Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht in eine medientheoretische Diskussion über die Fragen „Was ist Mainstream?“ und „Was sind Mainstream-Medien?“ eintreten.
„Mainstream“ ist in der Tat ein Begriff, der eigentlich nicht belastet ist. Er wird leider belastet, weil er von
einigen in fälschlicher Absicht verwandt wird. Darüber müssen wir uns aber, glaube ich, nicht streiten.
Das große Problem besteht darin, dass in letzter Zeit das Thema „Falschnachrichten und Hassbotschaften“ sensibel handelt wird, was ja auch richtig ist, es aber zugleich benutzt wird, um – ich nenne es einmal so – Druck in die Diskussion zu bekommen. Wir wissen, dass natürlich immer die Botschaft des anderen – das ist klar – die Falschnachricht ist.
Gerade in diesem Zusammenhang ist der Entwurf von Justizminister Maas sehr problematisch. Insofern muss man den Piraten gratulieren: Das Timing für diesen Antrag war schon ganz günstig, denn das Thema ist hochaktuell.
Ich möchte an zwei Beispielen klarmachen, warum es problematisch ist: Im Januar 2015 veröffentlichte „Welt-online“ im Nachgang zu dem schrecklichen Anschlag auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ in Paris einen Kommentar der ehemaligen VVD
Der Titel lautete: „Doch, dieses Massaker hat mit dem Islam zu tun!“ Man muss diese Meinung nicht unbedingt teilen. Der Kommentar wurde selbstverständlich auf verschiedenen sozialen Medien wie Facebook geteilt. Es lässt sich leicht vorstellen, dass sich irgendein islamischer Prediger gefunden hätte – sicherlich hat sich ein solcher auch gefunden –, der hierin eine Beschimpfung seiner Religion vermutete. Das ist in Deutschland nach § 166 StGB strafbar. Geht es nach dem Bundesjustizminister, würde dieser Kommentar auf einen Beschwerdeklick des Predigers hin gelöscht werden müssen.
Ein anderes Beispiel: Im Januar 2012 veröffentlichte „Der Postillion“ einen Artikel über den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Der Titel lautete: „Wulff spricht 82 Millionen Deutschen auf die Mailbox, um Gerede zu unterbinden.“ Das klingt lustig. Dieser Artikel wurde natürlich fleißig in den sozialen Netzwerken geteilt.
Abgesehen davon, dass es sich bei diesem Satirebeitrag streng genommen natürlich um eine Falschnachricht – neudeutsch: Fake News – handelt, könnte auch hier eine Beschwerde beim Onlineportal eingehen. Denn mit Sicherheit hat eine Bürgerin oder ein Bürger – vielleicht sogar ein Mitglied der Jungen Union – hinter diesem Kommentar eine Verunglimpfung des Bundespräsidenten vermutet, strafbar nach § 90 StGB. Auch in diesem Fall wäre eine Löschung fällig, wenn es nach Justizminister Maas ginge. Denn mit dem Entwurf eines Fake-News-Gesetzes will Maas ja die strafrechtliche Überprüfung ihrer Inhalte den sozialen Netzwerken übertragen.
Die Konsequenz liegt auf der Hand: Sobald eine Beschwerde bei einem sozialen Netzwerk eingeht, trägt
dieses die juristische Verantwortung für den entsprechenden Beitrag. Dabei ist der kritisierte Inhalt des Textes oder auch des Videos völlig unerheblich; denn jeder kann sich ja über alles und jeden aufregen und beschweren. Löscht das Netzwerk den Inhalt, ist es auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Löscht es ihn nicht, nimmt das Onlineportal das Risiko einer Fehleinschätzung auf sich, für die es dann ja haftet. Wohin das führt, ist klar: Im Zweifel wird immer gelöscht. Und der Anreiz, Beschwerden über unliebsame Meinungen oder schmerzhafte Wahrheiten einzureichen, steigt dadurch natürlich. Alles in allem müssen wir hier schon über eine ernsthafte Gefahr für die Meinungsfreiheit sprechen.
Ganz unabhängig von den kritischen Punkten, die ich vorgebracht habe, und die sich auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung beziehen – ich habe heute Nacht den Gesetzentwurf der Bundesregierung gelesen, weil mein Bein schmerzte, und ich dachte, das würde vielleicht als Schmerzmittel wirken; anschließend hatte ich aber Schluckbeschwerden –,
besteht aus meiner Sicht übrigens tatsächlich Handlungsbedarf beim Umgang mit sogenannten „Fake News“. Ich sehe diesen aber eher in Bezug auf Desinformationskampagnen oder Cyberangriffen vonseiten staatlich betriebener ausländischer Stellen, von denen auch Plattformen wie soziale Netzwerke oder einzelne Nutzer betroffen sind.
Doch leider nimmt der vorliegende Antrag – jetzt kommt die schlechte Nachricht für die Piraten – dazu keine Stellung. Dieses Anliegen heute zu besprechen, war sicherlich richtig, denn es ist ein aktuelles Thema – aus dem genannten Grund können wir ihm unter dem Strich aber nicht zustimmen. Wir werden uns aber huldvoll enthalten. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Fake News, Hasspostings, Cybermobbing, Astroturfing, Social Bots – alle diese Begriffe werden in der Debatte derzeit wild durcheinandergeworfen. Der Beitrag von Robert Stein ist das beste Beispiel dafür.
Die Gefahr dieser Phänomene sollte man trotzdem nicht herunterspielen. Das kommt mir in diesem Antrag etwas zu kurz.
Selfie mit Kanzlerin Merkel für die Behauptung missbraucht wurde, er sei ein Terrorist. Letztlich können Fake News, Cybermobbing und Verleumdung im Netz Existenzen vernichten sowie Gesundheit und Leben gefährden.
Doch wir müssen bei jeder Maßnahme überlegen, ob sie den vorgesehenen Zweck überhaupt erfüllt und welche schädlichen Nebenwirkungen sie hat. Im Fall gesetzlicher Regelungen gegen Fake News würde ich den Nutzen klar verneinen. Beleidigung, Verleumdung, falsche Tatsachenbehauptung, Mobbing und Stalking – alles das ist bereits jetzt verboten, im Internet wie außerhalb. Eine rechtliche Handhabe gibt es bereits. Das hält aber niemanden davon ab, solche Postings zu veröffentlichen. Daran wird ein neuer Straftatbestand jedenfalls nichts ändern. Die Täter agieren ja in aller Regel aus der vermeintlichen Anonymität heraus.
So wild die Begriffe durcheinandergeworfen werden, so schwierig dürfte es auch sein, sie klar nach außen abzugrenzen. Je nach Definition werden auch schnell mal Satire oder Ironie als Fake News eingestuft. Denken Sie an die Postings des „Postillon“, die oft genug von Lesern für echt gehalten werden.
Letztlich besteht die Gefahr, dass der Vorwurf der Fake News dazu genutzt wird, unliebsame Informationen aus dem Internet zu verdrängen. Eine staatliche oder privatwirtschaftliche Vorabkontrolle von Nachrichten jedenfalls birgt die unmittelbare Gefahr der Zensur. Diesen spiegelglatten Weg sollten wir nicht gehen.
Effektiver wäre vielmehr, wenn Polizei und Justiz bei der Rechtsdurchsetzung gut ausgerüstet sind und zügig arbeiten, wenn Betroffene ernst genommen werden und unsere Solidarität erfahren.
Es ist auch wichtig, dass die Betreiber der sozialen Medien mitwirken und sich nicht hinter irgendwelchen Firmenstandards verschanzen. Jedes Unternehmen müsste eine standardisierte Möglichkeit anbieten, wie Betroffene falsche Nachrichten oder falsche Behauptungen melden können, und anschließend transparent über die weitere Bearbeitung informieren. Falls notwendig, kann man sie auch dazu verpflichten.
Nicht zuletzt muss Medienkompetenz vermittelt werden. Das umfasst gerade auch Medienkritik, eben den kritischen Umgang mit Medien und Inhalten. Das kommt derzeit viel zu kurz.
All das wäre wirksamer als irgendwelche neuen Straftatbestände und könnte sofort umgesetzt werden. Irgendwelche Gesetze nach dem Motto „Weil
Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger in Vertretung von Herrn Minister Dr. Franz-Josef Lersch-Mense.
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben schon eine Menge gesagt. Falschmeldungen, auch bewusste Falschmeldungen, gab es schon immer. Neu sind die vielfältigen Wege, über die in kürzester Zeit eine große Zahl von Personen mit einer Falschmeldung erreicht werden kann. Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter sind hier die bekanntesten Beispiele. Neu ist auch, dass jeder und jede zum Sender von Nachrichten werden kann und dies nicht nur Journalisten vorbehalten ist.
Neu ist letztlich auch der Begriff „Fake News“, der als gezielt gestreute Falschmeldung zu verstehen ist. Das Thema „Fake News“ findet sich derzeit nahezu täglich in den Medien. Auch zahlreiche deutsche Politiker haben sich hierzu geäußert und Vorschläge für gesetzgeberische Maßnahmen gemacht.
Bundesminister Maas hat vorgestern einen Gesetzentwurf vorgelegt, den wir uns genau ansehen werden. Aktuell hat Facebook in den USA damit begonnen, unglaubwürdige Artikel im Netzwerk durch unabhängige Faktenchecker kennzeichnen zu lassen. Auch für Deutschland hat Facebook die Zusammenarbeit mit unabhängigen Faktenprüfern angekündigt. Solche Maßnahmen – das möchte ich betonen – sind keine Zensur, schon gar keine staatliche Zensur.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der Piraten fordert mit dem vorliegenden Antrag die Landesregierung auf, sich gegen jede Kontrolle oder Richtigkeitsprüfung von Nachrichten durch den Staat oder in dessen Auftrag einzusetzen. Ebenso wendet sie sich gegen neue Straftatbestände. Die Landesregierung soll vielmehr noch in dieser Legislaturperiode eine wissenschaftlich fundierte ganzheitliche Strategie zum Umgang mit Fake News formulieren.
Die Landesregierung hält eine politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Fake News“ für sehr wichtig. Gerade deshalb sollte der Antrag der Piraten abgelehnt werden. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind am Schluss der Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der Piraten hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/14384. Wer ihm seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt ihm nicht zu? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU-Fraktion bei Enthaltung der Fraktion der FDP und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd abgelehnt.
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr Drucksache 16/14042
Ich möchte noch folgenden Hinweis geben: Dieser Antrag der Fraktion der Piraten wurde gemäß § 82 Abs. 2 Buchstabe b) unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr überwiesen mit der Maßgabe, dass eine Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgt. Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr liegen mittlerweile vor.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte es der Uhrzeit entsprechend sehr kurz machen. Der Antrag wurde ausgiebig und intensiv im Ausschuss beraten. Wir hatten dem auch ein Sachverständigengespräch vorgeschaltet.