Herr Präsident! Meine hier noch verweilenden Kolleginnen und Kollegen! Bei all den bildungspolitischen Aufregerthemen unserer Tage frage ich Sie wirklich: Welcher von Gott geschaffene Teufel hat Sie, die antragstellende Fraktion der Grünen, ja welcher kreationistische Teufel hat Sie denn geritten, diesen ärgerlichen Fundamentalismus hochzureden?
Ich halte Ihr Vorgehen, mit Verlaub, für sträflich unklug. Deshalb lehnen wir den Antrag auch ohne irgendwelche Abstimmungsaufteilungen ab.
Sie gehen, liebe Grüne, alarmistisch vor, um sich selbst an diesem letztlich unwürdigen Gegner, den es gottlob in Nordrhein-Westfalen nur an ganz wenigen Stellen gibt, zu profilieren. Damit geben Sie diesen geistig Unbedarften, von denen es in Amerika leider viele, aber hier nur ganz wenige gibt, die gewünschte Gelegenheit, sich auch Ihrerseits wieder in Szene zu setzen. Damit unterstützen Sie diesen kruden Unsinn, und das tun ausgerechnet Sie, Frau Beer, die Sie in einem anderen Fall einer von einigen tausend Schülerinnen und Schülern besuchten Ersatzschulform eigener Art liebedienerisch zu Diensten sind, obwohl im grundlegenden Schrifttum der Lehrerausbildung dieser Ersatzschule gemeingefährliche, rassistische und antijüdische Texte noch heute stehen.
Meine Damen und Herren, der Kreationismus mit seinem wörtlichen Verständnis der Bibel ist hierzulande nur bei wenigen bemitleidenswerten Eiferern zu Hause. Wie man mit dem kreationisti
schen Gedankengut umgeht, hat uns zum einen die Schulministerin bewiesen, die mit absoluter Klarheit dieses Gedankengut zurückweist, und zwar sowohl in ihren regierungsamtlichen Reden als auch in ihrem schulaufsichtlichen Handeln – vielen Dank, Frau Sommer, dafür –, und zum anderen Bischof Huber und Kardinal Lehmann.
Die jüngst erschienene ausführliche und profunde Orientierungshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland ist ausgezeichnet und vorbildlich.
Es gibt eben – ich habe es Ihnen im Ausschuss gesagt; Sie konnten es in den letzten Monaten in der seriösen Presse mehrfach nachlesen – einen kategorialen Unterschied zwischen naturwissenschaftlichen und religiösen Texten, die die Welt und ihre Entstehung und Entwicklung eben nicht nach objektiven Sachverhaltsaussagen erklären, sondern mit dem Ziel von Sinngebungsversuchen bewerten und deuten.
Den Naturwissenschaften liegt daher ein anderer Wahrheitsanspruch zugrunde als der Religion, jedenfalls der christlichen. Und da beginnt, meine ich, die Aufgabe der Schule. Sie muss diese unterschiedlichen Welterschließungsperspektiven in ihrer bestehenden und bleibenden Unterschiedlichkeit den Schülerinnen und Schülern eröffnen. Schule muss, wenn sie gut ist, lehren, diese Unterschiedlichkeit auszuhalten, sozusagen demütig auch die Existenz von anderen Wahrheitsebenen zu akzeptieren.
Was diese Kreationisten so selbstherrlich und hochmütig behaupten, ist genauso hochmütig und dumm wie auf der anderen Seite die Behauptung, die wissenschaftlich begründete Evolutionstheorie würde eine atheistische Weltanschauung zwingend erforderlich machen.
Es gehört für mich zum Selbstverständnis jedes wirklich Gebildeten und jeder wirklich guten Schule, dass Wissenschaft und Religion nicht isoliert neben- oder gar gegeneinander stehen, sondern dass Vernunft und Glaube aufeinander angewiesen sind. Gerade im christlich-jüdisch begründeten abendländischen Denken stehen Glauben und Wissen in einer kreativen Spannung zueinander. Ich kann nur empfehlen, das Gespräch zwischen Habermas und Ratzinger vor der evangelischen Akademie in Tutzing zu lesen. Dies bringt jedenfalls mehr Gewinn als ein alarmistisches Emporschaukeln dieser armen verblendeten Fundamentalisten. – Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, so einfach, wie es Herr Solf sich macht, nach dem Motto: „Wir brauchen nur nicht drüber zu reden, dann wird es uns auch nicht erhaschen“, geht es einfach nicht.
Gott hat die Erde vor 6.000 Jahren erschaffen. Adam und Eva lebten zusammen mit den Dinosauriern, und die Arche Noah hat es tatsächlich gegeben. Der untrügliche Beweis dafür findet sich in einem Flusstal in der Nähe des Dörfchens Glen Rose in Texas. Dort soll auch der Abdruck eines menschlichen Fußes in einem fossilen Dinosaurierfußabdruck gefunden worden sein.
Somit stehen also die Schöpfungsgeschichte und der Schöpfungsglaube auf felsenfesten Beweisen. Als Anknüpfungspunkt zum Biologieunterricht können die Dinosaurier herangezogen werden.
Meine Damen und Herren, wo leben wir eigentlich – auf einer Scheibe? Selbst führende Kräfte der monotheistischen Religionen haben moderatere Auffassungen als die Kreationisten. So hat Papst Benedikt XVI. die Evolution mehr als eine Hypothese bezeichnet. In seiner zweiten kürzlich erschienenen Enzyklika „Spe Salvi“ bejaht er naturwissenschaftliche Erkenntnisse.
Der Kreationismus in seiner gesamten Bandbreite – vom kindlich naiven Schöpfungsglauben bis hin zum pseudowissenschaftlichen Intelligent Design – ist eine Bedrohung unserer säkularen Verfassung.
Diese aus Amerika via Wiesbaden nach Deutschland schwappende antiaufklärerische irrationale Tendenz hat nichts mit Biologieunterricht in unseren Schulen zu tun.
Die Forderung der ehemaligen hessischen Kultusministerin Karin Wolff vom Juli 2007, die Herkunft des Menschen im Biologieunterricht fächerübergreifend zu erörtern, und die Idee von Ministerpräsident Koch, die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse im Biologieunterricht durch religiöse und philosophische Überlegungen zu ergänzen, zeigen, dass diese Strömungen mehr und mehr Einfluss in der Politik gewinnen.
Vor diesem Hintergrund verstehe ich, dass die Parlamentarische Versammlung des Europarates die Aufnahme der Lehren des Kreationismus an unseren Schulen kategorisch ablehnt. Im Oktober 2007 kritisierte er in einem Beschluss die Verbreitung kreationistischer Irrlehren an den Schulen Europas in außergewöhnlicher Schärfe. Er forderte seine 47 Mitgliedsländer dazu auf, mit aller Entschiedenheit gegen den Kreationismus im Schulunterricht vorzugehen und den wissenschaftlichen Unterricht verständlicher und aktiver zu gestalten. Weiter heißt es:
„Der Kampf gegen die Evolutionstheorie und ihre Befürworter entstammt dem religiösen Extremismus und steht in enger Verbindung mit rechtsextremistischer politischer Bildung.“
Die hessischen Überlegungen sind also umso beängstigender, als sie zu einer Vermischung von naturwissenschaftlichen und religiösen Theorien führen.
Es besteht die Gefahr, dass unsere Demokratie schrittweise untergraben und durch theokratische Strukturen abgelöst wird. Mit dem Mut, mich meines eigenen Verstandes zu bedienen, fordere ich eine klare Trennung von Glauben und Wissenschaft.
Religiöse Überlegungen gehören in den Religionsunterricht, naturwissenschaftliche Erkenntnisse in den Biologie-, Chemie- und Physikunterricht und das Basteln von Tonfiguren in den Kunstunterricht.
Vielen Dank, Frau Kollegin Hendricks. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Pieper-von Heiden das Wort.
Sie sieht aber normalerweise etwas anders aus. Bitte schön, Herr Pieper-von Heiden. – Nein, natürlich hat jetzt Herr Kollege Witzel das Wort.
Da sehen Sie mal, wie schnell bei der Debatte über die Evolution Kreationismus neu inspirieren kann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ganz ausdrücklich gegen die von Frau Beer geäußerten Überlegungen gerade mit Blick auf die FDP verwahren. Sie wissen – insofern tragen Sie wirklich wider besseren Wissens vor –, dass es keinerlei Affinität der FDP zu den Problemen gibt, die Sie beschreiben.
Es ist aber bezeichnend, dass es einen einzigen, sehr offenkundig und ausdrücklich zu kritisierenden Fall an einer Schule von 7.000 gibt. Daraufhin bringen Sie einen Antrag in den Landtag ein, weil Sie wieder einmal das Angstthema der Woche suchen, um den Menschen ein Zerrbild der Realität zu vermitteln.
Diese Methode lehnen wir ganz ausdrücklich ab, Frau Beer. Allein die Tatsache, dass einmal irgendwo eine Bank überfallen wird und der Staat im Einzelfall nicht verhindern konnte, dass Menschen sich unkorrekt verhalten und Dinge tun, die wir auch nicht in Ordnung finden, ist noch kein Grund dafür, dass sich der Staat grundsätzlich vom Bankenwesen distanziert, solange die Polizei einschreitet und ermittelt.
Deshalb sage ich Ihnen ausdrücklich, Frau Beer: Grundsätzlich ist es jedem freigestellt, was er persönlich und privat glaubt. Wir leben in einer freien Gesellschaft. Gerade die Religionsfreiheit ist ein wichtiges Fundament der Freiheit, wenn man die angesprochenen Denkstrukturen so bezeichnen möchte.
In der Tat ist aber richtig, dass im öffentlichen Bereich die wissenschaftliche Erkenntnis Basis für die Vermittlung im Unterricht sein muss. Deshalb sage ich für die FDP-Landtagsfraktion ausdrücklich: Kreationismus und Intelligent Design basieren auf Grundlagen, die kein Gegenstand des Unterrichts sein können. Pseudowissenschaft hat in unseren Schulen und in den Lehrplänen ausdrücklich nichts zu suchen.