Protokoll der Sitzung vom 07.03.2007

folgung geben kann. Er hat sich damals eindeutig gegen so eine gesetzliche Regelung ausgesprochen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen Rechtspolitiker bei CDU und FDP, jetzt sind Sie am Zug. Jetzt wird es ernst.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Bundesjustizministerium plant die Umsetzung dieser Richtlinie. Sie sind – die CDU im Bund und die FDP hier im Land – in der Regierungsverantwortung. Ducken Sie sich jetzt nicht weg, stellen Sie Ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis, und sorgen Sie dafür, dass in Berlin der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums zur Vorratsdatenspeicherung bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zurückgezogen wird – der wird über die Richtlinie noch entscheiden –, dass wenigstens bis dahin das Ding auf Eis gelegt wird, um dann die neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten. Dazu fordere ich Sie auf; das ist wenig genug. Stoppen Sie erst einmal dieses Verfahren. Setzten Sie sich in Berlin dafür ein. Ich hoffe, dass hier der Opportunismus nicht so ausgeprägt ist, dass das nicht möglich ist. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Düker. – Für die Fraktion der CDU hat Herr Kollege Giebels das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das aus der Verfassung resultierende Recht auf informelle Selbstbestimmung ist ein hohes Gut. Es ist jedoch nicht schrankenlos. Das Recht des Einzelnen auf Datenschutz darf und kann nach Abwägung mit höherrangigen Interessen des Staates eingeschränkt werden.

Deutschland ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union aufgrund europäischer Rechtslage verpflichtet, Richtlinien der Europäischen Union in nationales Recht umzusetzen. In ihrem Antrag hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen selbst darauf hingewiesen, dass die in Rede stehende EURichtlinie bereits vor einem Jahr Gültigkeit erlangt hat. Die Bundesrepublik Deutschland unterliegt der Verpflichtung, diese EU-Richtlinie bis zum 15. September 2007 in nationales Recht umzusetzen. Dementsprechend hat das Bundesjustizministerium im November 2006 einen entsprechenden Referentenentwurf vorgelegt.

Die Aufforderung des Antragstellers, die Umsetzung der in Rede stehenden EU-Richtlinie in deutsches Recht bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu verschieben, ist fragwürdig. Wer das ernsthaft fordert, muss sich fragen, ob er da nicht eine Aufforderung zum Rechtsbruch ausspricht. Denn es ist wohl allen Beteiligten klar, dass eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in dieser Angelegenheit aller Voraussicht nach nicht bis zur Frist 15. September 2007 zu erwarten ist.

Die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen behaupteten Bedenken gegen die vom Bundesjustizministerium bzw. Frau Bundesjustizministerin Zypries, SPD, vorgeschlagenen gesetzlichen Regelungen werden von Verfassungsrechtlern überwiegend nicht geteilt. So ist unsere Einschätzung.

Ohne an dieser Stelle der anstehenden Beratung im Rechtsausschuss vorgreifen zu wollen, sei darauf hingewiesen, dass die vorgesehene gesetzliche Regelung die Speicherung der Kommunikationsdaten nur unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen soll. Konkret muss ein gesetzlich bestimmter und zugelassener Zweck vorhanden sein.

Neu in diesem Zusammenhang – und das ist richtig – ist, dass hierunter zukünftig auch Datenspeicherungen zum Zwecke der Verfolgung schwerer Straftaten durchgeführt werden könnten. Der Bundesgesetzgeber nimmt damit Bezug auf seine Rechtspflicht zur Strafverfolgung, differenziert aber zugleich nach der Schwere der Straftat. Indem der Bundesgesetzgeber die Vorratsdatenspeicherung auf den Zweck der Terrorabwehr, die organisierte Kriminalität und auch die Verfolgung schwerer Straftaten beschränkt, nimmt er die erforderliche Abwägung mit einem, wie wir meinen, zulässigen Ergebnis vor.

Wenn nun die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verhindern will, dass der Staat zum Schutze seiner Bürger sich der heutigen technischen Möglichkeiten bedient, stellt sie sich auf die Seite der Täter schwerster Kriminalität und verhindert damit wirksame Strafverfolgung zum Schutze der Bürgerinnen und Bürger.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen negiert offenbar auch vollständig die allseits bekannten kriminellen Vorgehensweisen. Frau Düker, Sie haben das eben beschrieben. Ich glaube, die Lebenswirklichkeit ist anders. Wenn Sie mit Ermittlern sprechen, werden Sie das auch bestätigt bekommen.

Denn es darf nicht sein, dass der Staat hilflos mit ansehen muss, wie sich diese Kriminellen der

modernen Kommunikationstechnologien bedienen und unter dem Schutz eines überzogenen Datenschutzes schwere Straftaten begehen. Der Staat muss auf den technischen Fortschritt angemessen reagieren und diesen auf gesetzlicher Grundlage – das ist zu betonen – auch nutzen dürfen.

Herr Giebels, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Düker?

Bitte, Frau Düker.

Frau Düker, bitte schön.

Herr Giebels, Sie haben uns gerade unterstellt, dass wir uns mit dieser Forderung auf die Seite der Kriminellen stellen und der Kriminalität Vorschub leisten. Würden Sie das auch den USA unterstellen, die diese Vorratsdatenspeicherung ausdrücklich nicht in ihr Recht eingeführt haben und Verbindungsdaten bestimmter Personen nur im Bedarfsfall – QuickFreeze-Verfahren ist Ihnen vielleicht ein Begriff – für einen gewissen Zeitraum der Strafverfolgung speichern können? Das heißt, die Haltung der USA ist, keine Vorratsdatenspeicherung, sondern eine bedarfsorientierte Speicherung vorzunehmen. Würden Sie den USA auch unterstellen, sich auf die Seite der Terroristen und Kriminellen zu stellen?

Frau Kollegin Düker, ich hatte im November die Gelegenheit, auf Einladung des US-Außenministeriums die USA zu besuchen und drei Wochen lang mit verschiedensten Regierungsstellen genau diese Frage des Datenschutzes zu erörtern. Wenn Sie sich im Einzelnen anschauen, wie in den USA Datenschutz praktiziert wird, würden Sie sicherlich noch andere Betätigungsfelder sehen. Dort wird durchleuchtet und gespeichert; das ist mit Deutschland gar nicht vergleichbar.

(Monika Düker [GRÜNE]: Aber die Vorrats- datenspeicherung gibt es dort nicht!)

Wir wollen heute der Überweisung an den Ausschuss gerne zustimmen, sagen Ihnen aber schon jetzt das Ergebnis unserer bisherigen Beratungen. Wir wollen uns EU-Recht-konform verhalten und zugleich Kriminelle nicht begünstigen.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Giebels. – Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Stotko das Wort. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Frau Düker, wir freuen uns sehr, dass Sie wieder im Rechtsausschuss sind; das wissen Sie. Aber dass Sie hier gesagt haben, die Kriminellen benutzen demnächst nur noch öffentliche Telefonzellen, hätte ich von Ihnen nicht erwartet. Dass sich auch die Kriminellen weiterhin der Möglichkeiten der modernen Telekommunikation bedienen und das nicht nur an öffentlichen Stellen tun, kann man wohl unterstellen.

Ich frage mich aber bei dem Antrag der Grünen ohnehin – Sie selbst schreiben im Antrag, der Bundestag hat die Bundesregierung am 16. Februar 2006 aufgefordert, die EU-Richtlinie umzusetzen; das ist über ein Jahr her; der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums stammt aus November 2006 –: Warum müssen wir das zu dieser Primetime im nordrhein-westfälischen Landtag diskutieren? Das erklärt sich mir nicht so recht.

(Monika Düker [GRÜNE]: Kabinettsbe- schluss!)

Wenn die Grünen dagegen vorgehen wollen – Sie selber weisen auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hin –, sollen die Kollegen in Berlin das Gutachten benutzen, um dagegen vorzugehen.

Letztendlich wird das Thema heute erwähnt – machen wir uns nichts vor! –, weil es im Landesdatenschutzbericht von Frau Sokol steht. Wenn wir all das aufnehmen wollten, was Frau Sokol geschrieben hat, hätten wir viele Anträge, aber sie bringen uns nicht weiter.

Zum Thema. Es ist wichtig, sich der Verantwortung zu stellen und zu sagen: Auf der einen Seite brauchen wir eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung, auf der anderen wollen wir Bürgerrechte gewährleisten. Es geht dabei auch um den Schutz vor terroristischen Verbrechern und Schwerstkriminellen. In dem Zusammenhang muss man abwägen, was wir beim Güterausgleich hinnehmen wollen.

In Berlin ist es dank der SPD-Fraktion gelungen, die Mindestspeicherdauer auf sechs Monate festzulegen. Einem längeren Zeitraum wird nicht zugestimmt. Man hätte als Vorbild auch Irland mit 36 Monaten nehmen können, wenn einem das lieber gewesen wäre. Wir sagen ganz klar: Innerhalb des Rahmens von sechs bis 24 Monaten entscheidet sich Deutschland für sechs Monate.

Im Ringen mit Brüssel ist es gelungen zu erreichen, dass erfolglose Anrufversuche nicht gespeichert wird, was vorher Bestandteil der Richtlinie war. Inhalte von Websites werden entgegen Ihrer Verlautbarung nicht gespeichert, sondern nur die aufgerufene Seite ohne Inhalt. Außerdem gibt es klare Sanktionen, wenn gegen Datenschutz verstoßen wird.

Bei der Güterabwägung hat man, wie ich finde, gut gekämpft und auch klargemacht, dass beide Seiten Berücksichtigung finden müssen.

Der Zugriff erfolgt doch nur unter richterlichem Vorbehalt. Es bedarf also eines Beschlusses eines deutschen Gerichts, um diese Daten überhaupt auswerten zu können. Dieser Beschluss ergeht, wie wir wissen, nur bei erheblichen Straftaten oder da, wo Straftaten mittels Telekommunikation begangen wurden. Die gesetzestreuen Bürger haben nichts zu befürchten. Aber diejenigen, die sich der Telekommunikation bedienen, um Straftaten zu begehen, müssen damit rechnen, dass ihre Daten innerhalb dieser sechs Monate verwertet werden.

Mich verwundert die Diskussion auch insofern, als keiner von uns etwas dagegen hat, wenn Unternehmen über Monate unsere Daten speichern. Unsere Banken speichern unsere Daten über Jahre. Manchmal nutzen wir das gerne, um Überweisungen nachzuvollziehen. Ich habe noch keinen Grünen gehört, der sich darüber beschwert hat. Stattdessen beschwert sich der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar in der „Welt“ darüber, dass die Musikindustrie im Rahmen ihrer Strafverfahren Zugriff nehmen kann. – Ich finde das in Ordnung. Denn wer der Meinung ist, er könne sich kostenlos ein Lied im Internet besorgen, muss, wenn er gegen das Urheberrechtsgesetz verstößt, immer mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen.

Letztlich ist Ihr populistischer Hinweis, dass der Verbraucher die Zeche zahlt, falsch. Das stimmt nicht, und das wird auch nicht so kommen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat eindeutig gesagt: Entweder appellieren wir an die Unternehmen, das doch bitte nebenbei zu machen, oder aber der Staat muss es bezahlen; denn es geschieht im hoheitlichen Auftrag. Ich will jetzt nicht das Konnexitätsprinzip bedienen, aber der Staat muss es bezahlen.

Ich will es zum Abschluss so ausdrücken: Wir freuen uns auf die Diskussion eines ausgelutschten Themas im Rechtsausschuss und stimmen ansonsten der Überweisung zu. – Danke.

(Beifall von der SPD – Monika Düker [GRÜ- NE]: Da bin ich gespannt!)

Vielen Dank, Herr Kollege Stotko. – Ich will der guten Ordnung halber darauf hinweisen, dass ich mich zum einen sehr freue, dass Sie 16:30 Uhr als Prime Time bezeichnen. Das finde ich gut. Für unser Parlament danke ich dafür. Zum anderen wird die Tagesordnung von den Parlamentarischen Geschäftsführern und danach vom Ältestenrat besprochen. Sie ist nicht dem Einfluss einer einzelnen Abgeordneten zuzuordnen. Das ist wichtig zu wissen.

Herr Dr. Orth, Sie sind der Nächste, und ich freue mich auf Ihren Beitrag. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, Herr Präsident, ob Sie sich nachher noch freuen; jedenfalls freut es mich, dass Sie sich freuen.

Wir sprechen heute im Kern eher über ein Bundesthema, und dort sind manches Mal die Unterschiede zwischen Grün und Gelb doch nicht so groß wie hier im Parlament. Das mag auch mit den verschiedenen Rollen zu tun haben.

Hintergrund der Richtlinie, um die es hier geht, ist die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und des organisierten Verbrechens. Grundsätzlich sehen wir schon die Notwendigkeit, entsprechende Regelungen zu schaffen.

Wir haben als FDP im Bund allerdings immer wieder gefordert, dass es, wenn wir Regelungen treffen, Speicherfristen für die Telefon- und Internetdaten geben muss, deren Rechtsstaatlichkeit einwandfrei festgestellt werden muss. Eine obligatorische generelle Vorratsdatenspeicherung greift in unseren Augen in das unverletzliche Grundrecht der Vertraulichkeit der Kommunikation ein. Wir sehen uns insofern im Einklang mit dem Bundesverfassungsgericht, das einer solchen generellen Erhebung sicherlich nicht zustimmen würde.

Allerdings muss man auch sagen, Frau Düker: Wir reden jetzt über etwas, was im Kern noch gar nicht zur politischen Entscheidungsfindung ansteht. Das erinnert mich schon ein bisschen an die Diskussion von heute Mittag, also zur Prime Time, zum Landespersonalvertretungsrecht. Sie diskutieren über Referentenentwürfe, die teilweise noch gar nicht offiziell auf dem Markt sind. Ich bin der Meinung, dass wir weder heute im Landtag noch im Ausschuss einen Beschluss über einen Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums fassen sollten. Vielmehr sollten wir uns wenn,

dann mit zustimmungspflichtigen Gesetzeswerken beschäftigen, wenn sie denn dann das Parlament erreichen.

Von daher bin ich etwas skeptisch, was die weitere Beratung Ihres Antrags anbelangt. Gleichwohl möchte ich ausdrücklich betonen, dass wir die Speicherung von Vorratsdaten sehr kritisch betrachten werden und dass uns diesbezüglich die Grünen näher sind als manch andere Fraktion hier im Hause. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP – Thomas Stotko [SPD]: Nicht nah genug!)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Orth. – Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Müller-Piepenkötter das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich kann mich kurz fassen. – Wir beschäftigen uns auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit einem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz.