Der Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 14/6654, den Gesetzentwurf Drucksache 14/6289 unverändert anzunehmen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPDFraktion, CDU-Fraktion und FDP-Fraktion. Wer ist dagegen? – Das ist Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Keine. Damit ist dieser Gesetzentwurf mit der Stimmenmehrheit von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Grünen angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet.
Meine Damen und Herren, bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, habe ich die unangenehme Pflicht, eine Rüge auszusprechen. Sie betrifft den Abgeordneten Sagel. Er hat in der heutigen Plenarsitzung zu Tagesordnung 6 – das war der Eilantrag – in seinem Debattenbeitrag davon gesprochen, dass es hier Leute gebe, die einen – ich zitiere – „Kopfschuss“ hätten. Das ist nun wirklich eine unparlamentarische und martialische Aussage. Ich muss Sie daher rügen, was ich hiermit tue.
14 Die Versorgung psychisch kranker Inhaftierter in den Justizvollzugsanstalten muss verbessert werden!
Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der Abgeordneten Frau Düker, die schon bereit steht, das Wort. Bitte schön, Frau Düker.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Psychische Störungen sind in den Justizvollzugsanstalten weitaus häufiger anzutreffen als in der Allgemeinbevölkerung. Die Zahlen sind erschreckend. In der letzten Sitzung des Rechtsausschusses sagte ein Vertreter des Justizministeriums, dass nach Schätzungen des Ministeriums ca. 80 % der Inhaftierten psychische Störungen aufweisen.
Eckart Werthebach kommt in seiner „Kommission Gewaltprävention im Strafvollzug NRW“ zu der Aussage, dass 30 % der Inhaftierten harte Drogen
konsumieren. Und nicht zuletzt haben sich bis jetzt, bis zum Mai dieses Jahres, acht der Inhaftierten im nordrhein-westfälischen Strafvollzug das Leben genommen. Wir haben Mai! Selbst die Durchschnittszahl der Selbstmorde pro Jahr, die zwischen zehn und 15 liegt, ist in den Justizvollzugsanstalten fünfmal höher als in der Allgemeinbevölkerung.
Das sind alles Rahmenbedingungen, bei denen man sich fragt: Sind unsere Justizvollzugsanstalten richtig aufgestellt, um mit diesem Phänomen umzugehen? Wir kommen zu der Erkenntnis, dass dies nicht der Fall ist. Schaut man sich die Zahlen an, wird das, glaube ich, sehr schnell deutlich. Wir haben zurzeit 130 Psychologinnen und Psychologen in unseren Justizvollzugsanstalten und ein Soll von bis zu 18.500 Gefangenen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist, was diesen Fachdienst angeht, bei Weitem nicht ausreichend, um mit diesem Phänomen adäquat umgehen zu können.
Hinzu kommt, dass – wir finden das in dem ersten Jahresbericht des Ombudsmanns für den Strafvollzug NRW, Söhnchen, dokumentiert – die Kolleginnen und Kollegen im allgemeinen Vollzugsdienst selber sagen, dass sie auf dieses Klientel in den Anstalten nicht richtig vorbereitet sind. Sie sagten dem Ombudsmann, dass sie eine speziellere Ausbildung und mehr Fortbildung brauchen, um mit diesem sich immer weiter verschärfenden Problem in den Anstalten klarzukommen.
Nicht ohne Grund – auch das zeigt der Bericht – ist die Krankenrate der Justizvollzugsbeamten exorbitant hoch. Da schlägt sich, denke ich, nieder, dass eine Überforderung gegeben ist und dass die Beamten sagen, dass sie mehr Handwerkszeug brauchen.
Die Ministerin hat fünf ganze Planstellen in diesem Jahr für den psychologischen Dienst zusätzlich zur Verfügung gestellt. Fünf plus! Frau Ministerin, auch als Note wäre das wahrscheinlich angemessen, denn das reicht bei Weitem nicht aus.
Wir finden es richtig, dass in diesem Bereich überhaupt mehr Stellen zur Verfügung gestellt werden, aber wir müssen – das sagen die Fachleute, wie Sie auch wissen –, um angemessen die Gefangenen betreuen zu können, im Erwachsenenvollzug zu einem Schlüssel von 1:100 und im Jugendvollzug zu einem Schlüssel von 1:50 bis 1:70 kommen. Das sagen uns die im Knast tätigen Psychologinnen und Psychologen. Damit haben wir im Justizvollzug eine Unterdeckung von mehr als 50 Stellen.
Ich zitiere dazu Thorsten Verrel, Professor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. In einer „ddp“-Meldung vom 13. Mai sagt er:
„Wir brauchen mehr Psychologen, aber auch psychologisch geschulte Vollzugsbeamte, da sie den intensivsten Kontakt zu den Gefangenen haben, mögliche Anzeichen für Suizidgefahren am frühesten erkennen und im Idealfall Ansprechpartner bei persönlichen Sorgen und Problemen sein können.“
Auch die Landesarbeitsgemeinschaft der Vollzugspsychologen und Vollzugspsychologinnen schlägt Alarm. Sie kommt zu der Einschätzung, dass die Versorgung von psychisch auffälligen Gefangenen in den Gefängnissen des Landes dringend verbessert werden muss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen – ich sage das immer wieder auch für den gesamten Landtag – nicht weiter wegschauen bei dem, was in unserem Strafvollzug los ist.
Wir müssen hinsehen. Wir müssen zumindest diese Probleme offen eingestehen, dürfen sie nicht tabuisieren und dürfen nicht wegschauen. Wir haben, was die Versorgung psychisch kranker Inhaftierter angeht, eine desolate Unterversorgung. Dass wir das nicht morgen alles in einem Streich verbessern können, ist uns klar. Wir müssen aber zumindest darüber eine ehrliche Debatte führen, dass diese Situation so nicht fortbestehen kann und dass wir ein Gesamtkonzept brauchen und nicht mal hier ein Kriseninterventionsteam und da mal eine kleine Maßnahme. Wir brauchen vielmehr ein Gesamtkonzept, mit dem die Situation verbessert wird. Ein solches Gesamtkonzept liegt zurzeit nicht vor. Das fordern wir mit unserem Antrag. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es muss klar gesagt werden: Die Betreuung Inhaftierter mit psychischen Störungen in den Justizvollzugsanstalten von Nordrhein-Westfalen ist heute deutlich
CDU und FDP haben seit dem Jahr 2005 den Strafvollzug gestärkt und ihm einen politischen Stellenwert gegeben, den er unter Rot-Grün schlichtweg nicht hatte. Wir haben eine Personaloffensive eingeleitet, um den von der abgelösten Landesregierung begonnenen Personalabbau im Vollzugsdienst zu stoppen. Wir haben die Fachdienste gestärkt, und wir werden sie weiter stärken. Wir schaffen neue Haftplätze, und wir verbessern die bauliche Situation in den Strafanstalten. Man kann deshalb nur sagen, Frau Düker: Wie gut, dass wir hinsehen.
Seit 2007 gibt es acht ambulante psychotherapeutische Einrichtungen. Die Zahl der Haftplätze, für die eine ambulante Sozialtherapie angeboten werden kann, wurde in den letzten Jahren verdoppelt. Vor zwei Jahren wurde im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg eine eigene psychotherapeutische Abteilung mit 30 Betten eröffnet. Unter Rot-Grün gab es diese Abteilung nicht.
Es dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass die Landesregierung bereits den genauen Bedarf für die Zahl der Belegbetten in Fröndenberg prüft und ein Organisationsgutachten in Auftrag gegeben hat.
Nicht zu vernachlässigen ist die qualifizierte Arbeit der Justizvollzugsbediensteten – da widerspreche ich der Kollegin Düker –, die tagtäglich mit den Gefangenen unmittelbar zu tun haben und mit hoher Einsatzbereitschaft durchaus erkennen, ob jemand in die psychische Betreuung gehört oder nicht. Die Strafvollzugsbediensteten führen Gefangene, die derartige Auffälligkeiten zeigen, unverzüglich dem psychologischen Dienst zu. Daran besteht kein vernünftiger Zweifel.
Es gibt auch keinen Zusammenhang zwischen den zu beklagenden Suiziden der letzten Wochen und der psychosozialen Betreuung der Inhaftierten. Wir wissen aus der Sitzung des Rechtsausschusses am 7. Mai, dass die verstorbenen jungen Männer engmaschig psychologisch betreut wurden und es keine Anhaltspunkte für eine Suizidgefahr gegeben hat. Organisatorische Mängel sind nicht festzustellen.
Nun geht der Antrag der Grünen über diese Suizidfälle hinaus. Es ist allgemein von Sozialtherapie die Rede und davon, dass die Versorgung psychisch Kranker verbessert werden müsse. Darüber kann man selbstverständlich im Ausschuss sachlich und fachlich reden, aber auf der Basis von Fakten. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, was in der Zwischenzeit alles auf den Weg ge
Wo ist die Begründung dafür, dass mehr als 130 Beschäftigte im psychologischen Dienst eine ausreichende Versorgung der von psychischen Problemen Betroffenen nicht gewährleistet? Wo ist das eigentlich belegt? Ich frage mich, wie diese Aufgabenwahrnehmung unter der rot-grünen Landesregierung mit nur 115 Beschäftigten sichergestellt worden ist. Zum damaligen Zeitpunkt lag übrigens die Suizidrate um einiges höher als heute.
Wenn wir die Überweisung des Antrages in den Rechtsausschuss beschließen, kann ich nur sagen, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ihren Antrag noch erheblich nachbessern muss, wenn er eine zielführende Diskussionsgrundlage sein soll. Es geht nicht darum, mit Allgemeinplätzen zu argumentieren. Sie müssen sich schon mächtig anstrengen, wenn sie mit ihrem Pauschalgetöse auch nur annähernd an das heranreichen wollen, was die Landesregierung bisher im Strafvollzug geleistet hat. Wir haben im Übrigen das Vertrauen, dass sich die von der Justizministerin eingeleiteten Maßnahmen, wie zum Beispiel die Ausweitung der Gesprächsangebote, positiv auch für die unerkannt psychisch kranken Inhaftierten auswirken werden.
Die Ministerin hat deutlich gemacht, dass organisatorische Mängel im Bereich der Versorgung der Inhaftierten nicht vorliegen. Auch die tragischen Selbsttötungsfälle der vergangenen Wochen haben an diesen Feststellungen nichts geändert. Ihr Antrag ist daher aus unserer Sicht überflüssig. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob dieser Antrag überflüssig ist, darüber wollen wir gerade diskutieren. Wir meinen nicht. Ich denke, er geht auch viel weiter als das, was wir an Krisen, an Suiziden im Vollzug haben, was wir im Übrigen auch in der Vergangenheit hatten. Damit will ich das nicht relativieren. Wir haben darüber im Ausschuss gesprochen. Da muss man zunächst einmal das Protokoll nachvollziehen, ob noch offene Fragen sind. Für uns ist das noch nicht vollständig beantwortet.
Aber hier geht es um ein Gesamtkonzept, um eine Gesamtsicht, was die Versorgung psychisch kranker Gefangener betrifft. Man kann das aus
weiten, aber das steht nicht im Antrag. Hier steht nicht etwas über Gespräche usw., sondern über die Versorgung psychisch Kranker. Da geht es um eine bedarfsgerechte Versorgung. Das kann nur unterstützt werden.
Erstens geht es um die psychiatrische Abteilung. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es keine psychotherapeutische Abteilung, auch wenn dort Psychotherapie angeboten wird. Dann geht es um sozialtherapeutische Anstalten und Abteilungen, schließlich um den psychologischen Fachdienst und viertens um Fortbildung.
Wir haben dankenswerterweise eine psychiatrische Abteilung nach längerer Vorbereitung, nach einer Vorlaufphase auch in Werl, auch wenn eine solche Abteilung aus nachvollziehbaren Gründen zunächst nicht an die somatische Klinik in Fröndenberg angegliedert werden sollte.