Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

Grundsätzlich aber gilt: Die Hochschulen sollen entmachtet werden. Sie sollen erst entmündigt und dann bevormundet werden. Am Ende steht eine Selbstermächtigung des Wissenschaftsministeriums am Parlament vorbei. Das alles machen Sie, weil das erfolgreiche Hochschulfreiheitsgesetz von Andreas Pinkwart geschleift werden soll.

Sie haben höhnisch erklärt: „Kein Gesetz hat eine Ewigkeitsgarantie“. Das hat Prof. Pinkwart aber auch gar nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Ende 2012 sollte das Hochschulfreiheitsgesetz – so steht es auch in dem Gesetz – evaluiert werden. Diese Evaluation aber haben Sie gar nicht erst in Erwägung gezogen; denn sonst wären die positiven Wirkungen der Hochschulfreiheit auch Teil dieser Debatte geworden. Das wollten Sie verhindern. Sie haben jetzt auf über 360 Seiten vorgelegt, wie man die Hochschulen an die Kette legen kann, und Sie öffnen dem politischen Diktat Tür und Tor.

(Beifall von der CDU)

Unsere wichtigsten Kritikpunkte sind:

Erstens. Sie erfinden Rahmenvorgaben und erzeugen untergesetzliche schnelle Eingriffe am Parlament vorbei. Das Ministerium ermächtigt sich selbst zu Eingriffen im Bereich der Personal- und der Haushaltsverwaltung sowie der Wirtschaftsangelegenheiten, bei Gebühren-, Kassen- und Rechnungswesen – also grundsätzlich irgendwie bei fast allem. Das alles passiert am Parlament vorbei. Niemand – kein Student und kein Professor – hat mehr Einfluss auf die Abläufe zwischen Regierung und Hochschulen. Auch wir Parlamentarier haben das nicht.

Deswegen fordere ich auch alle Parlamentarier – insbesondere auch die Piraten, die auch immer gerne etwas von Partizipation erzählen – auf, als Parlamentarier diesen Punkt der Rahmenvorgaben entschieden zu bekämpfen, weil das undemokratisch ist. Ich hoffe auch, dass Sie, Frau Seidl – als

Teil der Grünen, die das schon kritisch bemängelt haben –, Rückgrat beweisen und nicht dem Beispiel des grünen Teils am Kabinettstisch folgen und dem Gesetz zustimmen. Hier im Parlament sollten wir uns Rahmenvorgaben nicht bieten lassen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zweitens. Sie führen einen Landeshochschulentwicklungsplan ein, über den Sie politischen Einfluss auf die strategische Ausrichtung der einzelnen Hochschule ausüben wollen. Selbst Fragen der Forschung werden als Gegenstand in diese Pläne aufgenommen. Es ist eben nicht so, wie Herr Schultheis eben erklärt hat. Da haben Sie die Unwahrheit gesagt.

(Karl Schultheis [SPD]: Hoppla! Hoppla!)

Nein, nein! Hören Sie zu! – Der Landtag soll nämlich als Feigenblatt die Eckpunkte des Landeshochschulentwicklungsplans im Benehmen begleiten. Von Verabschiedung und Diskussion dieses Plans ist überhaupt nicht die Rede. Er wird vorgelegt. Wir sollen im Benehmen Ja sagen, und das war es dann!

Das ist das Gegenteil von politischer Beteiligung. Sie holen die Wissenschaftspolitik nicht ins Parlament, Sie führen sie am Parlament vorbei ins Ministerium. Das ist der zweite Punkt, den sich kein Parlamentarier bieten lassen kann!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Weigert sich eine Hochschule, so wird dann der eigene universitäre Hochschulplan verpflichtend verordnen. Das empfinde ich schon als Entmündigung und Bevormundung.

Drittens. Der Hochschulrat soll nicht nur bei der strategischen Ausrichtung der Hochschule, sondern auch bei der Wahl der Hochschulleitung entmachtet werden. Er ist nur zu 50 % an der Wahl der Hochschulpräsidenten beteiligt. Gut, darüber kann man reden. Die Ernennung eines Hochschulpräsidenten erfolgt dann allerdings wieder durch das Ministerium.

Es steht nun zu befürchten, dass die Entscheidungsträger, die Mitglieder im Hochschulrat sind, wenn sie nichts mehr entscheiden dürfen, dauerhaft kein Interesse mehr an einer Mitarbeit im Hochschulrat haben werden. 90 % der Hochschulräte sind eben nicht Wirtschaftsvertreter, sondern hochrenommierte Professoren. Damit droht ein unnötiger Verlust dieser Kompetenzen in der Wissenschaftspolitik.

Viertens. Es wird die Möglichkeit eröffnet, an den Hochschulen eine sogenannte Zivilklausel einzuführen. Den Hochschulen soll damit verboten werden, militärische Forschung zu betreiben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben jetzt an vielen Stellen in diesem Haus schon darüber diskutiert. Es ist nicht eindeutig abgrenzbar, wo militärische Forschung beginnt und wo sie endet. Zivilklauseln sind daher ein Mittel, um Forschungsvorhaben politisch diskreditieren zu können. Nicht mehr die Wissenschaft steht im Mittelpunkt der Debatte, sondern nur noch die politische Bewertung der Forschung. Spitzenwissenschaftler werden es sich sehr genau überlegen, ob sie an eine solche Hochschule nach NordrheinWestfalen kommen wollen. Das ist ein weiterer Nachteil für unser Land.

(Beifall von der CDU)

Fünftens. Dem Senat wird eine Viertelparität eingeräumt. Dadurch werden Entscheidungen logischerweise verlangsamt.

Sechstens. Sie schaffen zusätzliche Gremien, Sie dehnen Anhörungsrechte aus, Entscheidungen werden verzögert; sie werden dem Einfluss organisierter politischer Interessen viel stärker ausgesetzt sein. Das wollen Sie ja. Sie wollen mehr Diskussionen und Demokratie in die Gremien der Hochschulen bringen. Das kann man zwar als Ziel aufrufen; wir glauben aber, dass dies nicht geeignet ist, Hochschulen im 21. Jahrhundert erfolgreich managen zu können.

Siebtens. Die Anforderungen an das Studium werden aufgeweicht. Der Entwurf spricht nicht mehr von Noten, er spricht von Bewertungen. Zudem sollen auch die Anwesenheitspflichten von Studierenden in Lehrveranstaltungen abgebaut werden. Hier gilt: Wieso ist an dieser Stelle auch wieder eine Detailsteuerung bis in das einzelne Seminar hinein nötig? Der Professor, der Lehrende weiß doch selber am besten, in welcher Veranstaltung eine Anwesenheitspflicht angebracht ist und wo nicht. Im Übrigen lebt eine Hochschule auch vom Diskurs; denn sonst könnten wir im Grunde überall Fernunis einrichten. Ich bitte Sie, auch hierüber noch einmal nachzudenken.

Achtens. An einer Stelle sind Sie der Kritik, die so zahlreich eingegangen ist, entgegengekommen. Das war ausgerechnet ein Punkt, bei dem Sie es gar nicht wollten. Ihr erster Entwurf sah sehr umfangreich die Veröffentlichung von Drittmitteln vor. Daran hat sich eine breite Kritik von Forschern, Hochschulen und Wirtschaft entzündet. Ihr jetzt vorliegender Entwurf ist in diesem Punkt völlig entschärft.

Ich habe gehört, dass hier auch der Wirtschaftsminister tätig gewesen ist. Es dürften also keine einfachen Debatten gewesen sein. Jetzt sollen also nur noch abgeschlossene Vorhaben veröffentlicht werden. Diesen ganzen Ärger hätten Sie sich sparen können. Sie haben jetzt Ihren Koalitionspartner verärgert. Den Grünen ist das Thema „Transparenz“ sehr wichtig.

Ihr Vorgänger Andreas Pinkwart hatte eine Regelung geschaffen, bei der Sie jetzt wieder angekommen sind, und mit der alle gut leben können. Dass Sie jetzt, am Ende der Debatte, wieder an einem Punkt gelandet sind, den Andreas Pinkwart schon vor acht Jahren ins Gesetz geschrieben hat, zeigt, dass Sie Ihrem Ministeramt nicht gewachsen sind. Mit einer Verantwortung der Wissenschaft gegenüber hat dieses Verfahren gar nichts zu tun.

(Beifall von der CDU)

Herr Kollege Dr. Berger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Abel?

Ja, bitte.

Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Dr. Berger, dass Sie meine Zwischenfrage zulassen. – Ich habe mich gemeldet, als Sie sich zur Veröffentlichung der Drittmittel geäußert haben. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie in der ersten Runde der parlamentarischen Debatte noch gesagt, dass das Ganze des Teufels sei. Im Ausschuss haben Sie gesagt, wir würden die Wirtschaft aus dem Land treiben.

In der zweiten Runde haben Sie dann gesagt, das alles sei überhaupt nicht nötig, das stünde schon im Hochschulfreiheitsgesetz.

Nun sagen Sie, dass durch die Konkretisierung, die vorgenommen wurde – in der Tat war der Begriff „Forschungsvorhaben“ in der Landschaft und teilweise auch von Ihnen mutwillig anders interpretiert worden –, das Ganze völlig okay sei.

Wie stehen Sie denn nun zur Veröffentlichung von Drittmitteln an Universitäten? Können Sie das vielleicht einmal erklären?

Gerne, Herr Kollege. Im Wesentlichen steht jetzt das im Gesetz, was vorher auch darin gestanden hat.

(Angela Freimuth [FDP]: Nein, das ist nicht richtig! Das steht eben nicht drin!)

Genau das wollten wir. Das ist für uns der Punkt, an dem wir sagen: Wir hätten uns die ganze Debatte sparen können, wenn wir nur abgeschlossene Forschungsvorhaben veröffentlichen.

(Beifall von der CDU)

Die weitgehende Abschaffung von Hochschulfreiheit, die Verlagerung von Kontrolle ins Ministerium, das Aufblähen von Mitbestimmungsgremien, die

Detailsteuerung – alles das wird die gute Entwicklung, die wir in den letzten Jahren in NordrheinWestfalen unzweifelhaft wahrgenommen haben, unzweifelhaft zum Erliegen bringen.

Der Bund stellt 3 Milliarden € für Forschung und Wissenschaft zur Verfügung. In Bayern und BadenWürttemberg werden Konzepte entwickelt, wie die vom Bund bereitgestellten Mittel abgerufen und eingesetzt werden können.

In Nordrhein-Westfalen findet das Gegenteil statt. Der Dialog mit den Hochschulen ist nachhaltig gestört. Sie haben dreieinhalb Jahre mit den Betroffenen gesprochen, haben Ihnen aber nicht zugehört. Sie haben deren Kritik nicht aufgenommen. Die Betroffenen fühlen sich von Ihnen nicht mitgenommen; viele sind verärgert und enttäuscht.

Mit dem Entwurf des Hochschulgesetzes, mit der Gehälteraffäre, mit der grünen Kritik reiht sich Tiefpunkt an Tiefpunkt in der Wissenschaftspolitik.

Ich appelliere jetzt an alle Abgeordneten von RotGrün: Dieses Gesetz enthält mindestens zwei Punkte, die wir uns als Parlamentarier so eigentlich nicht bieten lassen können.

Der gesamte Prozess zeigt: Planwirtschaft und Ministeriumsmacht will niemand und nützt auch niemandem. Ziehen Sie diesen Entwurf zurück! Nehmen Sie sich selbst als Parlamentarier ernst. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Nun spricht für die grüne Fraktion Frau Dr. Seidl.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Berger, das, was Sie eben zum Thema „Transparenz in der Forschung“ gesagt haben, ist genauso von vorgestern wie das Hochschulgesetz von 2006.

Wie Sie vielleicht auch schon mitbekommen haben, haben inzwischen auch der Evonik-Vorstand sowie die Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen, mit denen ich gestern noch gesprochen habe, der geplanten Regelung im Gesetz zugestimmt, und zwar weil sie ausgewogen ist.

Hier ist, glaube ich, die Balance zwischen der Transparenzpflicht einerseits und den schutzwürdigen Interessen der Wirtschaft andererseits gefunden. Und das ist auch richtig so.

Im Übrigen gibt es auch vonseiten des Tierschutzes viel Beifall, zum Beispiel bei den Tierschutzverbänden. Beifall gibt es aber auch bei der Bayer Pharma, um einmal die gegensätzlichen Parteien zu nennen.