Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

Aber genau das bleibt die Landesregierung schuldig. Deswegen sollten wir Strukturen, die sich bewährt haben, in Nordrhein-Westfalen auch erhalten.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Als nächste Rednerin hat nun für die Landesregierung Frau Ministerin Müller-Piepenkötter das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre schön gewesen, wenn wir das Ganze dann hätten diskutieren können, wenn es ansteht, wenn nämlich der Gesetzentwurf der Landesregierung vorliegt.

(Monika Düker [GRÜNE]: Dann ist es zu spät!)

Wenn man die Diskussion herbeizwingen will, muss man sich gefallen lassen, dass wir uns darauf nicht einlassen. Die Landesregierung hat mit ihren Modernisierungsschwerpunkten die Ziele ganz klar gesetzt: Es geht um einen leistungsstarken, bürgerorientierten und flexiblen öffentlichen Dienst, um Strukturreform und Bürokratieabbau.

Die Justiz in Nordrhein-Westfalen ist gut aufgestellt. Unsere Gerichte arbeiten anerkanntermaßen effektiv und mit hoher Qualität. Aber nichts ist so gut, dass es nicht noch verbessert werden könnte. Im Kern geht es um Folgendes: Wir wollen die Zukunftsfähigkeit der Justiz sichern und ihre Leistungsfähigkeit weiter steigern. Ich freue mich, meine Damen und Herren von der Opposition, dass wir uns in dieser Zielsetzung einig sind. Über den Weg haben wir im Rechtsausschuss trefflich gestritten und werden es auch noch weiterhin tun.

Der Rechtsausschuss hat meinen Stufenplan zur Optimierung der Justizstruktur der ordentlichen Gerichtsbarkeit, den ich auf Grundlage einer umfassenden Überprüfung des Ist-Zustands entwickelt habe, begrüßt. Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses sieht daher zu Recht vor, den Antrag der SPD-Fraktion abzulehnen. Eine Empfehlung an die Landesregierung, die Amtsgerichtsstruktur in Nordrhein-Westfalen gänzlich un

verändert zu lassen, sie also gerade nicht in einem zeitlich gestuften, moderaten Verfahren anzupassen, wäre der völlig falsche Weg.

Wichtig ist mir, nochmals die Ausgangslage in den Blick zu nehmen. Nordrhein-Westfalen zeichnet sich insbesondere in der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch eine sehr dichte Gerichtsstruktur mit derzeit 130 Amtsgerichten aus. Dabei soll es auch in Zukunft bleiben, denn die Landesregierung will die Justiz gerade nicht auf reine Kostengesichtspunkte reduziert sehen.

Die nordrhein-westfälische Justiz ist und bleibt in der Fläche präsent. Das ist die unabdingbare Voraussetzung für eine bürgernahe Justiz. Die Bevölkerungsdichte und die erhebliche flächenmäßige Ausdehnung des Landes erfordern eine differenzierte Gerichtslandschaft, die dem rechtsuchenden Publikum eine Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in angemessener Entfernung gewährleistet.

Aber, meine Damen und Herren, eine besondere Auffälligkeit in der ordentlichen Gerichtsbarkeit Nordrhein-Westfalens ist nicht nachvollziehbar: Nur in den fünf Städten Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Herne und Mönchengladbach gibt es zwei, zum Teil sogar drei Amtsgerichte. An allen anderen Standorten in Nordrhein-Westfalen – auch in Köln, Düsseldorf und Dortmund – existiert seit Jahrzehnten nur ein Amtsgericht.

Hier drängt sich doch geradezu die Frage auf, was die Besonderheit dieser Städte gegenüber den Großstädten, die ich bereits nannte, und zum Beispiel der Stadt Aachen rechtfertigt.

(Frank Sichau [SPD]: Das haben wir gerade gesagt!)

Darüber hinaus stellt sich die Frage: Können wir aus der Zusammenlegung dieser Gerichte Effizienzgewinne ziehen und so die Justiz insgesamt stärken?

Ich bin sicher – die Beratungen meines Stufenplans zur Optimierung der Gerichtsstruktur im Rechtsausschuss haben es verdeutlicht –: Durch die Zusammenführung von Justizbehörden an einem Standort in neu zu errichtenden Justizzentren werden die organisatorischen Rahmenbedingungen dieser Gerichtsstandorte durchgreifend verbessert. Gerade in Aachen können wir das im Moment sehr gut und anschaulich beobachten, wo nicht nur die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sondern auch Verwaltungsgericht, Sozialgericht, Arbeitsgericht und Staatsanwaltschaft in einem Justizzentrum hervorragend und zukunftsträchtig untergebracht werden.

(Frank Sichau [SPD]: Das ist nicht Ihr Ver- dienst!)

Meine Damen und Herren, gehen Sie bitte davon aus, dass die Landesregierung einen Gesetzentwurf für die Städte Gelsenkirchen und Herne alsbald vorlegen wird, der auch im Hinblick auf städtebauliche Gesichtspunkte die Grundlage bieten wird, moderne Unterbringungskonzepte zum Vorteil aller am Rechtsverkehr Beteiligten zu verwirklichen.

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn auch Sie mich zu gegebener Zeit – wenn der Gesetzentwurf vorliegt – in dem Bemühen, die Standorte durch Justizzentren aufzuwerten, unterstützten.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung sind.

Wir können zur Abstimmung kommen. Der Rechtsausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 14/5796, den Antrag Drucksache 14/4864 abzulehnen. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP gegen die Stimmen der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Abwesenheit des Kollegen Sagel angenommen und der Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt

6 Klimaschutz in NRW

Große Anfrage 15 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 14/4604

Antwort

der Landesregierung

Drucksache 14/5094

Ich eröffne die Beratung und erteile dem Kollegen Priggen für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – Alle Kollegen, die den Raum verlassen wollen, bitte ich darum, dies leise zu tun, damit man dem Kollegen zuhören kann. – Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich mich bei der Landesregierung, bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Ministeriums, für die Antwort auf die Große Anfrage bedanken. Das ist viel Arbeit gewesen. Die Antwort enthält eine Reihe wertvoller Fakten. Einzelne kleine Nachfragen kann man im Prozess noch klären. Dafür herzlichen Dank!

Das Thema Klimaschutz, zu dem wir in der Anfrage Auskünfte begehrt haben, bewegt uns etwa seit November 2006 sehr intensiv. Zu dieser Zeit hat Sir Nicolas Stern seinen Bericht für die englische Regierung vorgelegt. Darin hat er deutlich gemacht – das ist für mich die wichtigste Erkenntnis –: Wenn wir nicht handeln, werden die Kosten wesentlich größer sein als diejenigen Kosten, die auf uns zukommen, wenn wir handeln.

(Beifall von den GRÜNEN)

Damit das klar ist: Der Klimaschutz wird nicht umsonst sein. Er wird uns Kosten verursachen. Aber er enthält auch viele Chancen, gerade für ein Land wie Nordrhein-Westfalen. Darauf will ich später noch zu sprechen kommen.

Der zweite Debattenbeitrag, der das gesamte vergangene Jahr dominiert hat, ist der Bericht des Weltklimarates IPCC. Er ist zu Beginn des vergangenen Jahres vorgelegt worden und um mehrere Teilberichte ergänzt worden. Die Erkenntnis daraus ist, dass wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, um die Erwärmung im globalen Maßstab auf zwei Grad zu halten. Nur wenn wir alle Anstrengungen unternehmen, können wir das schaffen. Niemand glaubt mehr, dass wir die Erwärmung rückgängig machen können. Schon die Erwärmung um zwei Grad wird katastrophale Auswirkungen haben.

Wir haben im vergangenen Jahr sehr weit reichende politische Debatten darüber geführt. Die Bundeskanzlerin hat im Rahmen der deutschen EU-Präsidentschaft angekündigt, es sei Ziel der EU-Politik, bis 2050 eine CO2-Reduktion um 60 bis 80 % zu erreichen. Dieses Ziel hat die Bundesregierung in Meseberg in Form eines Programms umgesetzt, das eine CO2-Reduktion um 40 % bis 2020 vorsieht. Die EU-Kommission hat sich gestern auf Ziele verständigt, die für ganz Europa gelten sollten, mit entsprechenden Teillasten für die Bundesrepublik.

Das alles macht eines deutlich: Es ist ein Prozess im Gang, der bei dem Ringen um globale Verständigung Teilschritte in Europa, in der Bundesrepublik und in der Folge auch in Nordrhein

Westfalen notwendig macht. Dieser Prozess ist unumkehrbar und unaufhaltsam.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der gesamte Prozess beruht nicht auf einer Verständigung von verrückten Ökologen, sondern er ist absolut notwendig, weil die globale Erwärmung eine Bedrohung darstellt, wie wir sie noch nie zuvor erlebt haben. Es gab Hungersnöte, es gab Kriege, es hat Streit um Wasser gegeben, aber das, was jetzt passiert, hat ein nie gekanntes Ausmaß erreicht.

Der Prozess stellt Nordrhein-Westfalen vor eine außerordentlich große Herausforderung. Als größtes Industrieland der Bundesrepublik ist es für einen überproportional hohen Anteil der Emissionen verantwortlich. 60 % unserer Emissionen in Nordrhein-Westfalen resultieren aus der Stromerzeugung. Der Prozess beinhaltet auf der anderen Seite außerordentlich große Chancen für das Industrieland Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Für uns ist entscheidend, dass NordrheinWestfalen mit seinen starken Branchen, dem Maschinenbau und der Energietechnik, Chancen hat, Arbeitsplätze zu schaffen; denn weltweit werden effiziente Techniken zur Energieeinsparung nachgefragt. Das erkennen Sie zum Teil an den beiden Tagesordnungspunkten, über die wir im Anschluss an diese Beratung diskutieren werden.

Herr Professor Schellnhuber, Leiter des PotsdamInstituts für Klimafolgenforschung, Berater der Bundeskanzlerin in Energiefragen und Träger des Deutschen Umweltpreises, hat gesagt: Wir müssen bis Mitte des Jahrhunderts auf einen Zielwert von 2,2 t CO2-Emissionen pro Person und Jahr kommen. Ich nenne zum Vergleich die Ist-Marke in Nordrhein-Westfalen: Pro Person und Jahr werden in Nordrhein-Westfalen 16 t CO2 emittiert. Dieser Wert ist 16 Mal so hoch wie der entsprechende Wert in Indien. Amerika liegt bei 20 t, Australien, in dem etwa so viele Menschen wie bei uns leben, liegt bei 18 t. Das unterstreicht die Dimension der Anstrengung. Ich will nicht die Illusion erwecken, wir könnten in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren eine Tonne CO2 pro Person erreichen. Das ist nicht zu schaffen; das ist mir klar. Aber um die Zielmarke in Etappen zu erreichen, ohne zu sagen: „Spart CO2 in China, in Indien ein!“ – auch dort muss gehandelt werden; das ist nicht zu bestreiten –, muss in Europa nach vorne gegangen werden. Hier müssen die Maßstäbe gesetzt werden. Die Bundesrepublik muss vorangehen, und wir in Nordrhein-Westfalen sind das größte Industrieland. Die Ziele der Bundesre

gierung sind nicht zu schaffen, wenn NordrheinWestfalen seinen Beitrag nicht ambitioniert übernimmt. Sonst – das ist völlig klar – geht das nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

60 % – ich habe es eben schon gesagt – unserer Emissionen kommen aus der Stromerzeugung. Bundesweit kommen im Schnitt etwa 40 % aus der Stromerzeugung, 30 % aus den Gebäuden und 30 % aus dem Verkehr; das ist die Faustformel. Wenn wir bei uns in diesen Bereichen nicht massiv in einer Mischung aus finanziellem Anreiz und Ordnungsrecht tätig werden – wir diskutieren das gleich noch bei den einzelnen Punkten –, werden wir unseren Beitrag nicht leisten. Genauso schlimm ist: Wir werden die Chancen verpassen, die für Nordrhein-Westfalen in dem Prozess liegen.

Dann kommt meine kritische Zusammenfassung dessen, was ich von der Landesregierung jetzt seit zweieinhalb Jahren höre. Diese Landesregierung ist bisher nicht in der Lage, die Herausforderungen, die aus dem Prozess auf uns zukommen, adäquat zu beantworten.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wir werden seit Langem vertröstet. Wir haben am 13. Februar vergangenen Jahres Konzepte vorgelegt bekommen, und jetzt wird uns erzählt, es wird im Frühjahr dieses Jahres ein Konzept geben. Wenn ich die Zeitungen richtig deute, soll das auf einem Kongress diskutiert werden, und in der Folge soll es ein Konzept geben. Das ist der Stand aus den Medien. Mehr wissen wir nicht. Wir haben mehrfach gehört – der Ministerpräsident hat es neulich noch angekündigt –, dass das kommen soll. Aber wir wissen zu wenig Konkretes dazu. Unsere Bitte ist, dass die Ministerin uns gleich ganz genau sagt, wann was kommt und wie das erarbeitet werden soll. Denn das ist eine so riesige Aufgabe, das in allen Facetten zu erarbeiten, dass man das nicht einfach aus dem Ärmel schütteln kann.

Bis jetzt ist das, was die Landesregierung dazu gesagt hat, jedenfalls nicht überzeugend. Obwohl die Große Koalition an vielen Stellen nicht besonders lobenswert ist, ist die Bundesregierung da deutlich weiter. Sie hat Ziele vorgegeben, die man durchaus als ambitioniert bezeichnen kann. Ich bin sehr skeptisch, ob sie es auch schafft, die Ziele umzusetzen. Da werden wir genau hinsehen müssen.