Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

Und deshalb will ich die Landesregierung zu zwei Bereichen ganz konkret fragen. Ich habe bei dem Gespräch mit den Kammern den eindeutigen Eindruck gehabt, dass sowohl Industrie- und Handelskammern als auch Handwerkskammern kein Kammermodell befürworten. Ganz ausdrücklich wird von den Kammern gesagt: Wir wollen kein Modell, keine Lösung, die uns allein verantwortlich macht. – Von daher ergibt sich in der Logik die Forderung nach einem Kooperationsmodell.

Die Frage an die Landesregierung lautet daher: Wie bewerten Sie das? Wie ist die Tendenz der Landesregierung? Gibt es vor allen Dingen eine Einigung bzw. Verständigung zwischen der Wirtschaftsministerin und dem Innenminister?

Beim Stichwort Innenminister will ich gleich eine zweite Frage anschließen. Ich nehme Bezug auf die Plenardebatte am 3. Mai 2007. Ich hatte eine Zwischenfrage an Frau Thoben gestellt. Die Mi

nisterin antwortet ausweislich des Plenarprotokolls – ich darf zitieren –:

„Bei den einheitlichen Anlaufstellen, Herr Kuschke, haben wir zum Beispiel die schwierige Frage zu beantworten, dass wir, je nachdem, wo wir sie hingeben, wegen des Konnexitätsprinzips sofort Mittel wieder bereitstellen müssen, wenn wir eine andere Organisationsform finden, möglicherweise deutlich weniger.“

Das ist die Frage, die ich heute auch an die Kammern stellte: Welchen Eindruck haben Sie hinsichtlich der Kosten? – Ein Teil wird über Gebühren aufgefangen, ein anderer Teil wird durch Synergieeffekte aufgebracht; so argumentieren die Kammern. Möglicherweise brauchen sie aber zusätzliches Personal.

Die Kommunen haben in der Anhörung gesagt: Wir kommen mit den eigenen Mitteln aus. – Dahinter setze ich ein Fragezeichen. Insofern stellt sich vom Grundsatz her die Konnexitätsfrage.

Meine Frage konkret an die Landesregierung: Frau Ministerin Thoben, es ist seit dem 3. Mai 2007 ein Jahr vergangen. Wie bewerten Sie auch vor dem Hintergrund der Frage, die Sie damals zum Komplex Konnexität selbst thematisiert haben, die Frage, welches Modell das geeignete ist?

Ich denke, man muss die Sache mit Engagement, aber ruhig und sachlich diskutieren. Wir müssen zu einer vernünftigen Lösung kommen. Ich will für meine Fraktion deutlich erklären: Nachdem die Kammern selbst erklärt haben, dass sie kein Kammermodell favorisieren, sind wir offen für ein gut gestaltetes, zukunftsweisendes und konstruktives Kooperationsmodell. Wir würden uns über eine intensive, engagierte Debatte heute freuen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Kuschke. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau von Boeselager.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Kuschke, als ich den Antrag mit diesem gewaltigen Titel „Intransparenz schafft Misstrauen – Kommunen bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie einbeziehen“ vor mir liegen sah, habe ich mich gefragt,

(Edgar Moron [SPD]: Überfordert Sie das?)

was daran so wahnsinnig dringend sein soll.

(Edgar Moron [SPD]: Das können wir Ihnen erklären! – Markus Töns [SPD]: Nur zuhö- ren!)

Zum einen haben Sie in Ihrer Rede dauernd die Ministerin angesprochen und gesagt, dass Sie Fragen an sie hätten. Ich denke, diese hätten Sie auch ohne den Antrag beantwortet bekommen.

Zum anderen haben Sie Sorge, dass das Parlament nicht rechtzeitig eingebunden wird. Ich denke, wir haben hier sehr deutlich gemacht …

(Carina Gödecke [SPD]: Das Ganze haben wir im Hauptausschuss rauf- und runterdisku- tiert! – Gegenruf von Ministerin Christa Tho- ben: Warum stellt ihr dann einen Antrag? – Gegenruf von Carina Gödecke [SPD]: Weil die Zusagen nicht eingehalten wurden! Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie es verstan- den!)

Zugehört habe ich sehr wohl, und bisher wurde auch alles eingehalten. Also, aus unserer Sicht können wir Ihre Kritik überhaupt nicht nachvollziehen. Wir sehen das Ganze als zum falschen Zeitpunkt dargestellt und betrachten es als Aktionismus.

(Markus Töns [SPD]: Unglaublich!)

Sie weisen in Ihrem Antrag selbst darauf hin, dass die Landesregierung

(Wolfram Kuschke [SPD]: Wir können eine Sondersitzung des Parlaments in der Som- merpause machen!)

das „Planspiel Einheitliche Ansprechpartner NRW“ aufgelegt hat und dass es gemeinsam mit den Kommunen und den Kammern in der Zeit von November 2007 bis zum Februar 2008 durchgeführt wurde; das haben Sie eben betont.

(Markus Töns [SPD]: Ist die Landesregierung nicht in der Lage, einen Bericht zu erstel- len?)

Entgegen Ihrer Aussage, dass das Planspiel ein klares Ergebnis geliefert habe, muss aus objektivem Blickwinkel festgehalten werden, dass das eben nicht der Fall war.

Die Landesregierung hat bereits sehr frühzeitig nach Beendigung und Auswertung des Planspiels verdeutlicht, dass nur ein Drittel der Fragen, die für die Entscheidung über die Verortung des einheitlichen Ansprechpartners notwendig sind, mithilfe des Planspiels beantwortet wurde. Es ist aus unserer Sicht deshalb unerlässlich, dass auch die Ergebnisse eines seitens der Landesregierung an die kommunalen Spitzenverbände und Kammern

versendeten Fragenkatalogs in die Entscheidung mit einfließen.

Die Erörterung des Gesamtkomplexes ist zum jetzigen Zeitpunkt sowohl innerhalb der Landesregierung als auch im Parlament als auch im Dialog mit den relevanten Akteuren noch nicht abgeschlossen. Eine Vorfestlegung auf die Kommunen oder die Kammern verbietet sich daher aus unserer Sicht zum jetzigen Zeitpunkt – damit das ganz klar ist.

Ich weise gerne noch einmal auf die Anhörung im Hauptausschuss am 8. Mai dieses Jahres hin – das ist ja noch nicht so lange her –, im Rahmen derer wir uns von allen Seiten Argumente angehört haben und uns die jeweiligen Standpunkte vortragen ließen. Es ist wichtig, dass wir noch einmal feststellen, dass auf der einen Seite die Kommunen darauf hingewiesen haben, dass eine bestehende Bündelungsfunktion sehr effektiv genutzt werden kann, und dass auf der anderen Seite die Kammern deutlich gemacht haben, dass sie über sehr viel Know-how verfügen und an einer Zusammenarbeit mit sämtlichen Dienstleistern interessiert sind. Wir haben uns auch darüber unterhalten, was in anderen Ländern auf diesem Gebiet diskutiert wurde und welche Erfahrungen schon gesammelt werden konnten.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Killewald?

Ja, gerne.

Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Kollegin, können Sie mich darüber aufklären, wann denn die Auswertung der Anhörung im Hauptausschuss stattgefunden hat und welches das Ergebnis dieser Auswertung war?

Die Anhörung hat stattgefunden, und auf die Auswertung warten wir noch.

(Zuruf von der SPD: Ah!)

Ja gut, die Anhörung war am 8. Mai. Heute haben wir den 5. Juni. Ich denke, damit liegen wir im Zeitplan. Da muss man sich nicht aufregen. Ich habe schon andere Anhörungen erlebt, in denen das auch nicht schneller erfolgt ist. Ich weiß deshalb nicht, was es jetzt zu beklagen gibt. Für die

Umsetzung haben wir ja auch noch bis zum Jahr 2009 Zeit.

(Norbert Killewald [SPD]: Es geht um das Verständnis!)

Man kann natürlich in jeder Suppe ein Haar finden. Nur ist die Sache für die Zukunft so wichtig, dass man sie nach allen Seiten hin ausleuchten und sich nicht unter Zeitdruck setzen sollte.

(Carina Gödecke [SPD]: Gilt das auch für das Kabinett?)

Das Kabinett wird sich damit schon rechtzeitig befassen. Die Ministerin wird dazu bestimmt gleich etwas sagen.

Herr Kuschke, Sie haben schon viele Fragen an die Ministerin gestellt. Einige dieser Fragen haben Sie schon beantwortet bekommen. Wenn ich es Ihrer Rede richtig entnommen habe, haben Sie eben selbst gesagt, dass Sie auch noch nicht zu einem ganz eindeutigen Entschluss gekommen sind. Zumindest habe ich Sie so verstanden, dass Sie alles noch ausloten. Ich weiß gar nicht, warum Sie uns jetzt so treiben wollen. Wir müssen uns sehr wohl überlegen, was für dieses große Land Nordrhein-Westfalen zum Schluss am effektivsten ist und sich am besten umsetzen lässt.

Sie werden diese Thematik in einer der nächsten Ausschusssitzungen wieder vorfinden. Dann wird uns die Auswertung vorliegen, und wir sind als Parlament aufgefordert, uns eine Meinung zu bilden und sie der Frau Ministerin vorzulegen. Ich denke, dass sich das Kabinett damit ausgiebig beschäftigt und wir zu einer für das gesamte Land sehr interessanten Lösung kommen werden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau von Boeselager. – Für die FDP-Fraktion hat das Wort Herr Kollege Engel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kuschke, Sie haben vorhin richtig wiedergegeben, dass die Landesregierung meines Erachtens mit den Ergebnissen des Planspiels, das im Februar beendet wurde, nicht zufrieden war. Im Mai-Plenum haben Sie von Frau Ministerin Thoben auf Ihre Mündliche Anfrage gehört, dass im Rahmen des Planspiels nur etwa ein Drittel aller Fragen beantwortet worden ist. Ergebnis: Das Thema ist noch nicht entscheidungsreif.

Genauso hatte das meines Erachtens auch Frau Ministerin Thoben gesehen. Deshalb war es unserer Auffassung nach auch richtig, dass die Landesregierung im März einen ergänzenden Fragenkatalog an die Verbände versandt hat, um noch zu erfahren, wo eine Verortung des einheitlichen Ansprechpartners am besten erfolgen soll.

Die Zeit drängt; das ist klar. Die EUDienstleistungsrichtlinie ist seit Ende 2006 auf dem Weg, um endlich den freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu gewährleisten, damit einerseits ein stärkeres Zusammenwachsen der Völker in Europa erfolgt und dies andererseits zu mehr Wirtschaftswachstum und der Schaffung neuer Arbeitsplätze führt.

Zugegebenermaßen haben wir noch bis zum 28. Dezember Zeit. Aber langsam wird es auch höchste Zeit, die EU-Dienstleistungsrichtlinie und mit ihr die Verortung eines einheitlichen Ansprechpartners umzusetzen.

Ich teile daher ausdrücklich die Meinung von Ministerin Thoben, dass nun zügig eine Entscheidung getroffen werden muss, damit noch ausreichend Zeit für eine Implementierung bleibt. Diese Entscheidung muss aber ganz klar mit Bedacht getroffen werden. Es gilt: Qualität vor Schnelligkeit! Immerhin geht es um einen einheitlichen Binnenmarkt innerhalb Europas, der sich damit beschleunigt und den wir damit vollenden wollen.

Ich denke, dass wir gerade mit der Umsetzung dieser EU-Dienstleistungsrichtlinie unserem Ziel näherkommen, die Leistung zum Kunden zu bringen. Denn Potenzial liegt in der Neugestaltung vor allen Dingen der Prozesse im Backoffice-Bereich. Es geht um integriertes E-Government, also die Integration von Verwaltungshandeln. So ist die Verflechtung mehrerer Instanzen zur Integration von Geschäftsprozessen bisher auch aus organisatorischen Gründen getrennter Verfahren möglich. Auch fachlich zusammenhängende Abläufe von Prozessketten können zusammengefasst werden. Die öffentliche Hand wird insgesamt schneller, kostengünstiger und darum wiederum wirtschaftsfreundlicher arbeiten können.