Protokoll der Sitzung vom 22.08.2007

Ich darf auch noch einmal auf das Thema Schulmittagessen hinweisen; Sie hatten das ja aufgegriffen. Dieses Problem haben Sie doch genauso geleugnet. Ich zitiere – das sind Dinge, die einen immer wieder einholen – Frau Kollegin Schäfer als zuständige Schulministerin in der Antwort auf eine Kleine Anfrage meines Kollegen Lindner. Ich zitiere die SPD-Landesregierung:

„Der Landesregierung liegen über Einzelfälle hinaus keine Informationen darüber vor, ob Eltern wegen der möglichen Kosten für die Mittagsverpflegung von einer Anmeldung ihrer Kinder zu einem Ganztagsangebot absehen. … Die der offenen Ganztagsschule im Primarbereich zugrundeliegenden Erlasse regeln, dass der Schulträger für die Mittagsverpflegung einen zusätzlichen Beitrag erheben kann. Sollte dies im Einzelfall nicht möglich sein, müsste der

Schulträger, gegebenenfalls mit Unterstützung des Jugendamtes, nach Lösungen suchen.“

So sind Sie mit diesem Problem der ordentlichen Verpflegung an den Schulen in unserem Land umgegangen!

(Beifall von der FDP)

Dann tragen Sie hier doch nicht in einer wirklich heuchlerischen Art und Weise Ihr Interesse an diesem Thema vor! Glauben Sie, das Problem gab es vor einigen Jahren noch nicht? Da haben Sie es geleugnet. Sie haben keinen einzigen Groschen in die Hand genommen, um den Kindern etwas Gutes zu tun. Das ist die Realität!

(Beifall von FDP und CDU)

Wir können ja darüber diskutieren, ob wir das Programm „Kein Kind ohne Mahlzeit“ nicht noch großzügiger ausstatten müssen. Da sind wir jetzt bei 10 Millionen € jährlich. Ja klar! Wir müssen uns nicht nur am Wünschbaren orientieren, sondern – dafür steht der Finanzminister – am Machbaren. Aber wir machen etwas! Das ist der Unterschied! Wir machen etwas Gewaltiges: Wir greifen das Problem an. Sie haben nichts getan. Das ist das, was wir Ihnen politisch nicht werden durchgehen lassen.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die FDP will in unserer Koalition der Erneuerung mehr soziale Marktwirtschaft und weniger Staatswirtschaft. Daraus haben wir nie einen Hehl gemacht. Wir stehen dazu. Die Grundlage unseres Wohlstandes sind keine bürokratischen, staatswirtschaftlichen Strukturen. Die Basis unseres Wohlstandes sind der Fleiß der Arbeitnehmer, der Ideenreichtum und die Risikobereitschaft vor allem der kleinen und mittelständischen Betriebe in unserem Land. Wir werden immer denen helfen, die unserer Hilfe bedürfen. Das ist die Regierungspraxis in Nordrhein-Westfalen seit zwei Jahren. Aber ebenso klar ist: Wer jeden Tag zur Arbeit geht, um sich und seine Familie von seiner eigenen Hände Arbeit zu ernähren, der muss am Ende des Tages auch mehr übrig behalten als der, der ausschließlich von staatlichen Transferleistungen lebt, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Und zu diesem Prinzip stehen wir.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Er ist für Mindestlohn!)

Ja, unsere Leitlinie lautet: Freiheit vor Gleichheit, Privat vor Staat, Erwirtschaften vor Verteilen.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

„Freiheit vor Gleichheit, Privat vor Staat, Erwirtschaften vor Verteilen“ trägt Früchte. Im nordrhein-westfälischen Mittelstand – da werden die Arbeitsplätze ja geschaffen – herrscht eine Aufbruchstimmung, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht erlebt haben. Das Mittelstandsbarometer 2007 von Ernst & Young belegt: In keinem anderen Bundesland sind die mittelständischen Unternehmen mit den Rahmenbedingungen so zufrieden wie in Nordrhein-Westfalen.

Ich rate Ihnen sehr: Gucken Sie sich einmal die Vergleichsuntersuchungen aus Ihrer Regierungszeit an! Da lag Nordrhein-Westfalen nämlich durch die Bank immer auf dem letzten Platz. Der Mittelstand ist davongelaufen. Der hatte keinen Mut mehr unter Ihrer Regierungsverantwortung. Das hat sich fundamental geändert. Deshalb ist hier eine Wachstumsdynamik entstanden, die zu mehr Ausbildungsplätzen geführt hat und die neue Arbeitsplätze schafft.

Aus genau diesem Grunde werden wir den Kurs der marktwirtschaftlichen Erneuerung auch konsequent fortsetzen. Deshalb werden wir in der Tat bei der Reform der Gemeindeordnung der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand einen Riegel vorschieben. Wir werden dort, wo es Übertreibungen gegeben hat, nicht länger zulassen, dass Staatsbetriebe Mittelstand und Handwerk die Aufträge wegnehmen.

(Beifall von der FDP)

Selbstverständlich brauchen wir mehr Flexibilität im öffentlichen Dienst. Hier geht es nicht um einen Angriff auf die Mitbestimmung. Hier geht es um Regelungen, die im Bundesrecht selbstverständlich sind. Hier geht es um Regelungen, von denen Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft, meine Damen und Herren, im Übrigen nur träumen können. Wer hier behauptet, es handele sich um einen Generalangriff auf die Mitbestimmung, der weiß entweder nicht, worüber er spricht, oder er versucht, eine Stimmung gegen die Landesregierung zu schüren, die sachlich überhaupt nicht fundiert ist.

Es mag sein, dass diejenigen, die sich in alten Strukturen eingerichtet haben, gegen diese Modernisierung demonstrieren. Aber wir werden dennoch an dieser Modernisierung festhalten – da sollte sich niemand täuschen –, denn dafür sind wir gewählt worden. Wir machen exakt das, womit wir angetreten sind und wofür wir gewählt worden sind.

Auch das unterscheidet uns im Übrigen fundamental von der SPD. Es gibt ja dieses bemerkenswerte Bonmot von Franz Müntefering, der vor einigen Monaten einmal dem staunenden Publikum gesagt hat, es sei eine Riesensauerei, Parteien nach Wahlen an dem zu messen, was sie vor Wahlen versprochen hätten. Das mag, meine Damen und Herren, die Philosophie der SPD sein. Es ist nicht die Philosophie der Koalition, die in Nordrhein-Westfalen Verantwortung trägt. Das will ich hier klar sagen.

(Beifall von FDP und CDU)

Das heißt ganz und gar nicht, dass wir uns Gesprächen mit den Gewerkschaften verweigern. Ich kann Ihnen versichern: Meine regelmäßigen Gespräche mit dem DGB-Landesvorsitzenden Guntram Schneider etwa sind immer sehr interessant und auch außerordentlich lebendig. Wir werden diese Gespräche fortsetzen. Ich will an dieser Stelle ausdrücklich anerkennen,

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

dass Guntram Schneider mir dieser Tage geschrieben und sich von dem missratenen Vergleich des Landespersonalvertretungsgesetzes mit dem Sozialistengesetz von 1878 distanziert hat. Diese Klarstellung ist aller Ehren wert. Jeder kann sich mal verrennen.

(Beifall von der FDP)

Ich finde, der DGB-Landesvorsitzende hat mit dieser Klarstellung ein Zeichen von Stärke gegeben.

(Beifall von der FDP)

Wir wollen nicht – das unterscheidet uns von der Opposition – den allumfassenden Fürsorgestaat, der seine Bürger ans Händchen nimmt und sie damit am Ende ihrer Freiheit beraubt. Klar ist aber: Wir wollen und werden immer denen helfen, die zu jung, zu alt oder zu schwach sind, um sich selber zu helfen: marktwirtschaftliche Erneuerung mit sozialer Sensibilität.

(Zurufe von der SPD)

Wir waren es doch auch, die dafür gesorgt haben, dass ein sozialverträglicher Ausstieg aus dem Subventionsbergbau erreicht worden ist. Wer hat das denn verabredet? Wer hat darüber verhandelt?

(Beifall von der FDP)

Das war doch dieser Ministerpräsident, gestützt durch die Koalition der Erneuerung.

Wir verlängern die Auszahlung des Anpassungsgeldes bis 2027. Kein einziger Bergmann wird entlassen. Frau Kraft, das, womit Sie vor einigen Monaten die Ängste der Menschen draußen geschürt haben, war Lug und Betrug. Schwarz auf weiß liegt vor: Kein Bergmann fällt ins Bergfreie. – Das ist eine Politik der sozialen Verantwortung dieser Landesregierung.

(Beifall von FDP und CDU)

Ich will noch eines ergänzen: Zur sozialen Sensibilität gehört es auch für eine marktwirtschaftliche Partei wie die FDP, offen zu sagen, dass es nicht zu vermitteln ist, wenn Managergehälter bei einigen Unternehmen – selbst bei hundsmiserablen Unternehmensergebnissen – geradezu explosionsartig ansteigen, während die Arbeitnehmer die Folgen eines schlechten Managements selber ausbaden müssen. Das muss in aller Klarheit kritisiert werden.

Ich habe mich sehr gefreut, dass der nordrheinwestfälische Arbeitgeberpräsident Maier-Hunke unlängst sehr zu Recht kritische Worte zu diesem Komplex gefunden hat.

Wenn der DaimlerChrysler-Chef wegen Erfolglosigkeit gefeuert wird und danach Aktienoptionen über 50 Millionen € realisieren kann, ist das niemandem zu vermitteln. Wenn der Chef von EnBW mit 39 Jahren eine Sofortrente auf Lebenszeit bekommt, ist das eine Zumutung für alle Arbeitnehmer und Rentner. Das will ich hier für die FDP einmal klar feststellen.

(Beifall von der FDP)

Das in der Sache zu kritisieren ist aber etwas ganz anderes als dieser unerträgliche Populismus der Gysis und Lafontaines, die nur davon ablenken wollen, dass hinter ihnen Linksextremisten und alte SED-Kader stehen, die Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten in unserem Land mit Füßen getreten haben, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Vor dem Politischen Forum Ruhr in Essen hat der Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen – das war ein Stasikerker – unlängst vor über 1.000 Gästen mit eindringlichen Worten vor einer Verharmlosung der PDS gewarnt. Er hat von Veranstaltungen berichtet, auf denen behauptet wird, erschossene Flüchtlinge seien selbst schuld an ihrem Schicksal gewesen – sie hätten ja stehen bleiben können.

Der neue Linkspartei-Vorsitzende Bisky hat öffentlich angekündigt, seine Partei werde – hören Sie gut zu, Frau Kollegin Kraft! – die Systemfrage

stellen. Lafontaine bekommt inzwischen öffentlich Beifall von NPD-Spitzenfunktionären. Auch das halte ich für sehr bemerkenswert. Sehr zu Recht wird die PDS auch in Nordrhein-Westfalen vom Verfassungsschutz beobachtet. Dafür gibt es gute Gründe.

Und gemeinsam mit solchen Leuten, Frau Kollegin Kraft, wollen Sie in Nordrhein-Westfalen an die Macht kommen? Mit solchen Leuten wollen Sie gemeinsame Sache machen?

(Zuruf von der SPD: Was ist denn mit der Bauernpartei? Die haben Sie aufgenom- men!)

Solche Leute machen Sie hoffähig, indem Sie sich Seite an Seite mit ihnen fotografieren und abbilden lassen. Ist das wirklich Ihr Ernst, Frau Kollegin Kraft? Das sind Leute, von denen Sie selber sagen – Sie haben das hier gerade noch einmal vorgetragen: Sie wollen keine soziale Marktwirtschaft, sondern einen Systemwechsel, das heißt den Ausstieg aus der EU und aus der NATO. Sie wollen eine weitgehende Verstaatlichung der Industrie. Die Exportregion Nordrhein-Westfalen würde das Zehntausende von Arbeitsplätzen kosten. Das haben Sie gerade selber gesagt.

(Ralf Jäger [SPD]: Da sitzt die Angst aber tief bei Ihnen!)

Sie haben aber nicht gesagt, dass Sie in demselben Interview hinzugefügt haben, diese Positionen seien – Zitat – „hochspannend“. Zur Klarstellung hätte ich gerne noch einmal von Ihnen gehört, was an solchen Positionen hochspannend ist, Frau Kollegin Kraft.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der FDP: Das Schweigen im Walde!)