Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

Ja, natürlich.

Das ist nett von Ihnen. – Bitte schön, Herr Biesenbach.

Herr Kollege Körfges, wir wollen hier nicht die ganzen Argumente wiederholen.

(Zurufe)

Nein, ich habe es ja aufgegeben, auf Einsicht bei Ihnen zu hoffen.

Aber, Herr Körfges, nehmen Sie denn zur Kenntnis, dass sowohl der für die JVA Ravensburg zuständige Richter als auch der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Ihre Meinung nicht teilen, sondern eine gegenteilige Meinung vertreten? Jetzt sagen Sie bitte nicht, er sei zurückgerudert. Sonst müssten wir auch noch über den Umgang mit Wahrheiten sprechen. In diesem Punkt ist er nicht zurückgerudert.

Zweite Situation:

(Zurufe von der SPD: Frage!)

Herr Biesenbach, es sollte eigentlich eine Frage sein. Wenn Sie es geschickt miteinander verbinden, schaffen wir das.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Also, geschickt war es bis jetzt nicht, aber ich lasse die Erweite- rung trotzdem zu! – Vereinzelt Beifall von der SPD – Thomas Stotko [SPD]: Wie im Aus- schuss! Wie im Ausschuss!)

Herr Biesenbach.

Meine Ergänzung: Herr Körfges, sagen Sie doch bitte einmal etwas dazu, warum Nordrhein-Westfalen, das nach eigenem Zugeständnis immer originär für alle aufenthaltsrechtlichen Fragen zuständig geblieben ist, nicht auf ein Sammelverfahren gedrungen hat. Dann hätten wir die ganzen Nöte auch nicht gehabt. Wir hätten auch hier Haftgründe mehrfach vorgefunden. Der Minister hat sich bisher geweigert, zu alldem irgendetwas zu sagen.

Herr Kollege Körfges, nehmen Sie das so zur Kenntnis?

Ich nehme das nicht nur zur Kenntnis, sondern ich erlaube mir auch die Bemerkung, dass der Kollege Biesenbach einen zwar taktisch nachvollziehbaren, aber nicht sehr geschickten Schachzug unternommen hat. Er hat gemerkt, dass es mit dem Aufenthaltsrecht nicht klappt, und leitet jetzt auf strafrechtliche Untersuchungshaft über.

(Beifall von Britta Altenkamp [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, an der Stelle will ich auch einen kleinen fördernden Hinweis geben: Ja, es hätte womöglich bei strafrechtlicher Beachtung aller Fakten aus allen Verfahren eine Chance gegeben. Die hätte allerdings in einem anderen Bundesland, nämlich in Baden-Württemberg, in Ravensburg, stattfinden müssen.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Die hätte in Ba- den-Württemberg stattgefunden, wenn die die Informationen gehabt hätten! – Weitere Zu- rufe)

Herr Kollege Dr. Stamp, Aufregung ersetzt Nachdenken nicht. Ich will Ihnen an der Stelle dann auch noch ein bisschen weiterhelfen. Sie hätten, wenn Sie im Innenausschuss aufmerksam zugehört hätten, zur Kenntnis nehmen müssen, dass es in Duisburg um einen Sozialbetrugsfall ging mit einem Wert des Schadens, der deutlich unter 200 € lag, und alle übrigen Strafvorwürfe in allen anderen Bundesländern

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

erheblich führend gewesen sind.

Jetzt lassen Sie mich zu Ihrem Sachverständigen noch etwas sagen. Inhaltlich ist der Herr Innenminister, denke ich, zutreffend auf einige Dinge eingegangen. Ich habe mich dann im Internet umgetan, weil ich das interessant fand, was da von Ihnen im Vorfeld des Gutachtens behauptet worden ist, und habe gefunden, dass Herr Dr. Henning Ernst Müller bereits am 23. Dezember getwittert hat und sich in den Medien zu einer Tatsache geäußert hat, zu der er noch keine Fakten kennen konnte – die lagen bis dahin alle nicht auf dem Tisch –, und zu einer Schlussfolgerung kam, die sich mit dem Ergebnis des jetzigen Gutachtens deckt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich, bezogen auf die Unabhängigkeit von Sachverständigen, mal ganz vorsichtig die Frage stellen: Wie unabhängig ist denn ein Sachverständiger, der vor dem Gutachtenauftrag schon gesagt hat, was er eigentlich als Ergebnis eines Gutachtens, das er noch nicht erstellt hat, festzustellen hat?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich überlasse Ihnen – ich weiß, dass es unparlamentarisch ist, das hochzuhalten – gerne sämtliche Hinweise auf juristische Foren und Tweets, in denen sich dieser

Kollege, lange bevor er von Ihnen beauftragt worden ist, schon eindeutig festgelegt hat.

(Zurufe von der SPD)

Das kann nicht passiert sein in Kenntnis von Fakten, denn die Faktenlage hat sich Anfang Januar, und zwar mit der Sondersitzung des Innenausschusses, erst so ergeben, dass überhaupt eine anfängliche juristische Beurteilung hätte möglich sein können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier geht es Ihnen nicht um Sachaufklärung. Ihnen geht es hier darum, aus der Zusammenballung von Begriffen eine neue Geschichte zu machen. Ich bin dafür, dass wir den Begriff „Gefährder“ legal definieren. Das muss passieren, damit die Justiz überhaupt mit diesem Begriff umgehen kann. Dafür ist zunächst – deshalb vielen Dank auch ausnahmsweise an Herrn de Maizière – Berlin zuständig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer aber versucht, Begriffe wie „Gefährder“, wie „Verdacht“, wie „Foreign Fighter“, wie „Spezialgesetze“ und, und, und zu vermischen, aus dem Zusammenhang zu reißen und dann eine neue Geschichte daraus zu machen, der betreibt hier keine Aufklärung – den Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen, …

Herr Kollege, Sie kommen zum Schluss?

Ich komme zum Ende.

… liebe Kolleginnen und Kollegen –, sondern der betreibt übelste Demagogie. Das dient niemandem, erst recht nicht den Menschen im Land, die hier Fragen stellen, und zwar zu Recht. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. Bleiben Sie bitte am Pult. Es ist eine Kurzintervention angemeldet worden von Herrn Dr. Stamp. Herr Dr. Stamp, wenn Sie Ihr Mikrofon aktivieren, dann haben Sie Gelegenheit dazu.

Ich möchte nur die Gelegenheit nutzen, das einmal vorzulesen.

(Zurufe: Lauter!)

Können Sie mich hören?

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Ja, ich höre Sie! Ob ich Sie verstehe, ist die nächste Frage! – Gegenruf: Arroganz hoch zehn! – Weitere Zu- rufe)

Es ist ja keine Arroganz von Herrn Körfges, wenn er seine eigene Intellektualität infrage stellt.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP)

Ich lese also vor: Untersuchungshaft ist nach § 113 Abs. 2 StPO auch bei leichteren Taten, sogar bei Bagatelldelikten, zulässig, „wenn der Beschuldigte … Anstalten zur Flucht getroffen hat“ oder „im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt hat“ oder „sich über seine Person nicht ausweisen kann“.

Alles das ist ja im Fall Amri der Fall gewesen. Von daher ist dieser Versuch von Ihnen, das hier eben ins Lächerliche zu ziehen, eindeutig gescheitert. – Danke schön.

(Beifall von der FDP, der CDU und Michele Marsching [PIRATEN])

Lieber Herr Kollege Dr. Stamp, ich will Ihnen jetzt nicht vorhalten, dass Sie sich bezogen auf die juristischen Details, insbesondere bezogen auf Haftgründe im Strafprozessrecht, nicht so gut auskennen. Ja, es gibt Haftgründe. Aber das muss dann auch in einem angemessenen Verhältnis zur vorgeworfenen Tat stehen. Auch das ist von Amts wegen von den Haftrichterinnen und Haftrichtern zu prüfen. Sie reden hier über einen Vorfall – ich habe es eben gesagt –, bei dem es darum geht, dass ein Sozialbetrug in der Größenordnung von unter 200 € vorgeworfen wurde.

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

Insoweit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es gut und richtig, wenn wir uns über Versäumnisse unterhalten. Aber an der Stelle den Vorwurf zu machen, in Nordrhein-Westfalen sei es verabsäumt worden, einen Menschen mit diesem strafrechtlichen Hintergrund in Untersuchungshaft zu nehmen, ist – das können Sie jetzt wieder für arrogant halten – fachlich so sehr daneben, dass es nur dadurch zu entschuldigen ist, dass Sie kein Fachkollege sind. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Körfges. – Als nächste Rednerin spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Schäffer.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt müsste doch eigentlich die Zeit der Aufklärung und der Aufarbeitung sein. Diese Aufklärung wird zu Recht von der Öffentlichkeit erwartet. Es ist doch eigentlich insbesondere die Aufgabe des Parlaments, diese Aufklärung ehrlich voranzutreiben. Aber von diesem Aufklärungsinteresse ist bei Ihnen wenig zu erkennen.

Herr Stamp, Ihre Vorwürfe machen mich da echt fassungslos. Ich frage mich: Was haben Sie eigentlich für ein Rechtsstaatsverständnis, wenn Sie sagen, die

Behörden hätten ihn einfach mal in Abschiebungshaft nehmen müssen? Die Behörden können doch nicht willkürlich Haft anordnen, wenn sie berechtigterweise insbesondere mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgehen müssen, dass sie von keinem Haftrichter genehmigt wird geschweige denn vor einem Gericht Bestand hat. Da finde ich Ihre Aussagen wirklich ungeheuerlich.