Protokoll der Sitzung vom 13.03.2008

(Ralf Witzel [FDP]: Sie wollen die offenen Einrichtungen der Jugendarbeit schließen! – Zuruf von Walter Kern [CDU])

So sieht die Wahrheit bei Ihnen aus, Herr Witzel!

Nun lassen Sie mich zu meiner Rede kommen. Prävention ist eine Investition in die Zukunft. Das hören wir immer wieder. So beginnt das Eckpunktepapier zur Prävention von Fehlernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht und damit zusammenhängenden Krankheiten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Bundesministeriums für Gesundheit.

Bei 2,65 € am Tag für Essen und Trinken – das ist der Betrag nach dem gültigen SGB II – für Kinder unter 14 Jahren und ca. 4,28 € für einen Elternteil lassen sich nur schwierig drei ausgewogene Mahlzeiten zaubern. Das ist keine Neuigkeit. Da werden höchstens die Billigangebote in den Supermärkten wahrgenommen: Drei Pizzas für 1,99 €, eine Tüte Pommes für 99 Cent. Die Folgen sind Mangelernährung, verminderte Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit und vermeidbare Krankheiten, die die Volkswirtschaft und die Sozialsysteme belasten. Die Kosten, die durch ernährungsbedingte Krankheiten entstehen, werden mit mehr als 70 Milliarden € beziffert.

In der Stellungnahme der Verbraucherzentrale zur Anhörung am 5. März – das ist ja noch gar nicht so lange her – können Sie unter anderem lesen:

„Ein vollwertiges Mittagessen:

leistet einen wichtigen Beitrag zur Energie- und Nährstoffversorgung; kann Ernährungsdefizite, die außerhalb der Schule begründet sind, ausgleichen; kann dazu beitragen, ernährungsmitbedingten Erkrankungen vorzubeugen.“

Die Sachverständigen bei dieser Anhörung fordern zum großen Teil eine kostenlose Mahlzeit für alle Schülerinnen und Schüler. Was für die Schule gilt, gilt auch für die Kita. Gesundes Essen hat in der Kita eine genauso große Bedeutung wie in der Schule. Das kann dann schon einmal den finanziellen Rahmen sprengen.

Aus diesem Grunde befürworte ich ausdrücklich die Forderung in Ihrem Antrag, dass die Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden, den Kirchen und den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege ein Finanzierungskonzept für ein kostenloses Mittagessen für Kinder aus armen Familien erarbeiten soll.

Das ist gewiss kein leichtes Unterfangen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Zahlen im Sozialbericht 2007 richtig sind, dann gibt es in NRW knapp 25 % arme oder von Armut bedrohte Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Diese Prozentwerte übertragen auf einen viergruppigen Kindergarten bedeuten, dass eine Gruppe komplett finanziert werden müsste, also ca. 14.000 € Zuschuss im Jahr benötigt. Ungefähr 9.300 Kitas gibt es in NRW. Wenn in diesen schon einmal eine kostenlose Mahlzeit gereicht werden kann, dann ist schon viel gewonnen.

Bereits jetzt gehen Ehrenamtler in die Einrichtungen und spenden Gelder für die Unterstützung der armen Familien. Frau Asch, das gibt es schon in unserem reichen Lande. Es ist traurig, dass das in unserem reichen Lande notwendig ist. Da gebe ich Ihnen völlig recht.

Verantwortliche Träger, Kitaleitungen und Erzieherinnen haben das schon lange erkannt. In vielen der von mir besuchten Einrichtungen steht immer ein Teller mit Obst und Gemüse in kindgerechten Happen bereit, an dem sich alle Kinder bedienen können. Wer weiß, ob das nach dem Spargesetz KiBiz auch noch der Fall sein wird.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Hier gilt wie beim Thema Bildung: Je früher Kinder lernen, dass Essen und Trinken nicht nur Leib und Seele zusammenhalten, sondern auch Kraft und Energie bringen, desto größer ist der Nutzen für die Gesellschaft.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, Sie erwarten einen Gesetzentwurf der Landeregierung, um ein kostenloses Mittagessen rechtlich zu verankern. Das ist eine unterstützenswerte Forderung, und dennoch bleibt es Stückwerk.

Wir bekommen in unregelmäßigen Abständen Anträge auf den Tisch, die sich mit dem Thema Essen in der Schule und in der Kita befassen. Sie sind da gewiss aus gutem Grund hartnäckig. Sie müssen nach meinem Dafürhalten zusammengefasst werden. Wir brauchen ein vollständiges Konzept. Ich kann mich erinnern, dass Sie vor einiger Zeit einen Antrag gestellt haben, in dem Sie fordern, dass Eltern wieder dazu befähigt werden müssen, Essen zuzubereiten. Auch das passt in diesen Kontext.

Nach meiner festen Überzeugung brauchen wir auch eine Bundesratsinitiative, die zum Ziel hat, dass die Förderung und Versorgung von Kindern eine staatliche Aufgabe ist, dass der Staat Familien an dieser Stelle stärker unterstützen muss und dass aber auch die Förderung bei den Kindern ankommen muss. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Meurer. – Für die FDP spricht der Kollege Lindner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion lehnt den Antrag der Grünen ab.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Denn es handelt sich um eine reine Showveranstaltung,

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

die dem Ernst des Themas nicht ansatzweise gerecht wird. Sie selbst haben ja noch nicht einmal eine Lösung für das Problem, sondern fordern andere auf, sich der Erarbeitung von Konzepten zu widmen. Einfacher kann man es sich wirklich nicht machen.

(Beifall von CDU und Ralf Witzel [FDP])

Vielleicht wollen Sie ja gar nicht ernsthaft an einer Lösung mitarbeiten, denn Sie haben ja auch schon einmal andere Auffassungen vertreten.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Ich habe auf das hier in Rede stehende Problem in der Vergangenheit hingewiesen. Mit meiner Kleinen Anfrage 1674 habe ich die Landesregierung in der letzten Legislaturperiode nach diesem Problem befragt. Die Antwort der damaligen Landesregierung trägt die Drucksachennummer 13/5248. Ich habe von der von Ihnen damals mitgetragenen rot-grünen Landesregierung folgende Antwort erhalten:

„Der Landesregierung liegen über Einzelfälle hinaus keine Informationen darüber vor, ob Eltern wegen der möglichen Kosten für die Mittagsverpflegung von einer Anmeldung ihrer Kinder zu einem Ganztagsangebot absehen. Dies trifft auch für die Zahl der Abmeldungen zu.“

(Minister Eckhard Uhlenberg: Sehr schön! – Andrea Asch [GRÜNE]: Das sind die ewig Gestrigen! – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Da- für, dass Sie so jung sind, sehen Sie ver- dammt alt aus!)

Das ist an Verlogenheit nicht zu überbieten.

(Beifall von der CDU)

Als Sie selbst Verantwortung hatten, haben Sie die Augen verschlossen, und jetzt rufen Sie nach der Feuerwehr, ohne genau zu sagen, was denn wie gelöscht werden kann. Das ist Pharisäertum, Frau Asch!

(Beifall von der CDU)

Wie haben Sie selbst es denn gehandhabt bei diesen angeblich beklagenswerten Einzelfällen? Ich habe damals schon nicht an Einzelfälle geglaubt. Im Erlass zur offenen Ganztagsschule haben Sie gesagt:

„Sollte dies“

also die Mittagsverpflegung –

„im Einzelfall nicht möglich sein, müsste der Schulträger gegebenenfalls mit Unterstützung des Jugendamtes nach Lösungen suchen.“

Sie haben keine Mitverantwortung des Landes gesehen. Sie haben keine Mitfinanzierung des Landes gesehen. Sie haben die Augen verschlossen und die Hände in den Schoß gelegt.

(Minister Dr. Ingo Wolf: So ist es!)

Das war Ihre rot-grüne Politik!

(Beifall von FDP und CDU)

Was hat sich jetzt nach dem Regierungswechsel geändert? Während Sie Papiere vollschreiben, handelt die Landesregierung.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Wo denn?)

Mit dem vom Kabinett am 7. August 2007 bereits verabschiedeten Landesprogramm „Kein Kind ohne Mahlzeit“ werden zunächst für die kommenden zwei Jahre je Schuljahr über 10 Millionen € für die Mittagsverpflegung bedürftiger Schüler bereitgestellt.

Wenn sich keine weiteren Sponsoren finden, bleibt ein Elternbeitrag von maximal 200 € im Jahr für ein qualitativ hochwertiges Mittagessen bestehen. Dieser Betrag entspricht ungefähr dem Betrag, der rein rechnerisch bei Empfängern von Transferleistungen wie Arbeitslosengeld II für das Mittagessen eines Kindes vorgesehen ist. Wir handeln. Wir erreichen etwas für die Kinder, während Sie nur reden und auf Showeffekte setzen.

(Beifall von der CDU)

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Asch zu?

Bitte schön.