Protokoll der Sitzung vom 28.08.2008

Damals sind alljährlich 5,8 Millionen Unterrichtsstunden ausgefallen, den Schülern entgangen. Dass ausgerechnet die SPD fordert, den Fachlehrermangel endlich zu bekämpfen, ist schon verlogen. Denn Sie wollten, wie gesagt, die 16.000 Stellen, die uns die Demografie schenkt, streichen.

Die zweite Ursache für den Fachlehrermangel in einigen Fächern hat einen ganz einfachen Hintergrund: Es ist ohne Zweifel die gegenwärtig noch positive Wirtschaftslage, die sich auch auf den Arbeitsmarkt für Lehrkräfte niederschlägt. Es ist einerseits zu begrüßen, dass wir wieder viele Menschen in Arbeit bringen können, besonders in den Bereichen Technik, Informatik und Naturwissenschaften. Aber selbstverständlich wissen wir auch, dass die Abwanderung aus dem naturwissenschaftlichen und technischen Bereich in die Wirtschaft unsere Schulen unter Druck setzt. Das gilt in besonderem Maße für die Berufskollegs. Aber die Bedarfsdeckungsquote ist sogar an den Berufskollegs von 100,4 % unter Ihrer Regierungsverantwortung im Jahr 2004/05 auf inzwischen 102,1 % gestiegen. Das ist ein deutliches Plus.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Ich schicke das alles den Berufskollegs! Die freuen sich! – Zuruf von Thomas Trampe-Brinkmann [SPD])

Das heißt: Die Situation, die Sie heute beklagen, war früher, als Sie Verantwortung trugen, viel schlimmer.

Um die Situation nachhaltig zu verbessern, hat das Schulministerium bereits viele sinnvolle Maßnahmen ergriffen: die Erleichterung bei den Einstellungsterminen, die gezielte frühe Ansprache von Abiturienten und Studenten und das Werben um Begeisterung für die naturwissenschaftlichen und technischen Fächer, die Öffnung an den Schulen für nichtpädagogische Kräfte oder das Sprintstudium, das Lehrkräfte gezielt für sehr gefragte Fächer weiterbildet.

Viele dieser Maßnahmen wirken sich positiv aus, können aber ein anderes Manko nicht verbergen. An dem sind vor allem SPD und Grüne nicht unschuldig:

(Sören Link [SPD]: Das kommt jetzt aber ü- berraschend!)

Denn dass heute Lehrkräfte fehlen, ist darauf zurückzuführen, dass Sie seinerzeit nicht genügend Studienplätze zur Verfügung gestellt haben.

(Beifall von der FDP)

Sie haben keine fachgerechte Ausbildung angeboten. Sie wissen doch ganz genau, dass ein Student, der sein Studium im Jahr 2005 aufgenommen hat, wohl kaum im Jahre 2008 dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen kann.

(Sören Link [SPD]: Die haben das vom Re- gierungswechsel abhängig gemacht? – Ge- genruf von Minister Armin Laschet: Jetzt ha- ben sie wieder Zuversicht!)

Für wie doof halten Sie uns eigentlich?

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Seit wann kann ein Lehrer innerhalb von zwei, drei Jahren sein Studium beendet haben? Sie haben es versäumt, eine Lehrerbedarfsprognose zu erstellen. Sie haben dafür gesorgt, dass es nicht genügend Lehrer gibt. Sie haben dafür gesorgt, dass es über lange Zeit keine Einstellungen gegeben hat, sodass wir eine Überalterung des Kollegiums haben, die noch dazu für ein Problem bei der Nachfolge der Schulleitungen sorgt. Hätten wir diese Generation von Lehrern, wäre das Problem jetzt nicht so massiv.

Aber auch das wird sich abmildern, denn die Landesregierung, Frau Ministerin Sommer hat die achtzehnmonatige Beförderungssperre aufgehoben und den Lehrern und Schulleitungen nun endlich das Geld gegeben, das sie verdienen, das sie benötigen und das der Job hergeben muss.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Deswegen sind die Stellen alle unbesetzt!)

Sie haben die Leute 18 Monate lang für kleines Geld arbeiten lassen. Sie haben sie in der Sache befördert – die Arbeit mussten sie tun –, aber nicht das Geld dafür gezahlt. Ist das anständig? Da wundern Sie sich, dass es kaum Nachwuchs gibt? Dass ausgerechnet Sie, die hier noch vor drei Jahren die Verantwortung getragen haben, diese Forderungen stellen und alles wegwischen, als wenn nie etwas gewesen wäre, ist schon wirklich sensationell.

(Beifall von der FDP – Widerspruch von Ute Schäfer [SPD])

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das wird wirk- lich immer schlimmer mit Ihnen!)

Fragen Sie mal diejenigen, die in den Schulen keine Arbeit bekommen haben, die einen hervorragenden Abschluss gemacht und keine Anstellung gefunden haben, die Taxifahrer geworden sind! Warum musste das so sein?

(Zuruf von Thomas Trampe-Brinkmann [SPD])

Weil Sie nicht eingestellt haben. Diese Lehrer fehlen uns bitter.

Ihnen, die die Abwanderung beklagen, sei auch noch gesagt: Bei den Studienseminaren haben wir heutzutage immerhin 30 % mehr Zugänge. Das sind Lehramtsanwärter, die aus anderen Bundesländern kommen. Die Bilanz der Abwanderung gegenüber der Bilanz der Zuwanderung ist für Nordrhein-Westfalen auch positiv. Es kommen immer noch mehr Lehrkräfte zu uns, als in andere Bundesländer abwandern.

Dass wir diese Situation weiter verbessern wollen, ist völlig klar; das stellen wir überhaupt nicht infrage. Wir können Lehrer aber nicht innerhalb von zwei, drei Jahren aus dem Hut zaubern, sondern müssen sie vernünftig ausbilden und erst einmal zum Lehramtsstudium hinführen.

(Ute Schäfer [SPD]: Die lassen Sie abwan- dern! Das ist das Problem!)

Dass wir aber schon viel geleistet haben, mögen Sie daran erkennen, dass heutzutage sehr viel mehr Studenten auf Lehramt studieren, als das zu Ihrer Zeit der Fall war.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Sie erkennen, dass der Beruf des Lehrers in Nordrhein-Westfalen wieder an großer Attraktivität gewonnen hat. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Danke schön, Frau Pieper-von Heiden. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Sommer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich halte die beiden Anträge für Bumeranganträge. Ein Bumerang ist ja ein Gerät, das man in der Hoffnung wirft, ein Ziel zu treffen. Wenn man das Ziel anvisiert, merkt man manchmal nicht, dass der Bumerang zurückfliegt und einem an die Backe klatscht.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das passiert nur schlechten Werfern! Wir sind gute!)

Sie müssen sich wirklich fragen lassen, warum Sie viele Jahre lang nicht genügend Lehrerinnen und Lehrer eingestellt haben. Verständlicherweise verschweigen Sie natürlich gerne, Herr TrampeBrinkmann, dass wir 5.000 neue Lehrerstellen geschaffen haben. Frau Pieper-von Heiden hat eben darauf hingewiesen, dass wir 4.000 Stellen erhalten haben, die wegen sinkender Schülerzahlen eigentlich wegfallen müssten. Dieses Ergebnis kann sich sicherlich sehen lassen.

Blickt man ein Stück weit auf ihre Einstellungspolitik der 80er- und 90er-Jahre zurück, kann man anhand von Tabellen sehen, dass tatsächlich viele Jahre lang keine Lehrerinnen und Lehrer eingestellt worden sind.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Das wirkt sich natürlich auch so aus, dass die Motivation, Lehrerin oder Lehrer zu werden, geringer ist.

Ich möchte noch an einen weiteren Aspekt erinnern: Sie haben Lehrerinnen und Lehrer damals deutlich mehr Stunden arbeiten lassen, anstatt neue Lehrerinnen und Lehrer einzustellen.

(Ute Schäfer [SPD]: Haben Sie das denn zu- rückgenommen? Das können Sie ja jetzt än- dern!)

Auch das wirkt sicherlich nicht motivierend.

Meine Damen und Herren, Sie haben wieder den Mangelfacherlass zum Thema gewählt. Bei den davon potenziell Betroffenen handelt es sich nicht um Tausende, wie Sie fälschlich behaupten. 2007 hätten bei Fortgeltung des Mangelfacherlasses ca. 444 Lehrkräfte mit allgemeinbildenden und ca. 115 mit berufsbildenden Fächern verbeamtet werden können,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Umso unverständli- cher! Auch die sind zu großen Teilen weg!)

die nun in Tarifbeschäftigungsverhältnisse übernommen worden sind.

Frau Ministerin.

Nein, danke. – Das sind in der Summe gerade einmal 600 Lehrkräfte. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, fordern ein Konzept, das den Lehrerberuf in Nordrhein-Westfalen attraktiver gestaltet.

Ich bin der Ansicht, dass er bereits attraktiv ist. Dies zeigen folgende Zahlen: Bei Versetzungen

zwischen Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern haben wir rund 15 % mehr Zugänge als Abgänge. Noch deutlicher sind die Zahlen zum Vorbereitungsdienst: Zum 25. August 2008 gab es 4.250 Bewerbungen für das Referendariat in Nordrhein-Westfalen, davon 1.334 aus anderen Bundesländern. Das ist jeder dritter Bewerber; 2005 war es nur jeder fünfte. Die Lehrkräfte kommen also zu uns. Warum ist dies so? Weil es sich beim Lehrerberuf um einen der wichtigsten und anspruchsvollsten Berufe handelt, die es gibt, einen Beruf, der viel Einsatz und viel Verantwortungsbewusstsein verlangt, der aber auch abwechslungsreich ist und den ganzen Menschen fordert.

Meine Damen und Herren, leider haben wir in einigen Bereichen tatsächlich einen Mangel an Fachlehrern. Diese Entwicklung haben wir als Landesregierung frühzeitig erkannt. Wir haben Maßnahmen ergriffen, um dem Lehrkräftemangel vor allem im ländlichen Raum entgegenzuwirken. Wir haben die Plätze im Vorbereitungsdienst um 2.000 auf 16.000 erhöht. Wir ermöglichen das zweijährige Sprintstudium von Mangelfächern für bereits ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. Wir bieten Zertifikatskurse für bereits ausgebildete Lehrkräfte an. Für das Lehramt an Berufskollegs haben wir durch eine Änderung des Anerkennungserlasses den Seiteneinstieg für DiplomPhysiker, Diplom-Mathematiker und DiplomInformatiker erleichtert. Es gibt jetzt zwei Einstellungstermine in den Vorbereitungsdienst; so ermöglichen wir einen nahtlosen Übergang. Wir legen die Tarifvereinbarung der Länder – ein wichtiger Aspekt – sehr großzügig aus. Mit der Einstellung wird sofort die Stufe 4 einer Entgeltgruppe erreicht, weil wir die berufliche Vorerfahrung großzügig anrechnen. Künftig werden wir verbindliche Einstellungszusagen geben. – Ich erspare mir an dieser Stelle eine weitere Aufzählung unserer Maßnahmen.

Meine Damen und Herren, ich schließe damit: Hätten Sie zu Ihrer Regierungszeit die notwendigen Maßnahmen ergriffen, müssten wir heute nicht über Lehrermangel diskutieren. Das wissen Sie, das weiß ich. – Guten Abend!

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Ministerin Sommer. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung.