Protokoll der Sitzung vom 13.09.2012

Dieser ganze Antrag scheint mir also eine Farce zu sein. Wir haben versucht, aus dieser Farce mit unserem Änderungsantrag zumindest noch etwas zu machen. Am Anfang hatten wir überlegt, hier einfach darauf hinzuweisen, dass Ihr Antrag völlig überflüssig ist, weil die Landesregierung schon alles macht, und den Antrag abzulehnen. Dann haben wir aber überlegt, das nicht zu tun, sondern die Interessen des Handwerks, die wir wie Sie im Auge haben – das ist ja vernünftig; das ist überhaupt keine Frage –, mit den Notwendigkeiten der Verkehrssicherheit zu verbinden. So ist unser Änderungsantrag auch aufgebaut, dem die Piraten jetzt auch noch beigetreten sind.

Wir berufen uns übrigens auf Herrn Wittke als ehemaligem Verkehrsminister – wenn Sie bei Herrn Ramsauer durch sind, sollten Sie einmal mit ihm sprechen –, der da noch näher ist. Er hat genau davor gewarnt, dass die Kleintransporter unter 3,5 t eine sehr hohe Unfallgefahr mit sich bringen – übrigens im Wesentlichen durch Übermüdung der Fahrer. Das liegt alles schriftlich vom Verkehrsminister Wittke vor. Er ist jetzt nicht im Saal, aber gehört Ihrer Fraktion an. Vor oder nach dem Gespräch mit Herrn Ramsauer sollten Sie also vielleicht noch mit Herrn Wittke reden. Das ist in dieser Fragestellung möglicherweise auch erhellend.

Wenn Sie das gemacht hätten, gäbe es überhaupt keine Antwort auf die Frage, warum Sie dann unserem Änderungsantrag nicht zustimmen. Man kann hier nur auf eine Idee kommen, wenn man Herrn Laschets Presseinterviews der letzten Wochen gelesen hat. Herr Laschet, Ihr neuer Landesvorsitzender, hat immer betont, man müsse die Wirtschaftskompetenz der Union jetzt deutlich steigern. Hier stellen Sie einen Antrag, in dem Sie schreiben, was der Zentralverband des Deutschen Handwerks will, und nicht auf die Verkehrssicherheit eingehen. Die Verkehrssicherheit ist Ihnen offensichtlich egal. Wenn Sie Ihre Wirtschaftskompetenz steigern wollen, ist das vielleicht auch nur hinderlich.

Wenn das das Vorgehen ist, Ihre Wirtschaftskompetenz zu steigern, nämlich zulasten der Verkehrssicherheit, wünsche ich nur noch: Gute Nacht! Ich glaube nicht, dass Sie damit wirklich weiterkommen und besonders viel Zufriedenheit bei der Bevölkerung und zukünftig Wählerstimmen erreichen werden. Aber wenn das Ihr Weg ist, dann sei es Ihr Weg. Ich werde dem nicht entgegentreten.

Vielmehr werbe ich für den Antrag der drei Fraktionen, der jetzt vorliegt. Da verbinden wir in der Tat die Interessen des Handwerks mit den Interessen der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. Ich halte das für sehr gelungen. Ich denke, dem kann möglicherweise auch die FDP noch zustimmen. Dann hätten wir eine ziemlich große Mehrheit im Landtag Nordrhein-Westfalen. – Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Bischoff. – Dem Pult nähert sich der Sprecher der Grünen für Verkehrspolitik, Herr Kollege Klocke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Bergmann von der CDU, wir hatten Ihnen ja angeboten, diesen Antrag zusammen zu machen, weil es durchaus Gemeinsamkeiten in den Anträgen gibt. Die Rückmeldung, die uns erreichte, war: Es gibt zwar Gemeinsamkei

ten, aber Sie haben ja eine eigene Mehrheit. SPD und Grüne können das ja gemeinsam beschließen.

Es geht bei der heutigen Debatte um einen Ausgleich zwischen auf der einen Seite Handwerker- und Wirtschaftsfreundlichkeit – das haben Sie angesprochen – und auf der anderen Seite – das haben Sie leider vergessen – um Verkehrssicherheit. Es geht darum, die Sicherheitsinteressen der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer zu schützen. Wenn Sie den Verkehrssicherheitsbericht, den der Kollege Bischoff eben angesprochen hat, erstellt im Jahre 2004, letztlich veröffentlicht erst zum Jahresbeginn 2006 vom damaligen Verkehrsminister Wittke, gelesen hätten, dann wüssten Sie, dass das, was SPD und Grüne in ihrem Änderungsantrag geschrieben haben, exakt das ist, was 2006 Ihr damaliger Verkehrsminister gefordert hat, nämlich 3,5 t als Ausnahmeregelung für Handwerkerinnen und Handwerker und die Erweiterung des Radius.

Wir kommen ja den Handwerkern entgegen. Bisher gilt ein deutlich geringerer Radius. Wenn wir von einem Radius von 50 km, wie es bisher der Fall ist, auf einen Radius von 150 km gehen, dann kommen wir dem Handwerk eindeutig entgegen. Wenn ich Unternehmer wäre, ohne sozusagen den Blick auf andere Aspekte des täglichen Daseins zu werfen, dann würde ich sagen: Freigabe für alles ist letztlich für mein Unternehmen das Beste, möglichst kostenfrei halten, möglichst keine Abgaben, möglichst keine Maut, möglichst keine Verkehrssicherheit im Blick haben. Das kostet alles nur.

Aber wir sind das Parlament, die gewählte Legislative, und wir haben die Aufgabe, einen Interessenausgleich herzustellen. Und der Interessenausgleich zwischen Verkehrssicherheit und Handwerker

freundlichkeit ist niedergelegt im Änderungsantrag, den SPD und Grüne und jetzt auch mit Unterstützung der Piraten auf den Weg gebracht haben. Wir sagen, es braucht eine Fahrtenschreiberpflicht für Handwerkerfahrzeuge ab 3,5 t, und wir erweitern entsprechend den Radius.

Von daher sind Sie von der CDU eingeladen, uns zu unterstützen. Es ist bereits gesagt worden, dass diese Linie in Berlin geteilt wird. Insofern wäre es gut, wenn Sie sich einmal bei Ihren Berliner Kollegen kundig machen würden. Wir werden dort mit Sicherheit nicht blockiert werden.

Herr Bergmann, Sie können ruhig eine Zwischenfrage stellen. Sie sind die ganze Zeit am Monologisieren. Sie dürfen mir gerne eine Frage stellen, wenn Sie möchten, oder wir tauschen uns später aus.

Die Linie der Vernunft in dieser Frage ist das, was wir in dem Antrag vorgeschlagen haben. Die Einladung geht an CDU und FDP, das entsprechend zu beschließen. Ich finde, das ist ein gutes Signal an das Handwerk, aber auch an die Verkehrssicher

heit. Wer sich ein bisschen damit beschäftigt, bekommt mit, wie viele schwere Lkw-Unfälle und auch Kleintransporterunfälle wir ständig haben. Da muss man sich nur die „Aktuelle Stunde“ vom WDR ansehen oder die Zeitungsberichte lesen. Das ist leider Alltag auf unseren Straßen. Deswegen sind wir dagegen, dass wir sozusagen alles freistellen, sondern wir wollen eine Fahrtenschreiberpflicht grundsätzlich für Fahrzeuge von 2,8 t, wie die EU das sagt, und mittels einer Ausnahmeregelung für Handwerker in einem begrenzten Radius für Fahrzeuge von 3,5 t. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Klocke. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Bombis.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist die zweite Rede, die ich in diesem Hause halten darf, und ich muss schon sagen, dass ich einigermaßen irritiert bin.

(Minister Ralf Jäger: Das legt sich!)

Nach einem solchen Verfahren, das ich eben erleben musste, befürchte ich, dass ich auch noch nach geraumer Zeit irritiert sein werde.

Das Problem ist, man bereitet sich ja – das wird Ihnen ähnlich gehen – ein wenig auf so eine Rede vor, gerade wenn es erst die zweite ist. Dann höre ich, dass es Gespräche gegeben hat, zu denen alle Fraktionen eingeladen worden sind, um einen gemeinsamen Antrag zustande zu bekommen. Ich bemerke dazu: Mit meiner Fraktion hat niemand geredet.

(Christof Rasche [FDP]: So ist das!)

Ich füge hinzu: Ich habe Kenntnis bekommen von dem Änderungsantrag unmittelbar vor dem Beginn der Debatte, bzw., wie es der Präsident richtigerweise gesagt hat, den Neudruck habe ich noch gar nicht zur Kenntnis bekommen. Das heißt, ich befinde mich im Moment in einer mich etwas verunsichernden Position.

(Zuruf von der CDU: Mit Recht!)

Zum Inhalt möchte ich nur ganz kurz sagen: Selbstverständlich ist uns als FDP-Fraktion massiv daran gelegen, für das Handwerk in seinem Sinne eine Grundlage zu schaffen, dass diese Überbürokratisierung, die sich in Brüssel andeutet, nicht zum Tragen kommt.

Lieber Herr Kollege von der SPD, ich muss Ihnen sagen: Wenn doch die CDU-Position exakt die Position der Landesregierung ist, wie Sie es eben gesagt haben, dann verstehe ich nicht ganz, warum Sie der Auffassung waren, es müsse ein Ände

rungsantrag her. Aber das ist sicherlich Ihr parlamentarisches Recht.

Davon abgesehen muss ich sagen: Der Änderungsantrag, zumindest wenn er in der vorletzten Fassung, die ich habe, zum Tragen käme, besorgt mich in verschiedener Hinsicht. Ich finde schon, dass deutlich gemacht werden muss, dass wir etwas für das Handwerk tun. Ich bin schon der Auffassung, dass es richtig ist, deutlich zu machen, dass es eine Verbesserung für das Handwerk gibt. Ich sage aber offen: Ich bin im Moment nicht in der Lage, zu überblicken, welche mittelständischen Betriebe – und das betrifft dann möglicherweise auch Minister Duin – von so einer Regelung noch belastet werden könnten, Betriebe, die nicht originär zum Handwerk gehören,

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

aber nicht in erster Linie Berufskraftfahrer als Mitarbeiter haben, bei denen ich die Fahrtenschreiberpflicht durchaus nachvollziehen kann.

Von daher gestehe ich freimütig zu: Ich überblicke das nicht in der Gesamtheit, will aber im Namen meiner Fraktion ganz deutlich sagen: Wir werden einer Regelung für das Handwerk und im Sinne des Handwerks nicht entgegenstehen. Ich halte das Verfahren für äußerst bedenklich. Ich glaube aber, dass wir im Sinne der Handwerkerschaft zu einer Verbesserung kommen müssen. Von daher werden wir dem Änderungsantrag unsere Zustimmung geben in der Hoffnung, dass keine weiteren Belastungen für die mittelständische Wirtschaft in anderer Weise damit verbunden sind. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Bombis. – Für die Fraktion der Piraten spricht nun Herr Kollege Fricke. – Herr Kollege Fricke, gehe ich recht in der Annahme, dass dies heute Ihre erste Rede ist.

Dann darf ich Ihnen im Namen des ganzen Hauses dafür guten Erfolg wünschen, wie wir das bei allen tun, die ihre erste Rede halten.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank.

Wir freuen uns auf Ihren Beitrag. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner

haben ja schon einige Fakten klargestellt; aber ich möchte hierzu noch ergänzen.

Dieses EU-Gesetz hat bereits den Bundesrat passiert, und zwar in der Sitzung am 23.09.2011.

Keines der CDU-Länder hatte sich mit Widerspruch zu Wort gemeldet. Daher ist es schon sehr verwunderlich, wenn das Thema jetzt – ein Jahr später! – hier auf die Tagesordnung des Landtags kommt.

Ich möchte ergänzen, dass uns Piraten bei diesem EU-Thema hier ganz andere Dinge am Herzen liegen. In der zur Debatte stehenden EU-Richtlinie geht es versteckt vor allem um Probleme des Datenschutzes und der unzulässigen Überwachung von Menschen.

Um es kurz zu beschreiben: Laut diesem EUGesetzentwurf sollen die Bestimmungen über die Pflicht zur Anwendung von Fahrtenschreibern derart erweitert werden, dass die Lenker unter anderem über georeferenzierte Systeme des Typs GNSS – eine Art interaktives GPS – permanent lokalisiert werden können, und auch eine Fernabfrage soll in Zukunft möglich werden.

Das heißt, es wird offene Schnittstellen geben, die auf große Entfernungen – in etwa 50 bis 100 Meter – über Funk erreichbar und damit noch problematischer als die bisherigen kontaktlosen Fernauslesesysteme sind.

Dem Schutz der Daten wurde hier wenig Aufmerksamkeit gewidmet, ebenso wenig der Tatsache, dass damit jedem Lenker eines betroffenen Fahrzeugs quasi eine elektronische Fußfessel angelegt wird. Und die bitteren Erfahrungen aus der Sicherheitsproblematik bei der elektronischen Gesundheitskarte eGeK, dem ePass und ePerso werden dabei völlig ignoriert. Damit kann Daten-Schindluder getrieben werden.

Wir sehen natürlich auch die Probleme des Handwerks und unterstützen daher den eingebrachten Änderungsantrag. Wir sehen ihn als guten Kompromiss zwischen den Bedürfnissen der Verkehrssicherheit und dem Handwerk an. Den meist kleinen Betrieben sollen durch die Fahrtenschreiberpflicht keine zusätzlichen Kosten entstehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD, der CDU und den GRÜNEN – Zuruf von den PIRATEN: Historisch!)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Fricke. – Wir haben als nächsten Redner den zuständigen Minister der Landesregierung am Pult. Das ist unser Minister Herr Schneider.