Ich glaube, dass es sich so einrichten lässt, wie ich es heute Morgen geschildert habe. Es gibt Kommunen, die aus eigener Kraft heraus so stark sind, dass sie nicht einmal mehr Schlüsselzuweisungen bekommen. Das ist richtig. Es gibt andere, bei denen sich die Stärkung der Finanzkraft auswirkt.

Meine Damen und Herren, zum Wettbewerb der Kommunen: Ich kann nur sagen, Herr Jäger, dass wir dabei vermutlich nie auf einen Nenner kom

men werden – weder landespolitisch noch auf der kommunalen Ebene.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Sie wollen den Wettbewerb nicht. Wir wollen den Wettbewerb,

(Ralf Jäger [SPD]: Wir wollen den Wettbe- werb! Sie nicht!)

weil in der Tat die Bereiche der Wirtschaft, der Bildung und der Sozialsysteme – gehen Sie nach Kanada; dort macht man mit großem Erfolg in den entsprechenden Staaten das Gesundheitswesen allein – auf Leistung und Wettbewerb ausgerichtet sind. Sie sind natürlich erfolgreicher als eine staatlich reglementierte Wirtschaft.

Insofern: Wenn Sie § 107 der Gemeindeordnung, der heute gar nicht direkt auf der Tagesordnung steht, ansprechen und diskutieren wollen, warten Sie noch ein Weilchen. Wenn wir den Reformentwurf zur GO vorlegen, können wir das in Ruhe diskutieren.

(Ralf Jäger [SPD]: Das machen wir dann, wenn wir das möchten! Genau dann!)

Ich möchte Ihnen die ganz klare Auskunft geben, weil Herr Becker das im Zusammenhang mit Gewerbesteuerumlagen und mit dem Haushalt 2007 angesprochen hat: Das machen wir wie bisher. Haushalte werden für ein Jahr beschlossen. Insofern werden wir uns – genauso wie Sie es früher immer getan haben – auf das beschränken, was gerade Thema ist, nämlich auf den Haushalt 2006. Damit liegen Ihnen die Regeln glasklar vor. An diese werden wir uns halten.

Wir wollen nicht vergessen, wenn wir über die Finanzlage der Kommunen sprechen, dass die positive Entwicklung der Einnahmen natürlich ein Stück durch die Kreditrückzahlung abgeschwächt wird. Ich stehe auch nicht an, Ihnen klar und deutlich zu sagen, dass ich Ihnen das auch in früheren Jahren vorhergesagt habe. Wenn die Kommunen nicht zur Zeit der Mindereinnahmen an den Mindereinnahmen partizipieren, holt sie das natürlich am Ende ein, weil sich das Land als Kreditgeber aufspielt. Das Geld muss dann hinterher natürlich zurückgezahlt werden. Das ist eine ganz normale buchhalterische Konsequenz. Ich sage Ihnen: Mit der Neuregelung des Referenzzeitpunktes werden wir eine Änderung herbeiführen, sodass wir in Zukunft eine klare und planbare Größe haben.

Das alles macht deutlich, dass wir uns nicht mit Zahlenakrobatik begnügen, sondern dass wir eine echte Neuregelung der Gemeindefinanzierung vornehmen. Wenn die Frage der Gemeindefinanz

reform angesprochen wird, kann ich nur sagen, Herr Jäger: Sie haben das verhindert.

(Ralf Jäger [SPD]: Wie bitte?)

Sie haben auf Bundesebene den gemeinsamen Wunsch von FDP und CDU im Landtag nach einer Neuordnung der Gemeindefinanzierung unter Verzicht auf eine Gewerbesteuer mit Ihren Mehrheiten verhindert. Das ist eine andere politische Betrachtungsweise.

(Ralf Jäger [SPD]: Herr Wolf, das ist Kokolo- res!)

Ich sage Ihnen: Sie können über die Gewerbesteuer gern noch eine Weile reden; Sie werden immer wieder erleben, dass der Achterbahneffekt der Gewerbesteuer dazu führt, dass es für Kommunen in ihren eigenen Haushalten nicht die Planbarkeit gibt, die sie brauchen.

Lieber Herr Stahl, wir werden – so ist es immer verabredet gewesen – von unserer Seite aus stets Initiativen unterstützen, die darauf hinauslaufen, dass wir eine zukunftsgerichtete, planbare, auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen bekommen auf Grundlage einer Gemeindefinanzreform, wie wir sie uns vorstellen, das heißt ohne Gewerbesteuer.

(Ralf Jäger [SPD]: Ist das die Meinung der Landesregierung oder Ihre Meinung?)

Wenn es die Mehrheiten dafür auf Bundesebene noch nicht gibt, ist das bedauerlich. Am Ende wird es nur eine Verbesserung der Finanzlage der Kommunen dadurch geben, dass wir diesen Paradigmenwechsel durch eine echte Gemeindefinanzreform und natürlich auch durch eine wachstumsorientierte Politik in Nordrhein-Westfalen hinbekommen.

Eine Konsolidierung des Landeshaushaltes und der Gemeindehaushalte wird es nur geben, wenn dieses Land wieder wirtschaftlich nach vorne kommt. Dazu brauchen wir die zitierten Grundsätze „Privat vor Staat“ und „Erarbeiten und Erwirtschaften vor Verteilen“. Wir brauchen eine klare Positionierung mit dem Kompass auf Freiheit und Wettbewerb. Wir werden diesen Weg konsequent zum Nutzen des Landes und auch der Kommunen gehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Becker noch einmal zu Wort gemeldet.

Herr Minister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte mich nicht gemeldet, wenn Sie nicht anfangs gesagt hätten, Sie hätten von den Rednern der Opposition nichts zum GFG gehört. Dann haben Sie jedenfalls zu meinen Fragen, die ich sehr konkret an Sie gestellt habe, bis auf die Anmerkung, dass Sie 2007 erst im Jahr 2007 besprechen, nichts gesagt.