Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

Wir werden in der Debatte über die Maut gleich noch einmal darauf zurückkommen. Aber es gibt etwas, womit wir uns beschäftigen müssen und wobei wir es uns nicht so einfach machen können wie Teile der verladenden Wirtschaft oder der Bundeswirtschaftsminister. Das ist die Frage: Welche Kosten muss der Verkehr – in diesem Fall der LKW-Verkehr – tatsächlich übernehmen, damit er a) die Wegekosten und b) auch die externen Kosten deckt, die aufgrund von Unfällen und Umweltverschmutzung ganz erheblich sind?

Wenn wir uns dieser Frage ernsthaft nähern, kommen wir, glaube ich, nicht an einer Debatte über eine anders gestaltete und auch deutlich höhere Maut nicht herum.

Mit der Debatte und mit der Antwort auf die Anfrage ist klar: Diese Landesregierung gibt zwar Antworten, aber sie sind faktisch ohne Substanz. Diese Landesregierung nimmt sich des Problems nicht an. Diese Landesregierung hat, glaube ich, das Problem in weiten Teilen überhaupt noch nicht erkannt. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Ortgies.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die grüne Fraktion hat eine sehr umfangreiche Große Anfrage zu dem Thema „LKW-Verkehr in NordrheinWestfalen“ gestellt. Eine noch umfangreichere Antwort der Landesregierung liegt uns vor. An dieser Stelle sei ein herzlicher Dank für die Fleißarbeit gesagt, die darin steckt.

Über die Ergebnisse diskutieren wir heute. Die Anfrage dient wohl dazu – das hat auch die Rede des Kollegen Becker gezeigt –, den LKW-Verkehr insgesamt in Frage zu stellen. Das wird Ihnen damit nicht gelingen. In Ihrer Fragestellung geht es auch um die mangelnde Nachhaltigkeit des

Güterverkehrs, oder Sie implizieren in einer Frage die Benachteiligung der Schiene gegenüber der Straße.

Ich darf dazu ausdrücklich sagen: Die CDU/FDPKoalition setzt sich für eine integrative Verkehrspolitik ein, die alle Bereiche einbezieht. – Auch das ist ein Zitat aus der Antwort: Der freie Warenaustausch innerhalb der EU ist „eine notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung“ – wie natürlich auch für unser aller Wohlstand. Dem ist kaum etwas hinzuzufügen. Das bedeutet, dass wir den Güterverkehr über alle Verkehrswege – also Straße, Schiene und Wasser – führen müssen, statt einseitig Zweige zu bevorzugen.

Die Güterverkehrsleistung – Sie haben das gelesen – wird bis 2025 laut ProgTrans-Studie insgesamt um 71 % steigen. Nur mit einer vorwiegenden Verlagerung auf Schiene und Binnenschifffahrt ist das sicherlich nicht machbar – erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass der Straßengüterverkehr in dem genannten Zeitraum sogar um 79 % steigen wird. Dabei sind die Transitstrecken in Richtung Osten, wie die A 2 und die A 44, sicherlich noch wesentlich höher belastet. Gott sei Dank ist der Eiserne Vorhang vor fast zwanzig Jahren gefallen. Aber Nordrhein-Westfalen ist dadurch auch zum Teil zu einem Transitland geworden.

Natürlich wird die Landesregierung den Ausbau der Schieneninfrastruktur vorantreiben. Das beste Beispiel dafür ist der Eiserne Rhein. Aber die Schiene kann natürlich nicht die Straße als hauptsächlich genutzten Verkehrsweg ersetzen. Sie haben möglicherweise recht, wenn Sie sagen, dass der Transport von Gütern von einem Ballungsgebiet zum anderen vorwiegend auf der Schiene durchgeführt werden sollte. Nur ist es schlecht möglich, das effektiv zu handhaben, weil man auf der Schiene nicht jeden Ort erreichen kann und nicht jeder Ort einen ausreichenden Schienenanschluss hat.

(Zuruf von der SPD)

Dazu kommt, dass viele Güterbahnhöfe von der Bahn – Sie kennen die Problematik – aus Kostengründen geschlossen wurden. Schon allein deshalb kann der LKW-Verkehr nicht so behindert werden, wie Sie das gerne hätten.

Die Vorschläge für eine progressive Maut treffen die ohnehin schon unter hohem Wettbewerbsdruck stehenden Speditionen. Zudem fördern Sie das Ausweichen der LKW auf Bundes- und Landstraßen. Der Transport von Massengütern wie Kies, Schrott oder auch Kohle wird auch heute

schon vorwiegend mit Schiff oder Bahn bewältigt. Beim Stückgut oder bei termingebundenen Transporten hat der LKW-Verkehr aufgrund der Flexibilität einen uneinholbaren Vorteil.

Ihr Vorschlag, Kosten für die Einrichtung neuer Parkmöglichkeiten den deutschen Speditionen aufzubürden – das wurde in der letzten Plenarsitzung in einem Antrag von Ihrer Seite gefordert –, würde zu einem weiteren Wettbewerbsnachteil der deutschen Spediteure gegenüber den ausländischen führen.

Fakt ist, dass die Landesregierung gewillt ist, etwas zu unternehmen. Das haben wir auch in ihrer Antwort auf die Große Anfrage lesen können. So soll der Bau neuer Park- und Rastmöglichkeiten für die LKW an besonders stark frequentierten Strecken wie der A 2 oder A 44 vorangetrieben werden. Das sind Sachen, die Sie während Ihrer Regierungszeit lange versäumt haben und die dazu geführt haben, dass wir jetzt vor dieser Problematik stehen: LKW-Fahrer können ihre Ruhezeiten nicht einhalten und sind gezwungen, Autobahnen zu verlassen und teilweise in Wohngebieten zu parken.

Weitere Sicherheitsmaßnahmen, die lange versäumt worden sind, sind eingeführt worden. Das ist beispielsweise die schrittweise Einführung eines LKW-Überholverbots an Gefahrenstellen. Inzwischen sind schon 430 km von 2.180 km Autobahnnetz mit einem Überholverbot für LKW belegt. Sicherlich ist über eine Ausweitung – besonders auf zweispurigen Autobahnen – nachzudenken.

Genauso sieht es beim Ausbau und der Verbesserung der Bundesfernstraßen aus. Wir haben es schon des Öfteren zitiert: Das Bauvolumen hat sich seit 1996 von 480 Millionen € auf heute 900 Millionen € nahezu verdoppelt.

Sie haben in Ihrer Regierungszeit den LKWVerkehr stiefmütterlich behandelt und stellen jetzt als Opposition die Nachhaltigkeit infrage. Das kann man nicht akzeptieren und auch nicht so ganz ernst nehmen.

In einer anderen Antwort heißt es: Ziel der Landesregierung in der nordrhein-westfälischen Verkehrspolitik ist es, die Mobilität für Wirtschaft und Gesellschaft zu sichern, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Nordrhein-Westfalen zu verbessern und zugleich die Lebensqualität zu steigern.

Bei aller gegebenen Notwendigkeit von Mobilität müssen wir natürlich darauf achten, dass die Schadstoffbelastung durch den Güterverkehr zurückgeführt wird. Aus diesem Grund sprechen wir

uns auch dafür aus, regionale Märkte wie zum Beispiel bei der Nahrungsmittelerzeugung zu unterstützen, um längere Transportwege zu vermeiden. Es hilft niemandem, Nahrungsmittel, die hier vor Ort erzeugt werden könnten, aus weiten Entfernungen heranzukarren. An der Stelle müssen wir auch ansetzen. Wir schlagen praktisch zwei Fliegen mit einer Klappe und bringen Umweltschutz und Wirtschaftspolitik zusammen.

Auch die Bundesregierung ist aktiv geworden. Gerade heute hat das Kabinett beschlossen, die Maut für schadstoffintensive LKW zu erhöhen.

Wir als CDU/FDP-Koalition sprechen uns für eine nachhaltige Gestaltung und Förderung des Güterverkehrs aus, da dieser für Nordhrein-Westfalen eine immense wirtschaftliche Bedeutung hat. Das bringen wir aber auch in Einklang mit den Interessen des Umweltschutzes. Wir suchen den Konsens und drücken nicht um jeden Preis Ideologien durch. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Ortgies. – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Tüttenberg das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Grünen gibt dem Parlament Gelegenheit, die Gesamtthematik der Güterverkehrslogistik hier politisch anzureißen, wenngleich dies innerhalb weniger Minuten nur schlaglichtartig geschehen kann:

Während der LKW-Verkehr von der Allgemeinheit zweifellos als der problematischste Teil der Gesamtaufgabenstellung wahrgenommen wird, ist er in der Tat aber unlösbar mit den anderen Akteuren verbunden. Aus dieser Unlösbarkeit resultieren geradezu die Beschwernisse, die durch den LKW-Verkehr am augenscheinlichsten etwas ankündigen, nämlich eine Blockade der Logistik in unserem Bundesland.

Die LKW-Verkehrsengpässe sind somit letztendlich auch das Resultat unterbleibender Alternativen mit anderen Verkehrsträgern und der Vernetzung aller Verkehrsträger untereinander.

Die Grünen haben hierzu eine Menge richtiger Fragen gestellt. Interessant ist nun, ob denn die Landesregierung auf diese Fragen die richtigen Antworten gegeben hat bzw. die richtigen Schlussfolgerungen daraus zieht.

Herr Becker hat schon vorgetragen, dass auf viele Fragen nur ansatzweise eingegangen, auf manche im Prinzip in der Substanz gar nicht geant

wortet worden ist. Sie haben vorliegende Statistiken bemüht. Dafür gebührt den Beschäftigten der Landesregierung das dafür vorgesehene Fleißkärtchen. Ohne Zweifel!

Aber die Frage ist: Haben Sie mit Ihrer Beantwortung insbesondere im Kontext plausibel gemacht, mit welchem Konzept Sie den bevorstehenden „Notstand“ – ich nenne ihn einmal so, zumal dies auch das Ergebnis Ihrer eigenen Statistiken ist – in der Güterverkehrslogisitk vermeiden wollen? Sie selbst schreiben: Bis zum Jahr 2025 wird – bezogen auf das Rechnungsausgangsjahr 2004 – die Leistung im Straßengüterfernverkehr alleine um 84 % steigen.

Uns würde deshalb schon interessieren, was denn nun die Landtagsmehrheit – insbesondere die CDU, die in der Mehrheit der Kommunen und der Kreise regiert, den Chef der Landesregierung und die Chefin der Bundesregierung stellt – daraus an Konsequenzen zieht.

(Beifall von SPD und Horst Becker [GRÜ- NE])

Wie sieht denn Ihr Konzept aus, um den drohenden Stillstand auf den Straßen und damit in der Logistik insgesamt abzuwehren? – Es reicht eben nicht aus zu erklären, was irgendeine Vorgängerregierung angeblich versäumt oder falsch gemacht hat. Es reicht ebenfalls nicht aus, so zu tun, als hätte in Berlin in der Bundesregierung die immerhin mit Richtlinenkompetenz ausgestattete Bundeskanzlerin nur eine Randrolle und wären irgendwelche Fachminister der SPD oder frühere Fachminister von SPD und Grünen für alles Übel in der Republik verantwortlich.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Das ist die Rollenverteilung!)

Mit solchen Nebenkriegsschauplätzen können Sie die Regierungsfähigkeit nicht unter Beweis stellen.

(Beifall von der SPD)

Stellen Sie wenigstens heute einmal dieses eingefahrene Konzept um, legen Sie die übliche Wahlkampfplatte weg und tragen Sie einmal konzeptionelle Regierungspolitik vor.

(Beifall von der SPD)

Der Kollege Ortgies hat richtigerweise angesprochen, dass es nicht nur um den LKW-Verkehr geht, sondern dass es gerade wegen des LKWVerkehrs um die anderen Verkehrsträger geht. Gehen wir einmal ins Detail und gucken nach, wo andere Verkehrsträger alternativ Logistikpotenzia

le ausspielen können und damit letztendlich die Straße von LKW-Verkehren zu entlasten in der Lage sind.

Sie haben die Bahn erwähnt mit dem Hinweis, dass selbst bei einer deutlichen Steigerung dort – angegeben sind 65 % – keine Entlastung der derzeitigen Situation eintreten kann. Im Gegenteil müsste man – so heißt es – diese Steigerung schon sicherstellen, um beim Straßenverkehr unter der Verdoppelung zu bleiben. Dabei ist noch gar nicht die Frage beantwortet, ob denn die von Ihnen angenommene Steigerung bei der Bahn überhaupt realisierbar ist.

Sie haben den Landtag unter anderem mit den Themen Betuwe-Linie und Eiserner Rhein befasst. Das sind zwei geplante, starke Schienenverbindungen von den Atlantikhäfen zum Rhein mit dem Zweck der Aufnahme einer Unmenge von Gütern. Sie haben sich hier im Plenum breite Zustimmung abgeholt.

Ich frage mich und natürlich auch Sie: Wie nutzen Sie denn diesen Rückenwind, den Ihnen das Parlament – auch aus der Opposition heraus – mit auf den Weg gegeben hat?

(Christof Rasche [FDP]: Frechheit!)

Beispiel: Eiserner Rhein. Da fällt auf, dass Sie uns mit markiger Begründung auf eine neue Trasse gelenkt haben und nun fordern, der Bund solle es richten. Nun gut! Aber wir stellen fest, dass diese Trasse voller Problematiken, auch internationaler Art, ist. Vor allen Dingen Ihre eigenen CDUFunktionsträger vor Ort agitieren gegen genau diese Trasse, die der Landtag auf Ihren Druck hin favorisiert hat.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nehmen wir nun einmal die Wasserstraßen. Über deren Reservepotenziale werden gerne Sonntagsreden gehalten. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde auch über ein von Ihnen verkündetes Hafenkonzept gesprochen. Danach soll eine Menge geschehen, eine Menge kostspieliger Dinge, die aber andere natürlich bezahlen sollen. Selbst die Hafensicherheitskontrolle haben Sie auf Dritte übertragen.