Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

(Marc Jan Eumann [SPD]: Wir aber auch!)

Dann haben Sie, Herr Kollege Eumann, das Problem im Zusammenhang mit den digitalen Satellitenangeboten, der Frage der Angebotsvielfalt, angesprochen. Ich weise noch einmal darauf hin: Bei der Frage, die in dem Antrag erläutert wird, geht es darum, dass über die Satellitenschiene ARD und ZDF zusätzliche Programme senden können, die aber nur digital über Satellit verbreitet werden können. Das ist zusätzlich. Sie können nicht argumentieren, dass, wenn das nicht geschehe und nicht ausgebaut werde, die Angebotsvielfalt eingeschränkt wird. Das ist eine Argumentation, die ich nicht mittrage; die zieht in unseren Augen auch nicht. Angebotsvielfalt ist sogar zusätzlich vorhanden. Das, was ARD und ZDF analog senden, können sie sowieso digital senden. Also: Niemand kann behaupten, dass die Angebotsvielfalt eingeschränkt wird.

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben sich aufgrund der Rundfunkstaatsverträge auch selbst beschränkt, sich mit drei zusätzlichen Programmen zu begnügen. Das sind zusätzliche digitale Angebote. Ich denke, das ist sehr wichtig.

Die staatsvertragliche Programmzahlbegrenzung in Form der Selbstbindungserklärung ist als ein den Bedarf der Anstalten – ich zitiere – „mindernder Umstand berücksichtigt worden“. Auf dieser Grundlage haben alle Länderparlamente – und auch Sie, als Sie damals noch regierten – dem Staatsvertrag zugestimmt.

Wir legen alle gemeinsam Wert auf eine funktionierende duale Rundfunkordnung. Genauso wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Bestands- und Entwicklungsgarantie hat, haben wir ein gemeinsames Interesse daran, dass der private Rundfunk auch wettbewerbsfähig ist. In diesem Zusammenhang ist interessant, was der VPRT, also der Verband der Privaten, auf seiner Mitgliederversammlung im Mai gesagt hat. Er hat die wesentlichen Anforderungen an die Neugestaltung der digitalen Rundfunkordnung definiert und steht auf dem Standpunkt, dass der besondere

gesellschaftliche Nutzen bei den Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erkennbar sein muss. Es ist klar, die Privaten haben da eine strikte Position, die auch auf Abgrenzung abzielt. Das müssen wir ernst nehmen und auch darüber diskutieren, inwieweit man diesen Forderungen der Privaten Rechnung tragen muss.

Es ist weiterhin notwendig – das zeigt auch das EU-Beihilfeverfahren in Brüssel –, dass der Gesetzgeber, also wir, den Auftrag der öffentlichrechtlichen Anstalten klar definiert und damit das gebührenfinanzierende Angebot gegebenenfalls entsprechend begrenzt. In der einschlägigen Fachpresse – ich nenne hier epd Medien von Anfang des Monats – ist die Generaldirektion Wettbewerb in Brüssel zitiert worden. Sie hat ein Papier geschrieben, in dem strittige Fragen angesprochen werden, und Lösungsmöglichkeiten skizziert. Diese Generaldirektion spricht im Zusammenhang mit dem Thema „digitale Zusatzangebote von ARD und ZDF“ wörtlich – ich zitiere – von „unzureichender förmlicher Beauftragung auf Grundlage eines hinreichend präzisen Programmkonzepts“.

Soll heißen: Wenn ihr schon etwas wollt, müsst ihr schon genau sagen, wofür ihr etwas haben wollt. Ich habe dieses Zitat nicht so verstanden, dass die nicht bereit sind, noch etwas zu erweitern. Denn als Lösung wird angedeutet, dass die Kommission der EU neue digitale Spartenkanäle dann akzeptieren könnte, wenn nach dem Vorbild vom Kinderkanal oder Phoenix ein klares Programmkonzept vorliege, diese Konzepte von den Ländern genehmigt und als Anhang zum Rundfunkstaatsvertrag öffentlich gemacht werden.

Herr Kollege Brinkmeier.

Damit wird sich die Rundfunkkommission in ihrer Sitzung in zwei Wochen beschäftigen.

In dem Sinne sind, wie ich denke, viele Einschränkungen gemacht worden von Ihrem Antrag. Darüber können wir im Ausschuss gerne noch diskutieren. Es geht aber nicht, dass hier einfach gefordert wird: Man muss mehr und mehr haben. – Man muss auch sehen, wo dann die Grenzen sind. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Brinkmeier. – Ich habe die herzliche Bitte, dass sich die nachfolgenden Redner, die Herren

Medienpolitiker, an die verabredeten „Sendezeiten“ halten.

(Marc Jan Eumann [SPD]: 1:30 Minuten wa- ren das!)

Da können Sie ja noch nicht einmal guten Tag sagen.

Bitte schön, Herr Keymis.

Vielen Dank, Herr Präsident, für diesen Hinweis. Der ist bei 4 Minuten und 56 Sekunden, die noch verbleiben, wichtig. Ich will es auch relativ kurz machen.

Wir haben den Antrag mit Interesse gelesen, stimmen der Überweisung zu, finden es richtig, dass man sich noch einmal sehr grundsätzlich mit den Fragen beschäftigt, die sich auf die Definition des Entwicklungsbegriffs beziehen.

Herr Brinkmeier, wir müssen noch einmal in Ruhe darüber diskutieren, welches der Unterschied zwischen Expansion und Entwicklung wirklich sein kann, ob nicht die vom Verfassungsgericht festgestellte Bestands- und Entwicklungsgarantie, dieser grundgesetzliche Auftrag des öffentlichrechtlichen Rundfunks, nicht doch auch etwas damit zu tun hat, dass eine Entwicklung stattfinden muss, die den Entwicklungen im modernen technischen Leben gerecht wird. Die Digitalisierung – Herr Kollege Eumann hat darauf hingewiesen – ist nun genau eine solche Entwicklung, die wir nicht erst seit gestern verzeichnen; auf dem Weg sind wir schon eine ganze Zeit.

Ich erinnere sehr gern daran, dass wir im Mai als grüne Landtagsfraktion den Antrag zur Zukunft der Medienpolitik in NRW eingebracht haben und bis heute auf eine Initiative oder auf eine Antwort im politischen Diskussionsraum warten, wie sich die Koalition der Erneuerung das nun vorstellt. Da ist bisher nämlich noch nichts erneuert.

Die SPD hat sich einer taktisch etwas anderen Variante verschrieben. Sie stellt im Kleinen die Anträge, die wir im Großen, in einem größeren Rahmen, im Mai gestellt haben. Ein solcher Antrag ist dieser jetzt auch. Den hätten wir wahrscheinlich zu früherer Zeit, wie wir das meistens getan haben, gemeinsam so stellen können, weil er richtig ist.

(Beifall von Marc Jan Eumann [SPD])

Er ist deshalb richtig, weil es eine Entwicklung gibt, die uns nachdenklich machen muss. Das ist die Frage der Verschlüsselung. Die Menschen wissen allmählich, was damit gemeint ist. Es bedeutet zusätzliches Bezahlen für zusätzliches

Fernsehen. Das ist natürlich etwas, was insgesamt unpopulär ist. Das sehen wir gerade an der Diskussion über die PC-Gebühren, in der wir uns als Grüne im Landtag klar positioniert haben, indem wir gesagt haben: Da haben wir in der Vergangenheit bestimmte Dinge nicht genügend klug durchdacht. Das muss man besser machen. Eine Koalition der Erneuerung – ich nehme Ihren dämlichen Begriff gerne noch einmal auf – müsste genau an der Stelle geeignet sein, solche Erneuerungen auch wirklich in Angriff zu nehmen.

Der nächste Rundfunkänderungsstaatsvertrag steht ins Haus – ich meine nicht den neunten, sondern den zehnten –, und dann müssen bestimmte Entwicklungen, die andere falsch gemacht haben – wir inklusive –, besser gemacht werden. Genau darin liegt die Aufforderung, die jetzt – so habe ich diesen Antrag jedenfalls verstanden – an Sie als die verantwortlich Regierenden gestellt ist.

Vor dem Hintergrund einer solchen Diskussion sage ich Danke für die Klarstellung, Herr Kollege Eumann, mit Blick auf die Intendantenentscheidung in Schwerin. Es ist hier nicht der Ort, an dem wir solche Entscheidungen ständig kritisieren sollten, aber es geht einem schon ziemlich schwierig in den Kopf hinein, was da im Zusammenhang mit Personal, aber auch mit rundfunkpolitischen Entscheidungen im Sinne von „Wir sprechen uns für PC-Gebühren aus!“ – mehr können die Intendanten nicht beschließen; das tun andere – im Moment auf den Weg gebracht wird. Das alles dient leider nicht der Popularisierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks, wie er es in einer sich verbreiternden medialen Welt nötig hätte.

Diese mediale Welt, Herr Kollege Brinkmeier – ich greife damit auch schon dem Kollegen der FDP vor, der dann sprechen wird –,

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist nett!)

ist keine Welt der Waren. Es handelt sich bei Medien für mich um eine Frage, die sehr viel mit Kultur zu tun hat. Es ist eben eine Frage von Diensten und nicht nur von Dienstleistungen. Dafür sind unter Umständen gesellschaftlich ganz andere Vorstellungen maßgeblich als die, die Sie zu diesen Fragen immer wieder einmal vortragen.

Wir glauben, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Bestands- und Entwicklungsgarantie hat. Es geht also um beides: Bestand und Entwicklung. Schon die Tatsache, dass beides vom Bundesverfassungsgericht so definiert worden ist, sagt doch aus, dass wir ihn entwickeln müssen. In diese Richtung habe ich den Antrag der SPDFraktion verstanden. Wir werden mit diesem An

trag positiv und konstruktiv gemeinsam in die weitere Debatte gehen.

Bitte sagen Sie gleich nicht wieder, wir hätten damals zum 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag so entschieden. Es ist richtig, dass wir so entschieden haben. Das war an dieser Stelle falsch. Wir haben übrigens in den zehn Jahren, in denen wir mitregiert haben, noch mehr Fehler gemacht. Diese Fehler brauchen Sie uns aber nicht alle einzeln immer wieder vorzuhalten. Sie sind die sogenannte Koalition der Erneuerung. Sie haben eine echte Chance von den Wählerinnen und Wählern bekommen, und die sollten Sie nutzen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Witzel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich greife gern die Aufforderung meiner Vorredner auf und sage Ihnen zu, dass die Koalitionsfraktionen als Koalition der Erneuerung selbstverständlich in den vielen Jahren, die noch vor ihnen liegen, jede Chance nutzen werden, unser Land zu modernisieren. Wir würden uns freuen, wenn sich die ÖffentlichRechtlichen ansatzweise so erneuern, wie wir das mit dem Land in allen anderen Bereichen machen. Dann wären wir einen richtig schönen Schritt nach vorn gekommen. Wir haben auch nichts dagegen, wenn Sie uns hier ihr eigenes Sündenregister der letzten Jahre noch einmal aufzeigen.

Die Zukunft der Technik der Unterhaltungs- und Kommunikationsindustrie wird also digital. Nach Planungen der Bundesregierung soll die Digitalisierung der TV- und Radionetze spätestens im Jahre 2010 abgeschlossen sein.

(Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

Herr Eumann, das ist ausdrücklich nicht so. Sie werden die Unterschiede sicherlich auch in den Debattenbeiträgen feststellen. Diese Unterschiede können wir gleich gern noch diskutieren.

Die analogen TV-Übertragungen laufen zu diesem Zeitpunkt aus und werden von der Digitaltechnik abgelöst, die mehr Programme in einer besseren Qualität verspricht. Denn dort, wo heute ein analoger Sender ausgestrahlt wird, finden künftig bis zu zehn digitale Kanäle ihren Platz. Bereits jetzt kann eine Vielzahl digitaler Programme über Kabel und Satellit empfangen werden. Die terrestrische Verbreitung über die normale Hausantenne

ist bereits aus den Kinderschuhen und wird schrittweise in vielen Regionen eingeführt. Bereits seit dem Jahr 2003 wird in der Bundeshauptstadt ausschließlich digital gesendet. Auch in NRW schreitet diese Entwicklung voran.

Je mehr digitale Programme auf einem Transponder oder einem Kanal übertragen werden, desto kleiner wird die Datenrate und umso schlechter die Bildqualität. Die SPD-Fraktion möchte mit ihrem Antrag die Landesregierung auffordern, im Rahmen der anstehenden Novelle des Rundfunkstaatsvertrages auf eine Begrenzung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Entwicklung und Ausstrahlung von digitalen Programmen zu verzichten. Außerdem soll der Landtag über den Stand der Beratungen vor der Ratifizierung durch die Ministerpräsidenten informiert werden.

Ich fange mit Ihrer zweiten Forderung an, Herr Eumann: Es ist natürlich selbstverständlich, dass die Landesregierung das Parlament und gleichsam die interessierte Öffentlichkeit über den Prozess und die Ergebnisse der Beratungen zum 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrag informiert. Auch die SPD sollte aus ihrer langjährigen Verantwortungszeit wissen, dass dieser Rundfunkstaatsvertrag und jede weitere Änderung ohne eine entsprechende Ratifizierung durch die Landesparlamente mit dem Recht auf einen begleitenden Beratungsprozess nicht in Kraft treten kann. Insofern gilt zu Punkt 2: Im Westen nichts Neues.

Ihre erste Forderung wundert mich bei Ihrer medienpolitischen Positionierung langsam auch nicht mehr. Hier gilt nämlich in der Tat das, was mein Vorredner gesagt hat. Auch das ist alles eine Kritik an dem, was Sie beschlossen haben, was Sie wollten, was Sie hier verteidigt haben und für richtig hielten. Über Nacht gilt das dann aber nicht mehr.

Die beabsichtigte Deckelung der Programme von öffentlich-rechtlichen Anbietern ist seinerzeit ausdrücklich von der SPD-Fraktion mit unterstützt und verabschiedet worden. Sie hatten dafür eine gute inhaltliche Begründung. Es ging nämlich darum, einer ungezügelten Ausweitung der Digitalprogramme entgegenzuwirken. Bereits heute haben wir eine gigantische Überversorgung mit öffentlich-rechtlichen Programmen. Öffentlich-rechtliche Anstalten sind immer hungrig und gefräßig und bekommen ihren öffentlich-rechtlichen Hals nicht voll. Denn das, was niemand bestellt, ist trotzdem von allen zu bezahlen. Das ist ein bequemes System.

So geschah, was kommen musste. Nun haben ARD und ZDF mit ihrem privilegierten Platz an der Sonne in der ersten Reihe alle ihre drei digitalen Programme ausgeschöpft und schreien nach mehr. Wir werden diesen Expansionsgelüsten zulasten Dritter keinesfalls zustimmen. Deshalb, Herr Eumann, da ich Ihre Fachlichkeit schätze und Sie auch als Menschen mag, ein guter Rat: Besinnen Sie sich in den sieben dürren Jahren auch auf die Erkenntnisse, die Sie in den zurückliegenden sieben fetten Jahren einmal gepredigt haben. Wer A sagt, muss auch zu A stehen, bevor er B macht und nach C ruft. Sie verhalten sich heute mit Ihrem Antrag eher wie ein moderner Christoph Kolumbus im 21. Jahrhundert, mit dem Zickzackkurs im Nachhinein alles infrage zu stellen, was Sie vorher ausdrücklich wollten und hier mit Mehrheit beschlossen haben. Mit diesem Zickzackkurs in der Medienpolitik brechen Sie auf und wissen nicht, wohin die Reise geht. Sie kommen irgendwann irgendwo an und wissen gar nicht genau, wo. Das alles geschieht noch auf anderer Leute Kosten, so wie das bei den ÖffentlichRechtlichen nun einmal der Fall ist.

(Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

Für die Koalition der Erneuerung gilt in NRW deshalb: Privat vor Staat, Freiheit vor Gleichheit, Erwirtschaften vor Verteilen. – Wir werden Ihren Antrag daher ablehnen.

Ich mache damit eine Punktlandung bei der „Sendezeit“. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Jetzt hat für die Landesregierung Herr Minister Breuer das Wort.