Protokoll der Sitzung vom 10.09.2014

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt

12 Finanzierung für Frauenhäuser nachhaltig si

chern

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/6677

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Piratenfraktion als erstem Redner Herrn Kollegen Olejak das Wort. Bitte, Herr Kollege.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer, auch im Stream! Es ist schön, dass das Haus auch um diese Uhrzeit, zu der wir diesen Antrag behandeln, so voll ist. Heute war auch ein besonderer Tag. Vor dem Landtag fand in diesem Zusammenhang eine sehr große Demonstration statt. Es hat mich sehr gefreut, dort auch mit den Frauen und Männern sprechen zu können, die sich für die Frauenhäuser in Nordrhein-Westfalen einsetzen. Ich gehe auch davon aus, dass es da noch jede Menge Folgegespräche geben wird.

Über diesem Land schwebt gerade die Haushaltssperre. Investitionen sind regulär einfach nicht möglich. Zudem werden im Vorfeld argumentativ immer die Schulden und/oder die Schuldenbremse, vielleicht sogar die Notbremse angeführt. Ich gehe davon aus, dass dies auch in nach meinem Beitrag folgenden Reden passieren könnte.

Das betrachte ich aber als Ablenkung. Hier geht es nicht um Einzelposten, die man vor und zurück wälzt. Das kommt später in der Haushaltsdebatte. Es geht hier um etwas Grundsätzliches, nämlich um eine Situation, die aus unserer Sicht seit Jahren untragbar ist, bei der drei Ebenen immer wieder mit dem Finger aufeinander zeigen. Die Kommunen verweisen auf den Bund und/oder auf das Land. Das Land verweist auf den Bund und/oder auf die Kommunen. Die dritte Version lasse ich jetzt einmal weg.

Im rot-grünen Koalitionsvertrag wurde bereits die Schaffung einer einheitlichen gesetzlichen Grundlage zur Sicherstellung der Finanzierung von Frauenhäusern festgeschrieben. Super! Aber wo ist das Gesetz? Als Oppositionspartei möchten wir Ihnen mit unserem Antrag da einen kleinen Schubs anbieten – als Einstieg in eine zielgerichtete Diskussion darüber, zum Schutz von Opfern sexualisierter Gewalt gesetzlich entsprechenden Rückhalt zu schaffen.

Schaut man nur in Kürze auf die Situation, der sich ein Opfer momentan stellen muss, wenn es Hilfe

sucht, erkennt man sehr schnell, wie wichtig ein solches Gesetz ist. Im schlimmsten Fall müssen die Opfer sexualisierter Gewalt für einen Aufenthalt in einem Frauenhaus bis zu über 2.000 € im Monat bezahlen. Um eventuell entsprechende Fördermittel erhalten zu können, müssen die Finanzlagen komplett offengelegt werden. Wir reden hier doch immer noch von Opfern. Leute, die sowieso schon geschädigt wurden, müssen noch mehr von ihren privatesten Dingen freilegen. Und wie will man überhaupt noch an die Unterlagen herankommen, wenn man zum Beispiel aus einer Stadt in eine Nachbarkommune fliehen musste?

Aus unserer Sicht handelt es sich bei den möglichen gesetzlichen Regelungen für eine gesicherte Finanzierung von Frauenhäusern im Interesse des Opferschutzes um drei einfache Punkte – als Anfang.

Erstens. Von sexualisierter Gewalt Betroffene und deren Kinder benötigen einen verbindlichen

Schutz – unabhängig von Einkommen, Herkunft und Aufenthaltsstatus, mit angemessener Aufenthaltsdauer und – das ist wahrscheinlich der größte diskussionswürdige Punkt – kostenfrei.

Zweitens. Die Finanzierung der einzelnen Frauenhäuser ist auch für den Fall sicherzustellen, dass nicht alle Platzkapazitäten immer voll ausgeschöpft sind, um kurzfristig hilfesuchenden Menschen überhaupt eine flexible Aufnahme zu ermöglichen.

Drittens. An dieser Stelle sollen zusätzlich auch ein möglicher Beratungsbedarf sowie speziell zugeschnittene Zufluchtsmöglichkeiten unabhängig vom Geschlecht mit einbezogen werden.

Ich freue mich nach einer möglichen Überweisung auf die Beratung im Ausschuss. – Vielen …

Moment! Kurz vor Schluss habe ich noch die Bitte an die CDU-Fraktion, Herrn Laschet etwas mitzuteilen, der im Rahmen der gestrigen Haushaltsdebatte Frauenhäuser, Frauenpolitik oder Gleichstellung als „bla, bla, bla“ abgetan hat.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das hat er aber nicht gesagt!)

Das steht auch so in der Presse. – Ich gehe davon aus, dass die CDU-Fraktion im Ausschuss entsprechend konstruktiv mitarbeiten wird. Darum wollte ich noch gebeten haben. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Steininger-Bludau das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere die der Piraten und da insbesondere lieber Redner der Piratenfraktion, Herr – entschuldigen

Sie bitte, dass ich Ihren Namen nicht so parat habe – Olejak! Bevor ich mit meinem Redebeitrag beginne, möchte ich Ihnen eine kleine Nachhilfe geben. Es geht bei der Gesamtproblematik nicht nur um sexualisierte Gewalt, sondern auch um körperliche und psychische Gewalt. Bei allen Diskussionen sollten Sie diese beiden Elemente von Gewalt in Ihr Vokabular einbauen.

(Marc Olejak [PIRATEN]: Reden wir allge- mein von Opfern!)

Zunächst einmal: Mit der Grundaussage und auch mit der Kernaussage des Antrags haben Sie recht. Aber ich darf daran erinnern, dass am 11. November 2011 – ja genau, am 11.11., und das ist kein Karnevalsscherz – die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gemeinsam beschlossen haben, die Landesregierung zur Entwicklung einer umfassenden Gesamtstrategie unter dem Titel „Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ aufzufordern. Dieses Vorhaben war bereits in den Koalitionsvereinbarungen angeregt worden.

Akteurinnen und Akteure aus Politik und Verbänden, auch Frauen aus der Szene haben sich seitdem mit Herzblut und Sachverstand in vielfältigen Zusammenkünften mit diesem Landesaktionsplan beschäftigt. Nach gemeinsamer Beschlussfassung ist durch das Ministerium ein Rechtsgutachten an Prof. Dr. Rixen in Auftrag gegeben und von ihm auch erstellt worden.

Wir, die SPD-Fraktion dieses Hauses, halten gemeinsam mit der Landesregierung an unserem langfristigen Ziel fest, mit einer gesetzlichen Regelung eine verlässliche und bedarfsgerechte Finanzierung von Frauenhäusern zu verankern. Auf diesem Wege würden wir wirklich allen von Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern ohne bürokratische Hindernisse kostenlos Zuflucht in einem Frauenhaus gewähren.

Wie gesagt, die Problematik ist seit Langem erkannt, und es wurde und wird daran gearbeitet.

In der letzten Sitzung der Steuerungsgruppe im September wird der Aktionsplan dargelegt. Daraus werden die weiteren politischen Schritte abgeleitet. Ihre zur Beschlussfassung angeführten Punkte sind dort allesamt berücksichtigt.

Hierzu noch eine kleine Anmerkung, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten: Nicht die Landesregierung sollte aufgefordert werden, Verantwortung zu übernehmen, sondern wir als Parlament.

Um noch kurz auf den allseits bekannten Inhalt Ihres Antrags zu sprechen zu kommen: Bitte überprüfen Sie Ihr Zahlenmaterial. Sie behaupten, dass ein Tagessatz im Frauenhaus 65 € beträgt. Ich bin Mitbegründerin und Personalchefin des Frauenhauses Castrop-Rauxel. Bei uns beträgt der Tagessatz 30 €. Dies ist auch der Mittelwert der Frauenhäuser

in Nordrhein-Westfalen. Künstlich hochgesetzte Zahlen, die sehr konstruiert wirken, konterkarieren den Zweck, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Fazit: im Antrag nichts Neues, alles in Arbeit und möglicherweise vor dem Abschluss.

Der Überweisung an den Fachausschuss stimmen wir natürlich zu. Ich freue mich auf die Diskussion dort. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion hat als nächster Redner Herr Kollege Kern das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gewalt gegen Frauen, Gewalt in Familien ist in unserem Land gesellschaftlich und politisch Gott sei Dank geächtet. Das ist gut so. Leider kommt Gewalt gegen Frauen aber noch viel zu häufig vor, ist an der Tagesordnung.

Über die Parteigrenzen hinweg haben wir seit den 90er-Jahren in Nordrhein-Westfalen ein flächendeckendes Netz an Zufluchtsstätten, den Frauenhäusern, unterstützt, eingeführt und finanziert. Sie sind im Landeshaushalt zurzeit – das ist bekannt – mit vier Personalstellen pro Haus finanziert. Die Kommunen finanzieren ebenfalls. Viele Bürgerinnen und Bürger engagieren sich ehrenamtlich mit Beiträgen und Spenden dafür, dass eine plurale Angebotsstruktur aufrechterhalten werden kann. Auch Frauenberatungsstellen gibt es flächendeckend in unserem Land. Sie machen eine ausgezeichnete Arbeit.

Ein wichtiger Schritt für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und Kinder war die Einführung des Gewaltschutzgesetzes mit der Möglichkeit der Wohnungsverweisung der Gewalttätigen. Auch dass häusliche Gewalt nun ein Offizialdelikt ist und jede Gewaltanwendung zur Anzeige gebracht wird, hat zu wesentlich mehr Rechten der Betroffenen geführt. Da haben wir eine gute Entwicklung.

Ich möchte mich für die CDU-Fraktion an dieser Stelle ausdrücklich bei den Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern und in den Beratungsstellen bedanken, die eine hervorragende Arbeit machen.

(Beifall von der CDU)

Auch der Polizei gebührt Lob. Die Kolleginnen und Kollegen, die rausfahren, den Erstkontakt bei häuslicher Gewalt haben, kennen die Familien oft schon, weil sie wiederholt dorthin fahren müssen. Das ist ein sehr anstrengender Job.

(Beifall von der CDU)

Sie können „den Frauen mit den blauen Flecken“, die Angst davor haben, einen Anzeige zu machen, jetzt besser helfen; denn die Polizisten übernehmen diese Aufgabe.

Das Frauenhaus ist nie als Dauerwohnsitz gedacht gewesen. Im Gegenteil: Ein Neuanfang auf eigenen Füßen ist das Ziel. Der Aufenthalt im Frauenhaus soll stabilisieren und dabei helfen, das Leben neu zu ordnen. Das ist eine anstrengende Aufgabe.

Über die Forderung eines Bundesgesetzes und eines Landesgesetzes zur Finanzierung von Frauenhäusern haben wir an dieser Stelle schon häufig diskutiert. Gerade heute hat vor dem Landtag zu diesem Thema eine Demonstration stattgefunden.

Die Rechtsexperten haben uns zu diesem Thema unterschiedliche Einschätzungen geliefert. Am Ende entscheiden wir, die Politik.

Im aktuellen rot-grünen Koalitionsvertrag steht:

„Daher wollen wir ein Landesgesetz auf den Weg bringen, das eine verlässliche und bedarfsgerechte Finanzierung von Frauenhäusern in ihrer Aufgabenvielfalt verankert und eine Förderung aus einer Hand sicherstellt.“

(Zuruf von den PIRATEN: Aha!)