Protokoll der Sitzung vom 03.12.2014

Im Übrigen kann ich nur sagen: Wenn Ihnen die Pro-Kopf-Finanzierung in 2010 zu niedrig erschienen ist, warum haben Sie dann zu Ihrer Regierungszeit daraus keine Konsequenzen gezogen?

Und: Wenn Sie die Studiengebühren gerne wieder einführen möchten, Frau Freimuth, warum haben Sie dann heute keinen entsprechenden Antrag vorgelegt?

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich kann Ihnen auch sagen, warum: Sie trauen sich nicht, das zu machen, weil Sie wissen, dass Sie im Land damit überhaupt nicht gut ankommen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die Jammerei hinsichtlich der Ausgaben für Wissenschaft und Forschung in NRW ist vollkommen deplatziert; denn gerade unser Einzelplan ist in den letzten Jahren im Verhältnis zum Gesamthaushalt überproportional angestiegen. Schauen wir uns doch einmal alleine die Ausfinanzierung des Hochschulpaktes über die gesamte Laufzeit an. Von 2007 bis 2023 werden in Nordrhein-Westfalen über 10 Milliarden € für zusätzliche Studienplätze ausgegeben. Mehr als 5 Milliarden € fließen aus Landesmitteln. Das ist eine gigantische Summe. NRW hat sich hier nicht wie andere Bundesländer – ich nenne da Hessen, Thüringen, Sachsen oder SachsenAnhalt – in der Vergangenheit aus der Verantwortung gestohlen.

Die Übernahme des BAföG durch den Bund bedeutet Mehreinnahmen von 204 Millionen € im Einzelplan 06 – übrigens unter anderem zur Kofinanzierung des Hochschulpaktes – und 72 Millionen € wiederum im Einzelplan 05.

Insofern können wir dem Antrag der Piratenfraktion in Bezug auf die QVM heute nicht folgen, da wir das Geld aus dem BAföG tatsächlich nicht zweimal ausgeben können.

Lieber Herr Berger, liebe Frau Freimuth, wirklich haarsträubend ist die Behauptung, wir wollten unter anderem mit den Programmen wie „Fortschritt NRW“ in die Forschungsfreiheit der Hochschulen eingreifen. Eine solche Behauptung, die Sie immer wieder tätigen, ist wirklich jenseits von Gut und Böse.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei aller Wertschätzung, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP: Wer heute noch nicht weiß, vor welchen großen gesellschaftlichen Herausforderungen wir politische Konzepte entwerfen müssen, gehört einer politischen Generation von vorgestern an. Wir fördern mit diesen Programmen sowohl Projekte als auch Strukturen der Forschung für Nachhaltigkeit. Damit schaffen wir im Übrigen die Voraussetzungen dafür, an den aktuell in die gleiche Richtung weisenden Förderprogrammen des Bundes und der EU zu partizipieren.

Wissenschaft soll zentrale Beiträge zu umfassenden technischen, sozialen und ökologischen Innovationen liefern. An vielen Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Land tut sie dies schon. Das ist nicht zuletzt ein gesellschaftlicher Auftrag. Dabei entstehen auch ein wirtschaftlicher Vorteil und zusätzliche Arbeitsplätze. Das widerspricht komplett Ihrer Annahme, externe Geldgeber könnten sich künftig wegen der Forschungsstrategie des Landes zurückziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Ihre Einlassungen zum Haushalt 2015 sind weder ein seriöser Beitrag zur Einhaltung der Schuldenbremse, noch tragen sie auch nur ansatzweise dazu bei, die Hochschulen bei der Bewältigung ihrer gesellschaftlichen Aufgaben zu unterstützen.

Wir haben es zusammen mit den Hochschulen geschafft, den gewaltigen Kraftakt der Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs reibungslos über die Bühne zu bringen. In der mittelfristigen Finanzplanung haben wir sichergestellt, dass für die weiterhin steigenden Studierendenzahlen bis zum Jahr 2023 ausreichend Studienplätze zur Verfügung stehen.

Darüber hinaus haben wir als zweites Bundesland neben Baden-Württemberg ein zusätzliches Masterprogramm aufgelegt. Dieses beinhaltet 65.000 Plätze bis 2020 und wird mit 10.000 € pro Platz finanziert, ohne dass dadurch weniger Bachelorstudiengänge geschaffen würden.

Deshalb können Sie jetzt noch so viele Haare in der Suppe suchen, wie Sie wollen. Es wird Ihnen nicht gelingen, darüber hinwegzutäuschen, dass dieser Hochschul- und Wissenschaftshaushalt, der seit 2010 um fast 2 Milliarden € gesteigert werden konnte, eine echte Erfolgsstory ist. Rot-Grün hat hier einen deutlichen Schwerpunkt auf Innovation und Bildungsbeteiligung gesetzt und die Haushaltsmittel vor allem im Sinne der jungen Menschen, die auch in den kommenden Jahren verstärkt in unsere Hochschulen kommen werden, verantwortungsbewusst und zielgerichtet eingeplant. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Seidl. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Dr. Paul.

Vielen Dank. – Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Raum und zu Hause! Ein bewegtes und bewegendes Jahr 2014 in der Hochschulpolitik in Nordrhein-Westfalen liegt nun fast hinter uns. Wir haben ein neues Hochschulgesetz mit einem Namen, der unpassender nicht sein könnte. Das Hochschulzukunftsgesetz hätte genauso ein Hochschulen-weiter-so-wie-bisher-Gesetz genannt werden können.

Ein wirkliches Signal für die Zukunft der Hochschulen wäre es aus unserer Sicht gewesen, Open Access endlich im Hochschulgesetz zu verankern.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir haben im Ausschuss mittlerweile eine Anhörung dazu durchgeführt. Eine überwältigende Mehrheit der Expertinnen und Experten hat eine Aufnahme eines Open-Access-Artikels bezüglich des freien Zugangs zu mit Steuergeldern produziertem Wissen für alle Bürgerinnen und Bürger in das Hochschulgesetz befürwortet.

Die großen Debatten mit der Macht der Verlage will die Landesregierung aber nicht riskieren. Die Zukunft wird sich in der modernen Wissens- und Informationsgesellschaft nicht aufhalten lassen. Das wissen Sie auch. Mutlos haben Sie es aber nicht darauf ankommen lassen, dass Verlage möglicherweise klagen.

Mutlosigkeit ist auch das richtige Stichwort, wenn man sich einmal die Kette der falschen Entscheidungen genauer anschaut. Weiterhin agieren die Hochschulräte an den Hochschulen als die eigentlichen undemokratischen Entscheider.

Auch finanzpolitisch läuft einiges an den nordrheinwestfälischen Hochschulen verkehrt. Die Globalhaushalte werden als Mittel missbraucht, um die chronische Unterfinanzierung der Universitäten und Fachhochschulen zu kaschieren. Wir werden das auch weiter bemängeln. Zudem sind die Globalhaushalte ein wahrer Ausbund an Intransparenz,

(Beifall von den PIRATEN)

auch – und das sei zugegeben – wenn sich die Landesregierung bemüht, hier ein wenig zu steuern. Das begrüßen wir ausdrücklich.

Unsere Kritik am Einzelplan bleibt, dass alle temporären Mittel, wie Hochschulpaktmittel, Hochschulmodernisierung usw., Programme sind, die dem eigentlichen Problem der Hochschulen, nämlich der fehlenden Grundfinanzierung, nicht entgegenwirken. Da reicht es auch nicht, immer und immer wieder zu beteuern, dass die Mittel seit 2010 um über

30 % gestiegen sind. Es ist keine herausragende Leistung, die Mittel zu erhöhen, wenn in gleichem Maße die Studierendenzahlen einen Rekordstand haben.

Wenn man die Programmmittel herausrechnet, dann wird die Bilanz der Landesregierung ernüchternd. Anstatt sich für eine deutliche Mittelerhöhung starkzumachen, werden die alten Kaschierungselemente weiter bedient.

Um das klar festzuhalten, für uns gilt: Bei chronischer Unterfinanzierung ist die leistungsorientierte Mittelvergabe abzuschaffen. Diese macht nur dann Sinn, wenn man das on top zu der auskömmlichen Grundfinanzierung der Hochschulen als Wettbewerbselement sieht.

Deswegen muss ein Plan – man könnte sagen: Masterplan – her, wie die Grundfinanzierung der Hochschulen strukturell gesteigert und verstetigt werden kann. Da reichen die Hochschulpaktmittel allein nicht aus. Denn wenn man die aktuelle Logik des Wettbewerbs der Hochschulen untereinander und international einmal genauer analysiert, dann ist die Stärkung des Wissenschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen nicht nur in der Spitzenforschung zu sehen, sondern vor allem in der Grundlagenforschung und in der Vielfalt des Fächerkanons an den Hochschulen – Vielfalt als Stärke.

Wir halten die Kritik von Union und FDP für berechtigt,

(Beifall von Dr. Stefan Berger [CDU])

wenn sie sagen, dass trotz Rekordstudierendenzahlen der Etat in Gänze sinkt. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die ideologische Haltung von Union und FDP in der Hochschulpolitik einfach komplett von vorgestern ist.

Nachdem wir in der ersten Aussprache im Ausschuss wieder eine Studienbeitragsdebatte ertragen mussten, wollen wir es mal konkreter machen als CDU, FDP, SPD und Grüne und haben im Haushalts- und Finanzausschuss eine Erhöhung der Studienqualitätsmittel auf insgesamt 400 Millionen €, also um 151 Millionen €, beantragt.

Rot-Grün muss den Hochschulen, den Angestellten und den Studierenden erklären, warum Ihnen eine bessere Ausstattung nicht gewährt wird und die Studienqualität in der Summe sinkt. Unser Änderungsantrag und die damit verbundenen Mittel würden direkt den Studierenden, den Angestellten und Fakultäten zugutekommen. Aber da sind wir wieder bei der anfangs beschriebenen Mutlosigkeit.

Wir haben im Hochschulgesetzverfahren gehört, dass es SPD und Grünen bei den Hochschulen um die Verantwortung des Landes geht. Doch dazu gehört es eben auch, beherzt die Qualität an den Hochschulen zu stärken. Ich hatte es schon im Ausschuss gesagt – auch hier in der Debatte bleibe ich dabei, Frau Freimuth hat es gerade wieder ein

drucksvoll demonstriert –: Der Schrei nach Studiengebühren von Schwarz-Gelb ist von SPD und Grünen provoziert worden. Da drückt man nur einen Buzzer, und bei Schwarz-Gelb taucht sofort wieder „Studiengebühren“ auf, ein Thema, das – ich kann es nur noch einmal sagen – mittlerweile völkerrechtswidrig ist, UN-Pakt 1973.

Wer die Hochschulen nicht auskömmlich ausstattet, bietet den Befürwortern somit eine Plattform, und wir haben wieder den Buzzer. Eine grundlegende Änderung auch der intransparenten Globalhaushalte müsste her. Aber dieses tote Pferd des New Public Management wird von der Landesregierung offensichtlich freudig weitergeritten. Eine Bologneser Sauce, die verdorben ist, macht man nicht besser, indem man Parmesan drüberstreut, rhetorisch gesprochen.

Wie immer in der Geschichte werden sich solche Maßnahmen aber irgendwann überholen. Das Kaschieren der gravierenden Mängel in der Grundmittelzuweisung wird uns nachhaltig um die Ohren fliegen.

Zu guter Letzt muss man die Landesregierung auch mal loben; denn durch die Verhandlungen zum Hochschulpakt III kommen endlich Mittel, um Masterplätze zu schaffen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Danke, Herr Bell. Eine Mastergarantie für alle Studierenden, die es wünschen, ist allerdings noch nicht in Sicht. Auch hier sind Sie mutlos.

Lassen Sie mich zusammenfassen:

Erstens. Die Hochschulen in NRW sind nicht ausreichend finanziert.

Zweitens. Rot-Grün verharrt in der Mängelverwaltung trotz historisch hoher Studierendenzahlen.

Drittens. SPD und Grüne wollen die Qualität der Studienbedingungen und der Lehre nicht verbessern.

Viertens. Rot-Grün betreibt eine Augen-zu-unddurch-Politik mit dem neuen Hochschulgesetz.

Fünftens. Trotz eines Kodex „Gute Arbeit“ wird es weiterhin Befristungspraktiken an den Hochschulen geben. Hierfür trägt die Landesregierung die Verantwortung. Das Personal gehört zurück in den Landesdienst. Das ist kein Staatsdirigismus, aber es schützt vor Marktdiktat.

Sechstens. Die Landesregierung verweigert sich, Akzente bei der zukünftigen Aufstellung der Hochschulen durch Open Access zu setzen.