Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Antrag geht es uns darum, die Bundesebene aufzufordern, endlich mit der Novellierung der Düngeverordnung und des Düngegesetzes voranzukommen; denn seit 2013 ist von der EUKommission ein Vertragsverletzungsverfahren wegen zu hoher Nitratwerte im Wasser gegen Deutschland eröffnet worden.

Die Zeit drängt, weil hohe Strafzahlungen zu befürchten sind. Aktuell droht auch ein zweites Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstoßes gegen die Wasserrahmenrichtlinie. Auch hier geht es um die hohe Belastung unseres Grundwassers mit Nitrat.

Das Europäische Parlament fordert seit dieser Zeit eine beträchtliche Verringerung der landwirtschaftlichen Ammoniakemissionen und eine Reduzierung der Nitrat- und Phosphatdüngung. Zahlen, wie es in NRW aussieht, liegen vor: erstens aus dem NRWNitratbericht der Landesregierung und zweitens aus der Antwort auf die Große Anfrage. Daraus kann man klare Handlungsbedarfe ableiten.

Gerade in den landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten von NRW sind die Nitratkonzentrationen seit über 20 Jahren gleichbleibend hoch oder auch steigend. 40 % der Grundwasserkörper sind davon betroffen. Deshalb erwarten wir, dass die Bundesebene endlich die Düngeverordnung auf den Weg bringt, damit es hinsichtlich der Nitratbelastung eine rasche und deutliche Reduzierung der Einträge gibt.

(Christof Rasche [FDP]: Rasche? – Heiterkeit von Norbert Meesters [SPD] – Gegenruf von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Rasch, rasch!)

Wichtig ist uns dabei, dass es keine Überregulierung von landwirtschaftlichen Betrieben gibt. Betriebe, die kein erhöhtes Risikopotenzial darstellen, sowie Regionen ohne Nitratprobleme brauchen angepasste Regelungen in der neuen Düngeverordnung.

(Beifall von der SPD)

Die Neuregelungen sollen entsprechend dem Verursacherprinzip gezielt bei denjenigen Betrieben ansetzen, die für die hohen Stickstoffüberschüsse hauptverantwortlich sind.

(Beifall von der SPD – Lebhafter Beifall von Norwich Rüße [GRÜNE])

Dabei dürfen Betriebe, die Weidehaltung betreiben oder Festsysteme nutzen, natürlich nicht benachteiligt werden.

Hier einige unserer Forderungen:

Erstens. Wir fordern wie im Entwurf auf der Bundesebene die Hoftorbilanz.

Zweitens. Wir brauchen einen Datenabgleich.

Drittens. Wir wollen die Länderöffnungsklausel nutzen, fordern aber gleichzeitig, dass der Bund bei der Regelung zur Ausweisung von Risikogebieten die regionalen Besonderheiten berücksichtigt.

Viertens. Diese Risikogebiete – wir meinen damit die Flächen, die beim Grundwasserkörper rot markiert worden sind – müssen rechtssicher definiert und auch abgrenzbar sein.

Fünftens. Standortspezifische Voraussetzungen wie Bodenqualitäten, aber auch Vorbelastungen aus Stickstoffemissionen müssen bei der Düngung zukünftig stärker berücksichtigt werden

Sechstens. Wir wollen veränderte Vorgaben beim Ausbringen von Humusdünger, Rottemist, Festmist und Kompost. Das sind übrigens schon Forderungen von der Bundesebene.

Zum Schluss fordern wir ein nationales Aktionsprogramm zur landwirtschaftlichen Düngung und damit verbunden mehr Forschung und Entwicklung in diesem Bereich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir meinen: Es wird Zeit. Es wird Zeit, zu handeln. Wir wollen und müssen endlich unser Grundwasser und unsere Natur in NRW schützen. Deshalb fordern wir die Bundesebene auf, die Düngeverordnung endlich zu reformieren.

(Karlheinz Busen [FDP]: Richtig!)

Bitte stimmen Sie der Überweisung zu. Wir freuen uns auf die Diskussion im Fachausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Watermann-Krass. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Rüße.

(Karlheinz Busen [FDP]: Sie stimmen be- stimmt zu!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte bei diesem Antrag 30 Jahre zurückgehen. Vor 30 Jahren – das ist in diesem Jahr also ein Jubiläum – erschien das Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen zu den Umweltproblemen in der Landwirtschaft. Das ist ein Buch, das es sich immer noch zu lesen lohnt. Das Spannende an dieser Studie ist, dass sie vor dem Hintergrund entstanden ist, dass es zu Gewässerverunreinigungen mit zu hoher Nitratbelastung gekommen ist. Das war, wie gesagt, vor 30 Jahren.

Schon vor 30 Jahren hat uns dieser Bericht zwei entscheidende Faktoren genannt, woran es liegt, dass wir diese Nitratverschmutzung haben, und wie wir sie in den Griff kriegen können.

Der erste Faktor ist, dass die Landwirtschaft deutlich intensiviert worden ist. Von 1960 bis 1990 ist sie durch ständig steigenden Stickstoff-Input gekennzeichnet. Das heißt, die Bauern haben immer mehr Stickstoff eingesetzt. Seit 1990 ist dieser Input nicht weiter gestiegen, aber auf gleichbleibend hohem Niveau geblieben.

Der zweite Faktor – auch diesen darf man nicht vernachlässigen – ist, dass es auch in der Tierhaltung zu einer Umstellung kam. Die Tiere wurden nicht mehr auf Festmist, auf Stroh, sondern in Güllewirtschaftssystemen und Spaltenbodensystemen gehalten. Das ist ein entscheidender Punkt; denn Gülle verhält sich in der Umwelt anders als Festmist. Gülle ist ein Stoff, der viele leicht lösliche Stickstoffverbindungen, aber nur wenig organischen Stickstoff enthält. Das heißt, im Mist ist der Stickstoff gebunden und wird nicht so leicht freigesetzt. In der Gülle hingegen ist der Stickstoff, genauso wie beim Mineraldünger, leicht löslich. Das ist ein ganz entscheidender Punkt – Herr Rasche, Sie lachen; aber hier können Sie etwas lernen –, warum es in den letzten 30 Jahren seit dieser Umstellung zu der Nitratauswaschung in die Böden hinein kam.

Wir wissen, dass wir dieses Problem insbesondere auf den leichten Böden haben, also genau in den Regionen, in denen die Viehhaltung besonders intensiv ist.

Darüber hinaus – das wurde schon damals beschrieben – erfolgt oftmals ein falscher Umgang mit Gülle. Wir sehen, dass die Einzelgaben zu hoch sind. Gülle wird nicht wie Mineraldünger eingesetzt. Man müsste Gülle eigentlich in kleinen Einzelgaben geben, also immer entsprechend dem Bedarf in der Wachstumsperiode. Es passiert aber oft etwas anderes: Man verwendet am Anfang zum Pflügen viel Gülle, danach schaut man, was verbraucht wird, und ein Teil gelangt unweigerlich ins Grundwasser.

Das Problem, das wir haben, ist leicht beschrieben: Seit Jahrzehnten können wir den EU-Grenzwert für Wasser – 50 mg Nitrat pro Liter – nur schwer einhalten. Wir haben viele belastete Brunnen, gerade Hauswasserbrunnen; wir alle kennen die aktuellen Recherchen des WDR. Das Problem ist vorhanden. Ich will an der Stelle hinweisen, dass die 50 mg/l der Grenzwert sind. Die EU möchte eigentlich, dass ein Grenzwert von 25 mg/l eingehalten wird. 25 mg/l sind also unser Ziel. Aber wir schaffen es nicht einmal, den Grenzwert von 50 mg/l einzuhalten.

Das zweite Problem heißt Pyrit. In der Vergangenheit hatten wir noch das Glück, dass viel Stickstoff im Boden abgepuffert worden ist und nicht ins Grundwasser gelangte. Das war möglich, weil wir im Boden genau diesen Stoff Pyrit haben, der den

Stickstoff bindet und ihn nicht in Grundwasser entlässt. Dieser Zaubervorrat des Bodens, der uns in den letzten Jahrzehnten geholfen hat, ist aber aufgebraucht. Das heißt: Wenn wir uns im Umgang mit Stickstoff nicht verbessern, wird es in Zukunft garantiert nicht besser werden.

Wir wissen also seit 30 Jahren um das Problem. Seit 30 Jahren wissen wir eigentlich auch, wie wir es besser machen könnten.

Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der jetzt vorgelegte Entwurf der Düngeverordnung eine Zumutung für uns alle. Gegen diese Zumutung gab es auch massiven Protest seitens der Wasserwirtschaft, die natürlich sagt: 30 Jahre lang ist nichts passiert, und jetzt soll wieder nicht wirklich etwas passieren.

An dieser Stelle müssen wir betonen: Es geht darum, dass wir unser wichtigstes Lebensmittel, unser Trinkwasser, ausreichend schützen. Die Menschen hier im Land NRW haben auch einen Anspruch darauf, dass wir das tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber, meine Damen und Herren, dabei muss uns der Bund helfen. Der Bund muss endlich eine ambitionierte Düngeverordnung vorlegen. Wir brauchen – das haben wir im Antrag dargestellt – endlich die Hoftorbilanz. Das muss nicht kompliziert gemacht werden, sondern soll für die Bauern handhabbar sein. Die Hoftorbilanz ist aber das Mittel, um wirklich zu sehen, ob die Bilanzen stimmen. Wir müssen genau wissen, was pro Hof effektiv umgesetzt wird und was verloren geht.

Wir brauchen einen besseren Datenaustausch, um endlich zu sehen, wie viel Gülle wirklich entsteht, wie sie verbracht wird und wie sie verwendet wird.

Außerdem ist wichtig, dass wir die Düngeverordnung praxisorientiert gestalten. Wir müssen also das berücksichtigen, was alle Bäuerinnen und Bauern wissen: Auf leichten Böden ist die Auswaschungsgefahr groß, auf schweren Böden ist sie nicht so groß. Das muss doch Berücksichtigung finden.

Ein Punkt ist mir besonders wichtig: Es kann nicht sein, dass die Verluste aus Lagerung und Haltung – die Emissionen aus Stallanlagen machen immerhin 50 kg Nitrat pro Hektar Nutzfläche in den Veredlungsregionen aus – auf Nimmerwiedersehen verschwinden und nirgendwo angerechnet werden.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Ich komme zum Schluss. Wir brauchen eine gute, praxisnahe Düngeverordnung. Das muss jetzt angegangen werden. Wir wollen das mit unserem Antrag anregen. Ich freue mich auf die Diskussion.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Rüße. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Fehring. Bitte schön.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, weshalb Sie diesen Antrag noch zum Ende des Jahres eingebracht haben, ist nur schwerlich nachzuvollziehen. Wir wissen schließlich alle, dass die Düngeverordnung zurzeit in Berlin behandelt wird; Frau Watermann-Krass hat auch darauf hingewiesen. Allerdings befinden sich die Grünen dort, lieber Kollege Rüße, in einer anderen Position. Vielleicht erklärt das den heute vorliegenden Antrag.

Wir haben in Deutschland, wir haben in NRW punktuell Nitratbelastungen in den Gewässern einschließlich des Grundwassers. Das möchte ich nicht schönreden. Hier müssen wir handeln – aber bitte mit Augenmaß.

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rüße zulassen?

Vielen Dank, Herr Kollege Fehring. – Sie haben gesagt, Sie würden nicht verstehen, warum wir diesen Antrag jetzt zum Jahresende stellen. Ich kann Ihnen das ganz einfach erklären: Wir haben überhaupt keine Vorstellungskraft mehr …

(Zurufe von der CDU: Frage!)