Es ist aber schön, dass Sie sich mit unseren Parteitagsbeschlüssen auseinandersetzen. Gut ist es auch, wenn Sie hier mit uns im Landtag noch einmal über das Thema diskutieren; denn zur gesellschaftlichen Verantwortung der Hochschulen gehört es, sich mit den Folgen von Forschung und Entwicklung auseinanderzusetzen. Das sollte auch die CDU wissen.
Wir sind offensichtlich unterschiedlicher Meinung, Frau Freimuth, ob in das Gesetz für die Hochschulen in unserem Land auch eine Präambel gehört, in der der Landtag ein Leitbild formuliert. Wir haben noch einmal reflektiert: Der damalige Wissenschaftsminister Pinkwart hat das zu Ihrer Regierungszeit nicht so gesehen; denn die entscheidenden Sätze zu einer ethischen Ausrichtung von Wissenschaft und Forschung hat er mit dem Hinweis der Entbürokratisierung aus dem Hochschulgesetz gestrichen.
Sämtliche Themenbereiche, die damals zu den Aufgaben der Hochschulen gehörten – ob es um die Umwelt, die sozialen oder die ökologischen Fragen ging –, hat er herausgestrichen.
Zu unserem Selbstverständnis gehört es, dass wir uns als Gesetzgeber ausdrücklich dafür aussprechen, dass es Aufgabe einer heutigen Wissenschaftspolitik sein muss, angesichts der ethischen Verantwortung der Hochschulen – ich zitiere aus unseren Eckpunkten – zentrale Beiträge zu umfassenden technologischen und sozialen Innovationen zu liefern und dabei ökologische, ökonomische und soziale Folgen zu berücksichtigen.
Das ist in der Tat Teil unserer Verabredung in der Koalition. Das können Sie in den Eckpunkten zum Hochschulzukunftsgesetz gerne noch einmal nachlesen. Wenn Sie heute einen künstlichen Konflikt aufmachen möchten, Herr Berger, zwischen RotGrün oder etwa zwischen den Grünen in BadenWürttemberg und in Nordrhein-Westfalen, dann laufen Sie mit diesem Spaltungsversuch jedenfalls ins Leere.
Die Frage, ob Forschung und Lehre an den Hochschulen und Universitäten auf friedliche Zwecke begrenzt werden sollen, etwa mithilfe einer Zivilklausel in der Grundordnung, wird an den Hochschulen immer wieder offen diskutiert – nicht nur in den 70er-Jahren, sondern das ist auch heute noch so. Ich finde es richtig, dass wir uns vor dieser durchaus berechtigten Forderung auch nicht wegducken.
So verfügt bereits jetzt eine ganze Reihe von Hochschulen in Deutschland über Formulierungen in ihren Grundordnungen, die festschreiben, dass Forschung friedlichen Zwecken dienen soll, so die Universitäten Konstanz und Tübingen. Die Hochschule Ulm verweist auf die im Leitbild festgeschriebene Haltung, dort entwickelte Technik solle sozialverträglich eingesetzt werden. Beim Karlsruher Institute of Technology, also dem KIT, muss zwischen dem nach wie vor mit einer Zivilklausel versehenen ehemaligen Forschungszentrum und dem Universitätsteil unterschieden werden. Für Letzteren hat der Senat am 12. Mai 2012 ethische Leitlinien beschlossen, zu denen auch eine Orientierung an friedlichen Zwecken gehört. Ebensolche finden sich in der Grundordnung der Universität Oldenburg, der Universität Rostock, der Universität Bremen und im Leitbild der TU Berlin.
Wozu also dieser Popanz, der hier von Ihnen aufgebaut wird? Liebe Frau Freimuth, der Wunsch, sich im Rahmen einer Leitbilddiskussion an friedlichen Zwecken zu orientieren, ist offensichtlich an vielen Universitäten auch in Nordrhein-Westfalen vorhanden. Warum sollte sich dies nicht in unserem Hochschulgesetz widerspiegeln?
Das unterscheidet uns auch wieder von Ihnen, Frau Freimuth und Herr Berger. Wir stehen eben nicht für eine Politik der Beliebigkeit. Wettbewerb und marktorientierte Ansätze führen nicht von alleine zu mehr Nachhaltigkeit und Qualität an unseren Hochschulen.
Da Sie sich in Ihrer Argumentation ja auf BadenWürttemberg beziehen, möchte ich Ihnen gerne aus der Debatte ein Zitat von Theresia Bauer vortragen, der Wissenschaftsministerin in Baden-Württemberg, das meines Erachtens die Frage einer Zivilklausel entideologisiert und ins richtige Verhältnis setzt.
„ein Anliegen, dem man alle Sympathie entgegenbringen möchte, nämlich das Anliegen, dass man sich darüber bewusst werden und sich klarmachen sollte …, dass Forschung relevant ist, dass Forschung risikobehaftet ist und dass Forschung sicher nicht immer einfach nur für Dinge eingesetzt wird, die gesellschaftlich erwünscht sind.
Die Sensibilisierung in dieser Frage, was man mit Forschungsergebnissen machen kann, die Notwendigkeit, dass sich Forscherinnen und Forscher damit auseinandersetzen, dass eine Hochschule auch darüber diskutiert und dass eine Gesellschaft in die Lage versetzt wird, zu entscheiden, wie sie damit umgehen möchte, alle diese Fragen sind hoch legitim, und es ist notwendig, sie zu stellen.“
Deshalb beinhaltet der Weg nämlich auch beim KIT, also in Karlsruhe in Baden-Württemberg, kein Forschungsverbot, aber eine Transparenz- und Friedensklausel, die lautet: Zur Wahrnehmung der Großforschungsaufgabe betreibt das KIT im Interesse der Allgemeinheit Forschung und Entwicklung zu friedlichen Zwecken vorwiegend auf dem Gebiet der Technik und ihrer Grundlagen. – Zitat Ende.
Insofern lassen sich auch in Gesetzen klare Aussagen treffen, wenn es darum geht, verantwortlich mit Auftragsforschung umzugehen und die Gewissensfreiheit von Forscherinnen und Forschern zu respektieren.
Sie können sicher sein, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, dass uns das in Nordrhein-Westfalen genauso gut gelingt wie in BadenWürttemberg. – Herzlichen Dank.
Freiheit ist ein kostbares Gut. Wir dürfen sie nicht aus Angst, Furcht oder Misstrauen aufgeben. Das gilt auch für die in der Verfassung garantierte Forschungsfreiheit.
Wenn die Hochschulen ein bestimmtes Forschungsziel verfolgen, können wir nur erahnen, was für eine wissenschaftliche Erkenntnis wir daraus ziehen können. Es ist unsere ganzheitliche Aufgabe, Forschungsergebnisse immer wieder auf ihre Vereinbarkeit mit etwaigen ethischen und gesellschaftlichen Auswirkungen zu überprüfen. Mit „unsere“ meine ich nicht uns Gesetzgeber, sondern uns Menschen.
Hierbei ist es für die Weiterentwicklung der Gesellschaft nötig, einen Dialog offen und transparent zu führen. Etwas grundsätzlich zu verbieten, bedeutet, sich einer Diskussion nicht stellen zu wollen.
Zivile und militärische Forschung klar voneinander zu trennen oder Dual Use zu berücksichtigen, ist für jede Hochschule, die eine Zivilklausel einführen möchte – es gibt auf dieser Ebene gute Gründe dafür, das haben wir gehört –, eine Herausforderung. Eine landesweite Regelung dagegen würde ein Bürokratiemonster schaffen.
Dass militärische Forschung zivilen Nutzen bringen kann – vom Internet einmal abgesehen –, hängt meist am entsprechend hohen Einsatz von Ressourcen. Wichtiger ist der umgekehrte Fall. Uralte mathematische Ideen, Jahrhunderte gänzlich ohne praktischen Nutzen, fast jede Oberflächentechnologie, Informationstechnologie generell – eigentlich alles hat einen militärischen Nutzen.
Die Hochschulen in NRW sind nicht allein. Sobald es Forschungseinrichtungen gibt, die nicht mitmachen, greift die Zivilklausel als Instrument der nationalen Friedensbewegung nicht. Auch außerhalb der Hochschulen können Auftraggeber ihre For
schungsvorhaben fortsetzen. Die Militärforschung würde dann vollends in eine Welt der Geheimhaltungsverträge abgedrängt. Hochschulen dagegen sollten transparent und nachvollziehbar forschen und auch gerne im Rahmen des Verteidigungsauftrags.
So ist die Zivilklausel als landesweites Instrument praktisch ungeeignet und wäre vermutlich sogar kontraproduktiv. Sie gefährdet das, was sie zu reglementieren versucht: die Freiheit der Forschung.
Allerdings bedrohen auch Rüstungsunternehmen die Forschungsfreiheit, und zwar indem sie die Abhängigkeit der Hochschulen von Sponsoring und
Hier muss die Landesregierung, müssen wir aufpassen. Die Grundmittel für die Forschung der Hochschulen wurden gesenkt. Damit die Hochschulen weiterhin auf gleichem Niveau operieren können, sind sie stärker auf die Einnahmen durch externe Auftraggeber angewiesen. Das ist das eigentliche Problem an den Hochschulen.
Hier ist die Forschungsfreiheit bedroht durch starke finanzielle Abhängigkeiten von Unternehmen aller Art, die Forschungsziele und -wege vorgeben und auch die für die Wissenschaft unbedingt notwendige Transparenz einschränken. Anstatt den Hochschulen Geld in Form von Grundmitteln in die Hand zu geben, werden sie durch leistungsorientierte Mittelvergabe fehlgesteuert. Geben Sie den Hochschulen eine echte Möglichkeit, bei Bedarf „Rüstungsforschung – nein, danke“ sagen zu können,
sich aus freien Stücken auch gegen Drittmittel entscheiden zu können. Geben Sie ihnen die nötigen Grundmittel. Wahl statt Sanktion!
Sie können noch etwas tun: Sorgen Sie hier, im Bund und in Europa dafür, dass die Forschungsfreiheit auch nicht durch öffentliche Forschungsprojekte mit zu engen Zielvorgaben eingeschränkt wird. Solange Forschungsprojekte wie INDECT mit Steuergeldern über das 7. Forschungsrahmenprogramm finanziert werden, brauchen wir, einschließlich der Universität Wuppertal, nicht über eine landesweite Zivilklausel zu sprechen. Stoppt INDECT!
Laut Antrag soll der Landtag als Legislative beschließen, dass etwas rechtlich nicht zulässig ist, weil es die im Grundgesetz garantierte Wissenschafts- und Forschungsfreiheit einschränkt. Das ist ein wenig kurios. Die Aufforderung an die Landesregierung, allen Bestrebungen zur Einschränkung der Forschungsfreiheit entgegenzutreten, ist jedoch richtig. Das gilt für die Zivilklausel genauso wie für die Drittmittelabhängigkeit, Fremdbestimmung
Daher werde ich persönlich für den Antrag stimmen, andere werden ihn womöglich anders interpretieren. – Vielen Dank.