Protokoll der Sitzung vom 24.05.2007

Ich habe bereits eingangs beim Bild vom Alter darauf hingewiesen, dass Seniorinnen und Senioren Konsumenten mit Kaufkraft sind. Deshalb begrüßen wir als Freie Demokraten, dass die Landesregierung durch den Fachminister in Kooperation mit dem Handwerk, der Industrie, dem Handel, der Landesseniorenvertretung, den Wohlfahrtsverbänden und anderen die „Zukunftsinitiative Seniorenwirtschaft“ auf den Weg gebracht hat. Ziel dieser Initiative ist es, neue Produkte und Dienstleistungen für Ältere zu entwickeln und so zukunftsfähige Arbeitsplätze im Bereich der Seniorenwirtschaft zu ermöglichen.

Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen haben mit diesem Antrag eine wichtige Diskussionsgrundlage zu einem Thema vorgelegt, das unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bestimmen wird. Es wird in Zukunft in der Tat um den demografischen Wandel, die Veränderung unserer sozialen Infrastruktur sowie die Veränderungsnotwendigkeit der Formen unseres Miteinanders und unseres Zusammenlebens gehen.

Vor diesem Hintergrund freue ich mich auf die Beratungen im Fachausschuss, die gewiss nur der

Einstieg in ein Thema sind, das wir in den nächsten Jahren intensiv begleiten müssen. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lindner. – Für die SPD-Fraktion erhält Frau Abgeordnete Koschorreck das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war etwas überrascht, als ich die Beiträge der beiden Vorredner gehört habe; denn der Antrag als solcher gibt ja eigentlich nichts Neues her.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Über die in diesem Antrag niedergelegten Punkte hat die ehemalige Landesregierung schon seit zehn Jahren diskutiert. Im Übrigen hat sie nicht nur darüber diskutiert, sondern auch einiges auf den Weg gebracht. Von daher hatte ich eigentlich erwartet, dass Sie in Ihren Beiträgen etwas Neues vortragen. Das ist nicht geschehen.

Meines Erachtens hatten Sie auch sehr viel Mut, diesen Antrag einzubringen; denn ich weiß nicht, wie Sie den an die Landesregierung gerichteten Forderungskatalog abarbeiten wollen, wenn ich davon ausgehe, dass Sie noch zweieinhalb Jahre an der Regierung sind. Danach werden Sie wegen Ihrer verfehlten Politik ohnehin abgewählt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Lachen von der CDU)

An dieser Stelle wecken Sie bei den Seniorinnen und Senioren Erwartungen, die Sie nicht erfüllen können. Das halte ich für äußerst unseriös.

(Beifall von der SPD)

Was den Forderungskatalog angeht, ist Ihr Antrag aus unserer Sicht doch sehr beliebig. Man könnte ihn beliebig erweitern. In diesem Zusammenhang denke ich zum Beispiel daran, dass man noch einen Mehrgenerationenspielplatz entwickeln könnte, den es in Finnland und in Spanien übrigens schon gibt. Dort könnten sich die älteren Menschen einmal richtig austoben und sich wohlfühlen, anstatt dass ihnen von der Politik vorgeschrieben wird, was sie in ihrem Nacherwerbsalter alles zu tun haben. – Ihr Antrag ist also sehr beliebig und auch nicht zielführend.

Meine Damen und Herren, der demografische Wandel ist die zentrale Zukunftsherausforderung unserer Gesellschaft. Alter ist eine Lebensphase mit Gestaltungskraft. Alter ist kein passiver Zu

stand, den man erleidet, sondern eine aktive Lebensphase.

Solche und ähnliche Aussagen findet man im Fünften Bericht der Bundesregierung zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland.

Gleichzeitig zeigt dieser Bericht – auf den Sie sich ja in Ihrem Antrag beziehen – auf, dass die Potenziale älterer Menschen sozial sehr ungleich verteilt sind und dass es nicht das Alter und den alten Menschen gibt.

Wenn es nun nicht das Alter und den alten Menschen gibt, muss man aus unserer Sicht auch eine individuelle Betrachtung der Gruppe der Senioren vornehmen. Was sind ihre Wünsche? Wo liegen ihre Probleme? Wie können sie ihren Erfahrungsschatz und ihr großes Wissen einbringen?

Hierauf gibt der vorliegende Antrag leider keine Antwort. Sie würdigen zwar das ehrenamtliche Engagement der Senioren und Seniorinnen und möchten es auch unterstützen. Sie sagen jedoch nicht, wie Sie dies machen möchten. Wollen Sie etwa Preise vergeben? Gibt es Ermäßigungen zu Veranstaltungen? Oder wie soll das geschehen? – Das geht aus Ihrem Antrag, wie gesagt, nicht hervor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, irritiert war ich über Ihre Vorstellungen zur Altersdiskriminierung. Hier legen Sie den Fokus hauptsächlich auf die wirtschaftliche Teilhabe älterer Menschen. An dieser Stelle geht es – so lesen wir es jedenfalls – um eine Anpassung bestehender Altersgrenzen an globale Wirtschaftsstrukturen. Das ist ja auch in den Wortbeiträgen meiner Vorredner noch einmal deutlich geworden.

Dies wäre aber ein bundespolitisches Thema, über das wir keine landespolitische Auseinandersetzung führen müssten. Das dürfte Ihnen auch bekannt sein.

Des Weiteren erwähnen Sie zwar die gesellschaftliche Teilhabe, gehen hierauf aber nicht näher ein. Das erweckt den Eindruck, dass Sie diesen Aspekt nicht genug berücksichtigen.

Ausweislich des Altenberichtes der Bundesregierung ist der gesellschaftliche Aspekt dem wirtschaftlichen Aspekt aber ausdrücklich gleichzusetzen. Ganz bewusst wird in diesem Bericht auf die wichtigen Teilaspekte, nämlich die Familie und die Kommune, eingegangen. Diesem Votum kann sich zumindest die SPD gut anschließen.

Inhaltlich haben Sie sich auf eine Studie der Bertelsmann Stiftung beschränkt, deren Bericht mit

der Überschrift „Älter werden – aktiv bleiben“ in der Tat auf den wirtschaftlichen Aspekt ausgerichtet ist. Das ist uns jedoch zu kurz gegriffen;

(Beifall von der SPD)

denn wir wissen doch alle, wie wichtig die aktive Beteiligung der Seniorinnen und Senioren am gesellschaftlichen Leben ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir wollen, dass sich ältere Menschen möglichst lange am gesellschaftlichen Leben beteiligen, muss die Politik dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen hierfür stimmen. Dann kann es sogar dazu kommen, dass ein Teil der Älteren von morgen nicht nur zu einer Fortsetzung, sondern auch zu einer Ausweitung des Engagements in Beruf, Wirtschaft und Gesellschaft und sogar zur Übernahme neuer Aufgaben bereit ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, die in Ihrem Antrag niedergelegten Forderungen an die Landesregierung enthalten gute Ansätze. Das muss man schon erwähnen. Aber Sie sind noch verbesserungswürdig. Die SPDFraktion bietet Ihnen im Interesse der Sache an, hieran mitzuarbeiten.

So fordern Sie zum Beispiel das Land auf, Leitlinien für eine Politik für Ältere in NRW zu erarbeiten sowie die Wirtschaft bei der Entwicklung eines demografiebewussten Personalmanagements zu unterstützen. Ich frage Sie: Was heißt das konkret, Unterstützung der Wirtschaft? Wie soll das durchgeführt werden? Und vor allen Dingen: Wie soll das finanziert werden? Im Haushalt kann ich nicht entdecken, dass da ein Betrag steht.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Diese Dis- krepanz haben wir öfter so! – Zuruf von der CDU)

Ja, zum Beispiel die Verbraucherberatung.

Leitlinien, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen Sie nicht mehr zu entwickeln. Die gibt es bereits; sie wurden schon in der letzten Legislaturperiode mit der Seniorenvertretung und anderen Vereinen und Verbänden mit dem Programm „Alter gestaltet Zukunft – Rahmenbedingungen und Leitlinien 2010“ entwickelt. Wir brauchen also keine neuen Leitlinien; wir haben sie schon. Hier ist bereits gute Vorarbeit geleistet worden. Greifen Sie einfach darauf zurück und entwickeln Sie sie weiter!

Zudem haben Sie zwei wichtige Aspekte außer Acht gelassen, nämlich den Aspekt Integration von Menschen mit Migrationshintergrund sowie den Aspekt Bildung und Weiterbildung für Ältere.

Nun zum erstgenannten: Wer Zuwanderung wünscht und zulässt, muss sich der Aufgabe der Integration stellen. Integration bedeutet, für die bereits in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten und neu Zugewanderten eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Leben ohne Aufgabe kultureller Identitäten zu gewährleisten.

Des Weiteren ist zum Aspekt Bildung und Weiterbildung anzumerken, dass Menschen von einer in früheren Jahren erhaltenen Bildung offensichtlich auch in späteren Jahren noch profitieren. Anders ausgedrückt heißt das, dass Bildungsbenachteiligungen über das ganze Leben mitgeschleppt werden. Dazu hatten wir heute Morgen eine sehr umfangreiche Diskussion.

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass durch eine Förderung der Erwachsenenbildung Engagement, Lebensqualität und Gesundheit gesteigert werden können. Wenn man zur Kenntnis nimmt, dass in einer dynamischen Wissens- und Informationsgesellschaft lebenslanges Lernen eine wichtige Voraussetzung sozialer Teilhabe darstellt, dann erscheint die Sicherung von Möglichkeiten lebenslangen Lernens als eine vorrangige gesellschaftliche Aufgabe.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Älteren keine homogene Gruppe bilden, sondern sich insbesondere aufgrund von Geschlecht, Vorbildung, Erfahrung, Migration und Sonstigem erheblich unterscheiden. Erforderlich ist deshalb nicht nur eine Politik für ältere Menschen, sondern eine Politik mit den älteren Menschen. Dieser Prozess bedarf der Partizipation aller gesellschaftlichen Gruppen. Dies könnte zum Beispiel in einem Seniorenforum geschehen. Jede Stimme muss gehört werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zusammenfassend komme ich zu dem Ergebnis, dass Ihr Auftrag an die Landesregierung eher dem Angebot eines Gemischtwarenladens gleicht, in dem die Qualität der Ware auf den ersten Blick nur sehr schwer zu erkennen ist. Um es anders zu sagen: Die Vorschläge in Ihrem Antrag sind teilweise nicht konkret genug und daher auch wenig zielführend.

Die SPD-Fraktion ist der festen Auffassung, dass ein abgestimmtes Handeln aller gesellschaftlichen Akteure und Akteurinnen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erforderlich ist. Nur so werden wir einer älteren Gesellschaft gerecht.

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. – Schönen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Koschorreck. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält jetzt Frau Asch das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Das Verständnis vom Alter hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Dank des medizinischen Fortschritts, einer besseren Ernährung, weniger körperlicher Arbeit werden wir alle älter und bleiben in vielen Fällen im Alter auch aktiver und gesünder. Alt sein definiert sich heute weniger über das biologische Alter, sondern zunehmend über das soziale Alter. Das heißt: Wie fit fühle ich mich, wie stark bin ich gesellschaftlich eingebunden, in welchem Ausmaß nehme ich an kulturellen und öffentlichen Ereignissen teil?

Altsein ist heute auch nicht mehr nur eine kurze Phase nach Abschluss der Berufstätigkeit, sondern ist sehr oft zum Glück eine Phase, die manchmal drei bis vier Jahrzehnte umfasst. Die Diskussion über das Bild des Alters wurde bei uns ein Stück weit durch den Diskurs über den demografischen Wandel angestoßen. In diesem Zusammenhang werden zunehmend die Leitbilder und die Rollenverständnisse von alten Menschen problematisiert.

Aber genau dieser Demografiediskurs transportiert oft eine sehr negativ gefärbte Sichtweise des Alters. Es wird gesprochen über Altersschwämme, Überalterung, Vergreisung der Gesellschaft; es werden geradezu Horrorbilder an die Wand gemalt, was das Älterwerden der Gesellschaft angeht.

Wahr ist dabei: Immer mehr ältere Menschen müssen mit immer weniger jüngeren Menschen neue Formen des Zusammenlebens finden. Dabei müssen beide Seiten lernen, wie sie letztendlich von der anderen Gruppe lernen und profitieren können, wie sich Jung und Alt ergänzen und befruchten können. Dabei ist es so, dass wir diesen gesellschaftlichen Wandel als Chance begreifen können. Wir müssen ihn aktiv gestalten. Wir müssen schauen, welche Potenziale darin liegen, vor allen Dingen auch welche Potenziale ältere Menschen in diesem Prozess mitbringen und wie diese zu nutzen und zu fördern sind.

Es ist auch wahr – das wurde eben auch schon gesagt –: Es wäre eine große vertane Chance, wenn wir das Erfahrungswissen und die Fähigkeiten älterer Menschen nicht nutzen würden, wenn wir sie ungenutzt brach liegen lassen würden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb ist es Zeit, weg vom Defizitmodell, hin zum Potenzialmodell des Alters zu kommen. So weit sind wir uns, denke ich, einig. Das Ziel ist klar.