Protokoll der Sitzung vom 07.03.2007

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich kann mich kurz fassen. – Wir beschäftigen uns auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit einem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz.

Dieser Referentenentwurf befindet sich derzeit im Stadium der fachlichen Diskussion, und auch der Abstimmungsprozess innerhalb der Bundesregierung ist noch nicht abgeschlossen. Festzuhalten ist demnach: Die Bundesregierung hat noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt, der abgestimmt wäre und zu dem durch die Landesregierung Stellung zu nehmen wäre.

Die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 betrifft die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten. Die Bundesregierung hat dieser Richtlinie entsprechend einem Beschluss des Deutschen Bundestages zugestimmt. Sie ist rechtlich gehalten, die zur Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Rechtsvorschriften in Kraft zu setzen.

Es trifft zu, dass Irland aus formellen Gründen gegen die Richtlinie beim Europäischen Gerichtshof Klage erhoben hat. Irland vertritt entgegen der Meinung der Mehrheit der Mitgliedsstaaten der EU die Ansicht, die Vorratsdatenspeicherung sei auf eine falsche Rechtsgrundlage, nämlich auf Art. 95 EG-Vertrag, gestützt. Richtigerweise hätte ein Rahmenbeschluss auf der Grundlage von Art. 31 und 34 EU-Vertrag ergehen müssen.

Einem Aufschub der Umsetzung der Richtlinie bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs steht entgegen, dass der Klage nach

dem EG-Vertrag keine aufschiebende Wirkung zukommt. Die Klage entbindet die Mitgliedsstaaten somit nicht von ihrer Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie und rechtfertigt keinen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht.

Vor diesem Hintergrund sieht sich die Landesregierung nicht dazu veranlasst, die Bundesregierung aufzufordern, von einer weiteren Verfolgung der Umsetzung der Richtlinie bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abzusehen. Aktueller Handlungsbedarf im Sinne des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen besteht somit nicht.

Die Landesregierung wird das weitere Gesetzgebungsverfahren auch unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtsschutzes kritisch begleiten. – Ich danke Ihnen.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Wir sind am Schluss der Beratung. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/3849 an den Rechtsausschuss – federführend – sowie an den Innenausschuss. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überweisung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist diese Überweisung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

8 Bundesratsinitiative zur Doping-Bekämpfung starten

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/2414

Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses Drucksache 14/3694

Ich möchte folgenden Hinweis geben: Dieser Antrag wurde gemäß § 79 Abs. 2 Buchstabe b vom Plenum an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie – federführend – überwiesen mit der Bestimmung, dass eine Beratung und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgt. Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Mittelstand und Energie liegen als Drucksache 14/3694 vor.

Außerdem ist auf Folgendes hinzuweisen:

Erstens. Es gibt den Entschließungsantrag Drucksache 14/3506 der Fraktionen von CDU und FDP.

Zweitens. Es gibt den Entschließungsantrag Drucksache 14/3706 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD Herrn Kollegen Peschkes das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die SPD-Fraktion im Sommer letzten Jahres den heute zu beratenden Antrag einbrachte, waren wir guten Mutes, schnell die Grundlagen für eine wirksame und nachhaltige Doping-Bekämpfung legen zu können.

Wir taten das auch in dem Glauben, die ganz große Mehrheit der Bevölkerung und auch der Sportwelt hinter uns zu wissen. Selbst in der Koalition hier im Hause glaubten wir eine breite Unterstützung zu finden. Denn schließlich hatte sich der sportpolitische Sprecher der CDU, Herr Holger Müller, den ich begrüße, weit aus dem Fenster gelehnt, als er erklärte, Deutschland brauche ein Anti-Doping-Gesetz.

Dies ist eine Aussage, lieber Kollege Müller, die die volle Unterstützung der SPD-Fraktion hier im Hause findet.

(Beifall von der SPD)

Im Übrigen haben Sie auch die Unterstützung Ihrer Berliner Bundestagsfraktion. Diese hat sich nämlich mit der SPD auf einen einheitlichen Antrag zur Doping-Bekämpfung geeinigt, und – vielleicht wissen Sie es noch nicht – heute hat das Kabinett in Berlin einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg gebracht.

Hier in Nordrhein-Westfalen sieht die Lage nicht ganz so günstig aus. Kollege Müller hat zwar im letzten Sommer zu einem sehr großen Anlauf angesetzt, aber offensichtlich wurde er von seinen Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition im Sportausschuss im Regen stehen gelassen. Nichts da mit Unterstützung! Nichts da mit einem Anti-Doping-Gesetz!

Die Koalition hat die Doping-Problematik offenbar monatelang ignoriert und keinen Handlungsbedarf gesehen. Nur so kann ich es mir erklären, dass auf diesem Feld seitens der Koalition nichts geschehen ist. Es hat sich rein gar nichts getan. Der zuständige Minister glänzte gar durch Abwesenheit, als im Sportausschuss das Dopingthema – meines Erachtens das bedeutendste sportpoliti

sche Thema in diesem Jahr – erstmals beraten werden sollte. Auch so kann man Kompetenz demonstrieren.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Doping ist die Geißel des heutigen Sports. Es gilt im Interesse des sauberen Sports und auch im Interesse der ehrlichen Athleten, den Kampf gegen das systematische Doping aufzunehmen.

(Beifall von der SPD)

Es kann doch nicht sein, dass bei den Olympischen Spielen in Turin mehr als die Hälfte der österreichischen Biathlonnationalmannschaft in einer Nacht- und Nebelaktion flüchten muss. Es kann doch wohl auch nicht sein, dass alle Favoriten der Tour de France nicht an den Start gehen dürfen, weil sie des Dopings verdächtigt werden, und anschließend muss sich der, der als Erster durchs Ziel gegangen ist, auch noch der Verdächtigungen erwehren. Das Schlimme daran ist, dass auch der saubere Sportler in Verdacht gerät, wenn er besondere Leistungen vollbringt. Das gilt insbesondere für den Ausdauersport.

Ich meine deshalb, hier ist die Politik in der Pflicht. Denn trotz aller gegenteiliger Beteuerungen ist der Sport selbst leider nicht in der Lage, das Doping strukturell zu bekämpfen, und zwar nicht, weil er nicht will, sondern ganz einfach, weil er nicht kann, weil ihm dazu die rechtlichen Mittel fehlen.

Das systematische Doping spielt sich heute vor einem nicht fassbaren Hintergrund ab. Da ist heute eine ganze Kette von Hintermännern am Werk. Doping wird von Netzwerken betrieben, die zum Teil breit angelegt sind und in deren Umfeld die Sportlerin oder der Sportler bewusst oder gewollt mitwirken. Ärzte, Chemiker, Händler, Manager und Trainer spielen in diesem Netzwerk eine große Rolle.

In dieses Netzwerk einzudringen, das gilt es. Das ist aber leider mit den herkömmlichen Mitteln der Urinkontrolle nun nicht möglich. Dazu bedarf es juristischer Mittel. Da helfen nur Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen weiter. Spanien, Italien und Frankreich haben es vorgemacht und gezeigt, dass das von Erfolg gekrönt ist.

Auch wenn in Deutschland auch von einigen Sportverbänden – im Übrigen nicht vom Deutschen Leichtathletik-Verband – argumentiert wird, die bestehenden Gesetze würden ausreichen, um das Doping zu bekämpfen, entspricht das nicht den Tatsachen.

Als Beispiel will ich das Betäubungsmittelgesetz nennen. Dem Sportler, der Anabolika in sich hin

einstopft, wird mit dem Betäubungsmittelgesetz nicht beizukommen sein, weil Anabolika keinen Suchtcharakter haben und somit gar nicht erst unter das Betäubungsmittelgesetz fallen.

Auch das Arzneimittelgesetz hilft nicht weiter. Denn dort ist nur der nicht erlaubte Handel strafbar. Von Besitz wird dort gar nicht erst gesprochen. Beim Handel werden Staatsanwaltschaften erst dann tätig, wenn es sich um erhebliche Mengen handelt. Man sieht: Im Kampf gegen das Doping sind das alles nur stumpfe Schwerter.

(Beifall von der SPD)

In unserem Kampf gegen das Doping wollen wir auch ganz bewusst den Besitz von nicht geringen Mengen von Dopingstoffen unter Strafe stellen, denn bei einem Besitz von nicht geringen Mengen von Dopingstoffen gibt es dann einen unmittelbaren Anknüpfungspunkt strafrechtlicher Ermittlungen wegen Dopingverdachts. Und vor allem können sich dann die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften auch auf die im Verborgenen agierenden Netzwerke erstrecken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich halte fest: Die Koalitionsfraktionen konnten diesmal nicht so auf ihre sonst so oft gewählte Taktik zurückgreifen, nämlich einer inhaltlichen Diskussion auszuweichen und dann den Antrag der SPD ungetrübt von jeder Sachkunde abzulehnen. Das hat die Koalition angesichts der Brisanz dieses Themas dann doch nicht gewagt.

Sie hat nach langen Geburtswehen einen Entschließungsantrag vorgelegt, der zwar das Thema Doping erwähnt, sich aber äußerst oberflächlich mit der Problematik auseinandersetzt. Leider sind die Überlegungen der Koalition wenig geeignet, Doping im Alltag wirksam zu bekämpfen. Ich formuliere es einmal flapsig: Ihr Antrag ist nicht mehr als Sportfolklore.

(Beifall von der SPD)

Er hat nur appellativen Charakter und setzt auf die Selbstheilungskräfte des Sports. Die schon herrschende Realität blendet Ihr Antrag aber aus.

(Beifall von der SPD)

Es ist natürlich höchst ehrenwert, die NADA mit mehr Geld zu versorgen. Aber glauben Sie denn ernsthaft, mit vermehrten Urinkontrollen würden Sie das Blutdoping und auch das sich mittlerweile abzeichnende Gendoping in den Griff bekommen? Da stehen Sie von vornherein auf verlorenem Posten.

Ich will für die, die nicht im Stoff sind, einmal erklären, wie Gendoping wirkt. Dabei werden außerhalb des menschlichen Körpers künstliche Gene erzeugt. Sie werden so manipuliert, dass sie für die entsprechende Sportart gewünschte Verbesserungen im Körper erbringen. Sie werden dann über sogenannte Genfähren in den Körper geschleust. Das Ergebnis kann beispielsweise der gezielte Aufbau von Muskelmassen sein. Dieses ist bisher nicht einmal über Blutkontrollen nachweisbar, erst recht nicht über Urinkontrollen.

Deshalb, meine ich, ist es leicht einsehbar, dass das der Athlet nicht allein vollbringen kann. Dazu bedarf es einer ganzen Schar von Helfern. Um in diesen Kreis einzudringen, der im Übrigen, wie sich ja zeigt, auch international agiert, brauchen wir juristische Mittel. Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen habe ich erwähnt. Ganz wichtig ist: Diese Hintermänner gehören auch erheblich bestraft.

(Beifall von der SPD)

Insofern sind auch strafrechtliche Sanktionen in einem Anti-Doping-Gesetz festzuschreiben.

Ich nenne Ihnen ein aktuelles Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit, das zeigt, dass der Sport allein bei der Bekämpfung des Dopings auf verlorenem Posten steht. Bei dem wegen Dopings von Athleten rechtskräftig verurteilten Leichtathletiktrainer Thomas Springstein tauchen Verdachtsmomente auf, die auf ein Doping bei noch aktiven Sportlern hinweisen. Der Trainer und die betroffenen Athleten werden vom Deutschen Leichtathletik-Verband vorgeladen und sollen sich äußern. Was geschieht? – Eine Athletin tritt kurzerhand aus dem DLV aus. Der Trainer verweigert die Aussage. Und schon muss der Deutsche Leichtathletik-Verband die Akten zuschlagen, weil er keine rechtliche Grundlage mehr hat, den Verdachtsfall weiter zu verfolgen. Das wäre bei einer gesetzlichen Grundlage durch ein Anti-DopingGesetz gar nicht möglich gewesen. Nur so viel zu der Annahme, der Sport könne alles selbst regeln.

Ich stimme mit dem Antrag der Koalition insofern überein, als der Sportler selbst unter die Sportgerichtsbarkeit der Verbände fallen soll. Das hat aber ganz pragmatische Gründe. Denn nach dem augenblicklichen Sportrecht ist jeder Sportler ganz allein für die Substanzen im Körper verantwortlich. Das soll auch so bleiben. Denn würde das allgemeine Strafrecht auch auf den Sportler übertragen, würde eine Bestrafung wesentlich schwerer fallen, weil dann die Nachweispflicht beim Staat läge. Das würde in vielen Fällen zu unbefriedigenden Lösungen führen.