Protokoll der Sitzung vom 04.12.2014

Dafür brauchen wir Ihren CDU-Antrag nicht. Wahrscheinlich – das ist meine Annahme – soll er mehr der Profilierung der CDU bei diesen Vereinigungen und Verbänden dienen, als wirklich den Flüchtlingen zugutekommen. Daher lehnen wir diesen Antrag ab. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Yetim. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Herr Kollege Bas.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst bei den Kommunen, christlichen Kirchen, muslimischen Gemeinden, jüdischen und anderen Religionsgemeinschaften, Wohlfahrtsverbänden,

Hilfsorganisationen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und privaten Initiativen für ihr bewundernswertes Engagement in der Flüchtlingsarbeit bedanken.

(Allgemeiner Beifall)

Nun werden Sie sich fragen, warum ich gerade so ausführlich meinen Dank ausgesprochen habe. Das hat zuallererst mit der hohen Bedeutung der Thematik für unsere Gesellschaft zu tun, aber auch mit dem Antrag der CDU, der sich in der Darstellung des Sachverhalts bei fast allen gerade genannten Gruppierungen bedankt, nur den Muslimen diesen Dank irgendwie vorenthält. Sonst hätten Sie diese natürlich in Ihrer langen Aneinanderreihung der Akteure noch einmal genannt.

Ich kann Ihnen an dieser Stelle versichern, dass auch die Muslime in unserem Land das Schicksal der Millionen Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak im In- und Ausland nicht kaltlässt. Hier einige Beispiele aus NRW:

Zwei arabische Moscheegemeinden aus Münster beraten seit einiger Zeit syrische Flüchtlinge. Sie sind ihnen mit Dolmetschertätigkeiten und Seelsorge behilflich. Den Kindern wird Unterricht in der arabischen Muttersprache und in Deutsch angeboten. Zudem gehen regelmäßig Hilfstransporte in die Krisenregion.

Die türkisch-islamische Gemeinde aus Greven bietet nicht nur Erstberatung in Behördenangelegenheiten an; die Frauengruppe der Moschee kocht auch regelmäßig für Flüchtlinge.

Türkische und marokkanische Moscheegemeinden aus Iserlohn sammeln regelmäßig medizinische Hilfsgüter und Babynahrung, um sie auf die lange Reise in die Flüchtlingslager nahe der Krisengebiete zu schicken.

Dies und noch einiges mehr findet ehrenamtlich tagtäglich in NRW statt, ohne dass wir das immer mitbekommen.

In meinen Gesprächen mit dem Kreis der Düsseldorfer Muslime habe ich herausgehört, dass viele dieser Aktionen bisher nicht ganz so koordiniert sind, wie das hätte sein sollen, und dass sie durchaus mehr Organisation und Hilfe gebrauchen könnten. Genau an diesem Punkt muss man die Hilfsbereitschaft unterstützen –

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

zum einen durch die Stärkung der ehrenamtlichen Arbeit und zum anderen durch den Einbezug in die vielen Netzwerke, in die nicht alle Gemeinden immer mit einbezogen sind. Mit dem Zeigefinger auf diese Gemeinden zu zeigen, zeugt eher von schlechter Erziehung als von politischem Stil.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Dies kann man auch noch an einigen anderen Stellen in dem Antrag ablesen. Dort stehen Sätze wie:

„Den Mitbürgern muslimischen Glaubens und ihren Organisationen kommt in dieser Situation auch Verantwortung zu. Denn viele Flüchtlinge in Deutschland sind Muslime.“

Das Ganze wird noch vehementer im Teil II, in dem es heißt:

„Diese Beiträge einzufordern, ist eine wichtige landespolitische Aufgabe.“

Ihrer Auffassung nach geschieht anscheinend nicht genügend in Sachen Flüchtlingshilfe bei den muslimischen Gemeinden; deshalb müsse der Staat das von den Musliminnen und Muslimen einfordern. Dass sich muslimische Gemeinden im Gegensatz zu den Kirchen und Wohlfahrtsverbänden fast ausschließlich aus Spenden ihrer Mitglieder finanzieren und dort viel ehrenamtlich gearbeitet wird, ist der CDU wohl entgangen – ebenso, dass das ehrenamtliche Engagement immer von der Freiwilligkeit

der Menschen ausgeht und schon gar nicht mit Nachdruck vom Staat eingefordert werden kann.

Dass das Dialogforum Islam, welches das Land zusammen mit den muslimischen Organisationen unter anderem zu sozialen Themen eingerichtet hat, hier Abhilfe schaffen kann, haben Sie in dem Antrag richtigerweise benannt. Soweit ich weiß, ist das Dialogforum Islam mittlerweile auch an den Gesprächen zu dieser Thematik beteiligt.

Das Highlight Ihres Antrags kommt aber erst, indem Sie in diesem Kontext radikale islamistische Vereine aufzählen, die terroristische Strukturen unterstützen, statt Flüchtlingen zu helfen. Ja, davon muss man sich distanzieren. Sie zeichnen in Ihrem Antrag aber zusammen mit den vielen anderen Punkten ein Bild von Musliminnen und Muslimen, welches nicht positiv ist.

Eigentlich hätten Sie mit diesem Antrag echte Brücken bauen können, zumal Sie sich als CDU seit einiger Zeit verstärkt den Muslimen als Partei des Glaubens anbieten. Das dürften Sie heute hiermit grandios vergeigt haben.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Ich möchte mit einem Zitat des Vorbeters der türkisch-islamischen Gemeinde in Greven enden:

Für uns ist nicht wichtig, was sie für einen Glauben haben. Für uns ist wichtig, dass unser Glaube uns verpflichtet, zu helfen.

Das wissen wir wertzuschätzen. Daran knüpfen wir an.

(Beifall von Regina Kopp-Herr [SPD])

Den Antrag der CDU in dieser Form lehnen wir als grüne Fraktion ab. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bas. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Stamp.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen zu danken, die dazu beitragen, den Flüchtlingen in dieser für uns alle nicht ganz einfachen Situation zu helfen. Es ist toll, dass das über Glaubensgrenzen und über ethnische Grenzen hinweg passiert.

Es ist auch die Pflicht des Landes, mit den entsprechenden Rahmenbedingungen dazu beizutragen, dass die Flüchtlinge geschützt werden. Wie ich hier mehrfach gesagt habe, müssen wir auch konzeptionell dafür sorgen, dass eine humanitäre Unterbringung von Flüchtlingen möglich ist. Herr Minister, ich würde mir an dieser Stelle etwas mehr Schneider

und etwas weniger Jäger wünschen. Das würde der Arbeit hier sicherlich guttun.

(Beifall von Serap Güler [CDU])

In dem Antrag der Union wird nicht nur den Ehrenamtlichen und den Organisationen, die sich hier in der Flüchtlingshilfe einbringen, gedankt, sondern auch die Frage angesprochen, wie Flüchtlinge vor terroristischen Organisationen geschützt werden können. Wir haben mitbekommen, dass es in vielen Einrichtungen Christen und Jesiden gibt – dazu haben wir auch Anfragen gestellt –, die Angst vor radikalen Salafisten haben. Vor allem wissen wir aber auch, dass die überwältigende Zahl der Muslime in den Flüchtlingseinrichtungen Angst vor radikalen Islamisten hat.

Deswegen brauchen wir eine genaue Unterscheidung zwischen den radikalen Islamisten und den Muslimen, die sich häufig in dieser Situation befinden.

Ich habe das gerade in meinem Wahlkreis erlebt. Es ist erst ein paar Tage her, da mussten wir dort für eine Flüchtlingsfamilie eine andere Wohnung suchen, weil sie in dem Stadtteil, in dem sie ursprünglich unterkommen wollte, jeden Tag voll verschleierte Frauen und salafistisch gekleidete Männer gesehen und Angstzustände bekommen haben, weil das genau das war, wovor sie geflohen sind. Deswegen haben wir dann andere Unterkünfte gesucht und gefunden. Dabei hat es sich um muslimische Familien gehandelt, die diese Angst hatten. Das nur als Beispiel, um zu zeigen, wo entsprechende Sensibilität angebracht ist und wo wir dafür sorgen müssen, dass sowohl sinnvoll gegen die Extremisten vorgegangen wird als auch ein vernünftiger Schutz organisiert wird.

In dem Antrag ist das angesprochen. Ich hätte mir an der einen oder anderen Stelle präzisere Aussagen gewünscht. Ich hätte es auch sinnvoller gefunden, den Antrag in den Ausschuss zu überweisen, um dort entsprechende Verbesserungen anbringen zu können. Ein paar der Kritikpunkte, die hier von den Kollegen angesprochen worden sind, teile ich auch. Gleichwohl bin ich mit dem Grundanliegen, das die CDU hier vorgetragen hat, sehr einverstanden. Deswegen werden wir als FDP-Fraktion bei der direkten Abstimmung zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Stamp. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Marsching.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause. Die Unterbringung

von Flüchtlingen ist eine große Aufgabe – zunächst einmal für die Flüchtlinge selbst, dann für die Helferinnen und Helfer vor Ort und auch für die Religionsgemeinschaften, vor allem aber für die staatlichen Institutionen, denn diese haben einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen.

Wir haben in den letzten Wochen sehr intensiv über die Flüchtlingsproblematik diskutiert. Ich hoffe und glaube daran – ich bin ein gutherziger Mensch –, dass wir uns alle endlich der großen humanitären Aufgabe, die wir hier haben, bewusst geworden sind.

Zum CDU-Antrag. Sie bedanken sich für das Engagement der Religionsgemeinschaften. Aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. So entsteht der Eindruck, dass den islamischen Verbänden die gleichen Mittel zur Verfügung stehen würden wie den christlichen Religionsgemeinschaften. Hm! Aber schlimmer ist, dass in Ihrem Antrag – der Kollege Bas hat das gerade schon gesagt – der Eindruck entsteht, dass Sie Religionsgemeinschaften zwar aufzählen, aber die Muslime immer ausgenommen sind. Am Ende steht immer: Auch die Muslime müssen sich engagieren. Ich hoffe, dass das von Ihnen nicht so gemeint ist. Aber wie gesagt: Gut gemeint ist manchmal nicht gut gemacht.

Dann sprechen Sie das Dialogforum Islam an. Der Integrationsausschuss hat sich schon mehrfach mit diesem Thema beschäftigt. Das ist auch gut so. Das Thema wird jetzt auch im Dialogforum Islam besprochen. Wir begrüßen das. Da jetzt vorzugreifen und zu sagen, es müssten nach einer ersten Gesprächsrunde Ergebnisse folgen, ist zu früh.

Sie sprechen sich weiter dafür aus, dass die Landesregierung mit allen Mitteln gegen Organisationen, die terroristische Zwecke unterstützen, vorgehen soll. Natürlich muss man gegen radikale Organisationen vorgehen, und zwar egal, ob sie aus dem linksextremistischen, dem rechtsextremistischen

oder aus irgendeinem anderen extremistischen Lager – auch dem der Muslime – kommen.

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)