Danke schön. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Stream und auch hier im Plenarsaal! Wir hörten gerade noch beim letzten Tagesordnungspunkt einiges über Glaubwürdigkeit und davon, dass viel geredet wird und Schlagzeilen produziert werden, manchmal aber auch nichts gemacht wird.
Ein weiteres Problem spreche ich jetzt im Zusammenhang mit den sogenannten Share-Deals an. Grunderwerbsteuerfreie Share-Deals boomen derzeit in Deutschland. Nach Schätzungen des Maklerhauses Aengeveldt lag in 2015 der Anteil der ShareDeals in Berlin, Frankfurt und Düsseldorf deutlich über dem der Vorjahre. Dazu muss man wissen: Beim Share-Deal handelt es sich um eine Konstruktion, welche die Grunderwerbsteuer komplett aushebelt.
Finanzminister Walter-Borjans, der sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit als Robin Hood der Steuerzahler aufspielt, kann noch nicht mal Share-Deals in Sichtweite des Landtags verhindern. So musste er in der Vorlage16/4155 an den Haushalts- und Finanzausschuss jüngst einräumen, dass die Erste Abwicklungsanstalt, die komplett vom Land, den Sparkassen und den Landschaftsverbänden beherrscht wird, just die WestFonds, eine ehemalige Tochter der WestLB, verkauft hat.
tels Share-Deals und damit ohne Anfall von Grunderwerbsteuer auf Seiten der Käufer. Totalausfall! Wie auch immer die fiskalischen Auswirkungen für den Landeshaushalt sein mögen – die Signalwirkung eines solchen Vorgangs ist fatal, genauso wie die Erhöhung der Grunderwerbsteuer auf 6,5 %, die die Attraktivität gerade auch von Share-Deals erhöht hat.
Danke schön, Herr Kollege Witzel. – Da braucht es auch keine Spekulationen darüber, ob dann, wenn es diese Share-Deals nicht gäbe, die Kaufpreise möglicherweise sinken würden, nämlich um den Anteil, den die Grunderwerbsteuer bedeuten würde. Das ist eine Frage der Geldmarktpolitik, und diese liegt nicht in der Kompetenz des Landes.
Da braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn in Düsseldorf laut Aengeveldt Share-Deals im Volumen von 520 Millionen € in 2015 getätigt wurden – immerhin rund 11 % des Umsatzes am Düsseldorfer Immobilienmarkt. Legt man den für NRW geltenden Grunderwerbsteuersatz von 6,5 % zugrunde, sind dem Land NRW damit alleine bezogen auf Düsseldorf im letzten Jahr 34 Millionen € im Ersteffekt an Steuereinnahmen entgangen. Pro Jahr kann man für die Metropolregion Nordrhein-Westfalen von Steuereinbußen in dreistelliger Millionenhöhe durch ShareDeals ausgehen.
Ein von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen erwirkter Landtagsbeschluss vom 16. Dezember 2014 – und da komme ich zu besagtem „Machen statt Reden“ –, der eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel vorsah, Steuerschlupflöcher im Grunderwerbsteuergesetz zu schließen, hatte bisher keine Wirkung.
Share-Deals sind Steuerschlupflöcher erster Güte. Steuerschlupflöcher sind nicht illegal, aber fiskalmoralisch verwerflich und somit zu stopfen – übrigens eine Argumentation, die Sie, Herr Finanzminister, immer gern an diesem Pult, aber auch im Haushalts- und Finanzausschuss vertreten.
Angesichts des Booms der Share-Deals in Nordrhein-Westfalen und der Tatsache, dass selbst die öffentliche Hand sich nicht zu schade ist, Immobilienwerte unter Umgehung von Grunderwerbsteuer zu veräußern, fordern wir Piraten die Landesregierung auf, sich in Form einer Bundesratsinitiative endlich konsequent für die Schließung sämtlicher Steuerschlupflöcher und insbesondere für die Abschaffung der Share-Deals im Grunderwerbsteuergesetz einzusetzen, so schwierig das im Übrigen auch technisch sein mag.
Herr Finanzminister, Sie mögen gerne auf Ihren Finanzministerkollegen aus Hessen, Thomas Schäfer von der CDU, verweisen. Das tun auch einige Fachleute, die davon ausgehen, dass jetzt eine Bundesratsinitiative kommen werde – aus Hessen, nicht aus
Nordrhein-Westfalen. Nun, wie auch immer, Fachleute sprechen davon, dass dies jedenfalls in dieser Legislaturperiode schon nicht mehr gelingen kann.
Sie hätten indessen seit 2014 die Zeit und auch die Manpower in Ihrem Ministerium gehabt, in dieser Hinsicht etwas auf den Weg zu bringen. Das ist nicht geschehen, und das kratzt an der Glaubwürdigkeit der Politik, auch in diesem Land Nordrhein-Westfalen. Als Finanzminister des bevölkerungsreichsten Bundeslandes sind Sie seit fast zwei Jahren persönlich in der Pflicht, und zwar gemäß Landtagsbeschluss. Auf diese Pflicht erneut aufmerksam zu machen, dazu dient unser heutiger Antrag.
Was den Antrag der CDU angeht, begrüßen wir diesen, werden uns allerdings bezüglich des Antrags enthalten. Wir halten diese Systematik der Arbeitsgruppe auf Länderministerebene für nichts weiter als ein Hinauszögern und ein Versandenlassen im Zuge der diversen Wahlkämpfe, die uns noch bevorstehen.
Allerdings wäre ein Vorstoß in Richtung auf eine Schließung des „Steuerschlupflochs Share-Deals“ auch vor dem Hintergrund des Wahlkampfes begrüßenswert, und zwar insofern, als die Menschen vielleicht daran erinnert werden, dass Politik auch Glaubwürdigkeit verkörpern kann. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Witzel Herrn Kollegen Schulz bei einer solchen Rede Applaus spendet, droht Ungemach. Da läuten alle Alarmglocken.
Meine Damen und Herren, der Antrag der Piraten hat zum Ziel, Umgehungstatbestände bei der Grunderwerbsteuerpflicht zu verhindern. Das Ziel ist gut, und darum haben wir das, was hier heute vorgelegt wird, auch schon lange beschlossen. Allein die Umsetzung ist nicht ganz so einfach, wie Sie, lieber Herr Schulz, das hier gerade dargestellt haben. Deshalb geht das auch nicht von heute auf morgen. Ich will einmal ausführen, warum ich das so sehe.
Warum sind Share-Deals in Abgrenzung zu AssetDeals eigentlich steuerlich begünstigt? Beim ShareDeal – und das führt der vorliegende Antrag korrekt aus – werden Anteile eines Unternehmens erworben. Kauft ein Investor Anteile eines Unternehmens, zu dessen Vermögen eine Immobilie gehört, beherrscht der Unternehmenskauf das Rechtsgeschäft und nicht etwa der Immobilienkauf, der sozusagen
mit dem beherrschenden Geschäft einhergeht. Hier hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass dann keine Grunderwerbsteuer ausgelöst wird.
In der Sachverhaltsbeschreibung zum Antrag der Piraten liest sich das jetzt so, als seien Share-Deals ein Konstrukt, das ausschließlich der Vermeidung von Grunderwerbsteuer dienen würde. So einfach ist das aber nicht.
Es kommt durchaus vor, dass ein Investor Anteile eines Unternehmens erwirbt, das Immobilien besitzt, und dabei nicht die Umgehung von Grunderwerbsteuer zum Ziel hat, sondern tatsächlich die eigentliche Unternehmensbeteiligung. Auch diese Investoren mit ihren völlig legitimen Investitionsentscheidungen muss man berücksichtigen. Genau das macht die Sache kompliziert und führt auch dazu, dass gut überlegt sein will, wie man derer habhaft wird, die mit Share-Deals tatsächlich nur die Grunderwerbsteuer umgehen wollen.
Es dürfte doch hier im Haus mehrheitsfähig sein, dass kleine, steuertreue Erwerber und Bauherren nicht die Dummen sein sollen, während Großinvestoren Immobilien von links nach rechts schieben und mit einer Systematik die Grunderwerbsteuer umgehen, die für sie schlicht und ergreifend nicht gedacht ist.
Ich denke – und das zeigt auch der vorliegende Antrag –, dass alle hier im Haus solche Umgehungstatbestände eliminieren wollen. Bei Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen ist das jedenfalls der Fall, und darum haben wir das im Dezember 2014 auch hier mit einem Entschließungsantrag sehr deutlich gemacht.
Im Entschließungsantrag von SPD und Grünen aus 2014 wird die Landesregierung aufgefordert, dem Bund gegenüber die Initiative zu ergreifen, damit Umgehungstatbestände bei der Grunderwerbsteuerpflicht durch Share-Deals verhindert werden. Und diese Landesregierung ist tätig geworden: Am 8. September 2016 hat die Finanzministerkonferenz die Einrichtung einer Arbeitsgruppe beschlossen. Federführend sind Hessen und Nordrhein-Westfalen.
Es gibt also zwei gute Gründe, warum es entbehrlich ist, die Landesregierung heute nochmals im Sinne des vorliegenden Antrages aufzufordern: erstens, weil die Koalition das unlängst mittels Entschließungsantrag im Dezember 2014 getan hat, und zweitens, weil die Landesregierung längst tätig geworden ist und die Arbeitsgruppe unter NRW-Beteiligung existiert und eingerichtet ist.
Vielen Dank, lieber Kollege Kämmerling, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben gerade zur Arbeitsgruppe und zur Initiative bzw. zum Tätigwerden des Landesfinanzministers im Rahmen der Arbeitsgruppe ausgeführt.
Sind Sie mit mir der Auffassung, dass ein Beschluss des Landtags Nordrhein-Westfalen, eine Bundesratsinitiative zu initiieren, nicht gleichzusetzen ist mit dem Besetzen einer Arbeitsgruppe, und dies fast zwei Jahre nach dem Beschluss hinsichtlich einer Bundesratsinitiative?
Ich bin wahrscheinlich mit Ihnen einer Meinung, dass Bundesratsinitiativen gut vorbereitet sein wollen. Dafür sind Arbeitsgruppen ein hervorragendes Mittel. Das gilt erst recht dann, wenn wir beide der Meinung sind, dass wir hier kein einfaches Konstrukt vor uns haben und dass man diese 95-%-Grenze nicht einfach so herabsetzen kann – zum Beispiel auf die vorgeschlagenen 75 % –, ohne sich gut vorzubereiten; denn das löst neue Konstrukte aus, die zum Beispiel vor dem Hintergrund von EU-Recht ein Problem darstellen. Wenn Sie eine bestimmte, neue Steuer einführen wollen, können Sie das als einzelner Mitgliedstaat nicht alleine tun.
Eine komplexe Situation also! Die Bundesratsinitiative werden wir vielleicht noch sehen, aber wenn sie denn kommt, will sie gut vorbereitet sein. Und dass man sich mit anderen Ländern zusammensetzt, scheint mir ein gutes Instrument zu sein.
Zum Entschließungsantrag der CDU, der heute Mittag auf den Tisch gekommen ist! Die These, die hier aufgestellt wird lautet: In NRW ist die Grunderwerbsteuer erhöht worden, und damit werden jetzt ShareDeals provoziert. – Fakt ist, es hat auch vor 2015 und vor 2011 Share-Deals gegeben. Fakt ist auch, wo es legale Möglichkeiten zur Umgehung von Steuern gibt, wird sich jemand finden, der sie nutzt. Genau deshalb müssen wir da ran.
Share-Deals gibt es aber auch in anderen Bundesländern mit geringerem Grunderwerbsteuersatz, und das zeigt, die Steuerung von Share-Deals über den Grunderwerbsteuersatz wird das Problem nicht lö
sen. Messbar runtergegangen sind Share-Deals hingegen, als die 95-%-Grenze eingeführt wurde. Der einzig denkbare Ansatz scheint daher im Moment zu sein, diese Grenze weiter abzusenken.
Sie sagen, NRW soll sich einer hessischen Initiative anschließen. Das brauchen Sie nicht zu fordern, sondern NRW und Hessen sind bereits gemeinsam federführend in der von der Finanzministerkonferenz eingesetzten Arbeitsgruppe, über die Herr Schulz und ich gerade gesprochen haben.
Sie äußern sich in Ihrem Entschließungsantrag auch nicht zur Absenkung einer Grenze, Sie stellen lediglich auf den Punkt „Grunderwerbsteuer“ ab. Ich glaube, damit ist das Problem nicht wirklich angegangen.
Kurzum: Der Beschlussteil des Antrags der Piraten ist ganz in Ordnung, hat sich aber durch das Handeln der Landesregierung wie aber auch durch unseren damaligen Antrag bereits erledigt. Und die CDU geht mit ihrem Entschließungsantrag spektakulär am Thema vorbei, sodass auch das nicht zustimmungsfähig ist. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer! Der Antrag der Piraten greift zu Recht einen Sachverhalt auf, der einen unbedarften Betrachter an der Steuergerechtigkeit zweifeln lässt. Drastische Erhöhungen des Steuersatzes und zunehmende Inanspruchnahme von Gestaltungsmöglichkeiten sind die Ursache.