Wir sehen: Zur Videoüberwachung gibt es keine Alternative – ganz im Gegenteil. Wenn wir den Menschen wirklich ein Sicherheitsempfinden geben wollen, müssen wir diesen Weg weiter gehen, nicht nur im privaten Bereich. Das ist meine Sicht, und dabei bleibe ich auch.
Das ist nicht der Einstieg in den Orwell’schen Überwachungsstaat – ganz im Gegenteil. Ich sage das noch mal, alle wissen ja, was damals unter diesem Vorzeichen geschah. Da war die Technik nicht so weit, da war die Kriminalitätsentwicklung nicht so weit. Heute wissen wir genau, wir brauchen technische Hilfsmittel, um den Menschen Sicherheit auf den Straßen und insbesondere auf den Bahnhöfen zu geben. Deshalb: Wer der Wirklichkeit ins Auge sieht, weiß genau, dass wir nur diese Chance haben, den Menschen ein Sicherheitsgefühl zu geben.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem glücklicherweise fehlgeschlagenen Anschlag am Bonner Hauptbahnhof ist das passiert, was in solchen Fällen immer passiert: Der reflexhafte Ruf nach mehr Videoüberwachung wird wieder laut. Natürlich kann man sich fragen, warum am Bonner Hauptbahnhof
Bundesinnenminister Friedrich verschweigt aber bei seiner Forderung nach mehr Kameras, die er jetzt erhebt, dass die gesetzlichen Kompetenzen der Bundespolizei zweifelsfrei vorhanden waren und sind. Die Verantwortung dafür, dass im Bonner Fall keine Überwachung erfolgte, liegt bei der Bundespolizei als Sicherheitsbehörde, also nicht beim Land, sondern beim Bund. Offensichtlich hat der Bundesinnenminister die eigenen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft und will jetzt durch ein billiges Manöver von den Versäumnissen der Bundespolizei ablenken.
Abgesehen davon, dass wir als Landesgesetzgeber gar nicht dafür zuständig sind, gibt es aus unserer Sicht keinen Bedarf, die Bundesgesetzgebung zu verändern und mehr Kontrolle einzuführen. Die Bundesgesetzgebung ist bereits heute sehr weit gefasst. Sie sieht Videoüberwachung sogar dann vor, wenn sie anlassunabhängig einsetzbar ist.
Die Piraten fordern unter anderem eine Untersuchung der Wirksamkeit von Videoüberwachung an Bahnhöfen und in Fahrzeugen. Man muss schon ein bisschen differenzieren. Es gibt Untersuchungen, dass Videoüberwachung gegen Vandalismus hilft. Nichtsdestotrotz hilft Videoüberwachung natürlich nicht gegen Terrorismus.
Herr Schittges, die Landesgesetzgebung – hier: § 15a des Polizeigesetzes – sieht viel strengere Regelungen vor, was die Überwachung von öffentlichen Plätzen angeht. Sie erlaubt die Überwachung nur zur Verhütung von Straftaten an sogenannten Kriminalitätsschwerpunkten. Herr Schittges, der Zweck ist aber nicht die Verfolgung von Straftaten, sondern die gespeicherten Daten dürfen dann, wenn sie erhoben worden sind, auch für die Strafverfolgung eingesetzt werden.
Ich möchte in der Diskussion über Videoüberwachung eines noch mal klarstellen. Sie – die CDU – fordern immer mehr Videoüberwachung, weil Sie die absolute Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten wollen. Man muss einmal klarstellen, dass Sie das nicht machen können. Eine Bombe explodiert auch dann, wenn dabei gefilmt wird.
Die Befürworter der Videoüberwachung – das sind Sie von der CDU – gaukeln den Bürgerinnen und Bürgern eine Sicherheit vor, ohne das Versprechen einlösen zu können. Herr Schittges, Sie wollen das subjektive Sicherheitsgefühl erhöhen; das haben Sie gerade sehr schön dargestellt. Wenn Sie das subjektive Sicherheitsgefühl erhöhen, sorgen Sie aber objektiv nicht für mehr Sicherheit. Sie geben scheinbar einfache Lösungen vor. Sie werden mit
Eines dürfen wir bei der Forderung nach mehr Videoüberwachung, nach mehr Kameras nicht vergessen. Sie bekommen, wenn Sie Videoüberwachung einsetzen, nicht nur Terroristinnen und Terroristen vor das Kameraobjektiv, sondern alle Bürgerinnen und Bürger, die sich an diesem Ort, der gefilmt wird, aufhalten: die genervten Eltern mit ihrem quengelnden Kind, das berühmte 15-jährige knutschende Pärchen. Da müssen wir als Grüne sagen: In der Abwägung zwischen dem Schutz der Privatsphäre auf der einen Seite und den berechtigten Sicherheitsinteressen auf der anderen Seite halten wir die Videoüberwachung und vor allem ihre Ausweitung für unverhältnismäßig. Wir werden für eine scheinbare Sicherheit unsere Freiheitsrechte nicht aufgeben. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Entschuldigung. Sehr geehrter Herr Präsident! Das steht auch anders herum auf meinem Zettel. – Die FDP ist unstreitig dafür, dass man terroristischen Bedrohungen und Straftaten begegnen muss. Das darf aber nicht bedeuten, jeden Bürger im öffentlichen Raum rundum überwachen zu lassen oder einfach alle unter Generalverdacht zu stellen. Die technische Überwachung der Bürgerinnen und Bürger bedeutet einen erheblichen Eingriff in die Freiheit und die Grundrechte des Einzelnen. Daher lehnen wir ganz klar jede flächendeckende Videoüberwachung ab.
Wir haben uns seinerzeit auch gegen Forderungen aus dem christdemokratischen Spektrum gewandt, als es darum ging, § 15a des Polizeigesetzes auszudehnen. Das haben wir verhindert. Ich hoffe, dass die Grünen in ihrer Regierungszeit an dem Punkt genauso erfolgreich sind. Da würde ich Ihnen einmal wünschen, dass Sie sich durchsetzen.
Der Staat darf nur in begrenzten Ausnahmefällen anlassbezogen, befristet und sorgfältig begründet im Rahmen eines polizeilichen Gesamtkonzepts Videoüberwachung anwenden. Ansonsten erzeugt man Scheinsicherheit.
Kollege Geyer von der SPD und Kollege Schittges haben beide vom Bauchgefühl oder von der subjektiven Sicherheit gesprochen. Für mich kommt es an der Stelle nicht auf Subjektivität an und auch nicht darauf, wie dick oder dünn ein einzelner Bauch ist,
Ich finde, wenn man sich diesen Antrag anschaut, stellt man fest, er fasst das Thema viel zu eng. Es geht nicht nur um die Bahnhöfe der Deutschen Bahn. Wir haben viel mehr U-Bahnhöfe, wir haben viel mehr Busbahnhöfe usw.
Deswegen haben die Liberalen in der letzten Legislaturperiode hier den Antrag eingebracht – der heute noch so gültig ist wie damals –, die Sicherheit in Bussen und Bahnen und an den Haltestellen in Nordrhein-Westfalen zu verbessern. Den hat RotGrün seinerzeit abgelehnt.
Dabei ging es aber darum, dass wir landespolizeilich Dinge regeln können und dass die Landespolizei mehr Präsenz zeigt. Sie von den Piraten wenden sich dagegen lediglich einem Thema zu, das die Bundespolizei berührt. Ich würde mich allerdings freuen, wenn wir hier dazu zurückkehren würden, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir im Land persönlich, konkret und mit den Mitteln der Politik mehr Sicherheit schaffen können.
Meine Damen und Herren, das subjektive Sicherheitsgefühl wird sich dann verbessern, wenn wir die objektive Lage verbessern.
Wir brauchen mehr Polizistinnen und Polizisten und mehr Mitarbeiter der Ordnungsbehörden auf den Straßen. Das sorgt für Sicherheit. Wir brauchen nicht mehr Kameras.
Frau Kollegin Schäffer von den Grünen hat das berühmte 15-jährige Pärchen angesprochen. Ich hatte eben eine Schülergruppe von meiner alten Schule da. Wir haben darüber gesprochen, wie es denn sein kann, dass darüber diskutiert wird, Videoüberwachung auf Schulhöfen zuzulassen. Da ist genau das gesagt worden: Es geht sowohl um die Romantik der Heimlichkeit des ersten Kusses als auch darum, dass man, wenn man in London mit seinen Einkaufstüten dasitzt, keine Lust mehr hat, sich seiner Partnerin oder seinem Partner zuzuwenden, weil so viele Kameras in der Nähe sind. Wenn Sie sich die Statistik für London anschauen, sehen Sie, dass dies nicht zu mehr Sicherheit geführt hat.
Wir werden dem Antrag der Piraten nicht zustimmen, obwohl wir für viele Punkte sehr viele Sympathien haben; denn der Antrag überzeichnet das Thema in unseren Augen insgesamt und beleuchtet es nicht ausgewogen. Hier ist von „Rückzugsmöglichkeiten im Wartehäuschen“ die Rede. Ich möchte nicht explizit unbeobachtete Räume schaffen. Hier ist von einem Hausmeister – den ich Herrn S. nenne – die Rede. Ich finde, das gehört nicht in einen solchen Antrag. Die Landespolitik fehlt uns, wie gesagt, auch. Deswegen werden wir uns nachher bei der Abstimmung enthalten. – Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Orth, nach Ihrer Rede bin ich erleichtert. Ich bin erleichtert, dass Sie, nachdem Sie noch vor wenigen Wochen gefordert haben, dass man anlassunabhängig selbst friedliche Besucher von Fußballspielen mit Sprengstoffspürhunden nach Pyrotechnik durchsuchen lässt, jetzt wieder auf die liberale Spur, wonach man Bürgerrechte achten sollte, zurückgekommen sind. Nach Ihrer Rede bin ich wirklich erleichtert, Herr Dr. Orth.
Herr Dr. Orth, ich bin auch erleichtert darüber, dass Sie sagen, das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen in diesem Land stärkt man am besten durch die Polizeipräsenz vor Ort. Damit heißen Sie die Linie dieser Landesregierung gut, mehr Polizistinnen und Polizisten einzustellen und für mehr Präsenz auf den Straßen zu sorgen. Herr Dr. Orth, hätten Sie diese Weitsicht in der Zeit Ihrer Regierung bewiesen, würde in den nächsten Jahren bei der nordrhein-westfälischen Polizei nicht diese schwarzgelbe Personallücke auf uns zukommen.
Sie wissen, dass das nordrhein-westfälische Polizeigesetz – da haben Sie zu Recht zitiert, Herr Dr. Orth – wenn überhaupt, dann nur in einem sehr begrenzten Umfang Videoüberwachung im öffentlichen Raum zulässt. Ich bin der Auffassung, dass man dieses Mittel sehr dosiert einsetzen sollte. Vor allem um das von Ihnen angesprochene Missverhältnis zwischen subjektivem Sicherheitsgefühl auf der einen Seite und objektiver Sicherheitslage auf der anderen Seite auszugleichen, befürworte ich eine Videoüberwachung im öffentlichen Raum, aber nur dann, wenn man auch Einsatzmittel vor Ort hat – sprich: Beamtinnen und Beamte, die, wenn über die Videotechnik Straftaten sichtbar werden, sofort eingreifen können. Es ist auch zu Recht gesagt worden, der Antrag der Piraten bezieht sich ausschließlich auf die Videoüberwachung auf Bahnhöfen.
Was die Forderungen an die Landesregierung angeht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Piratenfraktion: Diesen Forderungen können wir bedauerlicherweise nicht nachkommen, aus dem einfachen Grund, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung für die Videoüberwachung auf Bahnhöfen nicht zuständig ist. Da wir aber serviceorien
tiert sind, will ich Ihnen gerne die rechtlichen Grundlagen für die Videoüberwachung nennen: für die Bundespolizei das Bundespolizeigesetz und für die Ermächtigung der Deutschen Bahn das Bundesdatenschutzgesetz.
Eine weitere Erörterung hinsichtlich der Landesregierung und der Videoüberwachung auf Bahnhöfen ist damit aus meiner Sicht nicht erforderlich. Ich danke trotzdem für die Debatte. – Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Minister Jäger. – Für die Piratenfraktion hat sich Herr Herrmann noch einmal ganz kurz zu Wort gemeldet – ganz kurz deshalb, weil es nur ein paar Sekunden sind. Bitte schön, Herr Kollege.
Ganz kurz zur Klarstellung: Unser Antrag bezieht sich nur auf die Teilnahme der Landesvertreter am Gipfel in Berlin. Er hat nicht die Abschaffung der Videoüberwachung zum Inhalt, sondern nur den Stopp der Ausweitung. Wir werden uns an anderer Stelle noch einmal mit den Landesthemen zur Videoüberwachung beschäftigen.
Herr Schittges, ich werde jedes einzelne Ihrer Argumente, die Sie gebracht haben, widerlegen, und zwar nicht mit Äußerungen aus einschlägigen Internetforen, sondern mit wissenschaftlicher Expertise. Bis dahin. – Danke.
Danke schön, Herr Herrmann. – Damit sind wir am Ende der Debatte über Tagesordnungspunkt 10 und kommen zur Abstimmung.