Protokoll der Sitzung vom 25.09.2013

rung im Elementar- und Primarbereich sowie im Übergang zu weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen

Große Anfrage 3 der Fraktion der CDU Drucksache 16/2138

Antwort der Landesregierung Drucksache 16/3328 – Neudruck

Ich eröffne die Beratung. Für die CDU-Fraktion spricht die Kollegin Scharrenbach.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte vorab für die CDU-Fraktion den 5.379 Einrichtungen danken, die sich die Mühe gemacht haben, die Große Anfrage zu beantworten. Wir wissen, dass das im Zuge ganzer Statistiken, die ja über das Kita-Jahr auszufüllen sind, sicherlich keine einfache Aufgabenstellung war. Aber sie wurde zumindest entsprechend angenommen.

Wir haben diese Große Anfrage gestellt, weil es inzwischen eine Fülle von Sprachförderprogrammen im Elementarbereich gibt und es letztendlich nach unserer Wahrnehmung an Wissen fehlt, ob denn diese Sprachförderprogramme überhaupt die erwünschte Wirkung erzeugen und den entsprechenden Beitrag zu dem Ziel leisten, Kinder nämlich bereits vor der Grundschule in der Sprache zu fördern.

Da liefert die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage sicherlich ein paar grundlegende Erkenntnisse, die es in den weiteren Beratungen gilt, zu vertiefen und miteinander auszutauschen.

Sicherlich ist es so, dass über das Land betrachtet ca. 25 % aller Vierjährigen einen zusätzlichen Sprachförderbedarf aufweisen. Das gestaltet sich aber regional durchaus sehr unterschiedlich. Während wir im Regierungsbezirk Düsseldorf eine kontinuierliche Steigerung der Sprachförderbedarfe haben – der Bedarf liegt da ungefähr bei 28 % und im Regierungsbezirk Arnsberg bei 29 % –, verhalten sich die anderen Regierungsbezirke wesentlich anders.

Eine weitere Erkenntnis, die sich aus der Antwort auf die Große Anfrage schließen lässt, ist, dass bei zurückgehenden Kinderzahlen der Sprachförderbedarf steigt. Das sollte, meine ich, ein Alarmsignal für alle die sein, die sich nicht nur mit dem Elementarbereich beschäftigen, sondern auch fortführend mit dem Bildungsbereich im Grundschul- und weiterführenden Bereich.

Die Sprachdiagnostik und die sich anschließenden Sprachfördermaßnahmen sind aus Sicht der CDULandtagsfraktion so aufeinander abzustimmen und aufzubauen, dass Bildungsbrüche zwischen Elementar- und Primarbereich und zwischen Primarbereich und weiterführenden Schulen künftig vermieden werden. Dadurch kann es zu einer Stärkung der Bildungssprache Deutsch kommen. Aus unserer Sicht ist es dabei dringend erforderlich, auch das Elternhaus konsequent mit einzubeziehen und gegebenenfalls auch zu befähigen.

Ein Aspekt, der uns in der nächsten Zeit nach Ankündigung der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen intensiver beschäftigen wird, ist die Frage: Wie stellen wir denn das Sprachstandsfeststellungsverfahren überhaupt auf? Bleibt es bei einem punktuellen Verfahren mit Delfin 4? Oder stellt man das System insgesamt um?

Aus unserer Sicht ist die Frage nicht ein EntwederOder, entweder alltagsintegrierte Sprachförderung oder Zusatzsprachförderung, sondern die Antwort kann nur heißen ein Sowohl-als-Auch. Wir brauchen sowohl eine alltagsorientierte Sprachförderung als auch, wenn ein Kind es benötigt, eine zusätzliche Förderung, um die entsprechenden Ergebnisse zu erzielen.

Wir haben, als wir damals Delfin 4 eingeführt haben und das Sprachstandsfeststellungsverfahren 2007 verankert haben, als erstes Bundesland solch ein Verfahren auf den Weg gebracht. Wir haben damals immer formuliert, dass es zu gegebener Zeit auch evaluiert wird. Diese Verpflichtung, die Evaluation vorzunehmen, hat nun die Landesregierung übernommen. Leider ist sie bis heute nicht vorgelegt worden.

Deshalb kann man sich natürlich vorstellen, dass man im Zuge der Erfahrungen mit Delfin 4 möglicherweise auch dazu kommt, die Erzieherinnen in ihrer Kompetenz stärker einzubeziehen in die Frage der Förderung und der Feststellung von Förderbedarfen von Kindern.

Es gibt dort mehrere Verfahren. Andere Bundesländer haben sich da auf den Weg gemacht und haben zum Beispiel in das zuständige Schulgesetz hineingeschrieben, dass Erzieherinnen das Verfahren durchführen können, wenn sie eine Zusatzausbildung nachweisen. Es gibt auch noch andere Möglichkeiten. Die Bundesländer haben sich da durchaus unterschiedlich aufgestellt.

Nichtsdestotrotz: In der letzten Zeit habe ich etliche Einrichtungen besucht, die nicht nur Delfin 4 anwenden, weil sie es anwenden müssen, sondern auch in dem Pilotprojekt des Bundes „SchwerpunktKitas Sprache und Integration“ sind. Eine Erkenntnis der Erzieherinnen ist, sie kriegen das mit Delfin 4 eigentlich inzwischen sehr gut hin. Ein positiver Aspekt dabei ist, dass sich durch die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften das Verständnis für die jeweilige andere Profession deutlich verändert und verbessert hat. Insofern darf man das bei einer Überarbeitung der Grundsätze nicht aus dem Blick verlieren.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch zwei Aspekte ansprechen.

Aus der Antwort auf die Große Anfrage wird deutlich, dass im Schnitt bei ca. 4,4 % der Kinder erst mit der schulärztlichen Eingangsuntersuchung für die Grundschule Sprach- oder Sprechstörungen festgestellt werden und zwischen 2007 und 2011 ungefähr ein Anstieg der Behandlungsdiagnosen um 5 % zu beobachten ist. Insofern wird es keine einfache Antwort auf die Frage geben, wie man das Verfahren künftig aufstellt.

Aber eines muss klar sein: Wir müssen ein durchgängiges Verständnis entwickeln, wie wir die Bildungssprache Deutsch implementieren, und zwar im Elementarbereich über den Schulbereich hinweg. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Stotz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst danke ich der Landesregierung für die Beantwortung der Großen Anfrage der CDU zum gesamten Komplex der Sprachstandsfeststellung und der Sprachförderung.

Ich danke auch wie meine Vorrednerin den Einrichtungen, die sich über fünftausendfach an der Befragung beteiligt haben und Rückmeldungen gegeben haben. Ich glaube, das ist auch deshalb geschehen, weil die Einrichtungen Druck haben, dass sich an dieser Stelle etwas ändert.

Mit der Beantwortung der Großen Anfrage liegen uns nun Informationen über den Stand der Sprachförderung in unserem Land vor. Daneben zeigen die einzelnen Antworten aber auch die Herausforderungen auf, die es in Zukunft noch stärker in den Blick zu nehmen gilt.

Das Thema „Sprachförderung von Kindern“ ist beileibe kein neues Thema in der fachlichen und politischen Diskussion, auch nicht bei uns in NordrheinWestfalen. Sprachförderung ist bereits seit den 80er-Jahren fester Bestandteil der pädagogischen

Arbeit in Kita und Schule. Denn Sprache – das wissen wir – ist die wichtigste Grundlage der Kommunikation, durch die Gedanken und Gefühle mitgeteilt, Bedeutungen vermittelt werden, Erlebnisse verarbeitet, Erfahrungen ausgetauscht, Wünsche formuliert und Zusammenhänge verstanden werden. Kurzum: Sprache ist zwingende Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe.

Den Spracherwerb kleiner Kinder zu begleiten und zu fördern ist zunächst die Aufgabe des Elternhauses, aber genauso auch eine wesentliche und permanente Aufgabe im Elementarbereich wie in der Grundschule und natürlich auch in den weiterführenden Schulen.

Die Vorvorgängerregierung hat im Jahre 2007 die flächendeckende Sprachstandsfeststellung eingeführt und hält dieses Instrument – so verstehe ich die Einlassungen in der Vorbemerkung der Großen Anfrage der CDU – offensichtlich nach wie vor für einen entscheidenden Qualitätsfortschritt.

(Beifall von der CDU)

Die Diskussionen über dieses schwarz-gelbe Instrument waren in den vergangenen Jahren ebenso zahlreich wie kontrovers.

Mehrfach wurde in Anhörungen und Expertengesprächen über den Sinn und Zweck einer systematischen und flächendeckenden Sprachstandsermittlung gestritten. Dabei ging es immer auch um die Frage: Muss man wirklich alle Kinder mit einem gewaltigen organisatorischen Aufwand durchtesten, um mögliche Sprachförderbedarfe überhaupt erst feststellen zu können und daraus abgeleitet dann kindbezogene Pauschalen zur Sprachförderung an die Einrichtungen bzw. an die Träger zu geben, oder ist es nicht sinnvoller, die Beobachtungen der Erzieherinnen und Erzieher in engem Zusammenspiel mit den Eltern stärker als bisher zur Grundlage von Förderentscheidungen zu machen und nur in Grenzfällen externen Sachverstand hinzuzuziehen?

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ist es außerdem nicht sinnvoller, die insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel so einzusetzen, dass die Sprachförderung im Alltag der Kinder in der Kita situationsbezogen erfolgt und nicht generell als herausgezogene punktuelle Fördereinheit?

(Beifall von Ingrid Hack [SPD])

Genau das hat der Verband Bildung und Erziehung heute noch einmal zu unserer Debatte hier und heute ausgesagt. Der VBE wird an dieser Stelle sehr deutlich. Udo Beckmann, Vorsitzender des VBE, schreibt – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –:

„Delfin 4 stellt nur eine Momentaufnahme in der Sprachbildung der Kinder dar. Ein kontinuierlicher Sprachentwicklungsprozess wird dabei nicht berücksichtigt.“

Weiter schreibt er, dass Aufwand und Ergebnis in keinem Zusammenhang stehen würden, und er kommt zu dem Fazit: „Gut gemeint ist in diesem Fall nicht gut gemacht.“ Dem kann ich mich nur anschließen.

Ich freue mich aber, dass Frau Kollegin Scharrenbach hier gerade die Tür ein bisschen aufgemacht hat, um an dieser Stelle noch einmal tiefer in die Diskussion einzusteigen.

In der Antwort der Landesregierung wird auch auf den Missstand hingewiesen, dass Diagnose und Förderung bisher nicht in einer Hand liegen. Meine Fraktion hat von Anfang an immer wieder deutlich gemacht, dass wir dies als einen grundsätzlichen Konstruktionsfehler ansehen.

Wir wollen weg von dem Verfahren, bei dem völlig fremde Lehrer in die Kita kommen, um jedes einzelne Kind in einer prüfungsähnlichen Situation zu testen. Wir wollen das gesamte Verfahren vom Kopf auf die Füße stellen. Das alles wollen wir ändern. Entsprechende Formulierungen dazu finden sich auch in unserem Koalitionsvertrag.

Ich begrüße zudem, dass sich Nordrhein-Westfalen auch an der Bund-Länder-Initiative im Bereich der Sprachförderung, Sprachdiagnostik und Leseförderung beteiligt; denn auch aus den Ausführungen der Landesregierung wissen wir, dass wir kein klares Bild von der Wirksamkeit der verschiedenen, vielzähligen Sprachförderangebote haben.

Es gäbe noch viele Punkte, die ich ansprechen könnte; die Ausführungen sind sehr umfangreich. Allein die Zeit reicht nicht. Ich denke aber, das werden wir in den Fachausschüssen dann noch gründlich tun.

Ich freue mich auf eine vertiefende Diskussion in den Fachausschüssen und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Stotz. – Für die FDP-Fraktion erteile ich jetzt der Frau Kollegin Gebauer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich zuerst einmal dem Dank von Frau Stotz und Frau Scharrenbach für die Beantwortung dieser Großen Anfrage nur anschließen.

Wir als FDP sind stolz darauf, dass NordrheinWestfalen diesen wichtigen Schritt der verpflichtenden Sprachstandsfeststellung als erstes Bundesland gegangen ist. Ich denke, dass mittlerweile auch fraktionsübergreifend die Ansicht herrscht, dass eine frühzeitige und kontinuierliche Förderung der

Sprachkenntnisse von herausragender Bedeutung ist.

Ich habe mich damals in Köln gefreut, als Frau Ministerin Löhrmann im Rathaus die Einführung der Sprachstandsfeststellung und anschließende

Sprachförderung durch die Vorgängerregierung explizit gelobt hat. Zum Glück sind ja auch die Zeiten vorbei, in denen die SPD in diesem Zusammenhang noch von einem „Kinderabitur“ gesprochen hat.

Die Sprachstandsfeststellung und die anschließende pädagogische Förderung können einen Beitrag dafür leisten, die soziale Herkunft vom Bildungserfolg zu entkoppeln und entsprechende Potenziale zu entfalten. Um die Pädagogen bei dieser Potenzialentfaltung zu unterstützen, war es daher auch wichtig, ein verpflichtendes Modul, nämlich