Protokoll der Sitzung vom 01.09.2005

- das ist mir schon klar - habe ich gesagt, dass diese Frage mit der Kommunalaufsicht und mit dem Regierungspräsidium besprochen werden muss. Eben habe ich schon gesagt, dass ich darauf keine Antwort geben kann.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, ich kann Sie beruhigen. Von dieser Fragestunde wird es ein Wortprotokoll geben. Man kann alles nachlesen. Man braucht sich also nichts bestätigen zu lassen, sondern alles ist nachlesbar und verwendbar. - Frau Löhrmann hat zu ihrer zweiten Zusatzfrage das Wort.

Ich stelle zunächst fest, dass unsere Frage dazu geführt hat, dass Sie kurzfristig etwas aufgeweicht haben, aber langfristig noch kein Konzept vorgelegt haben, wie Sie genau vorgehen wollen. Das genau wäre aber interessant für die Öffentlichkeit.

Herr Laschet, aufgrund Ihrer gestrigen Pressemitteilung habe ich schon Anrufe von kommunalen Trägern bekommen. Können Sie sich vorstellen, dass Ihre Ankündigung, die Sie als Erfolg verstehen, vor Ort dazu führt, möglicherweise Planungsprozesse, die beispielsweise mit Qualitätsentwicklung sinnvoll angelegt sind, zu konterkarieren, weil die Leute meinen, der klare Schnitt war richtig, weil wir gerade so Doppelstrukturen verhindern, die Sie offensichtlich auch verhindern wollen?

Herr Minister Laschet.

Erstens. Wenn Sie ein langfristiges Konzept erwarten, gehört es zum guten Brauch, so etwas parlamentarisch zu beraten und das nicht in Form einer Mündlichen Anfrage auf Zuruf, mit Zwischenfragen und Zusatzfragen mitzuteilen, sondern sich in den Ausschüssen sorgsam damit zu beschäftigen, wie das Konzept aussieht. Das wird auch stattfinden.

(Beifall von der CDU)

Zweitens. Ich kann mir das, was Sie beschreiben, nicht vorstellen, dass nämlich eine Kommune ein Konzept entwickelt, Qualitätsstandards festgelegt, viel Energie und Zeit in eine Überführung in eine offene Ganztagsschule investiert hat und plötzlich mit einem Schlag sagt: All unsere Arbeit ist sinnlos; wir haben schlechte Arbeit geleistet. Ich glaube, wenn eine Kommune diesen Qualitätsstandard geplant und erreicht hat, wird sie auch bei diesem Weg bleiben. Aber es gibt andere Kommunen, die zur Abschaffung der Horte nicht komplett Ja sagen konnten, weil sie in ihren Städten besondere Probleme haben. Diese Kommunen haben sich sicher über die Pressemitteilung von gestern gefreut.

(Beifall von der CDU)

Der Abgeordnete Börschel hat zu seiner zweiten und letzten Zusatzfrage das Wort.

Auch ich bemühe mich ja um kontinuierliches Verstehen. Insofern will ich versuchen, das hier noch einmal zu beweisen.

Wird die Landesregierung bezogen auf soziale Brennpunkte bzw. Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf und auf den Zeitraum ab dem Jahr 2007 also nur Horte fördern und nicht beispielsweise die Verbesserung des Betreuungsschlüssels in der offenen Ganztagsschule?

Herr Minister Laschet.

Nein, das haben Sie falsch verstanden. Über den Betreuungsschlüssel in offenen Ganztagsschulen habe ich hier keine Silbe verloren.

Das wäre wahrscheinlich auch die Zuständigkeit von Frau Kollegin Sommer. - Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie werden es nicht für möglich halten; es gibt aber keine weiteren Zusatzfragen.

Auch unter Abzug des Geschäftsordnungsbeitrags von Herrn Remmel haben wir die 60 Minuten überschritten. Von daher ist die Fragestunde jetzt beendet.

Ich frage Sie nun, ob Sie die nicht beantworteten Anfragen schriftlich oder zu Beginn der nächsten Fragestunde mündlich beantwortet bekommen möchten.

Wie sollen wir mit der Mündlichen Anfrage 8 - Mit Vielfalt umgehen - von Frau Abgeordneter Schäfer verfahren?

(Ute Schäfer [SPD]: Mündlich!)

- In der nächsten Plenarsitzung mündlich.

Die Mündliche Anfrage 9 ist bereits beantwortet worden.

Damit sind wir bei der Mündlichen Anfrage 10 von Herrn Abgeordneten Johannes Remmel. Herr Remmel?

(Zurufe: Er ist nicht da! - Wenn er nicht da ist, wird sie gar nicht beantwortet!)

- Er ist im Moment nicht da. Das werden wir nachträglich klären.∗∗)

Die Mündliche Anfrage 11 von Frau Abgeordneter Beer?

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Mündlich!)

- In der nächsten Plenarsitzung mündlich.

Die Mündliche Anfrage 12 des Abgeordneten Vesper soll schriftlich beantwortet werden, habe ich mir sagen lassen. (Siehe Anlage)

Die Mündliche Anfrage 13 ist zurückgezogen worden.

Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Fragestunde und kommen zu:

8 Offenen Ganztag an allen Schulformen der Sekundarstufe I einrichten

∗∗) Abg. Remmel bittet nachträglich um schriftliche Beantwortung. (Siehe Anlage)

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/119

Ich eröffne die Beratung. - Das Wort hat zunächst Frau Abgeordnete Hendricks für die Antragstellerin.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wissensvermittlung, Persönlichkeitsbildung und Vermittlung von Handlungsfähigkeit sind Aufgabe der Schule. Ganztagsangebote können dieses völlig unstrittig erreichen. Wenn wir gute Ganztagsangebote haben, können wir auf diese Art und Weise auch erreichen - diese Diskussion haben wir gerade geführt -, dass die Qualität der nordrheinwestfälischen Schulen verbessert wird.

Ganztagsangebote bieten mehr Raum und mehr Zeit, um auch individuell auf Kinder einzugehen, sie zu fördern und ihre Potenziale zu entdecken, aber auch erzieherische Chancen zu nutzen. Diese Einschätzung von Ganztagsangeboten wird nicht nur von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, wie man aus Ihren Papieren lesen kann, geteilt, sondern zum Beispiel auch vom Bundesverband der Arbeitgeber. Was hindert uns also daran, die Fortsetzung sinnvoller Ganztagsangebote für alle Schulformen der Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen anzugehen?

NRW nimmt derzeit einen Spitzenplatz unter den Bundesländern im Bereich der Betreuung von Kindern ein. Mit der offenen Ganztagsschule wurde ein Erfolgskonzept umgesetzt, auch wenn es weiterentwickelt werden muss. Wir haben das ja gerade eben sehr deutlich diskutiert.

Dieses Erfolgskonzept bedeutet aber auch die Zusammenführung von Schule und Jugendhilfe, die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe vor Ort. Ich finde es ausgesprochen schade, ja geradezu unverständlich, dass die beiden Ressorts Schule und Jugend im administrativen Bereich wieder getrennt wurden und damit das begonnene Umdenken bei den beteiligten Professionen unnötig behindert wird, zumal viele Kommunen, die gerade in den letzten Jahren ebenfalls angefangen haben, eine Vernetzung dieser beiden Bereiche zu beginnen, das Schulamt und das Jugendamt in den letzten Jahren zusammengelegt haben. Angestrebte positive Effekte dieser Zusammenarbeit lassen sich bereits jetzt feststellen.

Die große Zahl der Kommunen und Kreise, die sich an diesem Konzept der offenen Ganztags

schule beteiligen, und zwar über die Parteigrenzen hinweg, ist eindrucksvoll.

Weil Sie, meine Damen und Herren von der CDU, im Wahlkampf gegen die offene Ganztagsschule gewettert und sie als eine Mogelpackung bezeichnet haben, freuen wir uns ganz besonders, dass Sie dieses Konzept nun auf die Hauptschule nach dem Motto: „Was sinnvoll und gut ist, setzt sich durch“ übertragen wollen.

(Zuruf von der CDU: Wir machen es besser!)

- Wir freuen uns, wenn Sie das besser machen. Wir stellen aber einfach fest, dass Sie unser Konzept fortschreiben.

Es freut uns auch, dass Sie damit ein sozialdemokratisches Prinzip anwenden. Chancengleichheit bedeutet nicht unbedingt, alle gleich zu behandeln. Wer zu einer gedeihlichen Entwicklung mehr Unterstützung benötigt als andere, muss diese auch erhalten.

In diesem konkreten Fall ist das Prinzip freilich falsch angewandt. Die Ausweitung der Ganztagsangebote zunächst im Wesentlichen auf die Hauptschule zu beschränken ist eigentlich unverantwortlich. Wenn der ganztägige Unterricht ganz überwiegend dort eingeführt oder ausgebaut wird, wo eine zugegebenermaßen schwierige Schülerschaft anzutreffen ist, erweisen wir dem Ganztagsprojekt einen Bärendienst. Wir konterkarieren das Anliegen und die Chancen, die im Ganztagsangebot liegen, und beschwören übrigens wieder eine deutsche Debatte hervor. Mit dieser Schlagseite wird die Ganztagsschule, absichtlich oder unabsichtlich, wieder dort angesiedelt, wo wir sie nach Pisa und nach dem Vergleich der Schulsysteme anderer Staaten mühsam herausgeholt haben: aus der Schmuddelecke für jene Kinder und Jugendlichen, die wir benachteiligt nennen, die Defizite haben und die einen besonderen Förderbedarf erkennen lassen.

Ganztagsschule für die Schwierigen also? Nein, meine Damen und Herren, die Antwort kann nicht so lauten. Ich glaube auch nicht, dass Sie dies wirklich wollen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen. Gerade das darf die Ganztagsschule nämlich nicht sein. Die durchschnittlich oder überdurchschnittlich begabten Schüler insbesondere aus bildungsfernen Schichten bedürfen ebenso der intensiven Förderung wie die Schüler mit weniger guten Voraussetzungen. Das Gleiche gilt für die besonders leistungsstarken Schüler und Schülerinnen, die in Deutschland ja ebenfalls, gelinde gesagt, unzureichend gefördert werden.

Deshalb kann die Forderung nur lauten: Ganztagsangebote für alle Schüler und Schülerinnen in Nordrhein-Westfalen. Dazu brauche ich nicht einmal nur soziale Argumente anzuführen. Das ist ganz schlicht eine Frage der Effizienz und des Überlebens unserer Gesellschaft. Fakt ist: In keiner Schulform neben der Gesamtschule - und wir hoffen sehr, dass Sie nicht etwa die Ganztagszuschläge für die Gesamtschule abbauen, um sie dann anschließend in der Hauptschule einzusetzen - gibt es so viele Ganztagsangebote wie in der Hauptschule: 147 Ganztagsschulen von 735 Hauptschulen. An weiteren 304 Hauptschulen werden bereits Förder- und Betreuungsangebote im Nachmittagsbereich finanziell unterstützt. Das heißt: An zwei Dritteln der nordrhein-westfälischen Hauptschulen gibt es bereits Ganztagsangebote. Das ist auch gut so und muss auch durchaus noch erheblich ausgebaut werden.

Anders dagegen sieht die Situation an den Gymnasien und an den Realschulen aus, bei denen kein flächendeckendes Ganztagsangebot im Land existiert. Angebote sind nur dort entstanden, wo Schulen, Eltern und Kommunen frühzeitig Bedarf analysiert und sich um Lösungsansätze vor Ort bemüht haben.

Damit wird deutlich, dass keineswegs, wie es Frau Ministerin Sommer kürzlich formuliert hat, die Hauptschule eine vergessene Schulform ist. Sie ist, Frau Ministerin, in den letzten Jahren von der Landesregierung ausgesprochen gut bedacht worden: 1.100 Stellen für Integrationshilfe, sozialpädagogische Fachkräfte im Umfang von 250 Stellen aus dem Zeitbudget, 60 Projekte für schulmüde Jugendliche, die durch das Land gefördert werden, das BUS-Konzept, das außerordentlich erfolgreich war und das Sie, wie ich vermute, wahrscheinlich fortsetzen wollen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)