Protokoll der Sitzung vom 16.11.2007

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die durch den Orkan „Kyrill“ verursachten katastrophalen Waldschäden kennen wir alle. Wir haben deshalb zur Kenntnis zu nehmen: Der bisherige sogenannte forstwirtschaftliche Wald hat ausgedient.

(Zuruf von der CDU: Ach nee!)

Ja, er hat kaum noch Chancen, da wegen des Klimawandels zukünftig verstärkt von Sturmereignissen auszugehen ist. Das ist sicherlich kein Geheimnis. Klar ist ebenso, dass flachwurzelnde, hochwachsende Fichten auf Dauer keine Chance mehr haben, aber auch, dass zunehmend altholzreiche Laubwaldbestände von Sturmereignissen betroffen sind. Daher ist es zwingend notwendig, meine Damen und Herren, über alternative Waldformen nachzudenken, zu überlegen, wie wir auf Dauer neben ökologischen Gesichtspunkten auch ökonomisch von unseren Wäldern profitieren können.

Ganz kurz möchte ich den Antrag „Naturnahe Wälder statt Holzplantagen“ der Grünen streifen. Aus unserer Sicht sind nicht die Douglasien das Hauptproblem, da die Förderung an den Laubwald gekoppelt ist. Aus unserer Sicht ist die schwer getroffene Forstverwaltung das Problem, die mit immer weniger Mitarbeitern nach „Kyrill“ das alles leisten soll. Hier liegen die hausgemachten Probleme des Ministeriums, die Verantwortlichkeit. Das muss man dabei berücksichtigen. Es geht nicht nur um Inhalte, sondern auch um die Struktur.

Aber zurück zum Niederwald. Sie wissen, dass dieser aus bäuerlicher Nutzung entstanden ist nach dem Motto: viel Holz in kurzer Zeit. Wir brauchen dazu leistungsfähige, ausschlagsfähige Baumarten wie die Hainbuche oder die Eiche. Alle 15 bis 25 Jahre wurde hier genutzt. So ist die Nutzung über Jahrhunderte gewesen, früher nicht immer unter nachhaltigen Gesichtspunkten. Wenn man das auf heute überträgt, erkennt man verschiedene Eigenschaften, die sehr wertvoll sind: Dieser Wald ist sturmfest, dieser Wald ist kulturhistorisch interessant, er hat einen hohen Naturschutzwert, und er erlangt ökonomisch inzwischen eine vollkommen neue Bedeutung.

Die „Allgemeine Forstzeitschrift“ – die wirklich nicht verdächtig ist, ein reines Umweltblättchen zu sein – führt aus, dass im Holz eines Niederwaldbestandes von 1 ha Größe 61.000 l Heizöl als Energieäquivalent stehen. Meine Damen und Herren, das sind zwei volle Tanklastzüge, die 25 Einfamilienhäuser ein Jahr lang mit Heizöl versorgen könnten. Ich führe weiter aus, was die „Allgemeine Forstzeitschrift“ hierzu schreibt:

„Durch den Niederwald lässt sich eine gute Wertschöpfung in optimaler Weise mit landschaftsgestalterischen und naturschützerischen Aspekten verbinden.“

Auch die Landesregierung führt in ihren Empfehlungen für die Wiederbewaldung der Orkanflächen NRW – im Juni 2007 erst vorgelegt – aus und bestätigt, dass eine erhöhte wirtschaftliche Attraktivität für die Ernte von Forstbiomasse gilt, wenn Baumarten gewählt werden, die durch genügende Substanzproduktion in den ersten beiden Lebensjahrzehnten gekennzeichnet sind.

Meine Damen und Herren, dafür steht der Niederwald. Er ist eine Chance für zahlreiche Kleinwaldbesitzer – allein in meinem Heimatkreis, im Oberbergischen Kreis, sind es 19.000 – und gerade für schwierige Lagen, wo keine Weichholzplantagen möglich sind, die maschinell beerntbar sind. Niederwald ist eben eine Form des Energieholzanbaus.

Bei der Diskussion im Umweltausschuss hat man gemerkt, wie händeringend nach Argumenten gesucht wurde, die diesem Antrag fachlich entgegenzusetzen seien. Daher noch mal zwei, drei Aspekte:

Das LANUV selbst hat ausgeführt: Die Nährstoffbilanzverhältnisse sind überraschend gut im Niederwald.

Im Unterschied zur Standardaufforstung geht es nicht nur darum, einfach Bäume einzusetzen wie

bei einer normalen Laubholzaufforstung, sondern auch darum, die Ausschlagsfähigkeit der Gehölze zu berücksichtigen.

Selbstverständlich soll es den Waldbesitzern überlassen bleiben, wie sie sich entscheiden. Wir möchten ihnen nur eine zusätzliche Alternative bieten.

Und, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, es ist kein neues Förderprogramm notwendig. Wir brauchen eigentlich nur wenige textliche Ergänzungen. Förderung heißt beispielsweise auch Beratungen für Flächen, die sich wirklich dafür eignen.

Dieser Antrag stellt fachliche Gesichtspunkte, Chancen und Vorteile für Wald, Waldbesitzer und Natur gleichermaßen in den Vordergrund – weitab jeglicher Ideologie. Dieser Antrag wird von Förstern, Waldbesitzern und aus dem Naturschutz sehr positiv begleitet.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Sie brauchen gar nicht über Ihren Schatten zu springen. Sie brauchen nur zu zeigen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, dass Sie gute, fachlich fundierte Initiativen, die eine Chance darstellen, …

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist beendet.

… auch wenn sie von der SPD kommen, im Interesse unseres Landes unterstützen. – Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Karthaus. – Meine Damen und Herren, damit sich niemand wundert, ich werde etwas stärker auf die Einhaltung der Redezeiten achten; denn der Tag ist lang genug. – Herr Remmel, Sie haben das Wort für die Grünen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde versuchen, die präsidialen Anforderungen überzuerfüllen.

Sonst werde ich Ihnen helfen.

Darauf freue ich mich immer. – Wir beraten heute zwei Anträge unter einem Tagesordnungspunkt. Ein Antrag ist schon im Ausschuss beraten worden: die Forde

rung der SPD-Fraktion, die Niederwaldwirtschaft zu fördern. Ich habe dazu schon im Ausschuss gesprochen und will es heute gerne noch einmal tun.

Ich komme aus einer Region, einem Kreis, in der die sogenannte Haubergswirtschaft schon jahrhundertelang Tradition ist. Deshalb unterstütze ich diesen Antrag selbstverständlich. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dass ich als das Hauptproblem nicht Niederwaldwirtschaft als solche und deren Förderung sehe, sondern die Frage der Logistik bei der anschließend notwendigen Platzierung des Niederwaldes bei den Kundinnen und Kunden. Denn dafür wird man andere technische Geräte brauchen und Logistik neu entwickeln müssen, wenn man das in größerem Stil betreiben will. Aufgrund der Erfahrungen aus vorhandenen Modellprojekten glaube ich, dass das nicht ohne staatliche Unterstützung gehen wird. Aber es ist ein Aspekt, der im Gesamttableau der Biomasseförderung sicherlich eine Rolle spielen kann.

Nun zu dem von meiner Fraktion vorgelegten Antrag zum Thema „Naturnahe Wälder statt Holzplantagen“. Dieser Antrag ist deshalb notwendig, weil wir in den Bemühungen der Landeregierung und in den vorgelegten Konzepten eine Tendenz zur Fehlentwicklung sehen. In einigen Bereichen, in denen wiederaufgeforstet wird, werden die Fehler wiederholt, die dazu geführt haben, dass bestimmte Gebiete und Bereiche besonders vom Sturm „Kyrill“ betroffen worden sind. Statt in das Waldkonzept 2000 zu investieren, dies fortzusetzen und auszubauen, werden an vielen Stellen doch wieder Monokulturen aufgeforstet, diesmal nicht mit der Fichte – teilweise sogar wieder mit der Fichte! –, sondern ein neuer „Brotbaum“ hält Einzug: die Douglasie.

Grundsätzlich ist nichts gegen diesen Baum zu sagen. Nicht das Argument, dass diese Baumart aus Nordamerika kommt, ist schlagend, sondern das Argument, dass man den Fehler „Monokultur“ nicht durch den neuen Fehler „Monokultur Douglasie“ ersetzen soll. Denn jede Monokultur – das haben wir bei der Fichte kennengelernt – zieht bestimmte Schädlinge nach sich. Bei der Fichte ist es der Borkenkäfer. Bei der Douglasie werden es andere Schädlinge sein, wenn dieser Baum denn in Monokultur angepflanzt wird.

Leider – deshalb müssen wir es hier diskutieren – geben die Förderprogramme der Landesregierung und die entsprechende Erlasslage den Raum für solche Aufforstungen. Herr Karthaus, die Förderbestimmungen enthalten keine Bindung, die Empfehlungen der Landesregierung tatsächlich zu be

achten. Man kann sich auch für einen anderen Weg entscheiden. Wir möchten, dass es eine Bindung gibt.

Zum Zweiten sehen wir einen Punkt unseres Antrags als Möglichkeit und Chance, nach „Kyrill“ einen anderen Weg zu gehen und zu sagen: Da uns der Sturm gezeigt hat, dass bestimmte Flächen nicht für Waldwirtschaft geeignet sind, überlassen wir diese Flächen der natürlichen Sukzession. Die konkrete Forderung lautet, 10 % der von „Kyrill“ betroffenen Flächen sich selbst zu überlassen. Einige Kommunen gehen den Weg schon. Das Land sollte dem nachfolgen. Das könnte ein Baustein in einem Biodiversitätskonzept Nordrhein-Westfalen sein, wie wir es von der Landesregierung ja einfordern. Das sind Waldflächen, die dazu geeignet sind, in dem Konzept als Trittstufen für Arten, die vielleicht bedroht sind, zu dienen und Räume für sie zu schaffen.

Herr Präsident, da der Antrag im Ausschuss noch ausführlich fachlich beraten wird, bin ich noch unter meiner verfügbaren Redezeit geblieben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sehr lobenswert! Herzlichen Dank, verehrter Kollege. So ein Lob bekommt nicht jeder, sondern nur der, der diesen Rahmen einhält. – Herr Pick, Sie haben jetzt eine Chance. Bitte nutzen Sie sie. Sie sprechen für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Über den Antrag der SPD-Fraktion zur Nutzung des Niederwaldes haben wir im Ausschuss ausführlich diskutiert. Das Ergebnis war, dass Niederwälder Tradition haben. Es hat sie aus unterschiedlichen Gründen immer gegeben: in Form von Hauwäldern, Hutewäldern, Lohwäldern – bekannte Begriffe –, die sich heute zu Energiewäldern entwickelt haben. Die ursprüngliche Nutzung war eine andere.

Zum Antrag insgesamt – ich mache es kurz, Herr Präsident –: Die erste Seite Ihres Antrages ist Lyrik. Das, was Sie hier vorgetragen haben, Herr Dr. Karthaus, waren weitgehend Worthülsen. Das Ganze ist nämlich relativ substanzlos. Die Forderungen, die Sie hier vorgetragen haben, sind forstpolitisch selbstverständlich; denn Hauwälder sind heute überall vorhanden und werden dort, wo sie wirtschaftlich sind, auch in Zukunft weiter betrieben werden.

Die konkreten Forderungen, die Sie in Ihrem Antrag an die Landesregierung richten, sind absolut substanzlos.

Erstens. Der Landtag muss nicht beschließen, dass in Mittelgebirgslagen die Chance zur Anlegung von Hauwäldern erkannt wird. Das kann man den Betroffenen sagen. Wenn sie es als richtig erkennen, dann tun sie es – auch ohne einen Beschluss des Landtags.

Zweitens. Wir sind dagegen, das Ganze in Förderprogramme aufzunehmen. Es gibt auch andere Möglichkeiten, Energieholz anzubauen, die wir nicht fördern und die wesentlich intensiver sind.

Drittens. Sie fordern die Zusammenarbeit mit Forstämtern und Biologischen Stationen zur Weitergabe von Informationen an die Waldbesitzer. Diese Informationen geben die Forstämter und Biologischen Stationen den Waldbesitzern ohnehin, ob wir das hier im Landtag beschließen oder nicht.

Insofern ist dieser Antrag für eine Presseerklärung geeignet – mehr nicht. Er ist absolut substanzlos und daher abzulehnen.

Was den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen angeht, ist Folgendes festzustellen: Hier ist noch einmal die große Tüte bunte Forst- und Waldwirtschaft aufgenommen worden. In diesem Antrag wird zu allem noch einmal etwas gesagt.

Es geht schon damit los – das kann natürlich auch gewollt sein –, dass man eine ganz andere Forst- und Waldpolitik machen will. Herr Remmel, in der Überschrift schreiben Sie: „Naturnahe Wälder statt Holzplantagen“. – Wollen Sie nun Wälder, oder wollen Sie Forst? Bei Forst handelt es sich um von Menschen unnatürlich angelegte und bewirtschaftete Flächen. Wälder sind natürlich gewachsene Flächen. Wenn Sie natürlich gewachsene Flächen haben wollen, dann sagen Sie das. Denn dann machen wir aus Nordrhein-Westfalen einen Nationalpark. Dort überlassen wir der Natur die Entwicklung und greifen als Menschen nicht ein.

Insofern ist auch das, was Sie als Wiederbewaldung in Rede stellen, relativ kurz gesprungen – auch im Zusammenhang mit den Flächen, die nicht bewaldet werden sollen. Denn nach Bundeswaldgesetz und Landesforstgesetz müssen Waldflächen mindestens im Zeitraum von zwei Jahren neu aufgeforstet werden. Sukzessionsflächen dürfen nur in Ausnahmefällen zugelassen werden. Daher ist die von Ihnen aufgestellte Forderung gesetzwidrig und insofern gar nicht umsetzbar.

Ihre Aussage, die Fichte sei nicht mehr der „Brotbaum“, ist ebenfalls Blödsinn; denn nach wie vor lebt die deutsche Holzwirtschaft – das sieht man

auch – und ebenso die europäische von der Fichte und wird davon auch in Zukunft leben. Wo nach den Sturmschäden durch „Wiebke“ Anfang der 90er-Jahre aufgrund der Empfehlungen Nadelholzwälder aufgeforstet worden sind, findet heute inzwischen wieder eine Nutzung statt, was bei den Laubwäldern nicht der Fall ist – wobei man immer berücksichtigen muss, in welchen Höhenlagen sich die Bestände befinden. Wie Sie vielleicht wissen, ist in Höhenlagen über 600 m mit entsprechenden Niederschlägen ein Laubholzbestand überhaupt nicht in der Fläche hochzubringen. Insofern ist das, was Sie hier vorschlagen, fortwirtschaftlich überhaupt nicht möglich.

Außerdem versuchen Sie auf der einen Seite, die Douglasie zu verdammen. Auf der anderen Seite tolerieren Sie sie aber – nur nicht in Monokulturen. Davon ist auch gar nicht die Rede; denn wir wollen natürlich stabile Mischwälder. Wir wissen aber, dass die Douglasie als Tiefwurzler ganz andere Möglichkeiten hat, der Witterung zu trotzen, und auch auf nassen Böden Bestand hat. Daran sehen Sie zum einen, dass sich dieses Holz sehr gut eignet, was es in der Vergangenheit auch schon bewiesen hat, und dass wir zum anderen hohe Preise dafür erzielen können.

Zu dem Punkt „Der Natur die Entscheidung überlassen“ habe ich eben schon etwas ausgeführt.

In einem weiteren Punkt greifen Sie die Staatswaldveräußerung auf. Sie sind mündlich nicht darauf eingegangen. Also akzeptieren Sie auch, dass da, wo es um Arrondierungen geht, in Zukunft Wald zu veräußern ist und ansonsten der Haushalt über andere Bereiche zu konsolidieren ist.

Insgesamt ist Ihr Antrag relativ substanzlos. Das, was Sie darin fordern, ist weitgehend nicht umsetzbar. Vor allen Dingen ist es auch ökonomisch nicht möglich, den Wald so zu bewirtschaften. Von daher wird Ihr Antrag nach der Beratung im Ausschuss sicherlich von uns abgelehnt werden. Wie gesagt: eine große Tüte Buntes. Gut, dass wir noch einmal darüber geredet haben! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.