Protokoll der Sitzung vom 22.08.2007

Die erste Säule ist die weitere Haushaltskonsolidierung, die bei 112 Milliarden € geerbten Landesschulden alternativlos ist.

Die zweite Säule ist eine Finanzausstattung für die kommunale Familie, mit der diese der ihr von der Verfassung garantierten kommunalen Selbstverwaltung und den Aufgaben, die ihr dadurch erwachsen, wirklich nachkommen kann.

Innenminister Wolf hat Ihnen den Entwurf des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2008 ausführlich

dargestellt. Dafür möchte ich ihm den Dank der FDP-Landtagsfraktion aussprechen.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Lob und Dank!)

Unsere Kommunen, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden sich über die gute Nachricht freuen – die Mails laufen ja schon landesweit durch die Rathäuser –,

(Lachen von SPD und GRÜNEN)

dass ihnen 2008 insgesamt 650 Millionen € mehr zur Verfügung stehen. Das ist immerhin im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 9,7 % und eine Gesamtzuweisung für 2008 von 7,3 Milliarden €. Das ist der höchste Betrag seit 2001.

Die kommunale Selbstverwaltung hat für uns einen hohen Stellenwert. Sie hat Verfassungsrang und kann nur mit einer angemessenen Finanzausstattung gelebt werden. Diesem Auftrag kommt das Land in Wahrnehmung seiner Verantwortung nach und beteiligt die Kommunen bei gleichbleibendem Verbundsatz von 23 % an den gestiegenen Steuereinnahmen. Aus dem Landeshaushalt erhalten die Kommunen 13,7 Milliarden €. Das sind 27 %. Zusätzlich können sich die Gemeinden über weiterhin stark anwachsende Gewerbesteuereinnahmen freuen. Der landesweite Trend hält an. Die kommunalen Steuereinnahmen stiegen im Haushaltsjahr 2006 um fast 13 % gegenüber dem Jahr 2005 an. Das sind rund 1,9 Milliarden € mehr.

Trotz dieser guten Nachrichten – das klang bei dem einen oder anderen Beitrag an, und das gehört auch zum Gesamtbild – sollte die in vielen Gemeinden weiterhin angespannte Haushaltslage nicht vergessen werden. Wir haben hier eben die neuesten Zahlen zum Kommunalfinanzbericht gehört. Etwa 110 Kommunen – Herr Jäger spricht von 115, aber da will ich mich jetzt nicht streiten; denn es kommt auf den gewählten Zeitraum an – befinden sich derzeit noch ohne ein gesichertes Haushaltssicherungskonzept in der vorläufigen Haushaltswirtschaft. Ende 2006 bis Anfang 2007 befanden sich ca. 190 Kommunen im Haushaltssicherungskonzept. Herr Jäger, Sie hatten 197 genannt. Wie gesagt, das kommt auf den jeweiligen Referenzzeitraum an.

Sorgen bereitet – das ist eigentlich das Dramatische – der neue Höchststand der Kassenkredite infolge der Fehlbeträge aus Vorjahren in Höhe von 12,54 Milliarden € am 31.12.2006, der die kommunalen Haushalte bzw. Bilanzen noch auf viele Jahre belasten wird.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Aber der jahresbezogene Fehlbetrag der Verwaltungshaushalte von rund 626 Millionen € hat sich im Vergleich zum Jahr 2005 mehr als halbiert. Herr Jäger, das ist Trendumkehr. Die Botschaft ist im Land angekommen. Das ist Trendumkehr.

(Beifall von der FDP)

Das Land hat den übergemeindlichen Finanzausgleich im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten. Auch das ist alternativlos. Die Höhe der kommunalen Finanzerstattung muss somit unter angemessener Berücksichtigung des finanziellen Bedarfs und der Haushaltssituation unseres Landes bestimmt werden.

Dabei muss man sehen, mit welchen finanziellen Belastungen NRW in diesem Jahr, aber auch in den nächsten Jahren trotz der Nettomehreinnahmen fertig werden muss. 112 Milliarden € Erblast bedeuten, dass das Land Nordrhein-Westfalen im Jahr 2008 4,84 Milliarden € Zinsen an seine Gläubigerbanken überweisen muss. Mit Blick auf die vielen Zuhörerinnen und Zuhörer sage ich: Das sind 13,3 Millionen € Zinsen tagtäglich. Das ist das traurige Ergebnis einer verfehlten rotgrünen Politik auf Pump. Anders kann man das nicht bezeichnen. Was hätte man alles damit machen können? Das wurde heute Vormittag von unserem Fraktionsvorsitzenden Dr. Papke eindrucksvoll dargestellt.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich habe hier aber bereits im letzten Jahr gesagt: Die Haushaltskonsolidierung ist schmerzhaft. – Aber wir haben dabei das Wohl der künftigen Generationen im Blick und wir stärken damit den Aufschwung. Herr Jäger, das ist nachhaltige Finanzpolitik. Das ist auch ein Teil der neuen Gemeindeordnung, wenn sie denn so verabschiedet wird: raus aus der Schuldenpolitik. Finanzminister Linssen hat das hier eben ausführlich dargestellt. Auch ihm gilt der Dank der FDP-Fraktion für seinen konsequenten Konsolidierungskurs.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Anstatt einen Strauß zu überreichen, mache ich das gern mündlich. Man muss nicht unbedingt einen Riechbesen dabei haben.

Die Höhe der Finanzausgleichsmasse im Steuerverbund 2008 führt zur Erhöhung der Schlüsselzuweisungen – plus 560 Millionen € oder 9,8 % –, der Investitionspauschalen – plus 6,5 Millionen € –, der Bedarfszuweisungen – plus 2,1 Millionen € – und der Sonderpauschalen.

Die weitere zentrale Botschaft bei den mit 590 Millionen € veranschlagten Sonderpauscha

len – davon erneut 50 Millionen € für die Sportpauschale – lautet: Die Weiterentwicklung der bisherigen Schulpauschale zur Schul- und Bildungspauschale gibt den Kommunen neue Freiheiten. Wie wir eben gehört haben, ist die neue Schul- und Bildungspauschale gegenüber der früheren Schulpauschale um 80 Millionen € – und damit deutlich – auf 540 Millionen € erhöht worden.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Das ist auch kein Zufall, denn die Bildung hat für die FDP-Landtagsfraktion einen sehr hohen Stellenwert.

Deshalb ist es zu begrüßen, dass die Landesregierung die Investitionsmöglichkeiten der Kommunen in diesem Bereich stärkt und die Chance eröffnet, mit den bereitgestellten Mitteln auch investive Maßnahmen zur frühen Förderung und Bildung von Kindern durchzuführen. Besonders wichtig ist dabei, dass diese Mittel vor Ort von den Entscheidungsträgern nach Bedarf den Verwendungszwecken entsprechend verteilt werden können.

Insgesamt bleibt es damit bei dem klaren Kurs, den die Regierungskoalition von CDU und FDP bereits mit dem GFG 2006 eingeschlagen und 2007 fortgeführt hat: Vorrang für Schlüsselzuweisungen, Steigerung der Investitionspauschalen und Konstanz und Verlässlichkeit bei den Sonderpauschalen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Abgeordneter Becker das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hovenjürgen, wenn Sie noch einmal einen solchen Zwischenruf machen, lobe ich Sie demnächst öfter hinterrücks. Dann haben Sie Probleme mit Ihrem Ministerpräsidenten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber lassen Sie mich zunächst einmal sagen, dass ich mich ganz deutlich darüber wundere, Herr Lux, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, wie Sie insgesamt heute aufgetreten sind, wie Sie im Zusammenhang mit dem GFG auftreten und wie Sie wie eine Gebetsmühle immer wieder darzulegen versuchen, dass die Kommunen mehr Geld bekämen, gleichzeitig aber den Kommunen das wegnehmen, was ihnen zusteht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist nicht die Frage, ob Sie von den immensen Steuereinnahmen, die Sie jährlich mehr kassieren, den Kommunen ein paar Brosamen überlassen. Vielmehr ist die Frage, ob Sie den Kommunen das geben, was ihnen zusteht, oder ob Sie sich jedes Jahr ein Stück weit daran bereichern. Meine Damen und Herren, genau das tun Sie.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nach zweieinhalb Jahren des Täuschens, Tricksens und Tarnens setzen Sie diese Politik auch 2008 fort. Herr Lux, ich will noch einmal ganz kurz ins Gedächtnis rufen, was Sie in den letzten Jahren gemacht haben. Es ist, selbst wenn Sie es nicht hören und nicht auf sich wirken lassen wollen, wichtig, dass es im Protokoll steht. Zumindest das ist wichtig.

Da Sie einen Teil der Zweckzuweisungen in die Einzelhaushalte ausgephast haben, haben Sie den Verbundhaushalt letztlich dauerhaft um 1,1 % abgesenkt. Sie haben in den Einzelhaushalten aber eben nicht auf Dauer die alten Beträge aus den Zweckzuweisungen übernommen.

Sie haben außerdem die Spitzabrechnung der Einheitslasten abgeschafft, mit dem Versprechen, nachzusteuern, wenn es nicht hinhaut. Wir sind inzwischen an dem Punkt angekommen, dass Sie eigentlich längst mit 200 Millionen € zugunsten der Kommunen nachsteuern müssten, es aber nicht tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben in etlichen Bereichen außerhalb des GFG gekürzt. Sie reden immer vom Verbundsatz. Aber Sie reden nicht von all den kleinen und großen Schweinereien, die Sie rund um das GFG machen. Auch dazu will ich Ihnen noch einmal einiges nennen. Sie haben 2006 42,75 Millionen € durch den Wegfall des Elternbeitragssicherungsgesetzes kassiert. Das sind inzwischen dauerhaft 84,5 Millionen € pro Jahr. Nur 2006 lag der Betrag bei 42 Millionen €.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben 72,1 Millionen € bei den Sachkosten beim Kindergartengesetz kassiert. Sie haben 15 Millionen € 2006 bei den Schülerfahrtkosten kassiert. Im Jahre 2007 ist dann noch einmal ungefähr derselbe Betrag hinzugekommen, sodass es inzwischen strukturell 30 Millionen € pro Jahr sind.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Deswegen machen wir ja jetzt Unterricht am Samstag!)

Sie haben 5 Millionen € nicht für Schulbücher von SGB-II-Beziehern bereit gestellt. Und Sie haben 10 Millionen € insgesamt beim Weiterbildungsgesetz gekürzt. Das machte für das Jahr 2006 in der Summe 304,8 Millionen €, die den Kommunen jedes Jahr fehlen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Im Jahre 2007 haben Sie den Kommunen weitere 420 Millionen € entzogen. Sie haben – da finde ich es geradezu eine Katastrophe, wenn aus Ihren Reihen bei dem Hinweis des Kollegen Jäger gelacht wird – nicht mehr das gemacht, was immer üblich war, nämlich den Anteil für die Kommunen aus der Grunderwerbsteuer belassen. Das waren in der Tat nach dem Haushalt damals ca. 165 Millionen €. In Wahrheit, wenn man es jetzt anhand der höheren Steuereinnahmen durchrechnet, sind es inzwischen sogar 180 Millionen €, die den Kommunen nach Ihren Änderungen fehlen.

Sie haben den Anteil der Kommunen an den Investitionskosten für die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen verdoppelt. Das macht 110 Millionen € aus. – Kurzer Exkurs: Sie werden die Krankenhäuser auch demnächst bei Ihrem Vorhaben zum § 107 Gemeindeordnung schädigen, weil die Krankenhäuser bei der ambulanten Versorgung unter den § 107 fallen. Damit wird ihnen da ein wichtiges Geschäftsfeld wegfallen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie haben die Bundeskürzungen bei den Regionalisierungsmitteln im Übrigen nicht wie andere Bundesländer aufgefangen. Auch das wirkt sich mittelbar auf die Kommunen aus, weil die das nämlich teilweise auffangen müssen.

Sie führen das 2008 fort: Sie kürzen 370 Millionen € bei den Kommunen, und zwar so: Sie setzen die neue Bildungspauschale ein, die letztlich eine Deckungslücke bei den Ganztagsinvestitionsmitteln in Höhe von 103 Millionen € kaschieren. Und es ist schon ein Stück aus dem Tollhaus, wenn sich Herr Engel hier hinstellt und sagt, dass die Bildungspauschale – ein besonderes Anliegen der FDP, wie er sich hier geäußert hat – dazu führen würde, dass man investiert, weil Bildung ein besonderes Gut sei. Das Gegenteil ist der Fall! Sie werfen wieder die große Nebelmaschine an.

(Beifall von den GRÜNEN)