Protokoll der Sitzung vom 13.03.2008

In Verbindung damit liegt Ihnen ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor; das ist die Drucksache 14/5023. Auch dieser Antrag wurde vom Plenum gemäß § 79 Abs. 2 Buchstabe b der Geschäftsordnung an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration überwiesen mit der Maßgabe, dass eine Beratung und die Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgen. Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Generationen, Familie und Integration liegen jetzt ebenfalls vor.

Ich eröffne die Beratung und erteile Frau Asch von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Sprachstandserhebung in diesem Land ist geprägt von Pleiten, Pech und Pannen. Wir haben es immer wieder gesagt. Wir haben dieses übereilte Verfahren, das mit der heißen Nadel gestrickt wurde, von Anfang an kritisiert. Unsere grundsätzliche Kritik wurde in der Anhörung, die dazu stattfand, von allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bestätigt.

Diese Anhörung war letztendlich eine Ohrfeige für die Landesregierung, weil sie Folgendes gezeigt hat: Der Test misst nicht, was er zu messen vorgibt. Das heißt, er ist nicht valide. Der Test misst höchstens die Stressresistenz der Kinder. Er stellt allerdings den Sprachförderbedarf der vierjährigen Kinder in diesem Land nicht valide und reliabel fest.

Selbst Frau Prof. Fried, die den Test erstellt hat, räumte ein, dass sie unter Zeitdruck stand und dass der Test viel zu früh flächendeckend eingesetzt wurde, weil er nicht ausreichend evaluiert war.

(Minister Armin Laschet: Jetzt zitieren Sie sie schon wieder falsch! Das haben Sie im Aus- schuss auch schon gemacht!)

Und sie hat gesagt: Wir haben hier mit heißer Nadel gestrickt. Ich hätte mir gewünscht – das hat sie übrigens auch in der gemeinsamen Ausschussberatung des AGFI und Schulausschusses gesagt –, wir hätten mehr Zeit für eine gründliche und seriöse Bearbeitung dieses Themas gehabt.

Meine Damen und Herren, wir haben festgestellt, dass das Verfahren von vornherein falsch angelegt gewesen ist. Dieses Verfahren, bei dem Grundschullehrerinnen, also den Kindern fremde Personen, diesen Test federführend durchführen sollen, führt dazu, dass sich die Kinder zum Teil verweigern und dass sie Stresssymptome entwickeln. Insofern wird in dieser Situation überhaupt nicht erfasst, welche Sprachkompetenzen sie mitbringen und welchen Förderbedarf sie haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Tatsache, dass die Grundschullehrerinnen in die Kindertagesstätten gehen, führte dazu, dass 60.000 Unterrichtsstunden in den Grundschulen fehlen. Sie führte dazu, dass sich die Erzieherinnen, die ihre Kinder gut kennen und – das zeigen die Umfragen – eine gute Einschätzung darüber haben, ob die Kinder, mit denen sie tagtäglich arbeiten, Förderbedarf haben oder nicht, entwertet gefühlt haben.

Diese Blitzumfrage, die der Städtetag in zehn großen Städten in diesem Land durchgeführt hat, hat noch einmal eindrucksvoll gezeigt: Der Förderbedarf, der von den Erzieherinnen festgestellt wurde, weicht zum Teil bei über 1.000 Kindern von dem ab, was dieser Sprachtest ergibt. Das heißt im Klartext, meine Damen und Herren: Über 5.000 Kinder – das belegt allein diese Blitzumfrage – bekommen keine Sprachförderung, obwohl sie diese nötig haben.

(Minister Armin Laschet: So ein Unsinn! Sie wissen doch, dass das nicht stimmt!)

Das ist das Ergebnis dieser Blitzumfrage.

(Minister Armin Laschet: Das ist unseriös!)

Auch wenn Sie jetzt sagen, Herr Laschet, es sei nicht repräsentativ, wirft es einen klares Licht auf die Situation in diesem Lande. Wenn es Sie interessierte, könnten Sie eine Umfrage bei allen Kommunen dieses Landes durchführen. Dann hätten Sie ein statistisch sauberes Ergebnis. Sie werden aber zu denselben Ergebnissen kommen. Das kann ich Ihnen schon hier und heute voraussagen.

(Minister Armin Laschet: Der Städtetag hat Ihnen doch eine Ohrfeige gegeben! Reicht das nicht?)

Jetzt haben Sie das Verfahren revidiert. Sie haben Fehler eingeräumt. Sie haben gesagt, dass Sie an der einen und anderen Stelle nachjustieren müssen. Wie sieht es jetzt im März 2008 aus? – Wir haben wieder die Situation, dass die Testma

terialien in den Kommunen nicht frühzeitig angekommen sind. Wir haben wieder die Situation, dass die Grundschullehrerinnen und erst recht die Erzieherinnen schlecht vorbereitet sind. Wir haben wieder die Situation, dass Kinder falsch eingeschätzt werden.

Das ist das Ergebnis Ihrer dilettantischen Vorgehensweise. Sie vergrätzen die Eltern und die Erzieherinnen. Selbst die Grundschullehrerinnen sagen: Uns hängt das Thema zum Hals raus. Wir fühlen uns überhaupt nicht kompetent und zuständig für diesen Bereich, der in der Elementarerziehung angesiedelt wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das heißt, dass das Chaos nicht behoben ist. Das Chaos findet sich wieder. Lesen Sie die Berichte in den Lokalteilen der Zeitungen. In der „WAZ“, in den „Aachener Nachrichten“ und in anderen Zeitungen hat es gestanden. Die Erzieherinnen fühlen sich allein gelassen. Sie sagen: Wir sind nicht genügend vorbereitet; wir haben diese Testmaterialien viel zu spät bekommen. – Sie haben das gleiche Chaos, das Sie im letzten Jahr auf der kommunalen Ebene hatten, auch in diesem Jahr wieder produziert.

Das Schlimmste ist Folgendes: Sie machen einen Popanz mit einem schlechten Verfahren zur Feststellung der Sprachkompetenz und zur Feststellung eines Förderbedarfes und haben noch nicht einmal ein Förderinstrument, mit dem Sie die Kinder, die Förderbedarf haben, hinterher tatsächlich in ihrer Sprachkompetenz ertüchtigen. Alles das wird also gemacht, obwohl kein Mensch weiß, was hinterher mit den Kindern passieren soll. Jede Einrichtung hat noch ihr eigenes handgestricktes Verfahren. Es gibt kein landesweit einheitliches Förderinstrument. Sie haben es bis heute immer noch nicht geschafft, das zu entwickeln.

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Armin Laschet: Das machen wir auch nicht!)

Meine Damen und Herren, auch bei diesem Thema zeigt sich wieder: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht.

Wir als Grüne sind dafür, dass Vierjährige Sprachförderung bekommen. Wir sind aber dafür, dass diejenigen Sprachförderung bekommen, die sie auch wirklich brauchen.

(Christian Möbius [CDU]: Sie haben aber nichts gemacht!)

Das kann aber mit dem Testverfahren, das Sie hier entwickelt haben, nicht gewährleistet werden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Asch. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Kollege Hollstein.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Anträge, die wir heute Abend zu behandeln haben, sind alt, unzutreffend und überholt.

(Beifall von CDU und FDP)

Das Thema Sprachförderung ist in der Geschichte von Nordrhein-Westfalen noch nie so konsequent, so engagiert und so zielgerichtet bearbeitet worden wie von Minister Armin Laschet. Nach jahrzehntelanger Vernachlässigung dieses Themas wird seit zweieinhalb Jahren gehandelt.

Wir hatten noch nie so wenige Kinder in diesem Land wie in diesen Jahren. Gleichzeitig haben wir noch nie so viel Geld für Sprachförderung eingesetzt. Wir haben auch noch nie so viele Kinder in Sprachförderung gehabt wie in diesem Jahr.

(Beifall von der CDU)

Im Jahr 2007 ist zum ersten Mal flächendeckend eine Sprachstandserhebung durchgeführt worden. Das war bislang bundesweit einmalig.

Meine Damen und Herren, ich bekenne mich: Auch ich spiele gerne. Ich kaufe mir einmal im Jahr das „Spiel des Jahres“. Wenn ich es mit Freunden spiele, erlebe ich immer wieder dieselbe Erfahrung: Beim ersten Durchgang ruckelt es hier und da noch ein bisschen; man muss noch hin und wieder in die Spielanleitung gucken; es klappt noch nicht ganz so flüssig wie beim zweiten Mal.

Genau diese Erfahrung erleben wir jetzt in diesem Land. Im Moment laufen die Sprachstandserhebungen wesentlich glatter und deutlich besser, und es ist wirklich keine Rede davon, dass es eine schlechte Vorbereitung gibt.

Bei dem, was Sie gerade behauptet haben, handelt es sich um Unterstellungen. Das sind Einzelwahrnehmungen, die Sie natürlich sehr gezielt aufnehmen. In der Breite lässt sich das aber nicht bestätigen.

(Hannelore Kraft [SPD]: Gehen Sie doch einmal dahin, wo es wehtut! Gehen Sie doch einmal in die Realität! – Weitere Zurufe von der SPD)

Im Jahr 2007 haben wir 154.000 Kinder mit der ersten Stufe erreicht. 23.000 plus 63.000 Kinder,

die offenbar eine entsprechende Förderung nötig hatten, sind zur zweiten Stufe eingeladen worden. Alle, die Förderbedarf hatten, erhalten eine spezielle Förderung. Das ist gut so.

Hier wird eine Saat ausgebracht, die in zwei Jahren in den Grundschulen geerntet werden kann. Ich bin absolut sicher: Die Lehrerinnen und Lehrer in den Grundschulen werden es uns in zwei Jahren danken.

(Beifall von der CDU)

Das ist keinesfalls, wie es hier genannt wird, ein Experiment mit 180.000 Kindern. Diese Behauptung ist eine geschmacklose Diffamierung einer erfolgreichen Arbeit.

(Beifall von der CDU – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wenn jemand geschmacklos dif- famiert, dann war das eben Frau Pieper-von Heiden!)

Wir haben 4.329 Kinder mit diesem Test nicht erreicht. Das sind die Kinder, über die wir uns in allererster Linie Gedanken machen sollten. Wir sollten darüber nachdenken, wie es zu dieser Zahl kommt.

Das Verfahren, das im Jahr 2007 angewandt wurde, ist im Anschluss evaluiert worden. Erfahrungen wurden ausgewertet. Konstruktive Kritik wurde aufgenommen. Dies geschah nicht auf Druck der Opposition, sondern weil es von vornherein im Verfahren genau so angelegt war.

Das Verfahren des Jahres 2008 ist modifiziert und optimiert worden. Wenn man heute in den Kindertagesstätten und in den Grundschulen herumfragt, bekommt man eine ausgesprochen positive Resonanz auf das Verfahren.

Rot-Grün mag ja das Problem erkannt haben. In jedem Fall sind Sie es unzureichend angegangen. Sie haben nicht gehandelt. Die Koalition der Erneuerung hat gehandelt. Wir haben ausreichend Geld zur Verfügung gestellt.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, das ist gut so. Das machen wir weiter – unbeeindruckt von den Versuchen der Opposition, diese Sache kaputtzureden.