Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

2013 habe ich gesagt, Nordrhein-Westfalen müsse Vorreiter im Kampf gegen aggressive Steuervermeidungsstrategien werden. Recht so! Leider Gottes kommt das jetzt alles ein bisschen spät. Und ja, der Finanzminister hat sich in den Jahren seit 2012 wirklich redlich bemüht – das muss man hier auch einmal anerkennend erwähnen;

(Beifall von Minister Michael Groschek)

daraus haben wir vonseiten der Piraten nie einen Hehl gemacht; in der Zeit war ich übrigens Sprecher für Finanzpolitik bei den Piraten –, dass bestimmte Dinge angegangen werden.

(Stefan Zimkeit [SPD]: 2010, lange bevor Sie hier waren! – Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Dieses Vorgehen ist allerdings von unterschiedlichen Stellen – nämlich bei der Fraktion bzw. den Koalitionsparteien selbst und natürlich auch im Bund – ausgebremst worden. Und wer regiert im Bund mit? Die SPD.

Möglicherweise kann die SPD nicht, jetzt soll sie wahrscheinlich von der Leine gelassen werden. Herr Schulz aus Europa wird es richten, so heißt es. Ich wage das zu bezweifeln. Entscheidend ist allerdings, dass die weiteren …

(Ralf Witzel [FDP]: Jetzt kommt der Eurofigh- ter!)

Bitte?

(Ralf Witzel [FDP]: Jetzt kommt der Eurofigh- ter! – Gegenruf von Marc Olejak [PIRATEN]: Besser als Jäger 90!)

Da kommt der Eurofighter. Das mag wohl sein.

Alle Punkte, die hier im Antrag von den regierungstragenden Fraktionen aufgeführt worden sind, haben sowohl die Piraten, also auch ich, als auch die SPD und die CDU in den letzten viereinhalb Jahren immer wieder vorgebracht. Wir hören seit viereinhalb Jahren in unterschiedlicher Reihenfolge – auch vom Finanzminister selbst – immer wieder dasselbe, nämlich dass der Finanzminister das Ganze angehen werde.

Inzwischen sind wir bereits am Ende der Legislaturperiode, und die Ankündigung lautet immer noch, man wolle es angehen. Wie lange soll es denn noch dauern, bis man das unter Dach und Fach gebracht hat?

Herr Zimkeit, Sie schütteln mit dem Kopf.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Haben Sie sich die Mühe gemacht, den Antrag zu lesen?)

Aber selbstverständlich.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Scheinbar nicht!)

Natürlich habe ich ihn gelesen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Dann haben Sie ihn nicht verstanden!)

Teilweise ist er sogar aus den Anträgen, die ich selbst gestellt habe, wortgleich übernommen worden; natürlich kenne ich ihn.

(Zuruf von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Heute kommen Sie mit der Vermögensteuer und behaupten auch noch – leider Gottes nicht ganz richtig –, die Vermögensteuer sei abgeschafft worden. Die Vermögensteuer wurde nicht abgeschafft, sondern das Bundesverfassungsgericht hat dem einfach erst mal einen Riegel vorgeschoben. Sie haben seit über drei Jahren …

Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege.

– Jawohl, Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

… die Gelegenheit gehabt – allerdings beschränkt durch den Koalitionsvertrag –, ein bisschen auf die Tube zu drücken. Und jetzt wollen Sie alles richten, und zwar sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch im Bund. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei und freue mich vor allen Dingen auf die Debatte im Haushalts- und Finanzausschuss.

(Britta Altenkamp [SPD]: Und wir erst!)

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Für den krankheitsbedingt abwesenden Finanzminister spricht jetzt Herr Minister Groschek für die Landesregierung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung findet den Antrag gut, weil er den Mangel an Steuergerechtigkeit präzise beschreibt und darauf hinweist, dass ein Mangel an Akzeptanz entsteht, wenn Lasten ungerecht verteilt bleiben. Außerdem betont der Antrag, dass Steuerhinterziehung rigoros auszuschließen ist und die

Gestaltungsmöglichkeiten im legalen Bereich eingedämmt werden müssen, wenn sie illegitim erscheinen.

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Das hättet ihr doch schon längst machen können!)

In Abwesenheit des Finanzministers möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Landesregierung zu Recht zugutehält, beim Thema Steuergerechtigkeit und einer Steuerpolitik, die die Menschen mitnimmt und nicht abstößt, ein gutes Urteil bestätigt zu bekommen. Dieses Urteil muss man aber personifizieren, weil es Norbert Walter-Borjans persönlich ist, der hier darum streitet und dafür kämpft, eine gewaltige Gerechtigkeitslücke zu schließen, die viele Menschen in unserem Land auch als eklatantes Staatsversagen betrachten. Deshalb schulden wir ihm Dank; das ist jedenfalls meine Überzeugung, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und wenn es tatsächlich so wirkt, Herr Abgeordneter Schulz, als wären dabei auch Ihre Anregungen aufgegriffen worden, dann ist es doch umso besser. Dann könnte doch der finanzpolitische Teil dieses Hohen Hauses ein deutliches Ausrufezeichen setzen und sagen: Ja, wir haben verstanden. Steuergerechtigkeit ist konsensfähig in Nordrhein-Westfalen. Da stehen wir zusammen.

(Zuruf von Kai Schmalenbach [PIRATEN])

Stattdessen nehme ich hier nur Wegducken und Untertauchen wahr. Das ist keine Politik.

Herr Kollege Witzel, Sie sind der König der Kleinen Anfragen und mündlichen Nachfragen. Aber warum befleißigen Sie sich nicht, in gleicher Weise mit Anträgen die Diskussion in diesem Hohen Haus ganz formal und plenar zu bereichern? Leider kommt da nur relativ wenig von den Oppositionsfraktionen. Da müssen die regierungstragenden Fraktionen selbst dafür sorgen, dass pointiert darauf hingewiesen wird, wo Verbesserungsnotwendigkeiten im Steuerrecht bestehen.

Ja, wir müssen die Gerechtigkeitslücke schließen. Was sind die Schwerpunkte? Wir brauchen die Harmonisierung und Mindeststeuersätze in der EU. Wenn Großbritannien jetzt droht, sich den Brexit mit Dumpingsteuern zu erkaufen, dann ist das bedrohlich. Das ist nicht internationalistisch, sondern nationalistisch. Wenn in den USA darüber geredet wird, dass Strafzölle und Dumpingsteuern eingeführt werden sollen, dann ist das eben nicht globalisierungsfördernd, sondern abschottend und abschreckend. Deshalb muss sich gerade dieser Landtag dazu bekennen, die Europäisierung wieder populär zu machen, bei den Menschen zu beheimaten und nicht die Menschen mit der Überschrift „Europa droht...“ in Aufregung zu versetzen.

Das funktioniert vor allen Dingen dann, wenn wir die Steuerschlupflöcher in Europa schließen und die Oasen austrocknen. Das Karthago von heute findet sich, steuerpolitisch gesehen, in Irland, in den Niederlanden, aber auch in Monheim. Deshalb gehört das zusammen, und ich sage: Das Karthago von heute muss in der Tat zerstört werden. Das ist eine steuerpolitische Herausforderung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ver- einzelt Zurufe)

Steuerpolitisch zerstört werden, natürlich.

Kleine und mittlere Einkommen sind zu entlasten, und deshalb müssen Betrug und Trickserei unterbunden werden. Wer Otto Normalverdiener entlasten will, ohne „Privat vor Staat“ zu wiederholen, muss sich dazu bekennen, dass Megaeinkommen und Megavermögen mehr zur Finanzierung unseres Gemeinwesens beitragen müssen, als das heute der Fall ist. Insofern ist es eine Frage von Wahrhaftigkeit, heute darauf hinzuweisen, wer entlastet und wer belastet werden muss.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dazu gehört auch eine Reform der Familienbesteuerung; denn es ist nicht einzusehen, warum gerade im Steuerrecht das antiquierte Familienbild Bestand haben soll. Wir brauchen ein Steuerrecht, bei dem das Kind, aber nicht der Trauschein im Mittelpunkt steht. Das ist eine angemessene, moderner Familienpolitik geschuldete Steuerpolitik, die längst überfällig ist.

Noch einen letzten Punkt möchte ich ansprechen: Die Abgeltungsteuer hat ausgedient. Es reicht eben nicht, zu sagen: 25 % vom Realvermögen sind besser als 40 % von nichts. – Nein, es ist in unserer Gesellschaft nicht mehr vermittelbar, dass Menschen, die ihr Geld arbeiten lassen, besser behandelt werden als Menschen, die für ihr Geld arbeiten müssen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist die große Herausforderung. Deshalb ist der Antrag gut und beratenswert.

Vielen Dank, Herr Minister. Bitte bleiben Sie noch einen Moment am Rednerpult stehen. Herr Witzel hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Der hat ein Benehmen! Das ist unglaublich!)

Bevor er für 90 Sekunden das Wort erhält, möchte ich meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass Ihr Aufruf zur Gewalt gegen Karthago auch von allen richtig verstanden wurde.

Ich meinte das natürlich steuerpolitisch.