Protokoll der Sitzung vom 13.03.2008

Meine Damen und Herren, das ist gut so. Das machen wir weiter – unbeeindruckt von den Versuchen der Opposition, diese Sache kaputtzureden.

(Beifall von CDU und FDP)

Die vorliegenden Anträge werden heute Abend im parlamentarischen Orkus versenkt. Das ist gut so.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Hollstein. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Stotz.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wieder Chaos vor dem Kinder-Sprachtest“, titelte die „Neue Westfälische“ am 28. Februar dieses Jahres. Offensichtlich gehen die Chaostage in den Kindertagesstätten auch im zweiten Durchlauf wieder los.

Es geht mir hier weiß Gott nicht um Rechthaberei. Ich möchte aber noch einmal ganz klar deutlich machen: Meine Fraktion hat von Anfang an erhebliche Bedenken am Verfahren der Sprachstandsfeststellungen geäußert – wohlgemerkt am Verfahren zur Feststellung der Sprachfähigkeit und nicht an der eigentlichen Sprachförderung. Auch für uns ist völlig unbestritten, dass die Sprachfähigkeit und der Sprachentwicklungsstand eines Kindes möglichst früh festgestellt werden sollen, um dann auch möglichst früh zu fördern. Das haben wir auch nie infrage gestellt.

Von Anfang an äußerst kritisch gesehen haben wir aber die eigentliche Durchführung des Tests. Unsere schlimmsten Befürchtungen haben sich nach dem ersten Durchlauf leider bestätigt. Im zweiten Durchlauf zeichnet sich Ähnliches ab.

Bereits im Vorfeld der Verabschiedung des Schulgesetzes gab es wichtige Hinweise vonseiten der kommunalen Spitzenverbände und der Grundschulen sowie aus den Reihen der Wohlfahrtsverbände und von den Fachverbänden der Erzieherinnen. Allesamt haben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen und der Landesregierung, diese wertvollen und konstruktiv gemeinten Hinweise weitestgehend ignoriert. Sie haben schon damals eine bemerkenswerte Beratungsresistenz an den Tag gelegt. Diese Beratungsresistenz legen Sie auch nach der für Sie sehr niederschmetternden Anhörung zum ersten Durchlauf des Testverfahrens bis heute an den Tag.

(Beifall von der SPD)

Die Kurzfassung der Ergebnisse der Anhörung ist in diesem Zusammenhang sehr aufschlussreich. Ich möchte einmal daraus zitieren.

Unter der Fragestellung „Wo sind die Schwachstellen im bisherigen Erhebungsverfahren?“ finden sich folgende Antworten:

Das Testverfahren selbst war noch nicht evaluiert und in sich nicht schlüssig.

Testdurchführende waren nicht rechtzeitig informiert und vorbereitet. Dadurch ergaben sich erhebliche Unsicherheiten zwischen den Grundschulkräften und Erzieherinnen im Umgang mit dem Test, den zu testenden Kindern und dadurch ebenfalls zu späte und oft unbefriedigende Informationen an die Eltern.

Unterrichtsausfall, Förderausfallzeiten in den Grundschulen und in den Kitas.

Nicht zufriedenstellende Kooperation zwischen Kitas und Grundschulkräften.

Überforderung der Kinder durch die nicht vertraute Testsituation, die nicht dem Kindergartenalltag entspricht.

Eine weitere Fragestellung in der Kurzfassung lautet: Welche Rahmenbedingungen sind dafür erforderlich? Ich will nur zwei wesentliche nennen, nämlich dass personelle und zeitliche Ressourcen in Kindertagesstätten und Grundschulen ausreichend vorzuhalten sind. Rechtzeitige Vorbereitung, Informationen über Inhalte und Materialien müssen sichergestellt werden.

All diese Punkte wurden in der Anhörung von nahezu allen Experten angemahnt. So stellt sich nun die Frage, welche Lehren die Verantwortlichen aus dem ersten Durchlauf und aus der Anhörung eigentlich gezogen haben. Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd: Trotz der erheblichen Kritik von allen Seiten sind nur dürftige Veränderungen vorgenommen worden. Die eigentlichen Knackpunkte bleiben nach wie vor unverändert.

So mahnen die kommunalen Spitzenverbände weiter an, dass mit der Kompetenz des pädagogischen Fachpersonals in den Einrichtungen ohne aufwendiges Testverfahren sichergestellt werden kann, dass die Kinder mit Sprachförderbedarf sicher diagnostiziert werden können. Dies wurde auch in der Anhörung bestätigt. Die Ergebnisse der Testverfahren waren nahezu deckungsgleich mit den Diagnosen der Erzieherinnen.

Nach wie vor beklagen die Beteiligten die mangelnde Ausstattung mit ausreichenden Ressourcen. Nach wie vor werden Tausende von Unterrichtsstunden in den Grundschulen ausfallen. Nach wie vor ergibt sich ein erheblicher bürokratischer Koordinierungsaufwand zwischen Schulträgern, Grundschulen und Kitas. Nach wie vor gibt es keine ausreichenden Ressourcen für die Fortbildung des Personals in den Kindertagesstätten. Wieder liegen die Materialien für das Testverfahren nicht rechtzeitig in den Kitas vor. Das ist mehr als peinlich.

(Minister Armin Laschet: Das stimmt doch nicht!)

Als Fazit bleibt leider nur festzuhalten: Avanti dilettanti setzt sich weiter fort. Wir tragen deshalb die Anträge von Bündnis 90/Die Grünen in ihren Forderungen mit und lehnen die Beschlussempfehlungen des Fachausschusses ab. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Stotz. – Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Witzel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! NordrheinWestfalen wird immer mehr zum Land der neuen Chancen.

(Lachen von SPD und GRÜNEN)

Dies gilt insbesondere im Bildungsbereich. Die Koalition hat im Bereich der Bildung das modernste …

(Hannelore Kraft [SPD]: „Koalition der Er- neuerung“ haben Sie vergessen!)

Die Koalition der Erneuerung – Frau Kraft, Sie haben recht – hat im Bereich der Bildung das in ganz Deutschland modernste Schulgesetz, das in ganz Deutschland modernste Kinderbildungsgesetz und das in ganz Deutschland modernste Hochschulfreiheitsgesetz auf den Weg gebracht.

(Beifall von FDP und CDU)

Was wir im Bereich der Sprachförderung bewerkstelligen, wird auch von vielen anderen Bundesländern bewundert, die uns um die Aufholjagd beneiden, die wir auch in diesem Bereich auf den Weg bringen.

Wenn Sie wissen wollen, warum es das Sprachstandsfeststellungsverfahren gibt, empfehle ich die Lektüre einer ganz bemerkenswerten Landtagsdrucksache von Ute Schäfer aus der Zeit, als sie noch Ministerin in diesem Land war, mit der Drucksachennummer 13/6545 aus der letzten Legislaturperiode mit dem Titel „Korrelation von Bildungschancen und sozialer Herkunft“. Dort führt Frau Ministerin a. D. Schäfer aus:

„als Indikator für den Anteil der Ungleichheit in der Lesekompetenz, die auf die soziale Herkunft zurückgeführt werden kann, gehört Nordrhein-Westfalen zusammen mit RheinlandPfalz, dem Saarland und Schleswig-Holstein zu einer Gruppe mit überdurchschnittlicher Lese

kompetenz und relativ großen sozialen Disparitäten. Dabei ist für Nordrhein-Westfalen im Vergleich der Bundesländer die engste Kopplung von sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb festzustellen.“

Bezogen auf die Lesekompetenz gibt es in keinem anderen Bundesland in ganz Deutschland diese sozialen Disparitäten. Wir handeln nun, um sie abzuschaffen.

(Beifall von der FDP)

Lesekompetenz, das Beherrschen der eigenen Sprache, ist die wichtigste Schlüsselqualifikation für die weitere persönliche Entwicklung und für die beruflichen Chancen, die junge Kinder in unserem Land haben. Sie haben es sträflich unterlassen, an dieser Stelle trotz der großen Probleme, die Rot-Grün im Bildungsbereich verursacht hat, zu handeln.

Dass Sie sich jetzt hinstellen, nachdem andere, die den Scherbenhaufen vorfinden, ihn zusammenkehren und Kindern wieder eine Perspektive und eine Chance geben, und wirklich kleinkariert über Details in Verfahrensfragen diskutieren, wo Sie selber nichts Substanzielles unternommen haben zu Zeiten Ihrer Verantwortung, das ist schon ein starkes Stück.

(Beifall von FDP und CDU)

Sie sollten froh sein, dass die Koalition der Erneuerung handelt, dass uns die Zukunft und das Schicksal Zehntausender junger Menschen in unseren Schulen, die jedes Jahr neu mit den Problemen konfrontiert werden, nicht egal ist, dass wir zum allerersten Mal in einer Schlüssigkeit wie kein anderes Bundesland in ganz Deutschland für alle Vierjährigen rechtzeitig vor Schulbeginn dieses systematische Sprachstandsfeststellungsverfahren durchführen. Das ist wirklich die größte soziale Wohltat aller beschlossenen Maßnahmen dieser Koalition im Bildungsbereich.

Wir wollen dafür sorgen, dass anders als bei Ihnen nicht 10 % eines Altersjahrgangs der Kinder in unseren Schulen scheitern. Sie haben ein System mit einer Risikogruppe von 25 % hinterlassen. Das waren Ihre Zahlen, die Ergebnisse für die Länderauswertung von PISA-E für NordrheinWestfalen. Jeder vierte Jugendliche hatte, als Sie im Bildungsbereich die Verantwortung trugen, derart große Defizite bei Kernkompetenzen, dass es ein ernsthaftes Risiko gab, in Fragen der persönlichen Lebensführung und der beruflichen Perspektive zu scheitern. Das sind die Zahlen und Zusammenhänge, die Sie hinterlassen haben.

Das ist uns nicht egal. Wir haben deshalb die Möglichkeiten für die individuelle Förderung verstärkt. Wir stellen in dieser Legislaturperiode 6.400 neue Lehrer ein, damit auch personell diese Aufholjagd in unseren Schulen entsprechend unterlegt werden kann. Einen ganz besonderen, wenn nicht sogar den wichtigsten Förderschwerpunkt, bilden dabei Maßnahmen der Sprachförderung.

(Beifall von der FDP)

Die herausragende Bedeutung der Sprachstandsfeststellung wird auch deutlich, wenn man sich bewusst macht, dass in der ersten Runde bei rund 17 %, also bei mehr als 30.000 Kindern, ein weitgehender pädagogischer Förderbedarf festgestellt wurde.

Jetzt führen wir hier im Landtag NordrheinWestfalen eine Debatte, in der Sie über Verfahrensdetails eines völlig neu auf den Weg gebrachten Verfahrens diskutieren, während Sie selbst nichts gemacht haben.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Experimente!)

Wenn wir uns bei der Einführung dieses neuen Instruments auch noch um Optimierung bemühen werden und müssen: Diese 30.000 Kinder, die Sie gar nicht beachtet haben und für die wir jetzt neue Perspektiven schaffen, sind es uns allemal wert, dass wir diesen Weg gehen. Wir werden ihn weitergehen, und wir werden damit erfolgreich sein. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Witzel. – Herr Minister Laschet spricht jetzt für die Landesregierung.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, die Argumente sind aufgeführt worden. Ich will nur ein paar Zahlen nennen, damit wir vielleicht aus dieser Erregung herauskommen und einfach über Fakten reden.