Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

Die nordrhein-westfälische Justiz wird sich nicht aus der Fläche zurückziehen. Jede kreisfreie Stadt wird auch weiterhin ein Amtsgericht haben. Es wird dann auch zukünftig für alle Rechtsuchenden und auch Prozessbeteiligten Amtsgerichte in zumutbarer Entfernung geben.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Herr Sichau, darauf komme ich gleich noch.

Eine effiziente Justizarbeit braucht entsprechende Rahmenbedingungen. Die ins Auge gefasste Struktur der Amtsgerichte schafft zentrale Anlaufstellen für Bürger, für Unternehmen, für Anwälte, in denen die personellen und sachlichen Ressourcen – das ist eben wichtig – des Justizbereiches optimiert eingesetzt werden können.

Vor der Durchführung etwaiger Maßnahmen werden diese sorgfältig auf ihre Effizienz hin überprüft. Neue Mietkosten sind mit Blick auf das erhebliche Einsparpotenzial – als Stichworte sind hier der Personalaufwand für Pforte und Sicherheitsüberprüfung sowie Bibliothek und Archiv zu nennen – zu bewerten.

Für die kommenden Jahre ist eine Reihe von Baumaßnahmen für die Justiz in Planung oder auch schon im Bau. Teilweise wurde begonnen, die Justizgebäude zu sanieren oder auch ganz neu zu bauen, wie beispielsweise kürzlich in Mettmann. Dort wird gerade ein Amtsgericht komplett neu gebaut. Daran ist zu erkennen, dass gerade die Gerichtsstandorte in der Fläche, in den mittleren und kleineren Städten von der Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen gestärkt werden.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Kollege Kutschaty hat gerade betont, dass Amtsgerichte wichtige Standortfaktoren für die jeweilige Innenstadt seien. Und wenn ich Ihren Zuruf, Herr Kollege Sichau, richtig verstanden habe, haben Sie den Vorwurf erhoben, dass Amtsgerichte ja dann auf der grünen Wiese wären.

(Frank Sichau [SPD]: Das war nicht der Zu- ruf!)

Wie war das denn in Mettmann? Wie hat denn die örtliche SPD in Mettmann votiert? Sie hat sich dagegen gewehrt, dass dieses Amtsgericht mitten in der Innenstadt neu gebaut wird, wo es eigentlich hingehört. Die SPD Mettmann wollte gerade das Amtsgericht draußen auf die grüne Wiese neben McDonald’s setzen, dort, wo ein Bürger das Amtsgericht auch ganz schlecht hätte erreichen können.

(Beifall von der CDU – Frank Sichau [SPD]: Nein!)

Das, was Ihre SPD vor Ort gefordert hat, ist bürgerfeindlich. So war es, Herr Kollege Sichau.

(Widerspruch von Frank Sichau [SPD])

Gerichte als Garant für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit müssen im Zentrum unserer Städte sicht

bar sein, und sie dürfen nicht an den Stadtrand abgeschoben werden, wie Ihre Genossen vor Ort es in Mettmann gefordert haben.

Wir machen damit auch deutlich, dass wir die Standorte unserer Gerichte in der Fläche erhalten wollen. Niemand redet davon, Gerichte im ländlichen Raum zu schließen oder zusammenlegen zu wollen. Vielmehr geht es darum, Justizbehörden bedarfsgerecht in modernen und leistungsfähigen Gebäuden unterzubringen und damit eine effiziente Justiz zu ermöglichen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Giebels. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Orth das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte heute ist ja die fünfte, sechste oder siebte Debatte zu dem gleichen Thema. Und die Argumente werden auch beim fünften, sechsten, siebten Aufguss vonseiten der Opposition nicht besser.

(Thomas Kutschaty [SPD]: Die von der Re- gierung auch nicht!)

Aus meiner Sicht muss man heute noch einmal ganz klar festhalten: Die SPD sträubt sich gegen jede Optimierung von Angeboten.

(Frank Sichau [SPD]: Nein!)

Die SPD ist die wahre konservative Partei in Nordrhein-Westfalen, weil sie alles so belassen will, wie es ist.

(Frank Sichau [SPD]: Nein!)

Die SPD hat Angst vor allem Neuen, und die SPD traut den Bürgerinnen und Bürgern nicht zu, eigenständig in den Großstädten in Busse und Bahnen zu steigen und dann auch das Ziel zu erreichen.

(Beifall von der CDU – Harald Giebels [CDU]: So ist es!)

Ich darf dort anschließen, wo Kollege Giebels aufgehört hat. Wenn ich mir hier anhören muss, dass die SPD verhindern will, dass die Zentren ohne Gerichte sind, dann kann ich Ihnen eine ganze Latte gegenteiliger Beispiele aufzählen. Ich könnte nicht nur Mettmann nennen, sondern auch auf Düsseldorf verweisen. Dort hatten Sie ein Gericht mitten in der Stadt. Vor der Landtagswahl haben Sozialdemokraten in der Landesregierung

das Grundstück verkauft und die neue Landesregierung so vor vollendete Tatsachen gestellt. Es gab für einen Bau im Zentrum kein Bebauungsrecht mehr. Wir mussten dann nach Oberbilk. Damit haben Sie Fakten geschaffen, dass ein Gericht aus dem Zentrum einer Großstadt heraus musste. Sich jetzt hier hinzustellen, meine Damen und Herren, und zu sagen, die SPD sei dafür, dass Gerichte in den Zentren seien, ist ein Widerspruch.

(Beifall von der CDU – Frank Sichau [SPD]: Bilk ist ein falsches Beispiel! Das wissen Sie auch!)

Nein, das ist gar kein falsches Beispiel, Herr Sichau. Das ist die Realität.

(Frank Sichau [SPD]: Wo liegt denn Bilk? Schauen Sie einmal in den Stadtplan!)

Sie mögen vielleicht die Beispiele für gut oder schlecht halten, aber sie zeigen nun einmal die wahren Begebenheiten auf.

Wir werden auf der einen Seite das, was in der größten und zweitgrößten Stadt von NordrheinWestfalen, in Köln und in Düsseldorf, super funktioniert, auch in anderen Großstädten machen können. Wir werden auf der anderen Seite überall dort, wo eigenständige Gebietskörperschaften sind, eben nichts ändern. Da werden wir nämlich den Bürgerinnen und Bürgern diesen Service genauso bürgernah wie in der Vergangenheit zur Verfügung stellen.

Aber um das gewährleisten zu können, müssen wir dort, wo es zumutbar ist, nämlich in Großstädten mit vielen Straßenbahnen, U-Bahnen, Bussen, Radwegen, Fußgängerwegen und sonstigen Verkehrsmöglichkeiten auch ein bisschen Realismus einkehren lassen. Sie führen eine Debatte jenseits dessen, was in der Realität überhaupt sinnvoll ist, meine Damen und Herren. – Ich bedanke mich.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Orth. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Düker das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Orth, Strukturveränderungen sind kein Wert an sich. Strukturveränderungen sind aus meiner Sicht dann gerechtfertigt, wenn sie wirklich zu Verbesserungen führen. Genau diesen Nachweis bleibt die Landesregierung bei den Amtsgerichten schuldig.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die Bevölkerung wird verunsichert: In Mönchengladbach gibt es schon einen Ratsbeschluss, in Essen sind alle auf den Barrikaden, und das seit Monaten. Frau Müller-Piepenkötter, dann legen Sie uns doch ein Konzept vor und sagen Sie doch, wo …

(Ministerin Roswitha Müller-Piepenkötter: Das mache ich zu gegebener Zeit!)

Zu gegebener Zeit. Die Leute warten darauf!

(Ministerin Roswitha Müller-Piepenkötter: Weil Sie es herbeidiskutieren wollen!)

Vor Ort werden Investitionen nicht getätigt,

(Harald Giebels [CDU]: Das stimmt doch gar nicht!)

weil man auf Entscheidungen wartet. Es gibt Sanierungsstaus, weil man die Gebäude nicht mehr saniert, da man nicht weiß, wie es weitergehen soll. Es geht nicht darum, Herr Orth, im Einzelfall Justizzentren als etwas ganz Böses hinzustellen. Aber Sie können auch nicht sagen, dass Düsseldorf und Köln nun der Nabel der Welt sind, und das, was dort in Düsseldorf-Oberbilk mit Justizzentren passiert – was ich im Grunde richtig und auch unterstützenswert finde –, als Folie nehmen und auf das ganze Land verteilen nach dem Motto: Was für Düsseldorf-Oberbilk gut ist, ist für das ganze Land das Richtige.

Darum geht es nicht. Es geht darum, im Einzelfall zu entscheiden und auch im Einzelfall zu begründen. Für uns Grüne ist das Ziel bei all diesen Entscheidungen und Prüfungen die Gewährleistung der Möglichkeit einer räumlich nahen und effektiven Inanspruchnahme des Rechtsschutzes für jeden Bürger und für jede Bürgerin. Das muss das Ziel dieser Maßnahme sein. Es kann nicht lauten: Das Justizzentrum an sich ist für jede Stadt ganz prima. – Deswegen muss man die Reform anhand dieser Kriterien überprüfen.

Wenn das alles vernünftig ist und so gut dafür zu argumentieren ist, warum gibt es dann in Essen so viel Kritik? Warum sagen denn die Rheydter Bürgerinnen und Bürger in der Bezirksvertretung: Lassen Sie das Gericht in Rheydt!? Das hat sich bewährt.

(Zuruf von Dr. Robert Orth [FDP])

Vor dem Hintergrund unterstützen wir den SPDAntrag, weil nämlich die Botschaft lautet: Wir müssen die Justizreform an der Messlatte orientieren, dass sie Verbesserungen bringen soll. Dafür müssen Sie uns die Einsparungen nennen,

denn Einsparungen können Verbesserungen sein, aber immer in Verbindung mit der Gewährleistung eines sehr bürgernahen Rechtsschutzes für alle Bürgerinnen und Bürger. Dann kann man im Einzelfall auch für eine Zusammenlegung entscheiden.

Aber genau das bleibt die Landesregierung schuldig. Deswegen sollten wir Strukturen, die sich bewährt haben, in Nordrhein-Westfalen auch erhalten.