Protokoll der Sitzung vom 14.05.2008

Mit der Neuregelung beziehungsweise Wiedereinsetzung der Aufteilung der Kosten für die Lernmittel zwischen Eltern und den Schulträgern hätten Sie die Möglichkeit, als Land hier aktiv zu werden und diesen Regelungsnotstand endlich zu beheben, und zwar im Sinne der Kommunen und im Sinne der armen Familien.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mit einer relativ einfachen und – das habe ich schon einmal gesagt – mit 5 Millionen € gar nicht so teuren Maßnahme könnte vielen ärmeren Familien im Land sofort geholfen werden.

Ich fordere Sie jetzt noch einmal auf, endlich diese Befreiung von den Eigenleistungen gesetzlich zu verankern. Nutzen Sie die anstehenden Veränderungen. Sie haben die Chance, wirklich Gutes zu tun und vor Ort die Dinge zu regeln und nicht nur Schlagzeilen zu produzieren, die nach Berlin getragen werden. Wenn das Schulministerium das nicht allein kann, dann bitte ich an der

Stelle Herrn Laumann um Flankenschutz. Das scheint notwendig zu sein und hat vielleicht mehr Aussicht auf Erfolg.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Beer. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Wilp das Wort.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Jetzt machen wir auch einmal Rabatz! – Josef Wilp [CDU]: Das können Sie gerne machen. Ich kann laut reden!)

Herr Kollege, von hier vorne geht es leichter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der vorliegende Antrag von Bündnis 90/Die Grünen soll laut Empfehlung des Ältestenrats wie ausgedruckt an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung – federführend –, an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales überwiesen werden.

Dem stimmt die CDU-Fraktion zu. Daher will ich mich hier auf einige grundsätzliche Anmerkungen zu dem Antrag beschränken, zumal die Thematik nicht neu ist.

Wie im Antrag richtig festgestellt, läuft die derzeit noch geltende Regelung für den Eigenanteil der Eltern an den Lernmitteln in Höhe von 49 % zum 31. Juli 2008 aus. Danach gilt wieder die alte Eindrittel-Zweidrittel-Regelung.

Da die jetzige Landesregierung erklärt hat, dass sie keine Verlängerung der Gesetzesänderung von 2003 anstrebt, gibt es eine deutliche Entlastung für alle Eltern. Ich denke, das ist für die Eltern zunächst einmal eine gute Nachricht.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: 33 % sind für arme Familien zu wenig!)

Man gestatte mir in dem Zusammenhang den Hinweis, dass die Erhöhung der Elternbeiträge in 2003 noch von Rot-Grün beschlossen wurde.

(Beifall von CDU und FDP)

So können wir gut damit leben, wenn der Landtag die Entlastung der Eltern beim Eigenanteil an den Lernmitteln jetzt auch mit den Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen begrüßen soll. Wenn die SPD-Fraktion dieser Meinung zustimmt, dann haben wir in der Schulpolitik endlich einmal eine komplette Übereinstimmung.

(Beifall von Bernhard Recker [CDU])

Nun zum Punkt der Lernmittelfreiheit für die ALGII-Bezieher. Wie Sie wissen, handelt es sich bei dem Gesetz zur Bemessung der Regelleistungen nach dem SGB II und dem SGB XII um ein Bundesgesetz, in Kraft gesetzt unter einer rot-grünen Bundesregierung. Zugestimmt haben damals auch die Bundesländer, sodass es eine vielfältige politische Beteiligung und Verantwortlichkeit gibt. Das will ich an dieser Stelle nicht verschweigen.

Die jetzige Landesregierung ist bei dieser Situation allerdings nicht stehen geblieben. So hat Herr Laumann als Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales im letzten Jahr eine Expertengruppe aus Wissenschaft, Sozialgerichtsbarkeit, Freier Wohlfahrtspflege und Kirchen eingesetzt, die sich mit der Frage beschäftigte, ob die heutigen Hartz-IVRegelleistungen für Kinder und Jugendliche dem tatsächlichen Bedarf eines Kindes gerecht werden und ob sie Chancengleichheit im Bildungsbereich gewährleisten.

Das Ergebnis zeigte Handlungsbedarf auf. Also: Es muss Verbesserungen geben. Daraufhin hat das Land Nordrhein-Westfalen einen Initiativantrag in den Bundesrat eingebracht, um eine Beeinträchtigung der Bildungschancen für bedürftige Kinder und Jugendliche zu verhindern. Es soll neben den pauschalierten Leistungen nach den §§ 20 und 28 Abs. 1 SGB II weitere einmalige Leistungen als Sachleistungen für Gebrauchs- und Unterrichtsmaterialien – zum Beispiel Taschenrechner, Zirkel, Schulhefte – und für die persönliche Ausstattung für die Schule – Schulranzen, Sportschuhe usw. – geben.

In einer Mitteilung des Arbeitsministeriums vom 8. Mai heißt es:

„‚Der Bundesratsausschuss für Arbeit und Sozialpolitik hat heute einem Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen zur Neubemessung der Hartz IV- und Sozialhilferegelsätze für Kinder mit 16 : 0’“

also einstimmig –

„‚zugestimmt’, freute sich der nordrheinwestfälische Arbeitsminister … ‚Alle Länder fordern auf unsere Initiative hin, dass der Bund für bedarfsgerechte Hartz IV- und Sozialhilferegelsätze für Kinder sorgen muss.’ Bei diesem speziellen Kinderbedarf müsse insbesondere die Teilnahme an der Mittagsverpflegung in Ganztagsschulen gesichert sowie der Bedarf an besonderen Lehrmitteln für Kinder gedeckt werden.“

Herr Kollege Wilp, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich habe nur fünf Minuten Zeit, und wir sind schon spät dran; das können wir hinterher im Ausschuss machen.

Also nein.

Nach dem Bundesratsbeschluss ist nun der Bund gefordert zu handeln.

Wenn es um den Elternanteil an der Lernmittelfreiheit geht, so ist festzuhalten: Nach der Lastenverteilung im Schulgesetz zählen die Kosten der Lernmittelfreiheit zu den Sachkosten, die nicht das Land, sondern die Schulträger, also in der Regel die Kommunen, zu tragen haben. Sie wissen auch, dass es bislang in dieser Frage keine einheitliche Position der kommunalen Spitzenverbände gegeben hat. Die Kosten jetzt dem Land zu übertragen, das ist zu einfach. Damit wird die Zuständigkeit wiederum vermischt. Das wollen wir so nicht.

Im Übrigen haben viele Kommunen beziehungsweise Schulen konkrete und effektive Lösungen gefunden. Aus Gesprächen mit Schulleitern meiner Region weiß ich, dass kein Kind ohne die erforderlichen Schulbücher geblieben ist. Auch diese Feststellung gehört zu einer umfassenden Betrachtung, …

Herr Kollege.

… die wir in den Ausschüssen noch weiter vertiefen können. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wilp. – Für die SPD-Fraktion hat Kollege Trampe-Brinkmann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wilp, so macht man sich einen schmalen Fuß: Verantwortung nach Berlin abschieben und so tun, als wenn man hier vor Ort damit nichts zu tun hätte.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die heutige Debatte um die Lernmittelfreiheit wäre unnötig, wenn die Schulministerin ihren Erklärungen endlich einmal Taten folgen lassen würde. Aber wie so häufig in den letzten drei Jahren blinkt die schwarz-gelbe Koalition links, um dann doch rechts abzubiegen. Dies tut diese Landesre

gierung immer dann besonders gerne, wenn es um das Geld anderer Leute geht.

Einige Beispiele gefällig? Der Verfassungsgerichtshof in Münster stellt fest, dass die Kommunen allein 2006 450 Millionen € zu viel in den Fonds „Deutsche Einheit“ eingezahlt haben, und die Überzahlungen setzen sich 2007/2008 fort, ohne dass diese Landesregierung bisher eine grundsätzliche Lösung vorgestellt hat.

Den Kommunen wird Geld aus den allgemeinen Zuweisungen gestrichen und der Bildungspauschale zugeschlagen, und man versucht, uns dieses als Mehrwert für Bildung zu verkaufen.

Es gibt Förderrichtlinien für den Ausbau der offenen Ganztagsgrundschulen, und diese Landesregierung ändert im laufenden Verfahren die Richtlinien, um ihr Programm der Ganztagshauptschulen zu finanzieren, und lässt die Kommunen vor Ort mit diesen finanziellen Lasten allein.

All das hat mit ehrlicher und transparenter Haushaltspolitik nichts mehr zu tun und belastet die Kommunen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Der ehemals verlässliche Partner Land ist nunmehr zur unberechenbaren Größe im Haushaltsplan eines jeden Kämmerers geworden.

Als Vater von vier Kindern weiß ich genau, welche Belastungen die Eltern in unserem Lande durch die Ausbildung ihrer Kinder zu tragen haben. Neben Schulbüchern, Klassenfahrten bis hin zum Kopiergeld summieren sich diese Kosten zu beträchtlichen Beträgen. Aus diesem Grund ist es umso nötiger, allen Eltern umfassende Unterstützung zukommen zu lassen.

Wie die Grünen in ihrem Antrag richtigerweise darstellen, wurde vor dem Hintergrund einbrechender Steuermittel 2003 der Eigenanteil der Eltern an den Lernmitteln auf 49 % erhöht, auf fünf Jahre begrenzt. Diese Regelung läuft zum 31. Juli 2008 aus, und wir kommen, wie wir damals versprochen haben, zu dem ehemaligen Ausgangspunkt zurück.

Wenn heute in der „Westdeutschen Allgemeine“ Herr Priboschek, der Sprecher des Schulministeriums, erklärt, im Schulgesetz sei klar geregelt, dass die jeweiligen Schulträger, also Kommunen oder Kirchen, die Schulbücher für bedürftige Familien komplett bezahlen müssten, dann irrt er. Manchmal ist es hilfreich, in das Gesetz zu schauen. In § 96 Abs. 3 heißt es im letzten Satz:

„Über weitere Entlastungen vom Eigenanteil entscheidet der Schulträger in eigener Verantwortung.“

Hieraus wird ersichtlich, dass die Städte und Gemeinden wieder im Spiel sind, wenn es um freiwillige soziale Leistungen geht. Sie sollten ganz genau wissen, dass Kommunen in der Haushaltsnotlage oder im Haushaltssicherungskonzept dies gar nicht leisten können und dürfen.

Es ist gut, dass Eltern ab dem 1. August dieses Jahres wieder prozentual weniger für die Lernmittel ihrer Kinder bezahlen müssen. Es ist aber auch völlig unverständlich, dass dies wieder zulasten der Kommunen in unserem Land geht. Der Städtetag Nordrhein-Westfalen hat schon am 29. März 2006 davor gewarnt, die Kosten und Konflikte dieser Schulpolitik auf die Kommunen abzuwälzen. Obwohl die Ministerin und ihr Staatssekretär schon im August 2005 ankündigten, die Rechtslage entsprechend anzupassen und die Städte und Gemeinden finanziell und damit verfassungsgemäß zu unterstützen, geschieht bis heute nichts.