Protokoll der Sitzung vom 20.02.2008

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die SPD-Fraktion spricht Kollege Schultheis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lindner, wir nehmen die Einladung natürlich gerne an. Dann wird man sehen, wie das Fest läuft. Die eingeladenen Gäste können mitbestimmen, ob es ein gutes oder ein schlechtes Fest wird.

(Heiterkeit von Christian Lindner [FDP])

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion ist für einen Diskurs der einzelnen Disziplinen unter Einbeziehung der Künste. Deshalb haben wir nicht verstanden, dass gerade die jetzige Koalition das Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen mit seinen drei Teilinstituten zerschlagen hat. Das war eine sehr gute Konstellation, um diesen Diskurs zu verstärken. Ich sehe das Wissenschaftszentrum nicht einmal als Alternative zu dem, was nun vorgeschlagen wird. Wir brauchen aber in einer Zeit, in der Interdisziplinarität mehr denn je gefragt ist, nicht weniger solcher Einrichtungen, sondern mehr.

Die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften ist mit ihren drei Klassen beschrieben worden. Als letzte ist die Klasse der Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften hinzugekommen. Grundsätzlich muss nichts dagegen sprechen, die Künste als weitere Klasse hinzuzufügen. Eine solche Ergänzung setzt allerdings voraus, dass auch die Rahmenbedingungen stimmen.

Daher stellt sich die Frage, ob sich diejenigen, die Sie erreichen wollen, also die künstlerischen Einrichtungen und die Künste in Nordrhein-Westfalen als Ganzes, bereits mit Ihrem Vorhaben befasst haben. Oder ist die Grundlage zunächst ein Projekt, das sich Herr Rüttgers und der Wissenschaftsminister überlegt haben, das Sie ohne Abstimmung mit den Fachleuten auf den Weg gebracht haben? Das ist für uns wichtig, um darüber zu entscheiden, ob wir einen solchen Weg mitgehen wollen.

Wir wollen auch wissen, ob die der Akademie vorgegebene Evaluation abgeschlossen ist. In der Übersicht über die regelmäßige Überprüfung von Gesetzen und Verordnungen habe ich lesen können, dass die Evaluation bis 2013 fortgeschrieben wird, also noch nicht abgeschlossen ist. Dieser Punkt ist wichtig, weil wir wissen wollen, mit welcher Qualität die Akademie als Ganzes möglicherweise zu einer neuen Struktur kommt.

Bei der Finanzierung ist interessant, dass Herr Minister Pinkwart Mittel aus dem Einzelplan 06 zur Verfügung stellen will. Dann muss er uns auch sagen, welche. Wir sind der Meinung, dass keine zusätzlichen Mittel aus anderen Etatpositionen dieses Haushaltes zur Finanzierung einer weiteren Klasse für Künste in der Akademie zur Verfügung stehen können. Insofern wäre es besser gewesen, statt einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, der Landesregierung zunächst einmal einen Prüfauftrag zu geben, wie und ob ein solches Vorhaben realisierbar ist.

Weil die Voraussetzungen geprüft werden müssen, ist die Ankündigung von Bundesministerin Schavan vom 18. Februar natürlich nicht uninteressant, eine nationale Akademie auf den Weg zu bringen. Ich finde es sehr interessant – uns ist es offiziell noch nicht mitgeteilt worden, Herr Minister Pinkwart –, dass alle Wissenschaftsminister zugestimmt haben. Laut „Tagesspiegel“ vom 19. Februar sollen alle Wissenschaftsminister zudem zugestimmt haben, sich mittelfristig auch an der Finanzierung dieser nationalen Akademie zu beteiligen.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Es stellt sich natürlich die Frage, wo die Mittel für eine solche Beteiligung herkommen sollen. Wie stellt sich die nordrhein-westfälische Akademie der Wissenschaften zu diesem Vorhaben? Diese Positionierung ist nämlich noch offen. Im Dezember jedenfalls hatten sich die regionalen Akademien, die in der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften zusammengefasst sind, noch gegen eine solche nationale Akademie ausge

sprochen. Der Wissenschaftsrat scheint wohl gekippt zu sein. Das ist für uns eine ganz wesentliche Frage, die geklärt werden muss, bevor wir darangehen, die Struktur unserer Akademie in Nordrhein-Westfalen zu verändern.

Meine Damen und Herren, hier erwarten wir insbesondere seitens des zuständigen Ministers Aufklärung. Wir sind sehr gerne bereit, im Sinne der Einladung von Herrn Lindner in diese Diskussion einzusteigen. Grundsätzlich muss nichts dagegen sprechen. Uns interessiert aber insbesondere, ob die Fachleute aus dem Bereich der Künste eine solche Struktur für sinnvoll halten. Die Tatsache, dass sie einzigartig wäre, muss ja noch nicht heißen, dass sie richtig ist. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schultheis. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Dr. Seidl.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer könnte sich dagegen sperren, die besondere Bedeutung der Künste für das geistige und kulturelle Leben in Nordrhein-Westfalen zu stärken? Sicher wären wir Grünen die Letzten. Es ist nur die Frage, mit welchen Mitteln man ein solches Ziel erreichen will.

Mit der Erweiterung der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften um eine vierte Klasse für die Künste hofft die Landesregierung, das Potenzial Nordrhein-Westfalens im künstlerischen Bereich sichtbar zu machen und eine interdisziplinäre Plattform für das Zusammenwirken von Wissenschaft und Kunst zu schaffen.

Natürlich schätzen auch wir die hervorragenden Leistungen der Akademien der Wissenschaften in Deutschland. Wenn wir uns aber die Öffentlichkeitswirksamkeit dieser sicherlich hochkarätigen, vielleicht aber auch etwas antiquierten Forschung ansehen, scheint es an der Zeit, die Akademien ein Stück weit aus ihrem Schattendasein herauszuholen. Ob das allein durch die Aufnahme einer vierten Klasse in das Akademiegesetz erreicht werden kann, wage ich zu bezweifeln.

Wie Sie vielleicht noch wissen, haben wir die Ressortzuständigkeit für die NordrheinWestfälische Akademie der Wissenschaften im Jahr 2004 von der Staatskanzlei auf das Wissenschaftsministerium übertragen. Dies sollte unter anderem zu einer stärkeren Vernetzung der Aka

demie mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen führen.

Die Akademie hat auch in den Kultur- und Geisteswissenschaften bereits eine längere Tradition. In diesem Bereich gibt es auch schon lang angelegte Forschungsprojekte. Deshalb ist natürlich die Erwartung groß, dass die neu gegründete künstlerische Klasse mit den Kultur- und Geisteswissenschaften sowie dem Kulturwissenschaftlichen Institut – dem KWI – kooperiert, wenn es darum geht, neue Einsichten des Erkenntnistransfers zwischen Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft zu gewinnen.

Vor diesem Hintergrund staunt man aber nicht schlecht, wenn man hört, dass dieser Gesetzentwurf zum Beispiel eben nicht mit dem Leiter des KWI, Herrn Prof. Dr. Leggewie, abgestimmt worden ist. Wenn in der Akademie der Wissenschaften eine Forschungsplattform für Kunst und Gesellschaft eingerichtet werden soll, dann stellt sich doch auch hier die Frage, wer in Zukunft Exzellenz im Bereich der Kulturwissenschaften schaffen soll. Dabei geht es immer auch um die Allokation von Mitteln.

Die mangelnde Abstimmung dieses Gesetzentwurfs mit der kulturwissenschaftlichen Forschung in Nordrhein-Westfalen erscheint uns deshalb höchst dilettantisch. Herr Kollege Schultheis hat das eben auch angesprochen. Ich frage mich im Übrigen auch, warum man einen solchen Gesetzentwurf so übers Knie brechen muss und dem Parlament so kurzfristig vorlegt.

Schließlich könnte es auch im Sinne der Meinungsbildung zielführend sein, wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, die Aufgaben der neuen Klasse in der Akademie etwas ausführlicher beschreiben könnten. Der hier vorliegende Gesetzentwurf erfüllt dieses Anliegen mit gerade einmal fünf Zeilen Begründung bei weitem nicht.

Vor diesem Hintergrund verstehen wir zwar Ihr Anliegen, Herr Lindner und Herr Brinkmeier. Gut gemeint ist aber noch lange nicht gut gemacht. Deswegen kündigen wir heute schon an: Selbst wenn es sich nur um einen Minigesetzentwurf handelt, halten wir es auf jeden Fall für angebracht, eine Anhörung mit Expertinnen und Experten durchzuführen. Sie muss nicht besonders umfangreich sein. Wir möchten die Experten an dieser Stelle aber vorher gerne einmal hören, damit wir uns ein abschließendes Bild machen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Prof. Dr. Pinkwart.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße es sehr, dass die Regierungsfraktionen mit diesem Gesetzentwurf die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine vierte Klasse, eine Klasse der Künste, an der NordrheinWestfälischen Akademie der Wissenschaften schaffen wollen.

Eine Klasse der Künste an der Akademie ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Aufwertung der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und damit einer Aufwertung des Wissenschafts- und Innovationsstandorts NordrheinWestfalens insgesamt. Die Akademie bekennt sich mit dem Plan, Künste und Kunstschaffende einzubeziehen, zur Öffnung in Richtung Gesellschaft und zum interdisziplinären Dialog. Der Präsident der Akademie, Herr Prof. Neumann, hat sehr treffend gesagt:

„Die weit gefächerten Wissenschaften mit der Vielfalt der Künste in einer Akademie zu vereinen, ist ein kühnes und jedenfalls spannendes Unternehmen.“

Er hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dieses Vorhaben ein Experiment sei, von dem man vorher nicht wissen könne, wie es letztlich ausgehe. Mit anderen Worten: Produktive intellektuelle Spannung ist bewusst gewollt.

Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass die Idee der vierten Klasse schon im Entstehensprozess intellektuelle Spannung erzeugt. Aus meiner Sicht ist diese produktive Reibung ein Signal dafür, dass es hier um ein wirklich innovatives Vorhaben geht, für das es kein Muster in anderen Bundesländern gibt. Wir haben in Mainz eine gewisse Öffnung zur Literatur und den Wunsch, es auf die Künste zu erweitern. Wir haben in Bayern viele Stimmen, die sich die Einbeziehung der Künste wünschen würden. Aber in keinem Bundesland gibt es einen so mutigen Schritt wie hier in Nordrhein-Westfalen.

Ich bin zuversichtlich, dass sich das konstruktive Ringen aller Beteiligten um die neue Klasse für die Akademie auszahlen wird. Das Ineinandergreifen von unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen und der Gedankenaustausch über Fächergrenzen hinweg sind heute schon Leitmotive der Akademie. Dieses Profil wird durch die vierte Klasse weiter gestärkt. Die Akademie nutzt damit

ihre Chance, ein wichtiges Gesprächsforum zwischen Wissenschaft, Kunst und Öffentlichkeit zu werden.

Frau Seidl, es klang so an, als ob die Akademie in ihrem Profil möglicherweise noch ausbaufähig sei. Sehen Sie sich einmal an, wie sich die Akademie in den letzten zweieinhalb Jahren entwickelt hat! Sie befindet sich nach meiner festen Überzeugung und nach Sicht Außenstehender auf einem hervorragenden Weg. Das wird nicht nur durch diese Initiative, sondern insbesondere durch das Junge Kolleg unterstrichen. Es hat in den letzten zwei Jahren schon zu erheblichen Aufbruchsignalen und dazu geführt, dass in der Akademie wahrlich eine neue Dimension im Zusammenwirken erreicht ist – nicht nur über Disziplinen hinaus, sondern auch zwischen den unterschiedlichen Wissenschaftsgenerationen.

Herr Schultheis, wenn Sie das Wissenschaftszentrum ansprechen, kann ich nur sagen: Wir haben uns vorgenommen, genau dieses Zentrum aufzulösen. Das ist mit der Regierungsübernahme ganz klar vereinbart worden. Das KWI wollte sowieso aus dem Wissenschaftszentrum weg. Es hat sich sehr darüber gefreut, dass es jetzt mit den Hochschulen in der Metropole Ruhr eng zusammenarbeiten kann.

Was den Verbund und die Synergien betrifft, die Sie dargestellt haben: Sie sind von keinem gesehen worden, jedenfalls nicht bei der Bewertung durch den Wissenschaftsrat.

Im Übrigen liegt hier genau der Unterschied. Wir sagen, wir brauchen kein Wissenschaftszentrum, das die Wissenschaft sozusagen politisch organisieren soll, sondern wir wollen, dass wir aus dem Wissenschaftssystem selbst heraus mehr Interdisziplinarität und mehr Förderung von Exzellenz bekommen. Das kann keiner so herausragend wie die Akademie der Wissenschaften. Deshalb fördern wir sie auch ganz anders, als Sie es in der Vergangenheit leider getan haben.

(Beifall von der FDP)

Abschließend: die Leopoldina. Ja, ich habe wie die 15 Kolleginnen und Kollegen – im Übrigen auch der SPD-mitregierten Länder – zugestimmt, dass die Leopoldina mit den Aufgaben einer Nationalakademie betraut wird. Ich möchte aber hinzufügen, dass gerade Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Bayern erreicht hat, dass die Länderakademien jetzt in einer Weise Berücksichtigung finden, wie es auch von unserer Akademie und ihren Mitgliedern nachhaltig gewünscht war. Sie sollten in dem Koordinierungsgremium zunächst nur eine beratende Stimme haben. Jetzt

haben wir erreichen können, dass die Länderakademien in gleicher …

(Zuruf von der SPD: Zwei!)

Nein, es gibt drei Sitze für die Leopoldina, drei für acatech und drei für die Länderakademien, und zwar mit vollem Sitz- und Stimmrecht. Das heißt, die Länderakademien haben jetzt Mitwirkungsmöglichkeiten erhalten, wie sie besser gar nicht sein könnten. Überdies sind die meisten Mitglieder der Länderakademien ohnehin auch Mitglieder der Leopoldina. Wir haben also dafür gesorgt, dass das Gewicht der Länderakademien in keiner Weise geschwächt worden ist, wie es möglicherweise zunächst zu befürchten war.

Was die Finanzierung betrifft – das ist ebenfalls festgehalten worden –, ist ein Schlüssel Bund und Sachsen-Anhalt von 80 : 20 bis 2010 festgesetzt. Erst danach muss eine Weiterentwicklung der Finanzierung vorgenommen werden.

Sie sehen also, die Fragen, die Sie gestellt haben, lassen sich leicht beantworten. Ich meine, wir sind mit dieser Initiative der Regierungsfraktionen, über die ich mich sehr freue, auf einem guten Wege, durch die zukünftige Akademie der Wissenschaften und Künste nicht nur noch mehr Profil für den Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen zu erreichen, sondern auch die Wissenschafts- und Kunstlandschaft Deutschlands insgesamt zu bereichern. Darüber freue ich mich sehr. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/6152 – Neudruck – an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie – federführend – sowie an den Kulturausschuss. Wer ist für diese Überweisung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist sie einstimmig beschlossen.

Ich rufe auf:

6 Das Land muss die Kommunen bei der Schaffung von U3-Plätzen unterstützen – nicht bremsen