Protokoll der Sitzung vom 30.08.2006

Alles andere, was Sie hier vorgetragen haben, ist reine Rabulistik, Herr Becker. Wo ist denn Ihr Gegenentwurf, Herr Jäger? Wo ist Ihr konstruktives Beispiel?

(Ralf Jäger [SPD]: Wer regiert hier eigent- lich?)

Da ist null, nichts, gar nichts.

(Beifall von der CDU)

Obwohl die Botschaft so lautet, nämlich 820 Millionen € am Ende des Jahres mehr auf dem Tisch der Kommunen, bleiben wir mit beiden Beinen auf der Erde.

Herr Becker, machen Sie sich keine Sorgen über die Anzahl der kommunalen Mandate für die FDP. Die Zahl ist dreistellig. Wir sind gut vertreten.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE] – Lachen von den GRÜNEN)

Entschuldigung, vierstellig; ich habe mich versprochen.

(Horst Becker [GRÜNE]: So gehen Sie mit Zahlen um!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Finanzlage, auch die der Kommunen, ist angespannt; das haben wir heute Tausend Mal gehört. Das wissen wir. Wir werden noch lange Zeit zu tun haben, bis wir endlich einen verfassungskonformen Haushalt vorlegen können. Das ist auch keine Frage. Wir wissen, dass das insgesamt nicht einfach ist, weil wir Ihre finanzielle Hinterlassenschaft überwinden müssen.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Geht das schon wieder los!)

Den ersten Schritt dazu haben wir gemacht, als wir im Gemeindefinanzierungsgesetz

(Horst Becker [GRÜNE]: Unsere Hinterlas- senschaften sorgen für Steuermehreinnah- men!)

die Kommunen aufgefordert haben, mit einem Schlag die 670 Millionen € – Sie sagen 680 Millionen € – zurückzuzahlen. Sie haben vor einem Jahr unisono den Untergang des Abendlandes prognostiziert. Nichts ist passiert. Beide – die Kommunen und das Land – haben diese Aufgabe gemeistert. Gott sei Dank! Das haben wir endlich hinter uns.

(Beifall von der FDP)

Eine Kreditfinanzierung durch einen Kreditgeber, der selber pleite ist, wird es in Zukunft nicht mehr geben.

(Beifall von der FDP)

Darauf kann man sich einstellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Konsolidierung ist schmerzhaft. Sie stellen sich hier nach dem Motto hin: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! – Das geht nicht.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Wann wollen wir denn konsolidieren? Sagen Sie uns das mal! Wann denn, wenn nicht heute? Von diesem Weg wird sich diese Koalition nicht abbringen lassen.

Deshalb ist es heute zwar schmerzhaft, aber verantwortbar, wenn wir jetzt vier Siebtel der Grunderwerbssteuer – rund 162 Millionen € – zur Konsolidierung in den Landeshaushalt einstellen und – was die Krankenhausfinanzierung angeht – den Satz von 20 % auf 40 % heraufsetzen. Wir wissen doch – der Finanzminister hat es zweimal deutlich gemacht –, wie die Gewerbesteuerquellen insgesamt sprudeln. Wenn die Zahlen stimmen, liegen sie bei konservativer Berechnung bundesweit bei etwa 12 % mehr. Herr Jäger, bei so einem Umfeld gibt es keine andere Alternative; da muss man konsolidieren, und das machen wir.

(Ralf Jäger [SPD]: Sie haben zu viel Geld! Jetzt verstehe ich das! Da kann man kürzen!)

Wenn nicht jetzt, wann dann?

(Ralf Jäger [SPD]: Jetzt haben Sie es we- nigstens ehrlich gesagt!)

Ich hatte auf 2006 verwiesen, als wir die Kredite durch weniger Auszahlung zurückgefordert haben. Da haben Sie sich auch hier hingestellt und gesagt: Das geht überhaupt gar nicht. – Herr Becker hat eben noch einmal erwähnt, die Rückzahlung wollte die kommunale Familie auf zwei bis drei Jahre strecken. Da haben Sie Recht. Das war die Absicht. Diesen Hinweis haben Sie gestern in der Vorstandssitzung zutreffend gegeben.

Aber wir haben die Operation durchgeführt. Wir haben sie hinter uns. Es ist Vergangenheit und schafft wirklich wieder den freien Blick nach vorne. Die Zahl der Kommunen ohne einen ausgeglichenen Haushalt – deswegen ist das Geschäft auf Jahre hinaus noch hart – steigt weiter. Wir haben ja einen Weg und eine Mentalität: Weiter so, Verschuldungsstaat. Erst muss einmal etwas in den Köpfen stattfinden; das ist kein Vorwurf. Wir werden nicht sofort die Erfolge vor Ort haben, sondern das dauert etwas.

Wir haben – vorausgesetzt, die Zahlen stimmen – 117 Kommunen in der vorläufigen Haushaltswirtschaft per 30. Juni. Diese Zahl ist bedenklich und ein bisschen höher als die von vor einem Jahr. Das gilt auch für die Entwicklung der Kassenkredite von 10,5 Milliarden € auf jetzt 11,7 Milliarden €. Wer das vor Ort hinterfragt, weiß, dass die Kämmerer hinter vorgehaltener Hand sagen: Es gibt nichts Besseres als Kassenkredite. Das zum Punkt Mentalität.

Damit müssen wir Schluss machen. Alles, was kreditfinanziert ist, geht zulasten der zukünftigen Generationen. Das wissen Sie. Die bürgerliche Koalition von CDU und FDP macht ernsthaft Schluss mit diesem Weg in die weitere Verschuldung. Wir müssen die Haushalte konsolidieren, wie wir auch die einzelnen Politikfelder deutlich besser zu fahren versuchen als Sie in der Vergangenheit.

Zur Konsolidierung gibt es also keinerlei Alternative. Ich wiederhole es: Wir haben bei dem, was im Bereich der Schlüsselzuweisungen auf den Tisch der kommunalen Familie kommt, eine Steigerung um 620 Millionen €. Die gesamte Verbundmasse hat etwa ein Volumen von 6,4 Milliarden €. Das haben wir schon gehört. Das ist der Lichtblick. Wir haben auch gehört, dass der Bereich der Investitionspauschalen um 27 % auf ein akzeptables Niveau von rund 408 Millionen € gesteigert werden kann. Auch das ist eine positive Nachricht.

Lassen Sie mich noch ein Wort zu den Sonderpauschalen sagen, zu denen sich der Innenminister heute bereits geäußert hat. Wie bereits im GFG 2006 sind 510 Millionen € für die Schulpau

schale und die Sportpauschale veranschlagt. Das ist eine Hausnummer. Die Verteilung erfolgt wie beim GFG 2006, wobei auch im kommenden Jahr 70 Millionen € der Schulpauschale in konsumtiver Form an die Kommunen ausgezahlt werden.

Meine Damen und Herren, ich erspare mir meine weiteren Ausführungen, um damit einen Beitrag zum Zeitgewinn zu liefern. Wir werden den eingeschlagenen Weg ungebremst und mit Vernunft fortsetzen. In einem Jahr werden wir uns hier wiedertreffen und über das Gemeindefinanzierungsgesetz 2008 zu reden haben. Ich ahne, dass wir Ihnen dann in ähnlicher Weise ein Gesetz werden präsentieren können, das auf zwei Säulen ruht: nämlich der weiteren Konsolidierung, die alternativlos ist, und darüber hinaus einer Finanzausstattung für die Kommunen, mit der diese ihrer von der Verfassung garantierten kommunalen Selbstverwaltung und den Aufgaben, die ihnen daraus erwachsen, nachkommen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat nun Herr Innenminister Dr. Wolf das Wort für die Landesregierung.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Jäger, das, was Sie hier losgelassen haben, war wahrlich ein Feuerwerk der Desinformation. Ich möchte nur kurz darauf eingehen, dass ich bei meiner Schilderung der Finanzlage der Kommunen einen zielführenden Hinweis auf den kommunalen Finanzbericht gegeben habe, nicht aber den Anspruch auf Vollständigkeit erhoben habe, sondern als ein Beispiel für die Brisanz der Finanzlage die Kassenkredite genannt habe. Wir könnten noch weitere Parameter heranziehen. Das bringt uns hier aber nicht weiter.

Sie haben dann -wie immer untauglich – versucht, einen Keil zwischen Dr. Linssen und mich zu treiben. Schauen sie sich Seite 40 des Gesetzentwurfs an, dann können Sie leicht ermessen, warum wir zu unterschiedlichen Prozentzahlen kommen. Die Schwierigkeit des Gemeindefinanzierungsgesetzes macht es nun einmal aus, dass es verschiedene Faktoren und Berechnungsgrundlagen gibt. Je nachdem, worauf man sich bezieht, kommt man ganz automatisch zu unterschiedlichen Sätzen. Das hat nichts mit Taschenspielertricks zu tun. Die Regierung der Taschenspielertricks und der Bilanzfälscher ist abgelöst worden.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir sagen Ihnen offen, was Sache ist. Sache ist, dass wir uns auf einem Konsolidierungskurs befinden. Der Kollege Engel hat in entwaffnender Offenheit gerade ausgeführt, dass man – wenn es darum geht, Fehler der Vergangenheit auszumerzen – natürlich auch zusehen muss, dass man sich, Land und Kommunen, gemeinsam aufstellt und schaut, wie es den beiden geht: Wer kann in welcher Weise zur Konsolidierung beitragen? Der Abwägungsprozess, dem wir uns als gelbschwarze Koalitionsregierung stellen, ist schwierig.

Ich meine, wir haben es genau anders gemacht als Sie: Wir haben nicht weiter getrickst. Wir haben nicht weiter zulasten der Kommunen gefälscht, sondern wir haben transparent gesagt, was Sache ist, und zwar – Herr Lux hat es gesagt – durch dieses neue GFG. Das neue GFG bringt eine Transparenz hinein, die ihresgleichen sucht und eben nicht mehr dazu führt, dass wir die Schleifspuren Ihrer vergangenen Bilanzfälschungen ausbügeln müssen, sondern sagen können: Die Kommunen können ablesen, was ihnen zusteht. Es wird nicht mehr kreditiert und nichts mehr zurückgehalten.

Ich möchte einen kleinen Blick in die Vergangenheit werfen, um Ihnen noch einmal Ihre Verantwortung vor Augen zu führen: Es gab die Jahre 2003, 2004 und 2005, als Sie schon den heißen Atem der zukünftigen Wahlkämpfe im Nacken spürten. Seinerzeit haben Sie aus Ihrer Sicht – pleite, wie Sie waren – im Jahre 2003 484 Millionen € kreditiert. 2004 waren es 559 Millionen €, und 2005 – am Anfang waren Sie noch dabei – waren es 321 Millionen €. Das sind satte 1.360.000.000, die Sie kreditiert haben, als Schulden aufgenommen und einfach auf die Landesschulden oben draufgepackt haben. Das ist ausschließlich Ihre Verantwortung. Diese Haushalte hatte nicht die Opposition, sondern die hatten Sie beschlossen.

Jetzt zum Thema, wie das zurückgeführt wird: Im Jahre 2005 haben Sie einen Haushalt aufgestellt, der die Rückführung von Krediten in Höhe von 690 Millionen € vorgesehen hat. Als wir dann im Jahre 2006 die restlichen 674 Millionen € zurückgeführt haben, haben Sie „Haltet den Dieb!“ gerufen. Das ist unehrlich, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Es musste Schluss sein mit diesen Scheineinnahmen bei den Kommunen. Nichts anderes war das. Im Prinzip standen sie ihnen nach Steueraufkommen nicht zu. Sie haben das über eine Kreditierung verschleiert. Jetzt ist abgerechnet worden. Deswegen sind alle Vergleiche mit den Vorjahren

ausgesprochen schwierig, um nicht zu sagen in Wahrheit quasi unmöglich. Nach draußen ist das kaum zu kommunizieren. Deswegen sagen wir: Es gibt ein Mehr. Herr Engel hat es gesagt; Herr Lux hat es gesagt; es ist völlig klar.

Das Entscheidende ist, dass wir jetzt ein GFG haben, das in Zukunft klar ablesen lässt, was die Kommunen zu erwarten haben. Wir haben uns im Rahmen der Verbundgrundlagen auf das beschränkt, was uns verfassungsrechtlich zwingend vorgegeben ist. Das haben die beiden Herren eben geschildert. Es geht um einen Konsolidierungsbeitrag, der im Rahmen dessen, dass es Aufwuchs gibt, aus unserer Sicht verträglich ist.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Wir werden diesen Weg der Klarheit weitergehen. Wir werden die Kommunen zeitnah an der allgemeinen Steuerentwicklung partizipieren lassen. Der Referenzzeitraum reicht immer bis zum 30. September des Vorjahres für den Haushalt, den wir dann beschließen. Mehr kann man nicht tun.

Dass es insgesamt für Land und Kommunen nur dann aufwärts geht, wenn diese Regierung ihren Kurs der Konsolidierung fortsetzt und damit wirtschaftlichen Aufschwung fördert, ist für uns völlig klar. Es gibt keine isolierte Finanzpolitik in diesem Raum. Sie ist von den Faktoren draußen abhängig. Dafür wird die Regierung nicht zuletzt durch Bürokratieabbau, durch Vorschriftenabbau, durch Deregulierung und Privatisierung alles tun, damit es weiter vorangeht. Dann werden die Kommunen fair daran partizipieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, wenn ich sein Handzeichen richtig gedeutet habe, möchte Herr Jäger noch einmal das Wort ergreifen. Bitte schön.