Immer wieder müssen diese Menschen die Erfahrung machen, dass auf Papier geschriebene Gesetze sehr unterschiedlich ausgelegt werden. Mitunter kommt es sogar vor, dass verbrieftes Recht verweigert wird, so zum Beispiel bei Eltern, die ihr Kind mit Unterstützungsbedarf an einer Regelschule anmelden wollen und der Schulträger die Übernahme der Kosten für die Integrationshelferin ablehnt oder wenn die Arbeitsagentur die Beratung und Vermittlung in Arbeit verweigert und stattdessen auf der Verrentung eines Hilfesuchenden besteht.
Es sind aber nicht nur Gesetzestext und die Verweigerungshaltung, die in die Irre führen: Auch unterschiedliche Verwaltungsebenen der Leistungsträgerinnen und eine Vielfalt an Leistungserbringerinnen machen den Menschen das Leben schwer. Der Eindruck, dass Institutionen lediglich für den Selbstzweck und weniger für die Betroffenen selbst arbeiten, kann sich in vielen Situationen den Menschen, die Unterstützung suchen, aufdrängen.
All dies zusammengenommen macht eine unabhängige Beratung unabdingbar. Hier haben wir insbesondere die beiden Kompetenzzentren – der Kollege Scheffler hat es schon erwähnt – in Köln und in Dortmund, die diese Arbeit schon seit Jahren übernehmen. Hier finden Menschen mit Behinderung Hilfe, Beratung und auch Unterstützung. Neben der Interessenvertretung der Einzelnen sind Öffentlichkeitsarbeit, Bewusstseinsbildung und natürlich auch Vernetzung mit anderen schon bestehenden Strukturen wichtige Arbeitsfelder.
Diese Kompetenzzentren erfahren sehr großen Zulauf und leisten hervorragende und auch wichtige Arbeit. Ihre Arbeit ist deshalb so gut und wichtig – auch das hat der Kollege Scheffler schon gesagt –, weil hier nach dem Prinzip der Peer Counseling gearbeitet wird, nämlich Betroffene beraten Betroffene.
Der Landesaktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ beschreibt die Kompetenzzentren für selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderung als Institutionen, die die Bewusstseinsentwicklung für das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in Politik und Gesellschaft voranbringen.
Zwei Kompetenzzentren alleine können nicht den Bedarf eines ganzen Landes befriedigen. Daher möchten wir diese Beratungsstruktur ausweiten. Damit Menschen mit Behinderung ihre Rechte wahrnehmen können, wollen wir dafür sorgen, dass in allen Regionen in NRW eine entsprechende Beratung in Anspruch genommen werden kann.
Außerdem wollen wir, dass in jedem Regierungsbezirk mindestens ein Kompetenzzentrum für selbstbestimmtes Leben vorhanden ist. Dabei legen wir großen Wert darauf, dass bereits bestehende und qualifizierte Institutionen in diesen Prozess einbezogen werden. Beispielhaft möchte ich die LAG SELBSTHILFE oder das Netzwerk für Frauen und Mädchen mit Behinderung nennen.
Bei den vielen unterschiedlichen Problemstellungen und Bedarfen der Unterstützungssuchenden – wie Geschlecht, kulturelle Herkunft oder einfach die Individualität der Beeinträchtigung – stehen die Kompetenzzentren natürlich vor einer Mammutaufgabe. Wir werden in Zukunft ganz genau beobachten müssen, inwieweit neben dem allgemeinen Beratungsangebot auch eine gewisse Spezialisierung – zumindest in Teilbereichen – in den einzelnen Kompetenzzentren notwendig werden kann.
Mit diesem Antrag machen wir einen wichtigen Schritt zur Erweiterung der Beratungsstrukturen für Menschen mit Behinderung hier in NRW. Wir kommen damit auch einem Wunsch und der Aufforderung aus dem Kreis der Betroffenen nach.
Wenn der Antrag dann beschlossen ist, liegt es an der Landesregierung, diesen Auftrag so schnell wie möglich umzusetzen. Das wünschen wir uns natürlich. Ich bin mir aber sicher, dass Sie sich entsprechend einsetzen werden. Ich möchte Sie, liebe Kol
leginnen und Kollegen, ermuntern, uns bei diesem Bestreben und bei unserem Antrag zu unterstützen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein großes Lob gilt der Arbeit der beiden regionalen Kompetenzzentren in unserem Bundesland: dem Zentrum für selbstbestimmtes Leben in Köln und der Einrichtung MOBILE in Dortmund.
Wie im Landesaktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ bereits beschrieben, leisten diese beiden Zentren einen unverzichtbaren Beitrag, die selbstbestimmten Lebensformen von Menschen mit Behinderung zu unterstützen und das allgemeine Bewusstsein in Politik und Gesellschaft für das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderung zu schärfen.
Es ist gut und unverzichtbar, dass diese Arbeit gefördert wird. Auf diese Weise wird eine umfassende Beratung und Unterstützung von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen gewährleistet und ermöglicht. Nur so kann jedermanns Recht auf ein selbstbestimmtes Leben im Sinne der UN
Konvention garantiert werden. Mittelfristiges Ziel muss es sein, diese Arbeit der Kompetenzzentren und damit die Ansätze des oben genannten Landesaktionsplans in Nordrhein-Westfalen in der Fläche auszubauen, sodass es landesweite Anlaufstellen für Menschen mit Behinderungen gibt.
In diesem Punkt, und was die Arbeit der Kompetenzzentren betrifft – sowohl an Hilfestellungen für behinderte Menschen und der Vertretung ihrer Belange als auch bei der Öffentlichkeitsarbeit und der Vermittlung eines positiven Bildes von Menschen mit Behinderungen –, stimme ich dem Antrag voll zu. Auf diese Weise wird das allgemeine Bewusstsein für Inklusion und Teilhabe wieder geschärft. Dabei ist es selbstverständlich, dass die Kompetenzzentren auch geschlechtergerecht und kultursensibel ausgerichtet werden.
Aus dem Antrag erschließt sich mir jedoch nicht, wie genau die dort geforderte Einbeziehung anderer Selbsthilfeverbände und Netzwerke bei dem Ausbau der „Kompetenzzentren selbstbestimmtes Leben“ geschehen soll. Im Antrag werden willkürlich drei weitere Institutionen genannt, nämlich die LAG SELBSTHILFE NRW, das Netzwerk für Frauen und Mädchen mit Behinderung sowie der Landesverband der Psychiatrie-Erfahrenen NRW. Außerdem
Jedenfalls ist diese Aufzählung nicht ansatzweise abschließend. Genau das ist jedoch das Problem. Es gibt eine solche Vielzahl von Einrichtungen, Gruppen und Institutionen, an die die Betroffenen sich wenden können, dass unmöglich alle in unserem Land bestehenden Stellen in den allgemeinen und geförderten Ausbau einbezogen werden können.
Zunächst ist es unerlässlich, die gesamte Fläche einmal zu betrachten und das bestehende KleinKlein zu ordnen. Bei dem momentanen Angebot ist es für die Betroffenen schier unmöglich, die für sie passende Stelle zu finden. Man braucht den gebündelten Sachverstand an einer Stelle. Ein flächendeckender Ausbau von Kompetenzzentren, wie sie derzeit schon zu finden sind, muss angestrebt werden.
Ich kann dem Antrag nicht entnehmen, was genau mit den anderen genannten Stellen geschehen soll, die wertvolle Arbeit in unserem Land leisten. Wie soll ein Ausbau gestaltet werden? Warum werden überhaupt nur drei Institutionen erwähnt?
Auch die Finanzierung bleibt unklar. Das Zentrum für selbstbestimmtes Leben in Köln sowie MOBILE in Dortmund leisten bereits hervorragende Arbeit. Es ist ganz wichtig, nicht auf eine Art der Behinderung spezialisiert zu sein. Die Einrichtungen arbeiten quasi übergreifend und sind ein Anlaufpunkt für Menschen mit unterschiedlichsten körperlichen und geistigen Behinderungen.
Genau diesen Ansatz gilt es nun in die Fläche zu bringen. Es ist nicht zielführend, wenn die Landesregierung die Zuständigkeitsbereiche der Anlauf- und Beratungsstellen von oben festlegt und die im Antrag geforderten Schwerpunkte gebildet werden.
Auf diese Weise wären wieder einmal viel mehr Stellen notwendig, für die Menschen würde die Anzahl zum Problem, und auch die allgemeine Begegnung in den Zentren würde erschwert. Aus diesem Grunde plädiere ich dafür, zunächst die vorhandenen Beratungsstellen aufzulisten und zu ordnen, und dann erst zu schauen, wie man die Arbeit der bestehenden Kompetenzzentren selbstbestimmten Lebens ausbaut und groß umstrukturiert.
von den antragstellenden Fraktionen gleich beruhigen: Es wird nichts gegen Sie geben, aber trotzdem betrachten wir die ganze Sache aus einer etwas anderen Perspektive.
Klar: Die Verbesserung der Lebenssituation behinderter Menschen ist ein wichtiges Anliegen. Insbesondere vor dem Hintergrund der oftmals zitierten UN-Behindertenrechtskonvention wollen wir die eigenen Vorstellungen für diese Leute gestalten und eine gleichberechtigte Teilhabe mit anderen an der Gesellschaft ermöglichen. Das ist das Hauptziel dabei. Die Umsetzung ist eine der bedeutsamen Aufgaben der Sozialpolitik, und zwar der gemeinsamen.
Aber dafür bedarf es Einfühlungsvermögens, Engagements, Beharrlichkeit, Geduld, aber auch – das wird häufig vergessen – der Fähigkeit, Erkenntnisse und Standards kritisch dabei zu hinterfragen.
Bereits im Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle“ wird ausdrücklich betont, dass es nur im engen Schulterschluss aller Beteiligter und Akteure gelingen kann, dieser großen Aufgabe gerecht zu werden. Dazu zählt traditionell auch eine besondere Konsensorientierung der Fraktionen in diesem Parlament, aber auch in anderen, wie ich beobachte – egal, wer dabei die Regierung stellt.
Es gibt erfreulicherweise viele inhaltliche Gemeinsamkeiten. Das bedeutet aber nicht, dass neue oder andere Ideen einfach vom Tisch gefegt werden. Denn der Inklusionsgedanke beruht gerade darauf, der Vielfalt in einer Gesellschaft mit Wertschätzung zu begegnen.
Allerdings ist es angesichts der Sensibilität des Politikfeldes empfehlenswert, auf fachpolitische Eitelkeiten zu verzichten, selbst wenn man glaubt, den Stein der Weisen gefunden zu haben.
Ich hoffe in diesem Sinne auf ein weiteres faires Miteinander, denn Menschen mit Behinderungen benötigen – darauf zielt Ihr gemeinsamer Antrag ab – eine gezielte und ihrem individuellen Bedarf entsprechende Unterstützung. Sie sollte immer als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden werden. Auch so verstehe ich die beiden funktionierenden Organisationen. Das heißt: Diese Hilfe hat eher eine assistierenden Charakter.
Der Ansatz der Kompetenzzentren, Lotsen für Menschen mit Behinderungen zu qualifizieren, ist daher der richtige Weg. Er verbindet Wertschätzung für die Menschen mit der Idee, das Wissen und die Erkenntnisse nach außen zu bringen.
Aber – jetzt komme ich so langsam auf die Ausführungen von Herrn Burkert zu sprechen – welche unterschiedlichen Beratungsstrukturen für Menschen mit Behinderung gibt es in Nordrhein-Westfalen? –
Wenn man das kurz recherchiert, kommt man auf die Städte und Kreise, 130 Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe, die Landschaftsverbände, die Reha-Servicestellen und die Integrationsfachdienste. Das waren nur diejenigen Stellen, die ich eruieren konnte. Wahrscheinlich gibt es noch mehr.
Nun kommen Sie mit Ihrer Forderung, eine weitere Beratungsstruktur hinzuzufügen. Das ergibt eine weitere Struktur, die im ungünstigsten Fall parallel zu den bestehenden existiert. Dabei ist es doch viel wirksamer, die bestehenden Strukturen zu vernetzen und die Kompetenzen zu bündeln,
gerade wegen der von Frau Kollegin GrochowiakSchmieding genannten Vorfälle, die auch uns stören – keine Sorge. Aber wir sehen dort die Möglichkeit, etwas zu verbessern, so wie es zum Beispiel Minister Schneider in dieser Woche in seinem Konzept zur Armutsbekämpfung vorgeschlagen hat. Auch da schreiben Sie, wir sollten bei den bestehenden Strukturen enger zusammenarbeiten.
In Ihrem Antrag sollen die bestehenden Projekte in die Weiterentwicklung der Kompetenzzentren einbezogen werden. Haben Sie geprüft, ob nicht der andere Weg sinnvoller ist? Das klingt mir alles – ich mag euch Grüne ja richtig gern – nach:
Hach, das ist unser Quartier. Wir haben uns alle lieb. – Ihrer Kollegin Frau Dr. Beisheim ist, als wir in Duisburg zusammengesessen haben, schon vonseiten der Träger gesagt worden: Wir müssen ein bisschen auf die Realität achten. Ganz ohne Profis geht es nicht. Es kann nicht nur Selbsthilfe sein.
Warum sollen die bestehenden Organisationen nicht von den Erkenntnissen aus dem Modellprojekt „Kompetenzzentrum selbstbestimmtes Leben“ lernen? Da kann ich Ihnen zustimmen, komme aber gleichzeitig schon zum Schluss und damit zum Anfang der Rede, wo wir die Gemeinsamkeiten betont haben.