Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will, weil Herr Herrmann es angesprochen hat, sofort mit der differenzierten Haltung anfangen, nämlich einer differenzierten Haltung zu Ihrem Antrag, der sich mit den Leitlinien des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherdauer beschäftigt. Da gibt es nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich eine gewisse Differenzierung.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ja, wir gehen differenziert mit Ihren Antrag um. Wir haben eine kritische Position zu dem, was in Berlin veranstaltet wird, allerdings auch zu Ihrem Antrag. Wir lehnen Ihren Antrag gleich ab, und zwar, weil wir uns in einer Phase befinden, in der Details über das Gesetz noch nicht bekannt sind und wir uns über Leitlinien unterhalten.
Nach dem Koalitionsvertrag – ich will versuchen, unsere Position herzuleiten – zwischen CDU und SPD in Berlin war die Umsetzung einer EURichtlinie über Abruf und Nutzung von Telekommunikationsdaten vorgesehen. Durch die EuGHEntscheidung aus dem Jahr 2014 sind nach meiner Ansicht, die auch von meiner Partei mehrheitlich geteilt wird, die Grundlagen für diesen Teil der Koalitionsvereinbarung in Berlin entfallen.
Jetzt versucht die Berliner Koalition, die Vorratsdatenspeicherung stattdessen für den Schutz vor Kriminalität einzusetzen; auch das gehört zu einer differenzierten Betrachtung.
Es geht nicht darum, dass so etwas aus Daffke diskutiert wird, sondern es geht darum, dass der Schutz vor schwerster Kriminalität – wie zum Beispiel vor terroristischen Gewaltakten – durch die Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist verstärkt werden soll, sodass die gespeicherten Daten genutzt werden können.
Ich sage nur, dass das die Motivation war, weiß aber nicht, ob ich in einer endgültigen Abwägung der Dinge zu dem Ergebnis kommen werde, dass dies einen Eingriff in Grund- und Bürgerrechte rechtfertigt. Denn unter Berücksichtigung der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichtes ist es ein – ich sage es einmal so – gewagtes bis sehr schwieriges Unterfangen, das man in seiner Rechtswirksamkeit – auch darum geht es mir ein bisschen – erst anhand der konkreten Gesetzesformulierungen beurteilen kann, nicht aber schon bei der Diskussion über Leitlinien, die die Absicht des Gesetzgebers in Bezug auf die Frage, worum es geht, irgendwie umreißen sollen. Ich glaube, gerade bei einem so komplizierten Thema ist es wichtig, sich mit den Details auseinanderzusetzen.
Es ist auch wichtig, welche formale Rolle uns als Land an der Stelle zugedacht ist; denn es macht für
mich schon einen Unterschied – das ist für uns nachher sicherlich auch hier interessant –, ob es sich um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handelt oder nicht. Das ist nach meiner Meinung zumindest aus den Leitlinien nicht ablesbar.
Schließlich ist es sehr deutlich – das will ich in Richtung der Berliner Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen sagen –, dass es um zwei Dinge geht.
Zum einen geht es offensichtlich den im Bundestag nicht mehr vertretenen bzw. den noch nicht oder sehr wahrscheinlich niemals im Bundestag vertretenen Fraktionen darum, zur eigenen Profilierung hier auf Landesebene Dinge zu diskutieren, die in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers fallen.
Zum anderen wird sicherlich deutlich, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, uns hier über ein Stöckchen springen lassen wollen. Dazu sind wir nicht bereit. Wir sind in der Angelegenheit nicht mit Schnellschüssen – weder in die eine noch in die andere Richtung – unterwegs. Wir wollen uns ein differenziertes Bild machen. Das kann man erst dann, wenn das Gesetz im Wortlaut vorliegt.
Herr Kollege Körfges, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich konnte jetzt anhand Ihrer Äußerungen Ihre Position nicht ganz erkennen. Bei unserem Antrag geht es ja darum, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung abzulehnen. Das ist völlig unabhängig vom Gesetz. Das heißt, es geht um die anlasslose und nicht eingeschränkte, das heißt die gesamte Bevölkerung betreffende Vorratsdatenspeicherung. Das ist der Kontext bzw. das, was wir im Antrag fordern.
Ihre Position dazu habe ich nicht erkennen können, obwohl Sie dazu etwas gesagt haben. Vielleicht können Sie die zum Ausdruck bringen.
Vielleicht ergibt sich dann antwortmäßig das, was Sie womöglich hätten fragen wollen. – Ich will nämlich an der Stelle – da sind wir vielleicht genau an dem Punkt – einräumen, dass der Diskussionsprozess in meiner Partei – wir sind eine Volkspartei, und in einer solchen gibt es ganz unterschiedliche Positionen zu dem Thema – noch nicht abgeschlossen ist. Es ist aber ein sehr schmaler Grat, den die Bundesregierung beschreitet, wenn sie versucht, den Abruf bereits gespeicherter Daten verfassungskonform zu gestalten.
Ich will in dem Zusammenhang auch sagen und für mich ganz persönlich erklären, dass ich an vielen Stellen Bemühungen unternommen werden, Bedenken des Bundesverfassungsgerichts und des EuGH Rechnung zu tragen. Dies trifft zum Beispiel zu auf die Frage des Umgangs mit Berufsgeheimnissen – wobei ich mir als Anwalt die Anmerkung erlauben darf, dass man sich auch da einen umfassenderen Schutz vorstellen kann –; das gilt aber auch für die Frage der Benachrichtigung usw. An diesen Stellen wird versucht, auf die höchstrichterlichen Bedenken einzugehen.
Mir persönlich ist aber nicht klar, wie der Aspekt „fehlender Anlass“ einer verfassungsfesten Regelung zugeführt werden soll. Solange mir das nicht klar ist, bin ich zumindest persönlich dagegen, so etwas gesetzlich zu normieren. Damit ist Ihre Frage, bezogen auf meine Person, hoffentlich beantwortet.
Grundsätzlich möchte ich allerdings hinzufügen: Ich hätte es schöner gefunden, wenn wir uns – und zwar ohne direkte Abstimmung – in einem geordneten Beratungsverfahren mit einem tatsächlichen Gesetz hätten auseinandersetzen können, statt uns hier in Mutmaßungen über ein noch nicht vorliegendes Bundesgesetz bzw. einen noch nicht vorliegenden Bundesgesetzentwurf zu ergehen. Diese Diskussion heute dient nämlich nicht der Klarheit einer nordrhein-westfälischen Position, sondern der Profilbildung einer Partei, die, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten, ganz offensichtlich Existenzängste hat.
Ich glaube auch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass Sie ganz schlechte Ratgeber sind, wenn Sie uns da, bezogen auf Bürgerrechte, aufklären wollen. Ich erinnere nur an den völlig misslungenen Versuch der Einführung einer Onlinedurchsuchung, der, eingebracht und verantwortet vom FDP-Innenminister, vor dem Bundesverfassungsgericht kläglich gescheitert ist.
Ich darf mich dafür bedanken und bin ganz sicher, dass wir noch genügend Gelegenheit bekommen, uns über dieses Thema anderweitig auseinanderzusetzen.
So, jetzt haben wir es geschafft! Noch mal vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Golland das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion um die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist endlich auf der Zielgeraden. Das begrüßen wir als CDULandtagsfraktion ausdrücklich.
Was ist bei diesem wichtigen sicherheitspolitischen Thema bisher passiert? Was sagt die hohe Gerichtsbarkeit?
Der Europäische Gerichtshof hat die bis dato existierende EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung am 8. April 2014 für ungültig erklärt. Dabei hat er aber die Vorratsdatenspeicherung nicht generell für unzulässig erklärt. Im Gegenteil, er hält sie grundsätzlich für ein legitimes Mittel, um schwere Kriminalität zu bekämpfen. Sie muss nur konkreter und ausgewogener formuliert werden.
Ungeachtet des Urteils des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2014 behält jeder EUMitgliedsstaat das Recht, eine Regelung zur Vorratsdatenspeicherung einzuführen, solange diese nicht gegen seine nationale Verfassung verstößt. Eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung ist und bleibt daher auch in Deutschland möglich.
Insbesondere NRW-Innenminister Jäger ist ein Befürworter der Vorratsdatenspeicherung. In Zeiten der schwarz-gelben Bundesregierung ließ er keine Gelegenheit aus, um die Notwendigkeit der Vor
ratsdatenspeicherung auf reißerische Art und Weise zu untermauern. So erklärte Jäger zum Beispiel, dass die Weigerung der früheren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Vorratsdatenspeicherung neu zu regeln – ich zitiere – „mit gesundem Menschenverstand nicht mehr zu erklären“ sei. Das stand am 26.03.2012 in der „BILD“. Sie agiere – ich zitiere – „aus parteipolitischem Kalkül, anstatt sich für die Interessen der Opfer von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch einzusetzen“. – „WZ-Newsline“ vom
Seit das Bundesjustizministerium wieder von der SPD geführt wird, ist diese Kritik merkwürdigerweise jedoch verstummt. In der letzten Debatte zu diesem Thema im Landtag, am 30. Januar 2015, also vor fast genau drei Monaten, durfte Herr Jäger dann aber nicht zu diesem Thema sprechen und verließ vorab den Plenarsaal.
Warum, Herr Jäger? – Weil Landesjustizminister Kutschaty eine gänzlich andere Meinung vertrat und die Spaltung der Landesregierung für alle Beobachter offenkundig machte. Einmal mehr ist sich die Landesregierung – wie zum Beispiel auch beim Thema „Braunkohle“ – nicht einig.
Bundestagsfraktion und Innenminister Thomas de Maizière haben sich klar für das wichtige und notwendige Instrument der Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen und an den gemeinsam beschlossenen Koalitionsvertrag erinnert. Daraufhin hat der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel ein Machtwort gesprochen und den Kritiker in den eigenen Reihen, Bundesjustizminister Heiko Maas, in die Schranken gewiesen.
Nun stellte ebendieser Justizminister am 15. April seine Leitlinien zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung der Öffentlichkeit vor. Das notwendige Gesetzgebungsverfahren soll sich zügig anschließen. Ich erlaube mir, Maas wie folgt zu zitieren: „Wir legen einen Kompromiss vor, um schwerste Straftaten künftig besser aufklären zu können.“ Damit werde man auch höchstrichterlichen Urteilen gerecht. Es handle sich um eine gute Grundlage für die noch ausstehende parlamentarische Beratung, die in der Substanz – Herr Körfges! – aber nicht mehr veränderbar sei.
NRW-Innenminister Ralf Jäger begrüßt den nun gefundenen Kompromiss in seiner Pressemitteilung vom 15. April – ich zitiere – „als ausgewogenen Vorschlag für einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Sicherheitsinteressen des Einzelnen und datenschutzrechtlichen Vorgaben“.
Was sagen Sie nun, Herr Justizminister? Oder haben Sie jetzt den Maulkorb von Herrn Jäger übernommen?