Protokoll der Sitzung vom 26.09.2013

hältnisse schaffen können. Im Gegenteil! Der Anstieg ist darauf zurückzuführen, dass viele Betriebe ihre Mitarbeiter ausgelagert haben und heute als Subunternehmer beschäftigen. Tarif- und Mindestlöhne werden so elegant umgangen. Das ist gerade der Unterschied zu meistergeführten Handwerksbetrieben, die es als ihre Pflicht ansehen, ihren Mitarbeitern wenigstens Tariflöhne zu bezahlen. Meistens liegen diese Gehälter allerdings deutlich über dem Tarif.

Noch problematischer ist die Entwicklung jedoch für unser Ausbildungssystem. Seit der Novellierung 2004 ist beispielsweise die Anzahl der meistergeführten Fliesenlegerbetriebe in Nordrhein-Westfalen von 2.011 auf 1.440 Betriebe gesunken.

Weniger Meisterbetriebe bedeuten jedoch auch weniger Ausbildungsplätze. So sank nach Auskunft der Landesregierung seit der Novellierung der Handwerksordnung die Zahl der Ausbildungsbetriebe im Handwerk um 5,5 %.

Bislang steht Deutschland im europäischen Vergleich bei der Jugendarbeitslosigkeit hervorragend dar. Gerade einmal 7,5 % der Arbeitslosen sind bei uns jünger als 25 Jahre. Grund für die geringe Jugendarbeitslosigkeit ist vor allem unser System der dualen Berufsausbildung, das jedoch nur funktioniert, wenn genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden.

Ganz anders sieht es in den europäischen Partnerländern aus. Jugendarbeitslosigkeit wird in Europa immer mehr zum Massenphänomen. So sind in Griechenland mehr als 60 % der Arbeitslosen jünger als 25 Jahre. In Spanien ist es jeder zweite Arbeitslose, in Frankreich jeder vierte. Selbst im Vereinigten Königreich ist jeder fünfte Arbeitslose jünger als 25 Jahre.

Die hohe Jugendarbeitslosigkeit hat nach Berechnungen des IW Köln dramatische Folgen für die Wirtschaftskraft der EU. So büßte die Wirtschaft 2011 nach Berechnung des IW Köln aufgrund der

hohen Jugendarbeitslosigkeit 153 Milliarden € ein. Ich wiederhole: 153 Milliarden €. Das sind 1,2 % des europäischen Bruttoinlandsprodukts.

Die EU hat gerade ein milliardenschweres Aktionsprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit auf den Weg gebracht. Bis 2015 will sie 6 Milliarden € zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit aufwenden, zum Beispiel für die sogenannte Jugendgarantie, die dafür sorgen soll, dass in den EU-Staaten junge Menschen nie länger als vier Monate ohne Job, Ausbildung oder Trainingsmaßnahme sind.

Es ist schon fast schizophren, dass die EU 6 Milliarden € für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit aufwenden will und gleichzeitig durch eine weitere Entwertung unseres Meisterbriefs die Axt an unser duales Ausbildungssystem legt. Das dürfen wir nicht zulassen.

Wir müssen jetzt gemeinsam ein starkes Signal nach Brüssel senden: Der Landtag NRW steht zum Handwerk, zum Meisterbrief und zur dualen Ausbildung. Lassen Sie uns der EU gemeinsam klarmachen, dass wir nicht akzeptieren, unser duales Ausbildungssystem durch weitere Verwässerungen der Handwerksordnung zu gefährden.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss und hoffe auf eine breite Zustimmung zu unserem Antrag. – Ich bedanke mich.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Spiecker. – Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Schmeltzer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das wird wohl eine kurze, einvernehmliche Debatte. Ich gehe davon aus, dass der Antrag anschließend ebenso einvernehmlich in den Wirtschaftsausschuss überwiesen wird.

Ich will ausdrücklich sagen, dass ich die Initiative der CDU-Fraktion zur Stützung des Meisters begrüße. Denn er stellt die Stütze des Handwerks dar, ist ein Zeichen für Qualität und hat eine herausragende Bedeutung für die duale Berufsausbildung im Handwerk.

Ich glaube – so habe ich den Kollegen Spiecker gerade verstanden –, unsere Meinung zu der EUEmpfehlung ist eindeutig einvernehmlich. Sie wissen, ich pflege gerne eine deutliche Sprache: Diese EU-Empfehlung ist aus meiner Sicht völliger Quatsch. Sie zeugt von Unwissenheit, würdigt nicht den Stellenwert des Meisters in Deutschland. Der Antrag und Herr Kollege Spiecker haben einiges Positives zu der Stellung des Meisters in unserer Gesellschaft, in der Wirtschaft, im Handwerk ausgeführt.

Der 2. Meistertag am vergangenen Samstag in Arnsberg – Kollege Spiecker und ich waren anwesend – hat deutlich gemacht, dass die Rolle des Meisters eine herausragende ist. Ich habe die Worte des Moderatoren Bernd Stelter noch sehr gut in Erinnerung. Er war voll des Lobes und meinte sinngemäß: Derjenige, der sich Meister und Meistergründungsprämie ausgedacht, wäre ganz schön pfiffig und könnte sich zu Recht auf diese Sache ein „Pilsken“ gönnen.

Der Meister ist gut für das Handwerk, die Wirtschaft und die duale Ausbildung. Dass der Meister pfiffig ist, ist das eine, aber dass er in unserer Gesellschaft, in unserer Wirtschaft unverzichtbar und unterstützenswert ist, ist das andere.

Herr Kollege Spiecker, ich bin mir sicher, wir werden eine gute, positive und unterstützende Beratung im Wirtschaftsausschuss zum Stand des Meisters haben. Ich freue mich darauf. Natürlich werden wir dem Antrag auf Überweisung zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Für die grüne Landtagsfraktion spricht Frau Kollegin Schneckenburger.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wir haben bis jetzt eine weitgehend einvernehmliche Debatte. Wir als Grüne stellen fest, dass das hohe Qualitätsniveau der Handwerksdienstleistung in Deutschland ein äußerst wichtiger Wettbewerbsvorteil ist. Es geht auch nicht nur um die Qualität der Leistung, sondern auch um den notwendigen Bildungsaufbruch, den Ausbau von Bildung, den wir als Land brauchen und im schulischen Bereich schon auf den Weg gebracht haben.

Im betrieblichen Bereich – darüber sind wir uns wohl alle einig – spielt die duale Ausbildung, unser duales Ausbildungssystem, das im internationalen Vergleich vorbildhaft ist und um das uns andere beneiden, eine ganz wesentliche Rolle. Mit dem Handwerk kommt es zu einer qualitätsvollen Ausbildung und zu einer großen Weiterbildungsbereitschaft bei den dort Tätigen. Qualität als wichtiges Merkmal nachhaltigen Wirtschaftens muss auf ein Handwerk setzen, das in der Lage ist, diese Qualität auch zu bewahren.

Die Zahl der von Meistern geführten Betriebe in Nordrhein-Westfalen nimmt stetig ab. Das ist in gewisser Hinsicht besorgniserregend. 2003 wurden in Nordrhein-Westfalen 82.000 Betriebe von Meistern geführt. 2012 hat sich diese Zahl fast um 25 % reduziert.

Wir meinen, es ist ein Gebot der Vernunft, diese hohe Qualität im Handwerk zu schützen und damit

auch die Selbstständigen in Nordrhein-Westfalen zu schützen – vor Insolvenzen zu schützen: Gerade im Bereich der nicht meistergeführten Betriebe beobachten wir ein erhöhtes Insolvenzrisiko. Beide Punkte muss man bei dem europäischen Vorstoß mit in den Blick nehmen.

Und man muss noch einmal gemeinsam in kritischer Weise auf die Handwerksrechtsnovelle von 2004 schauen und sie evaluieren: Was war daran richtig? Wo muss gegebenenfalls nachgesteuert werden?

Über diese Aspekte sollten wir eine sachgerechte und sehr breit getragene Debatte im Ausschuss führen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schneckenburger. – Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Bombis.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, geehrte Herren! Herr Schmeltzer, Frau Schneckenburger, ich habe gesucht, aber ich habe bisher keinen Dissens in der heutigen Debatte feststellen können. Bei Ihnen, Frau Schneckenburger, mache ich vielleicht eine ganz kleine Einschränkung. Ihren Querverweis auf die Entwicklung im nordrhein-westfälischen Schulsystem teile ich nicht zu 100%. Aber das hat mit der heutigen Debatte eigentlich gar nichts zu tun.

Insofern kann ich nur sagen: Auch aus Sicht der FDP-Landtagsfraktion ist der Meisterbrief, die Meisterqualifikation – genau wie übrigens das Kammersystem – Grundlage des erfolgreichen dualen Ausbildungssystems, das inzwischen weltweit geachtet ist.

Zweitens steht natürlich diese Meisterqualifikation besonders für die hohe Qualität der Ausbildung und damit letztendlich auch der Arbeit.

Drittens sind Qualität und Sicherheit der Resultate dieser Meisterqualifikation, sprich der handwerklichen Arbeit, nicht nur eine erfreuliche Folge, sondern eben auch im Sinne des Verbraucherschutzes ein sehr wichtiger Faktor.

Insofern kann ich auch für unsere Fraktion sagen, dass wir weitere Einschränkungen im Sinne der Initiative der EU-Kommission oder der Ideen der EUKommission nicht nur für nicht notwendig halten und als schädlich erachten, sondern wir sehen auch in keiner Weise einen Anlass dafür, weil – darüber ist ja bereits gesprochen worden – die Zugangsmöglichkeiten auch für Nichtmeister im Handwerk bereits ausreichend vorhanden sind. Von daher sehen wir auch durchaus die negativen Folgen, die mit der bisherigen Entwicklung in Verbindung stehen. Auch das ist bereits angeklungen. Die Gründung von steuerbefreiten Kleinstbetrieben ist nicht nur

schlecht für öffentliche Haushalte, sie ist auch schlecht für Wettbewerbe, für den Wettbewerb auch mit arrivierten Betrieben.

Die eine Randbemerkung mache ich dann doch: Das ist im Übrigen auch der Grund dafür, dass wir sehr darauf achten sollten, dass wir unseren Betrieben eben nicht noch weitere bürokratische Lasten aufbürden. Aber ich will die Einvernehmlichkeit der Debatte nicht durch irgendwelche Bemerkungen über das Tariftreue- und Vergabegesetz belasten.

Wir sagen ganz klar: Wir sind gegen eine weitere Schwächung der Meisterqualifikation: im Sinne der Betriebe, im Sinne der Mitarbeiter und im Sinne der Verbraucher. Wir freuen uns auf die Ausschussdebatte. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Bombis. – Für die Piratenfraktion spricht der Abgeordnete Schwerd.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Das duale Ausbildungssystem in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Die Kombination von praktischer Ausbildung in den Betrieben und theoretischer Ausbildung in den Berufsschulen hat dazu geführt, dass in Deutschland ausgebildete Facharbeiterinnen und Handwerker weltweit einen guten Ruf genießen. Nicht zuletzt verdanken wir diesem System, dass wir in Deutschland eine verhältnismäßig hohe Beschäftigungsquote unter jungen Menschen haben.

Das Handwerk profitiert in besonderem Maße von diesem dualen Ausbildungssystem. Denn es stellt sicher, dass junge Menschen bedarfsgerecht und praxisnah ausgebildet werden.

Trotzdem glauben wir Piraten, dass man auch hier noch einige Dinge verbessern kann.

Das heißt beispielsweise: Die Organisation und die Privilegien des Handwerks sollten nicht für alle Zeit in Stein gemeißelt sein.

Wir begrüßen ausdrücklich die Handwerksnovelle von 2004, mit der für viele Handwerksberufe die Meisterpflicht wegfiel. Das bedeutet in der Praxis, dass sich Menschen in bestimmten Handwerksberufen selbstständig machen konnten, auch wenn sie keine Meisterprüfung abgelegt hatten. Viele Handwerker, vom Apparatebauer bis hin zum Zupfinstrumentenmacher, konnten deshalb überhaupt erst eigene Betriebe gründen und dadurch dann auch wieder weitere Mitarbeiter einstellen. Für die Kunden lohnt sich das gleichfalls. Denn Konkurrenz belebt das Geschäft.

Die mit der Handwerksnovelle 2004 beschlossene Öffnung der Handwerksberufe ist aus unserer Sicht

unumkehrbar. Anstatt weiter auf alten Privilegien zu bestehen, muss sich auch das Handwerk neuen Entwicklungen stellen, die für andere Wirtschaftszweige längst gelten.

Eventuell brauchen wir dafür auch ein neues Konzept für die Ausbildung junger Handwerkerinnen und Handwerker. Denn auf der einen Seite geht der Anteil der Handwerksbetriebe mit Meister zurück. Das gilt wegen der Ausnahmeregelungen auch für das zulassungspflichtige Handwerk. Auf der anderen Seite wird der Großteil der Gesellen in jenen Handwerkszweigen ausgebildet, in denen ein Meisterzwang herrscht. Hier sollte man überlegen, wie man auch diejenigen Betriebe, für die kein Meisterzwang mehr gilt, dazu anhalten kann, mehr junge Menschen auszubilden, oder wir müssen diese Betriebe finanziell stärker in die Pflicht nehmen.

Mit dem Beharren auf alten Handwerksprivilegien alleine ist jedenfalls niemandem geholfen.

Ich muss jetzt doch ein bisschen Wasser in den Wein gießen bezüglich der Einvernehmlichkeit. Denn bislang habe ich in diesem Parlament sehr wenig Bereitschaft gespürt, die uns entgegengebracht worden ist, an der Sache orientierte Politik zu machen. Ich hätte hier den „Barbier von Sevilla“ singen können, das hätte wahrscheinlich mehr Erfolg gehabt.

(Beifall von den PIRATEN)