Protokoll der Sitzung vom 13.03.2008

Dazu gehören natürlich auch die Ernährungserziehung und das gemeinsame Essen im Kindergarten. Das ist ein sozialer Prozess, damit Kinder gesund essen und fürs Leben lernen, wie sie sich gesund ernähren können. Diesen Zusammenhang hat die Anhörung zum Schulessen noch einmal eindrücklich gezeigt. Die Experten waren sich einig: Gerade bei den Kleinsten wird mit der Ernährung das Fundament für die spätere Gesundheit gelegt.

Das wissen auch viele Kommunen, und deshalb versuchen sie, die Kindergartenmahlzeit finanziell zu fördern. Aber viele Kommunen können es nicht, weil ihnen von der Bezirksregierung untersagt wird, diese Förderung vorzunehmen. Das betrifft alle Kommunen, die im Nothaushalt sind. Das ist die paradoxe Situation, die wir heute haben.

Deshalb fordern wir als Grüne ein landesweites Finanzierungskonzept. Wir fordern, dass ein solches Konzept im Dialog mit Kommunen und Trägern entwickelt wird, um dann die gesetzlichen Regelungen zu schaffen.

Meine Damen und Herren, der Kindergarten, die Kindertagesstätte ist ein hervorragender Ort, um gesundes Essen für alle zu praktizieren und zu fördern. Denn auch hier gilt: Auf den Anfang kommt es an! Wir wollen, dass kein Kind vom Ganztag abgemeldet wird, weil sich die Eltern das Essensgeld nicht leisten können. Wir wollen, dass im Kindergarten alle Kinder mitessen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte diejenigen, die da sind – die anderen sind offenbar zum wohlverdienten Mittagessen – gerne zu einem Gedankenexperiment einladen.

Ein Staat X irgendwo auf der Welt hat nicht genug Geld, damit die kleinen Kinder ausreichend Essen bekommen. Immer mehr Kinder werden krank, immer mehr Kindern fehlen ausreichende Mahlzeiten. Einer solchen Zustandsbeschreibung folgt dann ein Spendenaufruf: Helfen Sie jetzt! Ihre Spende hilft ganz direkt!

Wenn wir ein Entwicklungsland wären, dann gäbe es einen solchen Spendenaufruf, und dann würden auch viele in Deutschland dafür Geld geben. Aber wir sind in Deutschland, wir sind ein reiches Land. Wir sind in Nordrhein-Westfalen, und wir sind reich genug, um unsere Kinder ausreichend

und gesund zu ernähren. Wer, wenn nicht wir, meine Damen und Herren?

Ich will nicht, dass unserem Land ein solches Armutszeugnis ausgestellt wird. Deswegen bitte ich Sie und fordere Sie auf, dass wir gemeinsam etwas an diesem Missstand tun. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Asch. – Für die CDU spricht Herr Kollege Kern.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon wieder erreicht uns ein Antrag der Fraktion der Grünen. Dieses Mal: „Alle Kinder essen mit – auch im Kindergarten“.

Im ersten Teil Ihres Antrags, meine Damen und Herren von den Grünen, befassen Sie sich mit dem Kinderreport 2007, aber auch mit dem Sozialbericht 2007. Die Datenbasis dazu ist 2005, zeigt also erheblichen Handlungsbedarf und fällt in Ihr Obligo.

Ihre Stärke liegt – und das leider auch schon zu Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung – in Situationsbeschreibungen. Bis 2005 hatten Sie in Bund und Land die Hosen an. Die daraus resultierende wirtschaftliche Entwicklung, die Schuldenpolitik und die mangelnde Umsetzungskompetenz in sozialen Aufgabenstellungen Ihrerseits prägen bis zum heutigen Tag die Lebenswirklichkeit in Nordrhein-Westfalen.

Sie haben uns einen Berg an Arbeit überlassen. Es klingt schon arrogant, Frau Asch, wenn Sie dann unterstellen, aufgrund Ihres Antrags habe die Landesregierung dann den Fonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“ begründet.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ja klar, ganz genau so ist es gewesen!)

Sie bezeichnen diese Maßnahme als vollkommen unzureichend und tun so, als ob vorher Millionen Euro geflossen wären.

(Zuruf von der CDU: Toll!)

Für die Zuhörer: Vorher gab es keinen einzigen Cent für hungrige Kinder, und heute gibt es 13,5 Millionen €.

(Beifall von der CDU)

Davon profitieren im Schuljahr 2007/2008 65.000 Kinder.

(Andrea Asch [GRÜNE]: In Ihrer Regie- rungszeit hat die Kinderarmut dramatisch zugenommen!)

Oder anders, Frau Asch: Von Ihnen hat nicht einmal ein einziges Kind in Nordrhein-Westfalen beim Mittagstisch profitiert – nicht ein einziges Kind!

Vielleicht ist es Ihnen entgangen: Jürgen Rüttgers hat sich am 10. März in Berlin mit dem DGBVorsitzenden Michael Sommer getroffen. Beide haben Folgendes erklärt – ich zitiere –:

„Kinderarmut hat viele Gesichter. Die materielle Armut ist ’nur’ ihr auffälligstes. Die verschiedenen Armutsdimensionen sind eng miteinander verknüpft. Insbesondere unzureichendes Einkommen, Bildung und Gesundheit bedingen sich oft gegenseitig. Wer über wenig Einkommen verfügt, hat geringe Chancen und wenig soziale Teilhabe. Vergleichsstudien belegen zudem, dass Bildungs- und Aufstiegschancen stärker als anderswo ‚vererbt’ werden.“

Auch das ist ein Erbe Ihrer Regierungsverantwortung.

(Zurufe von Carina Gödecke [SPD] und And- rea Asch [GRÜNE])

„Damit dürfen wir uns nicht abfinden, denn jedes Kind hat ein Recht auf Bildung und Entfaltung entsprechend seiner Veranlagung und Begabung.

Kinderarmut ist zugleich auch Familienarmut. Familien sind arm, weil mindestens ein Partner arbeitslos ist oder die Erwerbseinkommen nicht ausreichen.“

Und weiter:

„Außerdem müssen Familienlastenausgleich und Sozialleistungen stärker als bisher Armut von Kindern vermeiden. Der aktuell geplante Ausbau des Kinderzuschlags und die Novelle des Wohngeldgesetzes sollten erreichen, dass mehr Familien von Geringverdienern ohne Abhängigkeit von Hartz-IV-Leistungen leben können. Bei Hartz-IV- und Sozialhilfeempfängern müssen die Regelsätze insbesondere im Bereich Bildung, Kinder und soziale Teilhabe überprüft werden.

Zur Bekämpfung der Kinderarmut brauchen wir eine abgestimmte Politik zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Notwendig ist ein umfassendes Konzept zur Armutsbekämpfung auf allen drei staatlichen Ebenen unter Beteiligung der zivilrechtlichen Akteure.“

An dieser Stelle gilt der Dank unserer Fraktion den vielen Initiativen im Land vom Kinderschutzbund bis zur AWO, von Privaten bis zu Firmen, die sich für Mittagessen in Tageseinrichtungen und Schulen einsetzen.

Zudem hat die Landesregierung im Bundesrat zwei Initiativen eingebracht, die zur Bekämpfung der Kinderarmut maßgeblich beitragen sollen. Hier handelt es sich um die Entschließung des Bundesrats zur Berücksichtigung des kinderspezifischen Bedarfs bei der Bemessung der Regelleistungen nach dem SGB II und dem SGB XII sowie um den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung zusätzlicher Leistungen für Kinder und Jugendliche im zweiten und zwölften Sozialgesetzbuch.

Sie versuchen mit Ihrem Antrag – so sage ich mal – einen gewissen Rundumschlag. Es geht Ihnen dabei nicht nur ums Essen.

Wir müssen die Beseitigung von Armut, insbesondere Kinderarmut, als eine ständige Aufgabe sehen. Das tun wir. Wir verschweigen nicht, wir nennen die Aufgabenstellungen und machen uns an die Arbeit.

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir Kinderarmut und ihre Bekämpfung sehr ernst nehmen. Dazu zählt auch die Initiative zum Mittagstisch und zur Ernährung. Sie wissen, dass die Betreuung der unter Dreijährigen, der Ausbau von Kindertagesstätten zu Familienzentren, der Ausbau von Frühwarnsystemen, ein verbesserter Kinderschutz, das Förderprogramm für soziale Brennpunkte – das gab es im Übrigen vorher auch nicht –, der Aktionsplan „Integration durch Sprachförderung“ oder „JeKi“ nur einige von vielen Beispielen sind, die in erheblicher Weise soziale Auswirkungen haben.

Grün ist die Hoffnung! Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Sie irgendwann einmal so aufrichtig sein werden, dass Sie die vorbildliche Leistung dieser Landesregierung und der sie tragende Fraktionen in der Bekämpfung von Kinderarmut anerkennen. – Danke schön.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Ewald Groth [GRÜNE])

Danke schön, Herr Kern. – Für die SPD spricht jetzt Kollegin Meurer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kern, es hätte wirklich so schön werden können. Rückblicke auf die Vergangenheit sind nämlich keine Antwort auf Kinderarmut und den Umgang damit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie sind seit 2005 im Amt. Das möchte ich hier noch einmal betonen. Und was haben Sie bis 2007, bis zum Erscheinen des Berichts, gegen Kinderarmut getan?

(Minister Armin Laschet: Seither tut sich ja etwas! Unglaublich viel!)

Das würde mich interessieren. Sie haben gerade im Kinderbereich Kürzungen vorgenommen.

(Minister Armin Laschet: Wo? – Ralf Witzel [FDP]: Wo? – Zuruf von der CDU: Wo?)

Sie haben bei den Kindertageseinrichtungen gekürzt, indem Sie den Elternbeitragsdefizitausgleich gestrichen haben. Das haben Sie gemacht. Sie haben beim Jugendförderplan ganz heftig gestrichen,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

obwohl Sie im Wahlkampf noch behauptet haben, dass Sie die 21 Millionen € wieder drauflegen!

(Ralf Witzel [FDP]: Sie wollen die offenen Einrichtungen der Jugendarbeit schließen! – Zuruf von Walter Kern [CDU])